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Mein alter Herr Eberhard - Folgethread

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  • Re: Mein alter Herr Eberhard - Folgethread


    Hallo, bin die Angelika, habe schon mal von meinen Vater und Mutter geschrieben. Vater hat Alzheimer, und nimmt erst jetzt Tabletten Aricept 5mg, obwohl er schon Ende zweiten Stadium ist. Er ist auch Uneinsichtig, er ist ja gesund.Meine Mutter hat Parkinson, und so wie es aussieht auch Alzheimer. Sie versteckt alles und findet es dann nicht mehr. Und ich hab es geklaut.Ich soll jetzt Clozapin abends geben, hat jemand Erfahrung damit? Ich habe sie jetzt im Pflegeheim angemeldet. Habe ein schlechtes Gewissen, aber ich weiß nicht,wie lange ich das durchhalte. Meine Eltern wollen nicht ins Pflegeheim, es heißt dann wieder ich will sie loshaben um alles zu erben.Ich weiß nie was jetzt abgeht wenn ich morgens hochkomme. Meine Mutter stachelt meinen Vater auf, das lauter Diebe in den Haus sind und mein Vater glaubt es. Sie hat meinen Vater schon Zweimal aus der Wohnung geworfen, weil sie ihn nicht erkannt hat.Und mein Vater geht weil er denkt das er nicht ihr Mann ist. Muß jetzt Schluss machen
    Grüße Angelika

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    • Re: Mein alter Herr Eberhard - Folgethread


      Hallo Angelika,

      wenn man von einem 3-Stadien-Modell ausgeht, ist Ihr Vater vmtl. nicht am Ende des zweiten Stadiums – eher am Anfang. Den Acetylcholinesterasehemmer Aricept würde man m.E. auch nicht mehr am Ende des zweite Stadiums verordnen sondern eher Memantine (Ebixa, Axura). Das kommt natürlich immer auch auf den behandelnden Arzt an – wie ich selber jetzt leider feststellen musste.

      Wie sieht es denn mit der sog. basalen Alltagskompetenz aus? Können Vater und Mutter sich noch eigenständig anziehen, waschen, zur Toilette gehen und essen oder ist dafür bereits Hilfestellung erforderlich? Die Einweisung in ein Heim ist m.E. grundsätzlich immer dann erforderlich, wenn Selbst- oder Fremdgefährdung vorliegt. Man kann natürlich die Kranken auch „vorzeitig“ in einem Heim unterbringen, z.B. wenn – wie das bei Ihnen der Fall zu sein scheint – der Alltag zu sehr aus den normalen Rahmen fällt, so dass man als betreuende oder pflegende Person überfordert ist bzw. aus Gründen der Berufstätigkeit oder ähnlichem keine optimale Betreuung garantieren kann (im fortgeschrittenen Stadium kann ohnehin eine Einzelperson nicht mehr pflegen. Da braucht man zwei bis vier Personen).

      Clozapin ist ein sog. atypischen Neuroleptikum, dass in Bezug auf motorische Störungen weniger Nebenwirkungen aufweist als die typischen Neuroleptika. M.E. wäre vielleicht Risperdal besser – aber das muss der Arzt entscheiden. Diese Stoffe wirken m.E. nicht von heute auf morgen sondern erst nach einer gewissen Zeit und schalten Wahnideen und Halluzinationen weitestgehend ab, so dass die psychotischen und oft sehr belastenden Begleitumstände bestimmter Demenzen wie Morbus Alzheimer stark gemildert werden. Ich hatte gehofft, dass der Arzt meines Vaters derlei verordnen würde, was dieser aber nicht tat. Dazu muss allerdings gesagt werden, dass Vater auch noch eine Reihe von Blutdruck- und Fettsenker erhält vor dem Hintergrund einer Arteriosklerose, die immer noch auch sein Herz bedroht, auch wenn er sich subjektiv körperlich für sehr fit hält und auch flott läuft.

      Das Problem mit der Heimeinweisung wird irgendwann auch auf uns (Mutter und mir) zukommen. Zunächst aber bin ich auf der Suche nach einer Lösung für das Autofahrproblem und habe auch schon privat einen guten Tipp bekommen.
      Dazu noch mal: Wenn der Patient ein selbst- oder fremdgefährdendes Verhalten aufweist, MUSS der behandelnde Arzt m.E. einweisen bzw. auf eine Einweisung hin zuarbeiten. Hierzu ist i.d.R. (Ausnahmen wären akute aggressive Schübe und dergleichen mit Notarzt oder Polizeieinsatz – dann geht das wegen der akuten Gefahrensituation sofort) auch der Gang zum Vormundschaftsgericht erforderlich. Dort wird dann ein Betreuer bestimmt, der das regelt. Wenn man sich selber mit der Rolle eines Betreuers nicht identifizieren kann, kann auch ein staatlicher Betreuer die Interessen des Patienten regeln. Es spielt also im Gefährdungsfall keine Rolle, was der Patient will oder nicht will. Er ist ja ab einem bestimmten Stadium fortgeschrittener Realitätsverkennung gar nicht mehr in der Lage seine objektiven Interessen wahrzunehmen.

      Sehen wir es mal so (ich nehme als Beispiel meinen Vater):

      Nach einer OP Ende 2005, die Vater mit zwei Bypässen in den Beinen versorgte, kam es postoperativ in dem Krankenhaus zu starker Verwirrung und Desorientierung. Nach der Entlassung aus der Klinik normalisierte sich Vaters Verhalten wieder. Dennoch ging er zum Arzt um sich besonders wegen des Autofahrens zu erkundigen, ob er nicht ein Problem mit dem Gehirn habe. Sehr verantwortungsbewusst – wie mein Vater immer war. Es wurde getestet mit negativen Ergebnis. „Kein Demenz“ rief Mutter am Telefon und wir waren sehr erleichtert.

      Im Sommer 2006 saß er, nachdem es im Juli zwei denkenswerte Auffälligkeiten gab in der Stube und las in einem Hausarztbuch über Demenzen. Daraufhin ging er zum Arzt, um sich einer Reihen von Tests in bestimmten zeitlichen Abständen zu unterziehen.

      Im April 2007 stellte der Arzt dann nach mehreren Tests – auch mit Hilfe eines Brainscans – die Diagnose Morbus Alzheimer und verordnete einschleichend Reminyl (derzeit auf 16 mg/die).

      Im Juli 2007, nachdem ich von einem Unfall genesen war, besuchte ich meine Eltern und fand Vater positiv verändert – aber es kam auch zu ersten Halluzinationen und die vorher sich schon anbahnenden Befürchtungen von Diebstahl und Sachbeschädigung gegen anonyme Fremde wurden intensiver, blieben aber noch einigermaßen erträglich. Vater hatte noch Krankheitseinsicht, bestritt aber nachdrücklich einen Zusammenhang seiner Demenz mit den Halluzinationen und den angeblichen Diebstählen, usw. Der Arzt hatte ihm aber weiterhin das Autofahren unter bestimmten Auflagen erlaubt und es ging auch gut. Ich aber weigerte mich ab Juli 2007, mit Vater zu fahren weil ich über fachliche Recherchen herausgefunden hatte, dass demente Patienten spätestens ab Diagnose kein Kraftfahrzeug mehr führen sollten.

      Jetzt, im Juli 2008, fehlt bei Vater jegliche Krankheitseinsicht und er hängt neuerdings an seinem Auto wie an einem Fetisch. Was also 2006 mit Sicherheit noch möglich war – vielleicht auch noch 2007 – ist jetzt unmöglich: Vater von der Notwendigkeit zu überzeugen, dass er aus Krankheitsgründen nicht mehr autofahren sollte. Hier müssen also jetzt Tricks ran und falls die nicht helfen muss der amtliche Weg versucht werden.

      Und nun folgt die Moral aus dieser Geschichte. Sie besteht schlicht und einfach in der Frage: Was würde mein Vater aus dem Jahr 2006 zu dem Mann sagen, der sich 2008 noch voll fahrtüchtig hält? Was würde ein seinerzeit verantwortungsbewusster Mensch zu der „Erscheinung“ sagen, zu der er selber Jahre später geworden ist?

      Wir müssen im Interesse der Person handeln, die damals noch halbwegs gesundheitlich intakt war und nicht im Interesse der Hirngespinste, die den fortgeschrittenen Demenzkranken mehr und mehr beherrschen. So gesehen ist man auch kein „Verräter“, selbst wenn man die Polizei einschalten muss. Versäumt man das und es kommt zu einem schweren Unfall, bleibt man sein Leben lang auf Selbstvorwürfe sitzen. Ich habe mich zu diesen Gedanken regelrecht durchringen müssen weil mir das alles sehr schwer fällt und ich Vater gerne einige Illusionen erhalten möchte. Das geht aber nicht bei Illusionen, die zu selbst- und fremdgefährdenden Handlungen führen können.

      Liebe Angelika, setzen Sie das Clozapin ein – reden Sie evtl. mit dem Arzt über Risperdal als Alternative – und warten Sie ab. Derweilen bereiten Sie weiterhin die Heimunterbringung vor. Informieren Sie sich bitte aber auch durch Selbsthilfegruppen. Mehr kann ich Ihne z.Z. nicht raten.

