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Adam + Eva

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  • Adam + Eva

    Als ich heute auf einer Grillfeier im Kindergarten Frauen erklärte, dass mein Partner deshalb nicht dabei sei, weil ich ihn \"freigestellt\" hatte, ihm versichert, dass seine Anwesenheit nicht erforderlich sei (was er mit Riesenerleichterung angenommen hat) stellte ich - jedensfalls für mich erschreckende - Reaktionen bei diesen Frauen fest:

    Es war, als ob ich einen Ehrenkodex verletzt hätte, einen Kodex, der seit Generationen, vielleicht Jahrtausenden beschmutzt würde. Nein, Frau lässt Mann doch nicht frei sein.

    Genauso hab ich es gefühlt. Neid, Eifersucht, Gier, nach Besitz, Macht ... vielleicht seit ihrer Erschaffung aus der Rippe, Wut darüber, denn es war ja nur ein Teil von ihm.

    Seitdem hassen wir den Mann.



  • RE: Adam + Eva


    ach? und wo gibt dieses land? kindergarten meine ich..hömm...frauen meine ich ... ach wurscht.

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    • RE: Adam + Eva


      Hallo,
      das ist wieder mal Thypisch Frau..
      Ich habe meinen Mann weder beim Kindergarten noch beim Schulgrillen immer " mitgeschleppt"... wieso muß ein Mann immer " anwesend" sein ??
      Er Arbeitet den ganzen Tag und ich kann gut verstehen das er keine lust hat , sich das " Waschfrauen " geschwätz anzutun.. wirklich..
      als ich des öfteren gefehlt habe( als Frau..) bei Elternabenden( .. mußte Arbeiten bis 21 uhr.... ) haben mich auch einige Frauen darauf angesprochen wieso ich es denn " Nötig" hätte , Arbeiten zu gehen.. Bitte ?? Häää ??
      Naja.. Ich gehe leicht auf die Palme und habe den " Damen " erklärt das ICH es nicht nötig hätte meinen Mann " auf der Tasche zu liegen... " sondern sehr gut auch Arbeiten gehen kann und mein Mann den Haushalt alleine " gewoppt" bekommt.. Die " Damen " schauten mich an als wäre ich ein " Alien"..
      Solche wirklich Naiven Frauen meinen immer noch das es ausreichen würde , der mann geht Arbeiten, denn dazu wäre er doch da.. und zum Müll rausbringen.. Da kriege ich echt ´nen Hals..
      Ich bin 32 Jahre alt , und habe es mir total abgewöhnt mich den " weibern " zu erklären..
      Ich liebe meinen Mann und es ist völlig ok wenn ich ihm " Frei " gebe, denn bei soviel " Dummgeschwätz " der Frauen macht es mir auch keinen Spaß mir das anzuhören...
      Ich lasse sie einfach stehen, denn ich denke darüber halt anders. Und ich sehe meinem Mann die Erleichterung an wenn ich ihm das " Kinder-und Küchengelaber" bzw. " mein Kind ist in Mathe ja soo toll, und es schreibt immer nur 1ser... soo ein toller Schüler!! Und wie ist DEIN Kind denn so ?? WIE !! NUR eine 2 ???? Ach nöööö !!"
      Also.. lasse alle labern und schaue sie Dir mal an !! Selber nur die Hauptschule geschafft aber das Kind MUSS auf die Realschule , oder besser noch Gymnasium !!!
      Nee... Ich habe ein gutes Selbstbewußtsein, und das zeige ich den " Supermamis" auch, denn ich bin stolz eine Mama zu sein , die alles alleine schafft, aber auch einen superlieben Mann zuhause hat, der sich meine Geschichten nach dem " Elternabend" mit lautem Lachen anhört, und wieder mal froh war das er " Frei" bekommen hat...
      LG, Nesty

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      • RE: Adam + Eva


        Das ist etwas sehr weit hergeholt und hat nicht viel,bis garnix, mit der ursprünglichen Aussage in der Bibel gemein.
        Mir scheint,Du hast sie nicht gelesen und interpretierst nach Gusto.
        Schau mal in die "Genesis" und dann reden wir nochmal drüber.

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        • RE: Adam + Eva


          süß @Nesty1, habe mich gekringelt.
          Genauso eine Meinung vertrete ich auch, prima hast Du das dargestellt.

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          • RE: Adam + Eva


            endlich spricht es mal jemand aus. immer müssen die armen männers mit zu so ollen weiberveranstaltungen und das nun schon seit jahrtausenden.
            aber dass du männer hasst, eva, das will mir gar nicht gefallen!

            nesty, altes waschweib: probiers mal mit flotteren klamotten und lass die mundwinkel nicht immer so häßlich runterhängen, dann unterhalten sich vielleicht auch mal die etwas cooleren frauen mit dir.

