Ich halte mich selbst nicht mehr aus! Aber vielleicht bin ich einfach schon zu lange im Internet zu Hause oder stehe meiner Realtität selbst im Weg?
Bereits vor vielen Jahren entdeckte ich zum ersten Mal die Möglichkeit, Menschen auch über das Internet kennen zu lernen. Ich loggte mich in diverse Chatrooms ein und sprach (wie dämlich, ich tippte natürlich) mit allen möglichen Leuten über Gott und die Welt. Viele vertrauten mir ihre Ängste und Nöte an, es glich einer Art "Seelencouch", und ich hörte zu, gab Rat und versuchte zu helfen. Schon recht schnell öffnete auch ich mich und berichtete über meine Sehnsüchte und Träume. Teilweise war ich mir derer bis dahin gar nicht bewusst, und ich glaube, einige entstanden auch erst im unmittelbaren Chat mit dem Gegenüber.
Damals betrugen meine monatlichen Telefon- und Onlinekosten weit über 1000 D-Mark im Monat, kaum vorstellbar, wenn ich heute so zurück denke. Heute gibt es Flatrates und wenigstens die finanziellen Sorgen, unter denen ich heute noch mit meinen Abzahlungen leide, fallen weg. Aber etwas anderes ist geblieben: Ich treffe mich nach wie vor mit Frauen, die ich im Internet kennen lerne. Was ich von ihnen will, weiß ich gar nicht so recht, es geht mir nicht (nur) um Sex, sondern ich will erfahren, wer hinter welchem Screenname steckt.
Meine Erfahrung jedoch zeigt, dass ich fast immer auf Frauen treffe, die irgendeinen "Ausweg" suchen. Sie schienen sich ins Internet "geflüchtet" zu haben, um sich ihren wahren Problemen, die ich oft schon beim ersten Kaffee erfuhr, nicht stellen zu müssen. Und ich begann nachzudenken. Was stimmte mit mir nicht, dass ich mich "mittendrin" bewegte und geradezu süchtig auf diesen Chatquatsch war? Ich war nicht einen Deut besser als die vielen Frauen mit ihren Problemen, die einen Mann suchten (und nicht fanden).
Mittlerweile habe ich so etwas wie eine Wesensveränderung an mir festgestellt. Irgendwie habe ich meine Unbefangenheit verloren, auf Menschen im Internet zuzugehen. Sofort denke ich bei wirklich jedem neuen Chatkontakt: "Na, was ist wohl sein/ihr Problem?" Trotzdem treffe ich mich dann und wann noch real mit irgendeiner Frau, von der ich wieder einmal denke: "Die ist normal und könnte etwas sein".
Es ist kaum zu glauben, mit wievielen Internetkontakten ich mich in den letzten 7 bis 8 Jahren getroffen habe. Es waren sicher an die hundert, ich habe sie nie gezählt. Aber was mir jetzt endlich klar wird, ist dass ich selbst zu einer Ware geworden bin. Es war und ist nicht schwer, sich mit vielen Menschen zu treffen, aber genau das ist es, was mich so hat abstumpfen lassen. In der Masse der Begegnungen gehen anscheinend die wirklich besonderen und einzigartigen Menschen unter oder ich bin gar nicht mehr in der Lage, sie zu erkennen.
Irgendwie ist es komisch. Ich denke, dass jemand (wie ich), der virtuell auf der Suche nach einer Partnerin/einem Partner ist, immer weniger in der Lage ist, diesen real auch zu finden. Ich habe den Blick dafür verloren, einen wertvollen Menschen zu spüren. Es mag eine ganz persönliche Erfahrung sein, aber ich glaube, im Internet tendiert man mit der Zeit dazu, einen menschlichen Kontakt wirklich als Ware zu sehen. Ist er/sie morgen ausgeloggt, findet sich sofort ein Ersatz. Sind wir alle oberflächlich geworden durch das Internet-dating?
Übrigens habe ich mich gestern in sämtlichen Single-Börsen und Dating-Seiten abgemeldet. Ich will keinen virtuellen Sorgenmenschen mehr treffen, auch wenn das heißen mag, dass ich alleine bleiben muss. ......
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