      Kopf hoch – wir schaffen das!
      Ich sitze immer wieder in meinem Brunnen der Verzweiflung, in meinem Ghetto der Angst. Aber ich finde dort auch immer wieder heraus. Das Leben geht immer weiter.

      Liebe Grüße
      Egon-Martin

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      • Re: Mein alter Herr Eberhard - Folgethread


        Hallo, danke das Sie geantwortet haben.Mein Vater will abends immer nach Hause gehen, obwohl er zuhause ist. Man muß ihm sagen wo das Schlafzimmer oder das Bad u.s.w. ist.Anziehen klappt soweit noch, aber er geht meistens mit Klamotten und Schuhe ins Bett.Er pinkelt oft in die Wohnung, dann behauptet er jemand anders wars.Er kann auch sehr schlecht laufen, er trippelt mehr.Meine Mutter hat ja auch Parkinson und jetzt ist die Alzheimer dazugekommen.Meine Mutter ist nicht in der Lage zu kochen(sie hat schon Plastikschüssel und Papiertüten als Eintopf gekocht). Sie hat schon Schwierigkeiten sich anzuziehen, sie ist schon mit dem Nachthemd spazieren gegangen.Oder hat zwei Strumpfhosen übereinander an, oder ein Hausschuh und ein Straßenschuh. Auch mit dem Finanziellen blickt sie nicht mehr durch,aber das will sie nicht wahrhaben.Sie versteckt alles, wenn sie es nicht mehr findet, ist es geklaut worden.Aber noch mal mit dem Autofahren,ich habe zu Vater gesagt, das Autofahren für über 80 jährige nicht mehr erlaubt ist, und er hat es mir abgekauft. Gut ich weiß nicht wie alt ihr Vater ist. Aber es ist sehr gefährlich,das sie noch Autofahren.Reden sie mal mit der Polizei, wenn was passiert z.B. er vergisst wo die Bremse ist, machen sie sich ein Leben lang Vorwürfe. Da ich zwei Alzheimer habe, weiß ich nicht ob ich das unbeschädigt überlebe. Ob ich nicht selber in die Nervenklinik komme. Es ist nicht leicht, wenn mann saubermacht, und es wird hinter einem getuschelt das man ein Dieb ist.Aber es ist schön wenn man einmal sich alles von der Seele reden kann.Ich wünsch ihnen alles Gute und machen Sie das mit den Autofahren. Grüße Angelika

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        • Re: Mein alter Herr Eberhard - Folgethread


          Hallo Angelika,

          ich antworte Ihnen auch gerne weiterhin, so es meine Zeit erlaubt – bin ja gerade wieder bei mir zuhause und arbeite u.a. an einer Tätigkeitsliste für meinen nächsten Besuch bei meinen Eltern.

          „Wir müssen jetzt aber los“, sagt Vater oft – meistens nach dem Nachmittagstee. Darauf Mutter: „Wo müssen wir denn hin?“ Vater: „Nach Hause.“ Mutter: „Aber wir sind doch zuhause.“ ....

          Derlei Gespräche kenne ich bis zum Überdruss. Mal lässt er sich durch einen Rundgang durch das Haus überzeugen – mal schweigt er nur mürrisch vor sich hin. Ab und an hilft ein kleiner Spaziergang – aber dann geht es manchmal nach kurzer Zeit wieder von vorne los. Und dann kann seine Stimmung wieder umschwenken und er ist ganz aufgeräumt und humorvoll – was leider immer seltener vorkommt. Schließlich will er schlafen und dann ist der Tag oft schon vor 21 Uhr zuende. Zuweilen steht er nachts auf, weil er „los will“. Es gelingt aber bislang, ihn wieder ins Bett zu bringen. Er ist bei alledem – gottlob - bislang nicht aggressiv, so dass man mehr schlecht als recht damit leben kann – leben muss. Auch Ihre Schilderung der Abweisung eigenen Fehlverhaltens auf andere oder diese Diebstahlsbezichtigungen kenne ich – habe das ja auch in diesem Thread z.T. aufgezeichnet (bitte mal ganz lesen). Zur Toilette findet Vater noch – wie lange noch, ist die Frage. Dann kommt die Inkontinenzunterhose, die man ihm vmtl. auch „auf Umwegen“ einreden muss. In der Tat – der paranoide Starrsinn dieser Kranken ist m.E. oft das größte Problem.

          Ihre Eltern gehören ganz klar in ein Heim. Sie sind mit zwei derartig kranken Menschen völlig überfordert. Außerdem liegt m.E. in erhöhtem Maße Gefährdung vor – Denken Sie an den Herd, das Besteck (Messer!), usw. Leider ist mein Vater noch zu clever (wie furchtbar sich das anhört „noch zu clever“ – ich sollte doch froh darüber sein) um ihn mit erfundenen nur mündlich erzählten Vorschriften der Art, über 80-jährige dürften nicht mehr autofahren – zu bluffen. Das muss ich raffinierter machen.

          Ich wünsche Ihnen viel Kraft und das alles mit dem Heim klappen möge!

          LG
          Egon-Martin

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          • Re: Mein alter Herr Eberhard - Folgethread


            Kurze Notiz zu einem Telefonat, dass ich vorhin mit meinen Eltern führte:

            Vater war am Telefon sehr moderat, sogar wieder etwas homorvoll. Dagegen waren allerdings die Wortfindungsstörungen wieder häufiger.

            Was mir aufgefalen ist: In den Zuständen der paranoiden Verwirrtheit ist der Redefluss Vaters fast frei von Wortfindungsstörungen - in "moderaten Phasen" hingegen häufen sich diese Störungen. Möglicherweies hängt das mit einer erhöhten Aktivität des dopaminergen Systems während Halluzinationen und wahnhaften Gedanken zusammen während bei Nachlassen dieser Aktivität auch dieser "mentale Doping-Effekt" zurückgeht, der für ein inhaltlich zwar wirres aber formal korrekteres Reden sorgt.

            Ich wage die - natürlich laienhafte - Hypothese einer "Zuflucht" des Gehirns zu einem Wahnsystem, um eine pseudostabiles Weltbild zu errichten. (Philosophisch könnte man die provokante Frage hinzufügen, ob nicht unser aller Weltbild nur ein Konstrukt ist, das sich vom Wahnkonstrukt nur durch die stimmigere bzw. an die Umwelt angepaßtere Art und Weise seines Agierens vom psychotischen Weltbild unterscheidet.)

            Egon-Martin

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            • Re: Mein alter Herr Eberhard - Folgethread


              Auch wenn man den Tag nie vor dem Abend loben soll, so fiel mir nach dem heutigen Telefonat doch ein kleiner Stein vom Herzen.

              Mutter mußte am 23.07. zum Augenarzt (Routineuntersuchung), der ca. 6 km entfernt praktiziert. Bislang ist Vater dorthin mit Mutter mit seinem Auto gefahren. Jetzt aber haben sie öffentliche Verkehrsmittel benutzt, was Vater akzeptiert hatte.

              Auch wurde endlich (!) der Antrag an die Pflegeversicherung abgesendet, Mutter hatte sich dazu Hilfe im Rtahaus gesucht und gefunden.

              Vater wirkte am Telefon etwas niedergedrückt. Es ist wieder so warm. Aber auch etwas humorvoll, machte eine witzige Bemerkung. Etwas stockende Rede.

              Gruß
              Egon-Martin

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              • Re: Mein alter Herr Eberhard - Folgethread


                Gemäß heutigem Telefonat gibt es etwas Positives zu berichten:

                Morgen kommt der Gutachter vom MD der Krankenkasse. Darüber sprach ich noch kurz mit Mutter. Vater scheint der Sache gelassen entgegen zu sehen, er meinte sogar witzig, er werde den schon "um die Ecke bringen". Auf meiner Farge, was das zu bedeuten habe, meinte er nur: "Wenn er das Haus verläßt, muss er ja um die Ecke gehen."

                Erstaunlich, zumal das Telefonat in der Zeit lag, in der Vater häufig seine Anwandlungen hat und immer "los" will, usw.

                Ich kann leider z.Z. hier nicht weg, da ich selber krank und in ärztlicher Behandlung bin. So wird denn auch das leider immer laute sog. Altstadtfest in der Kleinstadt meiner Eltern an diesem Wochenende ohne mich stattfinden müssen. Da wird nachts durchgefeiert ohne Rücksicht auf die Gesundheit besonders der älteren Anwohner. Woanders hin wollen die Eltern in dieser Zeit nicht, da sie Angst haben, Betrunkene könnten was beschädigen.

                Gruss
                Egon-Martin

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                • Re: Mein alter Herr Eberhard - Folgethread


                  Hallo Egon,
                  wie schön, dass dein Vater so "wach" reagiert - das lässt doch Hoffnung zu, wenn auch bei der vermuteten Erkrankung nur eingeschränkt. Erhoffst du dir vom MD eine Pflegeeinstufung? So wie du den Zustand deines Vaters schilderst, denke ich, dass es jetzt noch nicht dazu kommt. Mein Vater hat übriges die 2 erhalten (und ich atme auf, du weißt, warum!). Mach dir wegen des Altstadtfestes nicht zu viele Gedanken. Dein Vater weiß es doch noch einzuordnen und es wird schnell vorbei gehen. Doch wie steht es mit deinem eigenen Gesundheitszustand? Erschöpfung? Hoffentlich nichts Ernstes? Alles Gute wünscht
                  Leona

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                  • Re: Mein alter Herr Eberhard - Folgethread


                    Hallo Leona,

                    was die Pflegeeinstufung betrifft, so war es der Hausarzt meiner Eltern, der Mutter am 03.07.08 fast entrüstet sagte „Was? Sie haben noch keine Pflegestufe beantragt? Ihr Mann könnte schon Pflegestufe 2 haben. Sie verschenken Geld!...“. So ungefähr hat Mutter es mir berichtet.