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            • RE: Adam + Eva


              hi, jeune, wie geht es dir ??

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              • RE: Adam + Eva


                ohne, dass ich jetzt die "genessis" lesen müsste, sag mal einfach:

                was widerspricht? der Bibel? der genesis? oder deiner Denkweise?

                Wieso sollte meine die falsche Schlussfolgerung sein?

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                • RE: Adam + Eva


                  du hast recht, jeune,
                  kennst du das buch "der dressierte mann" ??

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                  • RE: Adam + Eva


                    Der dressierte Mann
                    und andere Tabus

                    Ein Gespräch mit Esther Vilar

                    Seit sie proklamierte, dass der Mann ein von der Frau unterdrücktes Wesen sei, steht sie für die Provokation schlechthin. Sie hat seit ihrem spektakulären Debüt viel und heftig weiter geschrieben, und was immer es war, es war gegen den Strich gedacht und geschrieben.

                    Esther Vilar: Schriftstellerin, Soziologin und Ärztin

                    Progressive Vordenkerin

                    Das zentrale Thema ihrer Sachbücher ist das Verhältnis zwischen Frau und Mann in den westlichen Industrieländern geblieben. Doch erwies sie sich auch, was niemand so recht wahrnahm, als progressive Vordenkerin: Heute eklatant gewordene Probleme, die nunmehr oft und lange in den Medien diskutiert werden, hatte Esther Vilar bereits vor dreißig Jahren unter ihrer Feder: Noch in Zeiten der Vollbeschäftigung stellte sie ein Wirtschaftsmodell vor, das die mehr und mehr schwindende Arbeit berücksichtigte ("5-Stunden-Gesellschaft"), und 1980, als die Renten noch sicher und die Anzahl der Alten noch nicht sonderlich bedrohlich war, erschien ihr programmatischer Aufruf gegen die Herrschaft der Jungen ("Alt-Manifest gegen die Herrschaft der Jungen").

                    Literarische Bombe
                    Außer Ihren Essays hat sie zwei Romane geschrieben, und ihre Theaterstücke werden in aller Welt gespielt. Doch nach dreißig Jahren noch identifiziert man sie mit ihrer Streitschrift "Der dressierte Mann", die als literarische Bombe 1971 in die Feministinnen-Bewegung im Westen platzte und in zweiunddreißig Sprachen erschien.

                    Trotz Kapitalismuskritik erschien das Buch in den sozialistischen Ländern nicht. Das darin enthaltene Gedankengut war den Kulturverwaltern wahrscheinlich zu anarchistisch. Außerdem standen, aus verschiedensten Gründen, hier Geld und Konsum nicht im Mittelpunkt des Lebens. Es herrschte staatlich angeordnete Gleichberechtigung. Die Frauen arbeiteten wie die Männer und bestimmten deren Rolle nicht als die ihrer Ernährer. Doch wer den Sinn seines Lebens über die Arbeit definierte, ist heute in der gleichen Krise wie seine arbeitslosen West-Kollegen.

                    Und auch wenn Tabus und Denkverbote von damals an der Tagesordnung sind: Die Diskussion um die Geschlechterrollen ist auch im 21. Jahrhundert nicht beendet. So ist Esther Vilars polemisches Buch zwar ein Zeitdokument, das die Geschlechterbeziehungen der Wohlstandsgesellschaft in den siebziger Jahren widerspiegelt, doch das eigentliche Thema des Buches ist zeitlos: der Umgang des Menschen mit der Freiheit. Die Redakteurin Heide Böwe traf die Autorin am 13. Juli. 2005 in London.

                    Frau Vilar, in den sechziger Jahren haben Sie als Ärztin gearbeitet, sich aber auch der Soziologie zugewandt. Als Schriftstellerin befanden Sie sich noch ganz am Anfang Ihrer Karriere. Was hat Sie damals bewegt, solch ein Pamphlet wie der „Der dressierte Mann“ zu verfassen, dessen Erscheinen für Ihr Leben so folgenreich werden sollte?

