Hallo Egon,
zur Zeit ist alles ziemlich hoffnungslos - zum ersten Mal denke ich darüber nach, ob ein solches Leben, wie es Vater jetzt führt, überhaupt noch lebenswert ist. Er ist aus dem Krankenhaus draußen und ich verbringe seit 4 Tagen meine gesamte freie Zeit (zwischen 5 und 8 Stunden) in der Wohngemeinschaft. Die jungen Damen kommen nicht mit dem regelmäßigen Füttern und Getränke geben klar... Du hattest im Frühjahr mal geschrieben: Hoffentlich kommst du nicht vom Regen in die Traufe....
Nun - man könnte es so bezeichnen. Ich stehe offenbar immer an der falschen Kasse an!
Vater muss natürlich erst mal aus dem Dipiperonrausch heraus. Ich pumpe ihn mit Fresubin voll, gebe ihm Milch mit Schmelzflocken und Zucker, koche Breie und pürriere Obst...es ist mühsam und Zeit raubend, aber wenn er isst, ist es ein kleines Erfolgserlebnis, auch wenn er mich dabei manchmal wie ein Rohrspatz beschimpft (z.B. Sie sind doch das allerletzte, sie Idiot!)
Ich bin irgendwie emotional ausgeblutet, hab keine Contenance mehr...geriet heute mit dem unsympathischen Hausvermieter der WG in einen Kardinalstreit auf offener Straße...er herrschte mich an, ich solle mein Auto wegfahren (ich musste Lebensmittel für Vater ausladen, hatte mehrere große Taschen dabei). Erst versuchte ich noch zu erklären, aber er zeigte keinerlei Verständnis - da brüllte ich plötzlich auch los, leider liefen mir auch die Tränen dabei runter. Sowas ist mir noch selten passiert.
Lebensmittel - wirst du dich fragen. Ja, Lebensmittel. In der WG stellt man sich nicht auf Vaters Zustand ein. Er soll Käsebrot essen...er kann momentan aber nur breiige Nahrung zu sich nehmen und er soll hochkalorisch essen. Das kriegen die nicht hin - kassieren eine Menge Geld, aber kaufen nur das Billigste vom Billigen ein. Am Sonntag war wieder keine Vollmilch mehr im Haus, Haferflocken? Wissen die gar nicht, was das ist...
Es k. . . mich sowas von an! Ich fühle mich verschaukelt - betrogen, belogen.
Aber was nützt's? Also kaufe ich auf eigene Faust und eigene Rechnung hochwertige Lebensmittel für ihn ein und bereite sie ihm zu. Ich kann das natürlich nicht endlos machen, merke schon jetzt, wie die Kräfte (was ist das eigentlich?) versiegen.
Ich will es einfach noch mal versuchen - 1 bis 2 Wochen alles reinstecken, schauen, ob Vater vielleicht doch wieder auf die Beine kommt. "Der ist jetzt aber Pflegestufe 3...!" Das bekam ich gleich nach seiner Ankunft aus der Klinik zu hören. Wer ihn dahin gebracht hat, wird nicht diskutiert. Auch Bemerkungen wie "Ich glaub, so lang lebt der jetzt nimmer.." sind nicht gerade aufbauend. Egon, ich kann nicht mehr. Ich könnte nur noch heulen.
Vater liegt jetzt entweder im Bett oder sitzt in einem Pflegerollstuhl, der ihm aber nicht gehört. Er kann überhaupt nicht stehen, knickt weg und schreit. - Heute hat er unter anderem auch ein paar zusammenhängende Dinge gemurmelt. Trotzdem - ich bin so ohne Hoffnung. Was soll werden?
Ratlos
Leona
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