                    Daraufhin wurde der Antrag angefordert, nach einiger Zeit mit Hilfe eines Experten im Rathaus ausgefüllt und abgesendet. Kürzlich meldete sich dann die Krankenkasse und vereinbarte einen Termin für den MD. Der ist heute und ich bin gespannt, wie es ausgegangen ist. Mutter will heute noch anrufen bzw. ich werde später nachfragen.

                    Es ist richtig, dass für Pflegestufe 2 die Voraussetzungen fehlen, da Vater noch im Besitz seiner basalen Alltagskompetenz ist. Bei Pflegestufe 1 könnte es besser aussehen, denn immerhin kommt Vater alleine weder mit dem Einkauf noch mit der regelmäßigen Nahrungszubereitung zurecht. Vor allem würde er seine Medikamente vergessen. Zudem benötigt er Hilfe beim Einkleiden. Zeitweilige Desorientierung macht es manchmal auch immer wieder erforderlich, ihn ins Bett zu geleiten (bisher aber eher selten). Für Stufe 1 sind zweimal 45 Minuten Hilfe zu erreichen. Der Einkauf, das Wäschewaschen, usw. lässt mit Leichtigkeit die einen 45 Minuten erreichen. Problematischer sind in der Tat die anderen 45 Minuten Grundversorgung. Es ist aber auch zu fragen, wie weit die Zeit zählt, die immer wieder zur Beruhigung Vaters, wenn er wieder mit seinen Diebstahlsverdacht, seinen Halluzinationen anfängt, usw. benötigt wird.

                    Darüber hinaus ist es auch möglich, einen Grundbetrag nur bei Demenz zu erhalten, wenn von zwei Listen je ein Merkmal zutrifft – und das ist bei Vater der Fall, wie der Hausarzt bestätigen kann.

                    Daher sehe ich das alles nicht ganz so pessimistisch. Und wenn es auch gar nichts bringen sollte, so ist doch wenigstens ein Vorgang gestartet worden, auf den man später wieder aufsetzen kann. Mir ging es als treibende Kraft hinter diesen Dingen v.a. auch darum, Hemmschwellen abzubauen, sich Hilfe zu suchen, die Sache mehr als bisher auch extern zu thematisieren. Leider neigen meine Eltern nämlich dazu, sich bzgl. dieser Krankheit einzukapseln.

                    Ich frage mich auch, wie es denn Angehörige von rein psychisch erkrankten Menschen machen, die allemal ihre basale Alltagskompetenz behalten. Zahlt da die Pflegeversicherung gar nichts?

                    LG
                    Egon-Martin

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                    • Re: Mein alter Herr Eberhard - Folgethread


                      Heute war der Gutachter des MD bei meinen Eltern. Rd. eine Stunde stellte er Fragen und ließ sich das Bad zeigen.

                      Vater wurden einige Fragen zu aktuellen Ereignissen wie die Olympischen Spiele, usw. gestellt. Die meisten Fragen konnte er nicht beantworten. Fragen, ob er seine Frau erkenne, usw. konnte er positiv beantworten. Dann hat der Gutachter noch die Beine und Füße wg. evtl. Ödemen bei Vater angesehen. Es gab keine. Mutter gab die Daten des Zeitaufwandes an; der Gutachter notierte alles. Zum Schluß meinte er, es bestünde wohl Aussicht, etwas Geld zu erhalten.

                      Vater wirkte am Telefon leicht verärgert und sagte mir, dass ihm das alles nicht gefallen habe. (Naja - wichtig war, das er kooperiert hat und nicht aggressiv wurde.) Natürlich stellte das auch eine Konfrontation mit seiner von ihm geleugneten Krankheit dar und kratzte somit an seinem Weltbild. Daher ist der Ärger verständlich - aber manchmal geht es nun mal nicht anders.

                      Irgendwie erinnert mich Vaters Verhalten an Schilderungen über alkoholkranke Menschen. Diese leugnen auch vehement, ein Problem zu haben (hier Alkohol) während alle andere es längst gemerkt haben. Beim Alkoholiker aber kann es etwas nutzen, ihn sich selber zu überlassen, damit er auf seinen Tiefpunkt kommen kann und von dort her eine Wende einleitet. Beim Demenzkranken ist leider auch das nicht möglich. Ein Grund mehr zum Verzweifeln.

                      Gruß
                      Egon-Martin

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                      • Re: Mein alter Herr Eberhard - Folgethread


                        Lieber Egon-Martin

                        Mit großem Interesse habe ich diesen Thread bisher verfolgt und viele parallelen zu meine demenzkranken Schwiegermutte (83 - inzwischen Pflegestufe III) erkannt.
                        Das mit dem MD ist so eine Sache. Ich habe hier die Erfahrung gemacht, das es sich auf jeden Fall lohnt sich das Gutachtern von der Krankenkasse zuschicken zu lassen. Als Schwiegermutter in die Stufe II sollte hatten wir einen sehr komischen Begutachter. So wurde sie zB. gefragt welche Währung wir haben. Die prompte Antwort ihrerseits war Rubel. (Sie kommt gebürtig aus Pommern und ist von den Russen vertrieben worden) Daraufhin hat der Begutachter seine Brieftasche geöffnet und einen 5-Euro-Schein herausgeholt. Erst wusste sie nicht welche Währung das wahr - nach einiger Zeit hat sie dann aber doch den Euro erkannt. Im Gutachten stand dann später das die Antwort sofort von Rubel auf Euro verbessert worden ist. Es wurde sozusagen als Versprecher dargelegt. Viele Sachen die im Gutachten standen stimmten einfach so nicht und natürlich wurde die Höherstufung daraufhin abgelehnt. Wir haben sofort Widerspruch eingelegt und bei einer neuen Begutachtung - mit einer anderern Person zur Begutachtung - sofort ohne Probleme die II erhalten zumal wir auch von unserer behandelden Ärztin ein Attest vorlegen konnten.

                        Ich drücke Ihnen die Daumen für die Einstufung.
                        viele Grüße

                        B. Manske

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                        • Re: Mein alter Herr Eberhard - Folgethread


                          Liebe(r) B. Manske,

                          vielen Dank für`s Daumendrücken. Die Widerspruchsoption haben wir ja noch für den Fall einer Ablehnung.

                          Ich hatte aber den Eindruck, dass - lt. Mutter - der Gutachter fair und kompetent gewesen ist. Wenn die KK klug ist, regelt sie das auch gleich optimal, da sie sich dann weitere Arbeit wegen eines Widerspruchs ersparen kann.

                          LG
                          Egon-Martin

                          Kommentar


                          • Re: Mein alter Herr Eberhard - Folgethread


                            Lieber Egon-Martin

                            Wir haben die Erfahrung gemacht, das die Krankenkasse sich ausschließlich auf das bezieht, was durch den MD im Gutachten auftaucht. Diese mag von Krankenkasse zu Krankenkasse auch noch unterschiedlich sein.
                            Trotzdem viel Glück
                            Bettina Manske

                            Kommentar


                            • Re: Mein alter Herr Eberhard - Folgethread


                              Aktueller Bericht über den Zustand meines Vaters, wie er sich mir bei meinem letzten Besuch (bis 04.09.08) darbot (eine speziell zum Thema „Halluzinationen“ geschriebene Fassung werde ich in dem Thread „Gesprächstherapie bei Halluzinationen?“ verfassen):

                              Gesamteindruck: etwas verbessertes Gesamtbefinden (vmtl. wegen des Rückgang der sommerlichen Temperaturen und dem Abflauen des Touristenstroms, der u.a. für erhöhte Lautstärke im Hochsommer gesorgt hatte in der Kleinstadt – die Eltern wohnen in der Fußgängerzone), aber immer noch kurzfrequente Stimmungswechsel, infantile Schuldprojektionen, Realitätsverkennung, Halluzinationen, demenzbedingte Paranoia

                              Aphasie: Wortfindungsstörungen wieder etwas stärker; nach einem Spaziergang gab Vater auf die Frage, wo er gewesen sei, an, er sei dort gewesen, wo die toten Leute liegen. Auf meine Frage ob es der Friedhof gewesen sei, bejahte er dieses.

                              Apraxie: unverändert, aber noch milde

                              Agnosie: selten, keine Veränderung

                              Wahrnehmungsstörungen, Illusionen, Halluzinationen: Halluzinationen fast regelmäßig schon vor 11h00 vormittags – überwiegend nur im Garten – nicht bei Spaziergängen in der Stadt, usw. Hierzu siehe ggf. o.g. Thread.