                    In Amerika und auch in der Bundesrepublik, wo ich damals gelebt habe, war Anfang der 70er Jahre die Frauenbewegung in vollem Gange. Ich fand die Situation pervers. Alle haben davon gesprochen, dass Männer die Frauen unterdrücken. Die Parolen waren männerfeindlich. Die Frauen haben die Männer nicht wie Lebewesen behandelt, sondern wie eine Art Maschine, die auf der Welt ist, um ihnen das Leben bequem zu machen. Ich war empört über diese Ungerechtigkeit und voller Wut über diese Bewegung und wollte etwas entgegensetzen und habe in New York in sechs Wochen dieses Pamphlet geschrieben, in dem ich die Realität beschrieb, wie ich sie wahrnahm. Die These, dass die Männer die Frauen unterdrücken, haben die Feministinnen den Männern nachgeplappert, die sie selbst aufgestellt haben, um ihre eigene Rolle zu behaupten. Die Theorie der traditionellen Frauenbewegung ist ein von Männern ausgedachtes Konzept.

                    Sie selbst bezeichnen sich aber ebenfalls als Feministin.

                    Ja, als weibliche Feministin. Das bedeutet, die Situation unseres Geschlechts selbst zu prüfen, um dann aus weiblicher Perspektive über das Befinden der Frauen zu berichten und nicht das nachzuplappern, was mitleidsvolle Männer über uns geschrieben haben. Der männliche Feminismus, den sich "Women’s liberation" auf die Fahnen geschrieben hatte, ist eine Männeridee und führt letztendlich beide Geschlechter in die Irre, und dagegen musste ich anschreiben.

                    Und sind damit gegen den gewaltigen Mainstream angeschwommen! Wie kommt man zu so einer unabhängigen Betrachtungsweise?

                    Das kommt vielleicht daher, dass ich in so unterschiedlichen Milieus gelebt habe. Ich bin in Argentinien aufgewachsen. Ich hatte eine deutsche Mutter, die mich erzogen hat. Das sind schon einmal zwei gegensätzliche Pole gewesen. Wir waren sehr arm, und ich bin durch ein Stipendium in eine Schule von Reichen gekommen. So war das mein Leben lang, dass ich immer zwischen den unterschiedlichsten Gruppen und Meinungen gelebt habe und dadurch gezwungen war, mir meine eigene zu bilden.

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                    • schnipp! schnipp!


                      ich! ich kenne es, herr lehrer!
                      das ist doch das angenehm dünne und einfachst geschriebene buch, indem sich esther villar so ganz schleimig bei einer bestimmten sorte männern angebiedert hat, stimmts?
                      aber ich weiss schon, ich kriege trotzdem wieder keine 1, bloß eva und nesty, weil sie sich so ganz schlei-...äh...ach, nichts, schon gut.

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                      • RE: schnipp! schnipp!


                        ich kenn es nicht frau lehrerin, hab nur davon gehört,
                        weiß aber auch so, das esther recht hatte,
                        wir sind von frauen (müttern) dressierte, was sonst ??
                        so wie nereas "mutterseelenallein" ein jeder mensch ist das erweiterte ich seiner mutter..

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                        • momismus volume 4


                          du kennst es nicht, weißt aber, dass sie recht hatte?
                          weil die frauen und natürlich DIE MÜTTER irgendwie halt an allem schuld und überhaupt...
                          was für ein blöder mumpitz.
                          wir alle wissen noch nicht, wie die menschen wohl so beschaffen wären, wenn es in jedes einzelnen leben einen zugewandten, verantwortungsvollen und emotional potenten vater gäbe. klar, manche hatten und haben das, aber wieviele kennst du?
                          man könnte also ebensogut sagen, dass jeder mensch durch die präsenz bzw. nichtpräsenz seines vaters dressiert wurde, es wäre genauso beliebig und plump.

                          das beste an diesem thread finde ich allerdings die ausgangsstory.
                          sich über die dummen muttis beschweren und selbst voll muhkuh-muttihaft dafür plädieren, dass die frauen sich diesen ganzen kindergarten- und schulmumpf gefälligst allein reinziehen sollen, weil männer nunmal ihre freiheit brauchen....

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                          • RE: momismus volume 4


