Himmel noch mal !!!
Ich bin in eine Alkoholiker-Familie geboren. Wenn ich an meinen Vater denke, denke ich in erster Linie an Bierflaschen und Zigaretten - zwischenmenschlich gesehen an herbe Enttäuschungen, die mich mein ganzes Leben verfolgt haben. Egal, was es war.
Als ich 9 Jahre alt war, brachte meine Mutter einen Scheiß-Satz, weil ich in den Ferien ein paar Tage bei meinen GRoßeltern verbracht hatte und meine Oma mich verwöhnt hatte und ich 3 Kilo mehr hatte als vor.
Es war erniedrigend für mich, mich vor ihren Augen auf die Waage stellen zu müssen, und dann dieser Satz: "Na, da musst Du mal etwas langsamer machen, hast ganz schön dicke Backen gekriegt."
Und ich machte langsamer...aß ab dem nächsten Tag nur noch die Hälfte, Schulbrote entsorgte ich im Abfalleimer in der Schule, Margarine und Butter wurden gänzlich verbannt genauso wie meine bis dato geliebte Pizza am Samstag abend.
Und ich machte weiter, fühlte mich besser, je weniger die Waage anzeigte.
In der Schule wurde ich ab der 5. Klasse zur Außenseiterin, weil nur noch MARKEN zählten. "Was Du hast noch 2 Geschwister? Wie asozial!" "Dein Vater arbeitet auf dem Bau? Naja, da wird aus Dir auch nichts besseres!" Weder Familie, Freunde (wenn ich welche hatte), noch Lehrer griffen ein, geschweige denn sahen überhaupt, was da ablief.
Ich zog mich immer mehr zurück...nahm ich was neues in Angriff, wurde es abgewertet. Wollte unbedingt in nen Jugendchor, weil ich dachte, es würde mir Spaß machen...meine Mutter wertete es immer als "Singstunde" ab. Gab die Sache auf.
Wollte Schlagzeug spielen lernen, schwupps hatte ich ein Keyboard und musste melancholische Lieder wie Donaulied spielen...und das mit 13.
Wahre Freunde hatte ich nie wirklich, haben sich alle ab der 5. Klasse (als Marken mehr wert waren als die Freundschaft) angewandt. Meine ehemals beste Freundin sorgte nach 15 Jahren dafür, dass ich meinen Job verliere.
Als ich nach der 10. die Schule wechselte, wurde die Magersucht schlimmer...weil neue Leute, und die haben mich bewundert, wie schön schlank ich doch sei...also, machte ich weiter. Und es ging bei mir immer um die 46kg-Marke (das war das Gewicht, dass ich nach den paar Tagen bei Oma dann plötzlich hatte). Es hat ne Weile gedauert, bis ich dahinter gekommen bin, was die Ursache war. Ein wenig nachgeforscht, wusste ich es dann.
Das ging soweit, dass ich auf der Klassenfahrt zusammengebrochen bin...ich war bis ich 24 Jahre alt war, magersüchtig.
Erst die Tatsache, dass ich schwanger bin, hat mich aus diesem Kreislauf geholt, weil ich meinem Ungeborenen Kind das nicht antun wollte. Es tat verdammt weh zu sehen, dass die Waage immer mehr nach oben ging. Hatte zum Schluß 15 Kilo mehr, hab mir damals aber zum ersten Mal gesagt, die krieg ich auch schnell wieder runter. Stillen konnte ich eh nicht, weil Streß mit Kindsvater und alles drumherum. Also, konnte ich wieder hungern...bis ich mich selbst gefragt habe, ob ich als schlechtes Vorbild für meine Tochter dienen will. Und seitdem ist Schluß damit. Jetzt habe ich das Problem, dass ich nicht zunehme. Meine magische Linie liegt bei 50kg jetzt (bei 160cm), aber ich erreiche sie nicht, egal was ich tue. Immerhin bin ich jetzt bei knapp 49kg, aber ständig rutscht es auch wieder nach unten, nicht weil ich es will oder mir gar den Finger in den Hals stecke (das habe ich nie gemacht), aber es will einfach nicht.
Zum Glück habe ich seit Beginn der Ausbildung, seit 9 Jahren, eine Freundin, die wirklich hinter mir steht und immer ein offenes Ohr hat - wie auch umgekehrt.
Pschychologische Hilfe werde ich nicht in Anspruch nehmen, brauche ich nicht. Das was ich für mich brauche, ist ein Cut - ein Schlußstrich, und zwar ein entgültger und ein Neuanfang...und dazu brauche ich keinen Mentor oder Coach oder derlgeiche, dazu brauche ich meinen starken Willen, den ich derzeit entwickel, um endlich aus all dem Scheiß rauszukommen.
Und jetzt fang ja nicht an, ich sei schwach. Wäre ich das, dann hätte ich mir wie mein Cousin längst das Leben genommen. Wäre ich schwach gewesen, hätte ich all das nicht auf mich genommen, sondern mich von der Welt verabschiedet.
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