                              Reduplikative Paramnesie: selten

                              Capgras: nicht vorhanden

                              Psychotische Störungen: unverändert; kümmert sich kaum noch um den Garten mit der Begründung, das sollen doch „die“ machen, die sowieso immer dort sind. Erst als ich mit dem Rasenmähen begann, zeigte er wieder etwas - aber nur kurzdauerndes - Interesse. Geht aber oft zur Garage, um zu sehen, ob sein Auto noch vorhanden ist. Sagte einmal, er möge nicht mehr in seinem Haus wohnen, es gefalle ihm alles nicht mehr. Konfabuliert von einem „Stab“ der funktionieren müsse, so wie es in der Arbeit war (er war früher Vorgesetzter). Wenn er nachts aufwacht, hält er manchmal Mutter für seine Sekretärin und fragt, ob bestimmte Lieferungen schon eingetroffen seien, usw. (derzeit aber nicht vorgekommen) Dieser Zustand hält aber nicht lange an. Keine Krankheitseinsicht.

                              Aggressivität: abgesehen von wenigem und nicht lautem Gemecker ab und an, keine Aggressionen

                              Depressionen: etwas humorvoller als beim letzten Mal, aber immer wieder auch dieses „Brüten“ mit missmutigem Gesicht – nicht ganz so häufig wie im Hochsommer

                              Agitiertheit: unverändert

                              Ängste: etwas weniger dem aktuellen Anschein nach – stellt sich den imaginierten Personen im Garten, geht auf sie zu, hält sie zuweilen für inkompetente Angestellte (weil sie immer noch nicht den Rasen gemäht hatten)

                              Eigen- und Fremdgefährdung: unverändert, man muss aber zusehends ein Auge auf das Auto haben

                              Medikation: unverändert

                              Physisches Allgemeinbefinden: gut

                              Inkontinenz: keine

                              Nächtliches Umherwandern: wieder rückläufig, innerhalb 14 Tagen kein derartiges Vorkommnis

                              Hygiene: Toilette und Wäsche sauber: gut (basale Altgaskompetenz noch erhalten)

                              Nähere (prosaische) Erklärungen gemäß aktueller Erlebnisse:

                              Bei meiner Ankunft war Vater diesmal besserer Laune als letztes Mal. Erkundigte sich nach der Fahrt und wie es mir gehe (da ich z.Z. in ärztlicher Behandlung bin). Es gelingt ihm zuweilen sogar noch das eine oder andere sog. Fremdwort. Ca. drei Tage – so wie bei früheren Besuchen – herrscht eine fast normale Stimmung (manche kognitiven Defizite sind schon zur Gewohnheit geworden du werden nicht mehr besonders registriert).

                              Dann ist Vater wieder beim Auto, versucht den Wagen zu starten nur um zu sehen, ob der Motor noch läuft. Vom langen Herumstehen und dem Verbrauch durch Bordcomputer und Alarmanlage ist der Akku fast leer. Vater wird unruhig, will seine Werkstatt anrufen, kommt aber mit dem neueren schnurlosen Telefon nicht zurecht, so dass Mutter anruft. Es erschient ein Monteur, dem ich nebenbei und unbeobachtet auf Vaters Demenz hinweise (es geht nur darum Vater zu beruhigen). Der Wagen wird abgeholt und am nächsten Tag mit vollem Akku zurückgebracht. Ich hege Befürchtungen, dass Vater jetzt mit dem Wagen fahren will und gehe zur Polizei. Dort treffe ich auf einen etwas älteren und sehr verständigen Dienststellenleiter, dessen 74-jährige Mutter ebenfalls an Demenz leidet (diese Krankheit ist offensichtlich enorm häufig unter älteren Menschen vertreten – Tendenz: zunehmend). Ihn habe man schon vorgeworfen, wie er als Polizeibeamter seine Mutter noch Autofahren lasse. Es ist tatsächlich nicht leicht, jemanden, der nicht auffällig ist, das Fahren zu verbieten. Oft ist es dann ein leichter Blechschaden, der zu einer kurzfristigen Einsicht führt, die dann sofort genutzt werden kann, den Wagen zu verkaufen. Wird bei einem solche Unfall die Polizei hinzugezogen, ist es mit großer Wahrscheinlichkeit mit dem Fahren vorbei. Als äußerste Maßnahme kann man sich auch schriftlich an die Verkehrwacht wenden. Das würde dann u.U. zu einer amtsärztlichen Untersuchung führen mit der Resultat der Entziehung der Fahrerlaubnis. Diese Maßnahme sei aber für den Betroffenen – zumal er zig Jahre unfallfrei gefahren ist – sehr hart. Wir kamen dann zu folgendem Lösungsversuch: Vom 03. bis 05.10.08 wird im Rahmen einer Gewerbeausstellung in der Stadt meiner Eltern auch ein Stand der Verkehrswacht zu finden sein. Dort soll Vater mal „spaßeshalber“ einen Reaktions- und Sehtest machen und mit den Leuten der Verkehrswacht reden. Das weitere wird sich dann finden. Gespräche über das Autofahren haben mir gezeigt, dass Vater – leider abgesehen von seiner nicht vorhandenen Krankheitseinsicht – durchaus noch Verantwortungsbewusstsein hat (er ist ein vorsichtiger Fahrer) und möglicherweise richtige Schlüsse aus den Tests ziehen könnte (z.B. ganz allgemein, dass man ab 80 Jahren kein Auto mehr fahren sollte, Kosten gesenkt werden, der Wagen noch einige Tausend Euro durch Verkauf einbringen, die Garage anderweitig genutzt werden kann, usw.).

                              Ansonsten gibt es von der diesmal durch eigene Krankheit bedingten kurzen Dauer meines Aufenthaltes bei meinen Eltern nichts zu berichten, was ich nicht schon berichtet habe.
                              Neu ist allerdings, dass Vater gelegentlich eigene Spaziergänge – mit Vorankündigung - macht, von denen er aber bislang immer zeitgerecht zurückkam. Er scheint eigenbrötlerische Tendenzen zu entwickeln.

                              Das Gutachten des MD fiel leider negativ aus. Es fehlen 7 Punkte bis zum Erreichen der Pflegestufe 1 – weil Vaters basale (nicht allgemeine !) Alltagskompetenz noch zu gut ist. Immerhin können monatlich für 200 EUR Leistungen durch Vorlage von Rechnungen/Quittungen erstattet werden.

                              Gruß
                              Egon-Martin

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                              • Re: Mein alter Herr Eberhard - Folgethread


                                Hallo Egon,
                                wenn ich deine Zeilen lese, blicke ich zurück auf den Weg, den ich schon gegangen bin.Ich frage mich, ob in der Parallelität der Verhaltensweisen der Kranken nicht auch eine Lösung stecken müsste. Momentan bin ich allerdings - ähnlich wie Du - selbst erkrankt: eine banale, aber lästige Sommergrippe mit Fieber, Kehlkopfentzündung und dem ganzen sonstigen Programm...(und in der gegegebenen Situation der Vollverantwortung außerordentlich hinderlich)
                                Danke für die PM, auf die ich mich melden werde, sobald es mir etwas besser geht. Dir derweil gute Besserung - und trotz allem: schön, dass dein Vater soweit stabil ist.
                                Herzlichst Leona

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                                • Re: Mein alter Herr Eberhard - Folgethread


                                  Hallo Leona,

                                  Danke für Deine Zeilen und gute Besserung auch Dir. Wenn man Probleme wälzt wie unsereiner, ist das Immunsystem auch immer etwas angegriffen. Da fängt man sich dann schon mal ein paar Viren ein - bei mir war es wohl eine feuchte Bank im Park oder Warten am Bahnsteig. Zusätzlich zum ACE-Reizhusten kommén dann noch Erkältungshusten und Halsschmerzen. Ging bei mir so richtig am Spätnachmittag heute los. Mal wieder eine Gelegenheit für mich, das Rauchen ganz einzustellen :-).

                                  Herzliche Grüße
                                  Egon

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                                  • Re: Mein alter Herr Eberhard - Folgethread


                                    hallo Eberhard, mein Mann wird 81 Jahre . Im letzten 1/2 Jahr hat mein Mann auch wieder einen Schub gemacht. Meinen Sohn hat mein Mann kürzlich auch gefragt in welchem verwandtschaftsverhältnis er zu uns steht. Da war ich auch sehr erschrocken. So schlimm wie bei Dir ist der zustand noch nicht, aber es reicht mir schon. Er hat sich sehr verändert wird
                                    oft sehr aggressiv er kann vieles nicht mehr realisieren. Der Fernseher läuft den ganzen Tag
                                    aber er kriegt vieles nicht mehr mit genauso wenn er Zeitung liest. Ich bin auch etwas verzweifelt,da ich von einem Neurologen keinen richtigen Befund bekomme. Da wird nach seinem namen gefragt und wo er sich im Moment aufhält usw. Ja das kann er dann richtig beantworten. Damit ist es für sden Arzt gelaufen. Wie es zu Hause abläuft und wir die Veränderungen massiv wahrnehmen interessiert den Arzt nicht. Mein Mann hat zusätzlich in den Beinen Ödeme eine Herzschwäche und ein fortgeschrittenes Lungenemphysem.
                                    Ich bin auch 77 Jahre und Diabetikerin . Da kannst du Dir denken,daß es für mich nicht ganz einfach ist. Ich bin manchmal ganz traurig,man hat doch schließlich einen ganz anderen Menschen geheiratet. Wenn man nur einen richtigen oder Arzt fände !
                                    Dir auch alles Gute.
                                    Liebe Grüße Wunneke

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                                    • Re: Mein alter Herr Eberhard - Folgethread


                                      Liebe Wunneke,

                                      Eberhard ist der Aliasname, den ich hier meinem Vater gegeben habe – ich heiße Egon. Ist aber nicht schlimm.