                            Von der Persönlichkeitsentwicklung im Zusammenhang mit der Lebenserfahrung

                            Die Persönlichkeit entwickelt sich auf Grund vererbter Entfaltungs- und Reaktionsbereitschaften in engem Zusammenhang sowohl mit der körperlichen Entwicklung wie mit dem Erleben der Umwelt, der Lebenserfahrung. Der Mensch gestaltet seine Umwelt tätig mit. Er ist nicht wie das Versuchstier in eine Umwelt gestellt, die unabhängig von ihm bestimmt wird. Schon das kleine Kind beeinflusst durch sein Wesen (die Art wie es saugt, schluckt, weint, lächelt) die emotionellen Einstellungen seiner Mutter und anderer Menschen.
                            Die Lebenserfahrung prägt wiederum die persönliche Entwicklung, aber sie ist zu einem großen Teil schon durch diese Entwicklung mitbestimmt. Lebenserfahrung und Persönlichkeit entwickeln sich nicht unabhängig voneinander, sondern miteinander und aneinander. Zwar gibt es vererbte Entwicklungstendenzen, die sich unter den meisten Lebensbedingungen in ähnlicher Weise zur Geltung bringen und die man als weitgehend von der Umwelt unabhängig bezeichnen kann; es gibt auch Fügungen des Schicksals, die den Menschen unabhängig von seinem Wesen treffen, und Wirkungen von Schicksalsschlägen, die zur Hauptsache umweltbedingt sind.
                            Meist aber sind die Folgen von Entwicklungsbereitschaften und Umweltwirkungen untrennbar ineinander verwoben.
                            In den Jahrzehnten vor und nach der letzten Jahrhundertwende hat man in der Psychiatrie vor allem der Vererbung Beachtung geschenkt. In den letzten Jahrzehnten wollten viele umgekehrt die persönliche Entwicklung nur aus den Umweltverhältnissen ableiten. Heute sind solche Einseitigkeiten überwunden. Man weiß, dass man meist ineinander verwobene Beziehungen zwischen Erb- und Umwelteinflüssen studieren muss. Dementsprechend sucht man auch den psychotherapeutischen Zugang zum Menschen nicht mehr allein in der Betrachtung darüber, was für Erfahrungen er gemacht hat, sondern man berücksichtigt bei der Bildung der psychotherapeutischen Gemeinschaft, wie er seine Umwelt gestaltet und wie er ihre Rückwirkungen seinem Wesen nach verarbeitet.

                            1. Über den Wirkungsbereich der Lebenserfahrung
                            Unter dem ständigen Einfluss der Lebenserfahrung, wie sie die Sinne übermitteln, entwickelt sich die ganze Persönlichkeit auf Grund ihrer angeborenen Tendenzen und Reaktionsbereitschaften. Die Mutter beeinflusst die Art, wie die Nahrung vom Säugling aufgenommen und verarbeitet wird, wie sich das reflexartige Lächeln zu einem beseelten Lächeln wandelt, wie aus dem reflexartigen Schreien ein wütendes, trotziges, heischendes, flehendes oder verzweifeltes Schreien wird, wie das Kind schläft und träumt. Beim Betasten seiner selbst und der Umgebung, beim Bewegen, in der körperlichen Berührung mit der Mutter und in der emotionellen Beziehung mit ihr formt sich das Gefühl des Ich und seine Abgrenzung gegen die Umwelt.
                            Aus dem ungezielten Spiel mit mannigfachen Lauten bildet sich die Sprache nach dem Beispiel der Erwachsenen. Zusammen mit der Sprachbildung erfolgt die Begriffsbildung und die Entwicklung des Denkens. Die Erfahrung lehrt das Kind, dass seinen triebhaften Bedürfnissen Schranken gesetzt sind, dass es nicht immer, und oft nur unter Entsagungen und Anstrengungen, zu einer Triebbefriedigung kommen kann. Seine Triebhaftigkeit verändert sich stetig nach Maß und Art, wie ihm die Befriedigung gewährt und versagt wird.
                            Die Triebe werden langsam persönlicher, menschlich, statt rein animalisch. Das Ich gewinnt Distanz vom Trieb. Die triebhaften Bedürfnisse beginnen sich dem Bedürfnis unterzuordnen, sich nach sozialen Erfordernissen unter die Menschen einzugliedern. Wie das Kind diese Erfordernisse auffasst, hängt vom Verhalten seiner Angehörigen ab.
                            Im Erleben der menschlichen Umgebung und der Triebentsagung und -erfüllung bilden sich bevorzugte Stimmungslagen und formt sich die persönliche Verstimmbarkeit.
                            Keineswegs entsteht im Laufe der Kindheit eine stabile Persönlichkeit.
                            Unter dem Einfluss der Lebenserfahrung (und des körperlichen Zustandes) entwickeln und verändern wir uns vielmehr bis zum Tode weiter, immer in dem durch die angeborenen Bereitschaften gesetzten Rahmen.
                            Gesinnung, Bewährung im Beruf, in der Ehe, in der größeren Gemeinschaft. Haupt- und Nebeninteressen. persönliche Neigungen, das Selbstbewusstsein, die Grundstimmung, die ganze Persönlichkeit auch des Erwachsenen werden stark durch Erfolge und Misserfolge, durch feste Beziehungen zu den Mitmenschen oder ihr Fehlen, durch die Möglichkeit, Talente und Kräfte auszuleben, weiter geprägt.
                            Erst in jüngster Zeit ist man recht darauf aufmerksam geworden, wie solche Umwelteinflüsse selbst im hohen Alter wirksam bleiben.
                            Aus der Einmaligkeit der vererbten Entwicklungsbereitschaften und der Einmaligkeit der Lebenserfahrung formt sich die einmalige Individualität eines jedes Menschen.