                                      Mein Vater wird auch in rd. zwei Monaten 81 Jahre alt. Meine Mutter ist 79 Jahre alt – also haben wir altersmäßig einen guten Vergleich. Aggressiv ist mein Vater bisher – Gott sei Dank – noch nicht gewesen. Meckereien sehe ich nicht als direkte Aggressivität an, zumal Vater diese nicht oft lautstark von sich gibt. Derlei hat eher eine leicht depressive Färbung.

                                      Medizinische Gutachter stellen Standardfragen, die nicht unumstritten sind, da sie u.a. die Interessengebiete des Kranken nicht berücksichtigen. Mein Vater wurde z.B. vom medizinischen Dienst über die Olympiade befragt und wusste nichts davon zu berichten, da ihn an Sport nur noch etwas Fußball, Autorennen oder Boxen ab und an und immer seltener interessiert. Hätte der Gutachter ihn über Segelfliegerei gefragt – was Vater in seiner Jugend begeistert gemacht hat – so hätte er sich u.a. darüber belehren lassen können, was man z.B. unter Thermik versteht. Diese "alten Dinge" kann Vater durchaus noch halbwegs verständlich erklären. Aber dann hätte es vmtl. noch weniger Punkte gegeben.

                                      Der Fernseher ist nur noch selten in Betrieb. Meistens nur abends für die Nachrichten, die v.a. Mutter sieht und ansonsten für Tierfilme und leichte Unterhaltung. Vater bekommt davon auch immer weniger mit – gibt immer seltener Kommentare, usw. Krimis oder Spielfilmen kann er nicht mehr folgen und wird manchmal missmutig, wenn Mutter derlei mal sehen möchte. Manchmal hat man etwas mehr Glück bei alten Filme aus den 50iger Jahren, die Vater schon mal früher gesehen hatte. Aber auch das hat in den letzten Monaten abgenommen.

                                      Ödeme hat Vater nicht – ist aber infolge seiner Arteriosklerose (zwei Bypässe in den Beinen) bzgl. Herzerkrankungen gefährdet und erhält von seinem Internisten auch allerlei Medikamente, die er bislang gut verträgt.

                                      Du schreibst „man hat doch schließlich einen ganz anderen Menschen geheiratet“. Nun ja, da könnte ich hinzufügen, ich hatte auch lange Zeit einen anderen Vater. Einen Vater, der noch vor zwei Jahren vieles von dem Unfug, dem er jetzt starr anhängt (Halluzinationen, Diebstahlsparanoia, keine Krankheitseinsicht mehr, usw.), weit von sich gewiesen hätte. Mein Vater war Rationalist, durch und durch ein sog. Vernunftmensch, der noch von sich aus seine Demenz abklären ließ, freiwillig Tests machte, sich über AD informierte, sogar über seine Demenz noch vor einem Jahr humorvoll reden konnte, usw. Das Dumme daran ist jetzt, dass er sich immer noch dafür hält und seine Einbildungen für real hält, aber bestimmte logische Beweisführungen einfach ignoriert in Bezug auf seine Einbildungen – woanders aber weiterhin gelten lässt. Aber derzeit ist noch eine Menge seiner Identität vorhanden – besonders was die frühe Vergangenheit anbelangt. Er ist noch lange keine „Hülle“, die nur noch so aussieht wie mein Vater. Ich erinnere in diesem Zusammenhang auch daran, dass es der Validationsexpertin Naomi Feil selbst bei nur noch vegetierenden Fällen – das wären dann solche „Hüllen“ – noch gelungen ist, die eine oder andere Erinnerung hervorzulocken. Ansonsten ist es auch eher eine philosophische oder gar eine religiöse Frage, wer wir in Wirklichkeit sind. Sind wir der Körper oder haben wir den Körper? Ist eine Demenz nur der Zerfall des stofflichen Aspektes des Geistes (Bewusstsein, Gehirn), so dass diesem immer weniger Kommunikationsmittel zur Verfügung stehen und er deshalb verzweifelt und aus dieser Verzweiflung gar aggressiv wird? Ich weiß es nicht. Sicher scheint für mich nur, dass die chemischen Prozesse im Gehirn nicht identisch mit dem Erleben sind, sondern nur mit diesem korrelieren. Vielleicht ist es wie mit der Musik. Musik ist nicht Instrument oder CD oder Lautsprecher, auch nicht Schallwelle. Aber ohne solche Dinge wüssten wir nichts von Musik. Gleichwohl mag es Musik schon immer gegeben haben – in einer Noosphäre (Geistsphäre), wie m.E. auch Herbert von Karajan und Hoimar von Ditfurth glaubten.

                                      Demenzen verlaufen nur selten monoton geradlinig bergab. Man wundert sich immer wieder, wie selbst nach Wochen des Vergessens plötzlich das ein oder andere wieder auftaucht. Es ist ein Auf und Ab; nur die Grundtendenz ist leider ein immer weiter fortschreitender Abbau der Hirnleistungen. Es geht nicht stur bergab sondern wellenförmig. D.h. es kann schon relativ früh vorkommen, dass man die Hände über den Kopf zusammenschlägt und meint, jetzt sei der Kranke schon in einem fortgeschrittenen Stadium. Dann aber ändert sich das und man kann zu geradezu entgegengesetzten aber gleichwohl ebenfalls falschen Schlüssen kommen.

                                      Mein Vater erlitt Anfang 2006 infolge seiner Bypassoperationen im Krankhaus eine mehrtägige zeitweilig völlige Desorientierung (fast schon Stufe 3 von drei Stufen; er hielt Krankenschwestern für Kinder, den Duschraum für eine Toilette, irrte im Gebäude umher, usw.), die sich aber dann schnell vollständig zurückentwickelte, so dass ein früher Test auf Demenz beim Hausarzt im Februar 2006 sogar negativ verlief. Erst im Juli 2006 traten wieder Auffälligkeiten auf, die Vater zu erneuten Tests veranlassten und die dann im April 2007 nach einer zusätzlichen fMRT schlussendlich zur Diagnose führte mit Einleitung der Behandlung mittels Reminyl.

                                      Was den richtigen Arzt anbetrifft, so rate ich, ggf. den Arzt zu wechseln. Ärzte sind Dienstleister und keine „Halbgötter in Weiß“. Die Zeiten von Geheimrat Prof. Sauerbruch (den man in einem kitschigen Film aus den 50iger Jahren verherrlicht hatte) sind lange vorbei. Den Arzt aber, der eine Demenz aus dem Formenkreis Alzheimer heilen könnte, dürfte man z.Z. aber noch vergebens suchen. So weit ist die Medizin leider noch nicht. Aber ein guter Arzt kann mildernde Medikamente verschreiben, Gedächtnissprechstunden initiieren, usw. (Ich habe mich in Zusammenhang mit den fixen Ideen und den Halluzinationen meines Vaters auch mit Psychosen beschäftigt und bin auf etwas gestoßen, was „Psychose-Seminare“ genannt wird. Dort tauschen sich Betroffene, Angehörige, professionelle Pflegekräfte und Mediziner im zwanglosen Gespräch aus. Derlei sollte es auch für Demenzkranke geben – habe aber noch nichts gefunden außer Selbsthilfegruppen.) Der behandlende Arzt ist leider nicht immer der beste in Sachen Demenz. Ich rate Dir daher, ggf. einen anderen Neurologen oder Gerontopsychiater aufzusuchen. Diese Mediziner kennen auch Mittel gegen Aggressionen. Manchmal sieht man aber auch in der Anfangsphase der Erkrankung einiges zu grell und sollte vielleicht erst mal abwarten (ging mir auch so). Dass Dein Mann noch Zeitung lesen kann, ist doch z.B. ein sehr gutes Zeichen. Gemeinsame Unternehmungen – und wenn es nur ein Spaziergang ist – können auch helfen. Man sollte nutzen, was noch zu nutzen ist und das ist im Anfangsstadium durchaus noch ein Menge.

                                      Lasse Dir selber ggf. ein Beruhigungsmittel verordnen für die ganz schweren Stunden. Es gibt Substanzen, die man Tranquilantien nennt (Valium, Bromazanil, usw.). Diese darf man nicht durchgängig und über einen längeren Zeitraum nehmen, da sie sonst abhängig machen und u.U. sehr langwierige Absetzprozeduren mit Diazepamsubstitution benötigen. Aber ab und an können sie durchaus segensreich sein. Für den Demenzkranken selber sind aber derlei Stoffe eher ungeeignet, für den überlasteten Betreuer hingegen ein gelegentlicher (!) Notanker. Ich selber habe mit Bromazanil (für Dich vmtl. nicht geeignet – ggf. Alternative wählen!) experimentiert in niedrigen Dosen von gelegentlich 1,5 und für wenige Folgetage 0,75 mg pro Tag mit Unterbrechungen (sog. Halbwertzeiten beachten! Unterbrechungen von mindestens 48 Stunden bei Bromazanil – Valium hat weit größere Halbwertzeiten – einhalten, ärztlich überwachen lassen!) und habe keine Entzugserscheinungen verspürt. Derzeit nehme ich sie nicht und komme daher mit einer 20iger Packung von je 3 mg pro Bruchtablette lange aus. Ansonsten ist Baldrian besser – hat bei mir nur keine Wirkung (was nichts zu sagen hat, da bei mir so manches nicht wirkt – ACE-Hemmer (Blutdrucksenker) z.B. führten bei mir nur zu Reizhusten und zu sonst nichts).