                            Die Lebenserfahrung kann so ungünstig sein, dass fast jeder Mensch, auch der widerstandsfähig veranlagte, daran krank wird.
                            Dazu gehören ständig quälende Lebensumstände in der Kindheit oder gehört das Erdulden von lang dauerndem Terror in Gefangenenlagern mit nachfolgendem Verlust aller nahestehenden Menschen und aller gewohnten Lebensverhältnisse.
                            Häufiger bekommen ungünstige Lebenserfahrungen nur dann krankmachende Bedeutung, wenn sie einen Menschen treffen, der dafür besonders empfindsam ist.
                            Dieselben Schicksalsschläge, die den einen zugrunde richten, stählen und kräftigen den andern.
                            Jene Störungen, die man zur Hauptsache aus der Ungunst der Lebenserfahrung heraus verstehen kann, werden wir bei der später folgenden Beschreibung der psychogenen oder psychoreaktiven Leiden kennen lernen.
                            Es handelt sich um unmittelbare Reaktionen auf aktuelle Bedrängnisse und um unmittelbare oder um neurotische Persönlichkeitsentwicklungen unter dem Druck einer langen Leidensgeschichte.
                            Sicher ist heute, dass die Lebenserfahrung auch bei der Entstehung der Schizophrenien eine wesentliche Rolle spielt. Der veraltete Begriff der psychopathischen Entwicklung schließt die Vorstellung in sich, dass sie weitgehend in den angeborenen Anlagen verwurzelt ist. Jedoch wirken Umwelteinflüsse bei der Entstehung und dem Verlauf auch dieser Störungen immer wesentlich mit. Selbst die durch Veränderungen des Hirns verursachten psychischen Krankheiten gestalten sich nach der früheren und der aktuellen Lebenserfahrung verschieden-
                            Besonders eingehend studiert wurde bisher die Entwicklung der Triebhaftigkeit und der einzelnen Triebe unter dem Einfluss des Umwelterlebens. Der Geschlechtstrieb entwickelt sich Hand in Hand mit der endokrinen und der allgemein körperlichen Reifung, mit dem Selbstbewusstsein, der eigenen Stellung in der Gesellschaft, den Beziehungen zu den Eltern, zu den Kameraden und zum anderen Geschlecht mit den Erfahrungen über die Geschlechtlichkeit der Menschen, die einen umgeben, und den eigenen körperlichen sexuellen Funktionen.
                            Je nach diesen Einflüssen macht er sich in der Jugend früher oder später geltend und wird er im Alter früher oder später schwacher.
                            Die Einflüsse, die die Geschlechtslust erregen oder hemmen, prägen sich an der Erfahrung, ebenso wie die Stärke des Triebes.
                            Umweltabhängig ist es auch, ob die körperliche Sexualität zu einer Komponente der dauernden, hingebungsvollen Liebesfähigkeit des reifen Menschen wird, oder ob sie sich losgelöst von menschlichen Bindungen auslebt. Selbst die Richtung der Sexualität in homosexuellem oder heterosexuellem Sinne wird (unter anderem) durch die Erziehung mit beeinflusst.
                            Unter den Störungen der Sexualität sind krankhafte Hemmungen aller Art am häufigsten und die Offensichtlichsten mit ungünstigen Lebenserfahrungen im Zusammenhang:
                            Verkümmerung von Sexualität und Liebesfähigkeit, erektile Dysfunktion, Ejaculatio praecox, Anorgasmie der Frau und Vaginismus, uvm.
                            Auch überbordende, ausschweifende Sexualität und die Unfähigkeit, sich an einen Partner dauernd zu binden, sind oft in der Erfahrung verwurzelt. Ungünstige Erfahrungen spielen häufig bei der Entstehung von erotischen Neigungen zu Kindern und beim Exhibitionismus die Hauptrolle.
                            In engem Zusammenhang mit dem Geschlechtstrieb hat der Aggressionstrieb eine umweltabhängige Entwicklungsgeschichte.
                            Die Lebenserfahrung bestimmt mit, ob er sich an die Anforderungen der Gesellschaft anpasst oder primitiv durchzubrechen geneigt ist,
                            ob die Faust tätlich gebraucht wird oder polternd auf den Tisch schlägt oder nur im Sacke geballt wird, ob das rechte Wort vor dem rechten Gegner offen gesagt oder zurückgedrängt wird und dann Bitterkeit und Ressentiments entstehen.
                            Krankhafte Schüchternheit wie krankhafte Aggressivität können durch die Erfahrung mitgeprägt werden.
                            Selbst so stark körperlich verwurzelte und körperlich geregelte Triebe wie Hunger, Sättigung und Durst verändern sich je nach der Erfahrung: Die Tischgewohnheiten und die Tischkultur der elterlichen Familie haben nachhaltigen Einfluss.
                            Hunger und Durst nach Liebe, nach Macht, nach Anerkennung können gestillt oder frustriert werden und den Hunger und den Durst in engerem Sinne verändern.
                            Solche Erfahrungen spielen bei der Entstehung von Fett- und Magersucht und von funktionellen Verdauungsstörungen eine wesentliche Rolle.
                            Die Entwicklungsgeschichte anderer Triebe und ihrer Störungen bleibt zu erforschen, so des Triebes nach Ruhe oder Bewegung, nach dem Verbleiben im Heim oder dem Schweifen in die Ferne u. a.
                            Unsere ganze Einstellung zu den Mitmenschen ist von der Erfahrung abhängig: ob wir scheu oder verkrampft oder frei und reif vor andere treten, ob wir ihnen gegenüber ängstlich, feindselig, misstrauisch oder gütig gestimmt sind,
                            ob wir uns aufschließen oder verschließen, liegt im Gemeinschaftserleben mitbegründet.
                            Unsere Bindungsfähigkeit an andere ist keinesfalls eine stabile Eigenschaft, die wir fatalistisch hinzunehmen haben.
                            Die Lebenserfahrung prägt sie.
                            Dasselbe gilt von allen Seiten des Charakters, so u. a. vom Temperament, von der Grundstimmung, der Verstimmbarkeit.
                            Ob wir eher eigenständig, nach inneren Imperativen handeln (d. h. introvertiert oder schizoid sind),
                            oder ob wir stark von andern abhängen und uns ihren Stimmungen und Tendenzen anpassen können (d. h. extrovertiert oder synton sind),
                            ist nach unserem heutigen Wissen keineswegs nur durch die Anlage, sondern auch durch die Umwelt mitbestimmt.
                            Ungünstige charakterliche Entwicklungen, die man weitgehend als Folge ungünstiger Lebenserfahrung verstehen kann, bezeichnet man als
                            krankhafte Charakterentwicklungen
                            oder, wenn die Zusammenhänge in der Persönlichkeitsstruktur versteckt sind,
                            als Charakterneurosen.
                            Eine große klinische Bedeutung haben die krankhaften Verstimmungen und unter ihnen besonders die Depressionen. Schon der Gesunde ist unter dem Druck ungünstiger Erlebnisse verstimmbar. Die Verstimmung kann krankhafte Grade annehmen, wenn jemand durch frühere Erlebnisse auf eine neu auftretende Bedrückung sensibilisiert ist,
                            oder wenn eine aktuelle quälende Sorge besonders stark ist.
                            Die Krankhaftigkeit kann sich in besonderer Stärke oder langer Dauer der Verstimmung äußern. Selbstmordtendenzen oder Vernachlässigung der eigenen Pflichten können ihr krankhaftes Gepräge geben.
                            Oder die vegetativen Begleiterscheinungen der Verstimmung wie Appetitlosigkeit oder Herzbeengung wirken sich wie eine körperliche Krankheit aus.
                            Wenn es auch nach unserem bisherigen Wissen berechtigt ist, von der Intelligenz als einer weitgehend erbbedingten Seite unserer Persönlichkeit zu sprechen,
                            so ist ihre Umweltstabilität doch nur eine relative: Nicht nur der Inhalt unseres Wissens, sondern auch die Art, wie wir dieses Wissen verarbeiten, wird durch das Leben geprägt.
                            Mit dem Lernen von Fertigkeiten und dem Merken von Wissen, mit unseren Erfolgen und Misserfolgen im Leben entwickelt sich die Abstraktionsfähigkeit, die Selbständigkeit des Denkens, die Selbstkritik, die intellektuelle Selbstsicherheit neben vielen anderen Zügen, die sich von "der" Intelligenz nicht abgrenzen lassen.
                            Von ganz besonders großer Bedeutung ist der Einfluss der Lebenserfahrung auf alle vegetativen Funktionen:
                            Ihre persönliche Eigenart entwickelt sich zusammen mit der ganzen Persönlichkeit (besonders der Triebhaftigkeit und der Emotionalität) unter dauerndem Einfluss der Erfahrung. Hand in Hand mit der Persönlichkeit im gewöhnlichen Sinne des Begriffes entsteht eine
                            "vegetative Persönlichkeit".
                            Unter ungünstigen Lebenserfahrungen können sich zusammen mit emotionalen Störungen der Persönlichkeit Störungen der vegetativen Funktionen entwickeln.
                            Wie sehr vegetative Abläufe im Zusammenhang mit dem emotionellen Leben durch die Erfahrung geprägt sind, zeigen schon banale Beobachtungen:
                            Es hängt nicht vom Zufall ab, bei welchen Eindrücken einem das Wasser im Munde zusammenläuft, es einem "den Speichel verschlägt" und der Mund trocken wird, der Bissen im Halse stecken bleibt, es einem den Magen kehren will, das Herz zu klopfen beginnt usw.