                                      Siehe bitte auch

                                      http://www.onlineberatung-therapie.d...romazanil.html

                                      So – genug und schon viel zu viel geschrieben bzw. „aus meinem Nähkästchen“ geplaudert.

                                      Ich wünsche Dir alles Gute – denke daran, Du bist nicht allein.

                                      Liebe Grüße
                                      Egon

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                                      • Re: Mein alter Herr Eberhard - Folgethread


                                        Hallo, wollte mich auch mal wieder melden.Mein Vater (Alzheimer)wird immer vergesslicher, er uriniert in den Abfalleimer, abends sagt er das er jetzt nach Hause geht.Er ist schon ein paarmal fort ins Dorf, musste ihn dann holen ,weil er nicht heimgefunden hat.Meine Mutter Parkinson und jetzt auch Alzheimer, bekommt jetzt morgens eine halbe Clozapin und abends ne ganze. Die Aggressive ist weg, aber sie ist immer noch wirr.Nachdem sie mir die Polizei auf den Hals gehetzt hat, weil ich sie angeblich beklaut habe, und meinen Vater gegen mich aufgehetzt hatte, habe ich mich dazu entschlossen ihr Clozapin zu geben.Jetzt will sie ihn wieder ein Auto kaufen, das sie wieder öfter fortgehen können. Sie kann fast nicht laufen.Jetzt hat sie Vater fast überzeugt, das er noch Auto fahren kann. Aber er vergisst ja alles wieder. Gott sei Dank. Wollte mal Bescheid sagen wie es bei mir läuft. Alles gute.kahncool.

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                                        • Re: Mein alter Herr Eberhard - Folgethread


                                          Aktueller Bericht über den Zustand meines Vaters, wie er sich mir bei meinem letzten Besuch (bis 14.10.08) darbot:

                                          Gesamteindruck: Gesamtbefinden v.a. physisch noch auseichend, Verschlechterung kognitiver Fähigkeiten, vermehrte Wortfindungsstörungen, intensiverer Stimmungsschwankungen mit etwas verstärkten depressiven Phasen, Sponaneität, Halluzinationen und Diebstahlsparanoia (etwas weniger intensiv als zuvor, schwankend)

                                          Aphasie: Wortfindungsstörungen haben weiter zugenommen, Vater spricht immer häufiger von „Dings“, was er meint oder sucht, etwas Kompensation durch niederdeutsche und englische Wörter möglich, Rede manchmal undeutlich, plötzliche Themenwechsel, falsche Verstehen zu ihm gesprochener Worte

                                          Apraxie: verstärkt Probleme mit dem Anziehen der täglichen Bekleidung, kann aber seine Schuhe noch selber zubinden

                                          Agnosie: nennt seien Frau zuweilen seine Mutter und mich seinen Bruder

                                          Wahrnehmungsstörungen, Illusionen, Halluzinationen: Etwas weniger intensiv weil weniger in Beziehung mit angeblicher Sachbeschädigung oder Diebstahl. Griff einmal nach einem Muster in der Tischdecke (kurzer Ausfall der Tiefenwahrnehmung). (siehe auch Thread „Gesprächstherapie bei Halluzinationen“)

                                          Reduplikative Paramnesie: selten

                                          Capgras: nicht vorhanden

                                          Psychotische Störungen: Sieht auch beim Blick aus dem Fenster auf die Straße Leute, die nicht vorhanden sind. Vorher war das überwiegend nur im Garten der Fall. Bei Spaziergängen sah er einmal ein seitlich „offenes Auto“. Der in der Ferne geparkte Wagen war dunkel bemalt und konnte aus der Ferne, schräg angesehen tatsächlich einen solchen Eindruck machen – werte ich nicht als Hallu. Vermutete jetzt auch Diebstahl aus einer Tasche, in der er seine Rasierapparat im Hause oft mit sich herumträgt. Was fehlte, konnte er aber nicht sagen.

                                          Aggressivität: Schlug einmal leicht die Hand von Mutter weg in einer Art Reflexbewegung, als diese ihm beim Räumen in seiner Tasche helfen wollte. War dabei mürrisch ohne Gründe für seine Verstimmung anzugeben. Hat einmal seine abendlich zu nehmende Medizin (Simvastatin) mit der kurzen und schroffen Bemerkung „Interessiert mich nicht!“ nicht genommen.

                                          Depressionen: Derzeit am Vormittag bis etwa Mittag mit heruntergezogenen Mundwinkeln mürrisch und still dasitzend, Mutter bei der Küchenarbeit beobachtend und auch auf Bitten nicht helfend (ich habe dann geholfen). Verschwindet manchmal von einem Augenblick zum anderen ohne das ein auslösender äußerer Reiz vorhanden ist, abends noch vor dem Essen ins Bett. Steht dann aber nach etwa einer Stunde wieder auf als ob nichts geschehen wäre.

                                          Ängste: derzeit nicht erkennbar

                                          Eigen- und Fremdgefährdung: unverändert, man muss aber zusehends ein Auge auf das Auto haben und auf Weigerungen, die Medikamente zu nehmen

                                          Medikation: unverändert, letztes Blutbild im September O.K.

                                          Physisches Allgemeinbefinden: gut

                                          Inkontinenz: keine

                                          Nächtliches Umherwandern: derzeit keine Vorkommnisse; wacht aber manchmal auf und kramt in seiner Umhängetasche, die er neben sein Bett legt

                                          Hygiene: Toilette und Wäsche sauber: gut (basale Altgaskompetenz noch erhalten)

                                          Nähere (prosaische) Erklärungen gemäß aktueller Erlebnisse:

                                          Wir haben die Gewerbeausstellung besucht und Vater hat den Reaktionstest am Stand der Verkehrswacht gemacht. Eigentlich sollte man sich freuen, denn der Test verlief ausreichend in Bezug auf die Fahrtüchtigkeit Vaters. Aber wir hatten ja auf ein schlechtes Ergebnis gewartet in der Hoffnung, dass Vater sich von seinem Auto trennen würde. Mutter erzählte, dass Vater einmal während meiner Abwesenheit (im September) kurz nach dem Mittagessen – Mutter war noch mit dem Aufräumen beschäftigt – in die Küche kam und Mutter spontan zu einer Rundfahrt aufforderte. Den Wagen hatte er bereits aus der Garage gefahren. So wie sie war „musste“ Mutter also mit. Vater fuhr aber sehr ordentlich mit Mutter als Lotsen. Die Fahrt führte nur über einige verkehrsarme Landstraßen und verlief ohne Komplikationen. Dennoch hatte Mutter Angst für den Fall, dass Vater während der Fahrt plötzlich halluziniere und vielleicht wegen eines nicht vorhandenen Phänomens plötzlich eine Vollbremsung hinlege oder ähnliches und war heilfroh als sie wieder wohlbehalten zuhause ankamen. Ich konnte Mutter etwas beruhigen, indem ich sie nach Halluzinationen bei gemeinsamen Spaziergängen fragte und sie das verneinte. Daraus schloss ich vorsichtig, dass derlei auch beim Autofahren nicht vorkommen würde. Danach hatte Vater bislang keine Autofahrt mehr unternommen zumal er bei schlechtem Wetter und bei Dunkelheit schon einige Jahre vor dem Ausbruch seiner Demenz nicht mehr gerne bei derlei Verhältnissen fuhr und diese Jahreszeit daher das Fahren nicht begünstigt.

                                          Allerdings machte er kürzlich eine Radtour. Es war ein schöner Samstag, Straßen und Wege waren trocken, die Temperatur milde und nach einem „Gemuffel“ am Mittagstisch äußerte Vater spontan die Idee, gleich nach dem Essen eine Radtour zu machen – alleine – so wollte er es (es ist auch nur das Rad von Mutter im Hause – wo Vaters Rad hingekommen ist, weiß niemand). Es ist uns nicht möglich, ihn von solchen Entschlüssen abzubringen. Wir achteten noch darauf, dass Vater v.a. den Zettel mit Adressen, Telefonnummern und seiner Medikation mitnahm und sahen dann, wie er flott davon radelte. Es war uns nicht wohl bei der Sache. Nicht wegen des Fahrradfahrens an sich – sondern weil er sich leicht verfahren könnte. Nach gut zwei bangen Stunden tauchte er dann wohlbehalten wieder auf. Auf die Frage, wie die Tour verlaufen war und wo er denn überall gewesen ist, kamen keine flüssigen und klar erkennbaren Antworten. Er sei eine Weile gefahren, dann abgestiegen und etwas gelaufen, dann wieder gefahren, usw. An der alten Mühle sei er vorbeigefahren bis zur Unterführung der großen Autostraße, dann sei er umgekehrt und hätte zeitweise nicht gewusst, wo er war, bis er dann Schilder mit bekannten Namen gelesen hätte und Autos mit bekannten Kennzeichen. Dem sei er gefolgt und dann – vmtl. nach einigen Irrfahrten – wieder angekommen. Er habe aber nicht gefunden, was er gesucht habe – konnte aber das Gesuchte nicht benennen (ich nehmen an, er suchte sein „wahres Haus“ oder ähnliches – war zuweilen ja der Ansicht, er besäße mehrere Häuser). Jedenfalls war seine schlechte Laune wie weggeblasen und das war dann wenigstens was Erfreuliches. Wir setzen jetzt verstärkt auf Spaziergänge mit Besichtigungen (man kann ja durchaus alle paar Tage dasselbe besichtigen, weil etwas wieder vergessen wurde – also die Krankheit selber etwas ausnutzen) weil dieses wenigstens ab und an einen positiven Effekt auf Vater hat.