                            Vielmehr hängen solche und viele andere vegetative Reaktionen damit zusammen, was wir früher erlebt haben, wie erregbar wir im allgemeinen und wie empfindsam auf besondere Eindrücke wir geworden sind und was wir erwarten, erhoffen oder befürchten.
                            Vegetative Reaktionen sind von Mensch zu Mensch verschieden: Der eine reagiert auf Scham oder Zorn mit Erröten, der andere mit Erblassen; in der ängstlichen Spannung werden die meisten verstopft, einige aber bekommen Stuhldrang; vor eine heikle Aufgabe gestellt, wird bei einem der Puls verlangsamt, beim andern beschleunigt, bei einem steigt der Blutdruck, beim andern fällt er-
                            Viele durch ungünstige emotionelle Entwicklungen verursachte, mit der Lebenserfahrung zusammenhängende vegetative Vorgänge wirken sich wie Krankheiten aus, weil sie zu stark sind, zu lange dauern oder mit den bewussten Bestrebungen in Widerspruch stehen (Erröten bei Verlegenheit).
                            Diese Störungen pflegt man unter die funktionellen Organstörungen einzureihen. Sind die Zusammenhänge mit emotionell überbetonten Erfahrungen unklar und verdrängt, spricht man von
                            Organneurosen.
                            Eine große Zahl der Patienten klagt über solche Störungen:
                            z. B. über Herzbeengung, Übelsein, Verstopfung, Erregungsdiarrhoe, Enuresis oder Urinretention, Schweißausbrüche, Dysmenorrhoe, Fluor u. a.
                            Die Emotionalität beeinflusst über die Hormone des Hypothalamus und der Hypophyse und über das sympathische Nervensystem viele periphere endokrine Funktionen.
                            Umgekehrt wirken Hormone aus peripheren Drüsen, aus der Hypophyse und aus dem Hypothalamus auf cerebrale Funktions-Systeme ein, die an der Regelung von Trieben und der Gestimmtheit beteiligt sind.
                            (Zum Beispiel bremst das Gewebehormon Cholecystokinin das Appetitverhalten, wirkt das "Thyreotropin-stimulating-Hormone" wahrscheinlich auf die Stimmung, Adrenocorticotropin und Pitressin wirken wahrscheinlich auf das Lernverhalten.) Im Zusammenwirken endokriner und nervöser Funktionen formt sich unter dem Einfluss der Lebenserfahrung neben der emotionellen, auch eine endokrine Individualität als Teil der Persönlichkeit:
                            Im weiten Rahmen der Norm ist der zeitliche und quantitative Ablauf der Hormonbildung von Mensch zu Mensch verschieden. Dies ist u.a. für die Anpassungsreaktion auf Belastung und Anspannung ("stress") im Sinne der Lehre von SELYE anschaulich gemacht worden: "stress" führt zu vermehrter Bildung von die Hypophyse stimulierenden Neurosekreten und dadurch zur vermehrten Ausscheidung von adrenocorticotropem Hypophysenvorderlappenhormon, dieses regt die Bildung von Glucocorticoiden der Nebennierenrinde an, die wiederum den Eiweißabbau zu Kohlenhydraten, den Mineral- und Wasserstoffwechsel beeinflussen. Die vorhergegangenen Emotionen und Anpassungsreaktionen, die ganze frühere Lebensgeschichte beeinflussen die späteren Abläufe der Hypophysen-Nebennierenrinden-Funktion, ihre rasche oder langsame Ingangsetzung, ihre Dauer, ihre Erschöpfbarkeit. Deshalb sind heute viele Befunde, die noch vor wenigen Jahrzehnten als jedem psychischen Einfluss enthoben beurteilt wurden, in ihrem Zusammenhang mit der Emotionalität und der ganzen Persönlichkeit verständlich geworden. Dazu gehört u. a. das Blutbild mit der Lymphopenie und Eosinopenie, deren Auftreten bei Psychotischen man noch vor kurzem fälschlich als sicheren Beweis für eine primäre Körperstörung betrachtet hatte.
                            In den Ablauf anaphylaktiscker Reaktionen können sich emotionelle Erregungen einschalten, wie sie von der Erfahrung abhängen.
                            Das Zusammenspiel wird u. a. durch das Endokrinium vermittelt.
                            Gemeinsam mit der ganzen Persönlichkeit und unter dem Einfluss der Lebenserfahrung entwickelt sich auch die persönliche Art der willkürlich innervierten Motorik: Haltung, Gang, Mitbewegungen, Ruhe oder Unruhe, Entspannung oder Verkrampfung in Muskelspiel, Mimik, Blick, Gestenspiel der Hände, Stimme, Schrift werden alle persönlich geprägt und zu einem Aspekt der Gesamtpersönlichkeit. Unter krankhaften Einflüssen kommt es zu Hyperventilation mit ihren Folgen, zu Spannungs-Kopf- und Kreuzschmerzen, zu Beschäftigungskrämpfen u. a. Störungen.