                                          Aber es ist nach wie vor sehr anstrengend. Man kann ja nicht tagtäglich den Unterhaltungsmenschen für Vater machen, immer wieder hinter ihm herlaufen, an dies und das und jenes erinnern, immer wieder was suchen, was er verlegt, usw. Und doch scheint er genau das zu fordern. „Wenn man nicht wüsste, dass dieses alles zur Krankheit gehört, könnte man das für Schikane halten und sehr wütend werden und fortlaufen“, sagte Mutter. Immer wieder muss korrigiert werden, muss mehrmals zu den Mahlzeiten gerufen werden, Vater persönlich immer wieder im Haus gesucht werden, auf die regelmäßige Tabletteneinnahme geachtet werden, usw. Dann will er meistens immer sehr früh zu Bett und wirkt beleidigt, wenn wir nicht auch zu Bett gehen, usw. Es ist unglaublich zermürbend. Manchmal bin ich wütend wegen „dem Kerl“ und muss alles an Selbstbeherrschung aufbieten, was ich habe, um nicht laut zu werden.

                                          Ich bitte Mutter wiederholt, sich Hilfe zu holen, wenigstens ab und an Essen kommen zu lassen, die Wäsche machen zu lassen. Was ich tun kann, mache ich und entlaste wenigstens bei den Einkaufen und bei Hausarbeiten wie kleinen Reparaturen etwas. Solche Reparaturen mache ich, wenn die Eltern auf einen längeren Spaziergang sind, weil sonst Vater dazwischen alles durcheinander bringt.

                                          Vater wünscht sich zu seinem 81.Geburtstag im nächsten Monat ein neues Handy – mit dem alten kann er nicht mehr umgehen (mit einem neuen wird er das erst recht nicht können). Also suche ich ein Spezialhandy mit wenigen farbigen Tasten, mit denen man vorprogrammierte Nummer anrufen kann. Am besten nur eine Taste oder alle Tasten mit derselben Nummer programmiert.
                                          Soweit für diesmal.

                                          Gruß
                                          Egon-Martin

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                                          • Re: Mein alter Herr Eberhard - Folgethread


                                            Hallo Egon,
                                            hab Dir eine PR geschickt!
                                            Gruß Leona

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                                            • Re: Mein alter Herr Eberhard - Folgethread


                                              Aktueller Bericht über den Zustand meines Vaters, wie er sich mir bei meinem letzten Besuch (bis 22.11.08) darbot:

                                              Gesamteindruck: Gesamtbefinden v.a. physisch noch auseichend, Verschlechterung kognitiver Fähigkeiten, vermehrte Wortfindungsstörungen, spricht mit seinem Spiegelbild und Figuren, intensiverer Stimmungsschwankungen mit verstärkten depressiven Phasen (m.E. bipolar), Spontaneität, Halluzinationen und Diebstahlsparanoia (wieder intensivierter, aber schwankend)

                                              Aphasie: plötzliche Themenwechsel vmtl. aus völlig falsch verstandenen Worten mitten im Gespräch mit Einbringung früherer Erlebnisse – hauptsächlich aus seinem Berufsleben, aber auch aus der Zeit des Krieges

                                              Apraxie: allgemein unverändert, hält beim Teeeinschänken die Kanne stark nach rechts mit der Tendenz des Überschüttens

                                              Agnosie: ich bin jetzt zeitweise Vaters Bruder, sein Schwiegervater (Opa) und einmal sogar der vermeintliche Geliebte seiner Frau (dazu unten mehr), Probleme mit dem Spiegel

                                              Wahrnehmungsstörungen, Illusionen, Halluzinationen: Halluzinationen treten nach wie vor auf z.T. mit der Angst, „die“ wollen ihm Haus und Grundstück wegnehmen. Dann wieder erkennt er selber zuweilen sein Haus nicht mehr und will es suchen. Neu sind Probleme mit seinem Spiegelbild. Er spricht manchmal auch mit einem Teddy und einer Puppe, die Mutter auf der Couch im vorderen Wohnzimmer platziert hat. Manchmal kommt es zu fast einstündigen Monologen über die „Diebe“, die ihm fast sein ganzes Werkzeug gestohlen haben.
                                              Reduplikative Paramnesie: keine Vorkommnisse

                                              Capgras: nicht vorhanden

                                              Psychotische Störungen: siehe Halluzinationen, usw.

                                              Aggressivität: Mutter berichtete, dass er einmal Kleider aus dem Schrank gezogen habe und auf das Bett verstreute im Bemühen eine Jacke zu suchen, die nie im besagten Schrank gehangen haben. Keine Aggressionen gegenüber Menschen, aber manchmal ein obszönes Wort. Einmal kurze Eifersuchtsvorwürfe (s.u.).

                                              Depressionen: etwas zugenommen – wohl auch saisonbedingt

                                              Ängste: fürchtet um seinen Besitz

                                              Eigen- und Fremdgefährdung: unverändert, das Auto macht mir Sorgen

                                              Medikation: unverändert

                                              Physisches Allgemeinbefinden: gut, ist v.a. gut zu Fuß

                                              Inkontinenz: keine

                                              Nächtliches Umherwandern: derzeit keine Vorkommnisse

                                              Hygiene: Toilette und Wäsche sauber: gut (diesbezgl. basale Altgaskompetenz noch erhalten)

                                              Nähere (prosaische) Erklärungen gemäß aktueller Erlebnisse:

                                              Auto

                                              Das Thema „Auto“ wurde wieder mal akut. Beim Vormittagstee äußerte Vater den Wunsch, einmal um die Stadt herum zu fahren, damit der Wagen mal wieder „warm“ werde. Auch wollte er nach einem am Stadtrand gelegenen Einkaufzentrum fahren – notfalls auch alleine. Da es ein trockener Tag war, ergriff ich die Gelegenheit zur Gartenarbeit, der sich Vater bald anschloss, womit die Autofahrt vom Tisch war. Auch hatte ich das Wetter allgemein, sein Alter und sogar seine neurodegenerative Erkrankung – die Worte „Demenz“ und „Alzheimer“ meidend – angesprochen und dass es für ihn bedenklich sei, überhaupt noch Auto zu fahren. Darauf hatte Vater aber nicht – auch nicht ablehnend – reagiert. Eines Nachmittags während eines halbwegs sogar noch vernünftigen Gesprächs mit Vater – derlei ist manchmal für kurze Zeit noch möglich – sagte Vater, dass er sein Auto behalten möchte. Er hängt offenbar sehr daran und muss wohl selber über einen möglichen Verkauf nachgedacht haben. Ich habe das nicht kommentiert. Was soll ich denn auch tun? An die Polizei hatte ich mich ja schon im Juli gewendet (siehe frühere Einträge hier). Immerhin begleitet Vater Mutter bei ihren Einkäufen, Arztbesuchen, usw. zu Fuß und nimmt auch bislang ohne Murren öffentliche Verkehrsmittel in Anspruch. Irgendwie scheint er es also doch akzeptiert zu haben, auf sein Auto zu verzichten – bis auf Momente, in denen er – wie es mir scheint – „es noch mal wissen möchte“. Das ist ja auch durchaus verständlich mit einer rd. 60-jährigen unfallfreien Fahrpraxis, keinen Alkohol, usw. Wie würde ich mich denn an seiner Stelle fühlen? Mir das Auto wegnehmen, wo ich doch solch ein vorsichtiger, erfahrener und verantwortungsbewusster Fahrer bin? Das muss in Vaters Denken absurd erscheinen.

                                              Spaziergänge

                                              Als Mutter zu ihrem Orthopäden war – sie hat endlich einen Rollator bekommen – bekam ich gerade noch mit, dass Vater sich anschickte, einen Spaziergang zu machen. Um zu wissen, wie das aussieht und wo er lang läuft, habe ich mich dem spontan angeschlossen. Der Spaziergang im Nieselregen verlief normal. Im Altstadtbereich kann Vater sich noch einigermaßen zurechtfinden. Positiv überrascht war ich beim Überqueren von Hauptstrassen, als er mich sogar zurückhielt, als ein Wagen etwas schnell heranpreschte. Es stimmt – im Straßenverkehr ist Vater tatsächlich noch gut auf der Hut.
                                              Ein andermal – Vater und Mutter hatten einen Nachmittagsspaziergang gemacht und wir hatten danach Tee getrunken – kam Vater plötzlich in der Dunkelheit um ca. 17h20 auf die Idee, noch mal alleine „raus zu gehen“. Niemand weiß, was das sollte, den es war nichts vorgefallen, was dieses in Gang gesetzt hatte und er war doch schon spazieren. Nach knapp 40 Minuten tauchet er wieder auf und sagte, er hätte sich Schaufensterauslagen angesehen. Derlei hatte er noch nie zuvor gemacht. Jedenfalls waren wir froh, ihn wohlbehalten zurück zu wissen. Ich hatte schon an die aktuellen Photos gedacht, die ich vorsorglich gemacht hatte für den Fall, dass Vater gesucht werden müsse.

                                              Eifersucht

                                              Gänzlich unverständlich erschien mir folgendes Gebaren Vaters: Der Tag war bislang harmonisch verlaufen, beim Nachmittagstee machte Vater noch Witze und die Stimmung war aufgelockert. Dann – so gegen 18 Uhr, ich war kurz mal auf mein Zimmer gegangen – schaut Vater plötzlich bei mir herein – mit Nachtjacke und langer Unterhose und fragt nach seiner Frau, ihren Vornamen nennend. Ich antwortete, Mutti sei unten und Vater verzog sich. Daraufhin ging ich nach unten und teilte dieses Mutter mit worauf sie ins Schlafzimmer ging. Nach einer kurzen Zeit kam Mutter etwas schockiert wieder herunter. Vater hätte ihr seltsame und verletzende Dinge gesagt: Mutter hätte ja zehn Männer bei sich und würde ihn wohl nicht mehr brauchen. Er fühlte sich im Stich gelassen, usw. Wieder war nichts vorgefallen, was derlei hätte auslösen können. Nach rd. zwei Stunden kam Vater von sich aus nach unten und redete, dass ihm plötzlich so komisch heiß geworden sei, er sich nicht gut fühle, usw. Das klang alles wie eine verkappte Entschuldigung. Jedenfalls war seine Stimmung wieder besser. (Diese 10 Männer – das war wohl ich in der für Demente oft charakteristische zeitgerasterte Wahrnehmung. Man erscheint mehrmals auf der Bildfläche und „zerfällt“ in mehrere Personen im Bewusstsein des Kranken.)

                                              Spieglein – Spieglein an der Wand

                                              Eines abends – Vater war guter Laune und sogar mal etwas länger aufgeblieben – hörte ich später aus dem Badezimmer Vater sprechen. Mit wem spricht er denn da? Mutter was noch im Wohnzimmer. Also ging ich ins Bad und fand Vater lustig gestikulierend vor dem Badezimmerspiegel im Gespräch mit seinem Spiegelbild. Das war zunächst etwas schockierend für mich, weil es ein neues Phänomen im Kuriositätenkabinett von „Prof. Alzheimer“ war. Jetzt ist es also so weit, dass Vater sich im Spiegel nicht mehr erkennt – lief es mir heißkalt über den Rücken. Dann aber wurde ich gewahr, dass es ihn offensichtlich Spaß bereitet und ließ ihn erst mal. Später habe ich dann mal versucht – als er das auch mit dem Flurspiegel machte – Realität herzustellen. „Das ist doch Dein Spiegelbild! Das bist Du doch selber.“ Das konterte Vater mit einem kurzen „Weiß ich doch“, was ich aber für eine Art Schutzbehauptung halte, denn diesen Satz habe ich schon oft gehört ohne dass daraus Konsequenzen erwuchsen.
                                              Einmal rasierte sich Vater im Wohnzimmer und ging dabei in die Hocke, damit – wie er sagte – er nicht beobachtet werden könne, denn es schaue jemand zum Fenster hineine – sein Spiegelbild. Die Krankheit nimmt zuweilen groteske Formen an.

                                              Der Besuch

                                              Zu Vaters 81.Geburtstag waren der Rest der noch lebenden älteren Verwandten gekommen, zwei Tanten und ein Onkel, so dass wir zu sechst waren. Vater verließ zweimal das Zimmer, weil er das „Gesabbel“ nicht mehr ertrug. Zuvor hatte er dem Onkel seine Befürchtungen, das Haus könne weggenommen werden, geschildert. Allerdings wissen diese Verwandten Bescheid und es passierte nichts Dramatisches.

                                              Püppchen, du bist mein Augenstern

                                              Grotesk sind auch die Unterhaltungen Vaters mit der Puppe im Wohnzimmer. Geradezu behutsam geht Vater mit der Babypuppe um und wollte sie schon mit einem Keks füttern. Auch machte er sich Sorgen um den großen Gartenzwerg, der in der Veranda steht. Dort wollte Vater die Heizung aufdrehen, damit dieser nicht friert. Es ist mir schleierhaft, wo dieser „Brutpflegeinstinkt“ ausgerechnet bei einem älteren Mann plötzlich herkommt. Noch schleierhafter fand ich, dass Vater in der Dekoration in einer Fernsehshow, die wir eines Abends sahen, klar zwischen künstlichen Figuren und Menschen unterscheiden konnte. Was ist das nur für einen bizarre Krankheit!

                                              Soweit für diesmal.

                                              Liebe Grüße an alle LeserInnen und SchreiberInnen
                                              Egon-Martin

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                                              • Re: Mein alter Herr Eberhard - Folgethread


                                                Hallo, habe schon berichtet. Meine Mutter hat Demenz oder Alzheimer und Vater Alzjeimer. Mein Vater ist Tag und Nacht nur in Action. Er schläft vielleicht 1-2 Stunden dann ist wieder da. Meine Mutter ist zur Zeit beim Einstellen im Krankenhaus. Also bin ich mit meinen Vater allein zu Hause. Er läuft den ganzen Tag in seiner Wohnung rum oder im Haus. Habe meine Wohnungstür schon zugeschlossen, sonst würde er auch in unserer Wohnung rumlaufen. Er weiß schon nicht mehr wo er Zuhause ist. Er läuft fast jeden Tag ins Dorf, wo sein Elternhaus ist. Da weiß ich wenigstens wo er ist. Er hat vergessen das er ein eigenes Haus hat.Er wäscht sich nicht, hat verschiedene Schuhe an. Es wird langsam Zeit ihn ins Heim zu geben. Aber meine Mutter und Vater wollen nicht. Aber ich halte das bald nicht mehr aus. Meine Mutter scheckt es auch nicht mehr das mein Vater krank ist.Die zwei haben schon viel in Ihrer Wohnung kaputtgemacht. Tischdecke zerschnitten, die Brillen verbogen u.s.w.. Ich hoffe das ich sie ins Heim geben kann, ohne viel Stress.
                                                Also viele Grüße Angelika

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                                                • Re: Mein alter Herr Eberhard - Folgethread


                                                  Hallo Angelika,

                                                  natürlich haben Mutter und ich auch schon über eine Heimunterbringung nachgedacht, dieses jedoch vorerst wieder verworfen, da alles in allem Vater noch ganz umgänglich ist. Das kann sich allerdings ändern, da die Krankheit voranschreitet. Nur was ich hier alles zu lesen bekomme über Zustände in Heimen, schreckt mich ab. Man kann leicht vom Regen in die Traufe kommen; macht sich dann womöglich noch mehr selbstzerfressende Sorgen, wenn man daran denkt, wie Vater im Heim behandelt wird und man nicht immer dort sein kann.

                                                  Wie auch immer - falls es nicht mehr aushaltbar ist oder die eigene (z.B. berufliche) Situation das erforderlich macht und Selbst- oder Fremdgefährdung zunehmen, kann das Heim notwendig werden. Zuvor sollte man aber Erkundigungen über die Heime einziehen. Dazu gibt es Beauftragte bzw. Aufsichten.

                                                  Werden selbst- oder fremdgefährdende Sachen öffentlich - z.B. weil der Kranke in Geschäften, usw. Ärger macht - kann es sogar durch richterliche Anordnung zum Heimaufenthalt kommen. Bitte unbedingt auch daran denken, dass sich in Wohnungen Gas- oder Elektroherde, usw. befinden und dadurch gefährliche Dinge in Gang kommen können, die auch andere Hausbewohner in lebensbedrohliche Gefahr bringen können.

                                                  LG
                                                  Egon-Martin

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                                                  • Re: Mein alter Herr Eberhard - Folgethread


                                                    Hallo Egon Martin
                                                    Ich habe gar nicht geschrieben, das mein Vater meiner Mutter schon ein paarmal gedroht hat. Sie hat ihn geärgert,"da war meine Mutter auch schon verwirrt", und da har er zu ihr gesagt das er ihr die Vissage auch mal poliert. Meine Mutter registriert das nicht so, sie sagt dann das es Vaters Zwillingsbruder so frech zu ihr ist. Obwohl Vater keinen Zwillingsbruder hat.Darum habe ich Angst das diese Situation einmal eskaliert.Ich musste daran denken, weil Sie geschrieben haben, das Ihr Vater auf nicht existierende Personen eifersüchtig ist.
                                                    Wünsche Ihnen alles Gute Angelika

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