                            2. Gesetzmäßigkeiten des Zusammenspiels zwischen persönlicher Erfahrung und Entwicklung
                            Die größte Bedeutung für die Persönlichkeitsentwicklung haben nicht die materiellen Lebenserfahrungen und Lebensnöte, sondern diejenigen, die sich aus unseren Beziehungen mit den Mitmenschen ergeben: Nach unserem heutigen Wissen ist es nicht das Erdulden von Schmerz, Hunger, Kälte, Hitze oder von anderen materiellen Entbehrungen und auch nicht körperliche Überanstrengung, ja nicht einmal das Ausstehen von unmittelbarer Lebensbedrohung oder umgekehrt das Genießen von materiellem Wohlbehagen, was in erster Linie unsere Persönlichkeit formt.
                            Viel nachdrücklicher und folgenschwerer wirkt es sich aus, wie wir im Kreise der Mitmenschen eingegliedert sind, ob wir uns beschützt und geborgen fühlen, ob wir umgekehrt das Glück empfinden dürfen, das im Schenken von Schutz und Geborgenheit an andere liegt, ob wir lieben und achten und geliebt und geachtet werden, was für Angriffen wir ausgesetzt sind und wie wir ihnen begegnen. Materielle Belange werden für unser Lebensschicksal oft erst dadurch bedeutungsvoll, dass sie auch Kennzeichen für unsere Stellung unter den Mitmenschen sind: gute oder schlechte Kleidung, Üppigkeit oder Dürftigkeit der Lebenshaltung, Reichtum und Armut bekommen Bedeutung für unser Geltungs- und Liebesbedürfnis, für Streben nach Macht, für unsere ganze Stellung unter den Menschen.
                            Langdauernde emotionelle Spannungssituationen sind für die Persönlichkeitsentwicklung bedeutungsvoller als einmalige Ereignisse.
                            Es entsprach eher der Freude am Dramatisieren als der Wirklichkeit, wenn man früher versuchte, die Lebensentwicklung aus einem einzigen erschütternden Erlebnis zu verstehen:
                            Einem sexuellen Trauma wie einer Vergewaltigung, einem "sündhaften" Fehltritt,
                            späteren Lebens zu einer Weiterentwicklung der Persönlichkeit, aber immer nur auf Grund der vorgebildeten, von der früheren Erfahrung mitgeprägten Entwicklungsstufe. Die Art, wie wir etwas erleben und wie es auf uns wirkt, ist immer schon mitgeprägt durch alles, was wir früher erlebt haben. Zum Beispiel hilft das frühe Verhältnis zum Vater, dasjenige zum Lehrer in der Schule gestalten, dieses wirkt sich wieder auf das Verhältnis zu späteren Arbeitgebern, Vorgesetzten und zu allen anderen Autoritätspersonen aus. Oder die Art, wie die Mutter den kleinen Knaben umhegte und wie dieser darauf ansprach, hilft zu bestimmen, was er als Erwachsener von einer Frau erwartet.
                            Die Tatsache der Dauerhaftigkeit der Bedeutung von Erlebnissen für die Persönlichkeitsentwicklung hat auf intellektuellem Gebiete die Dauerhaftigkeit des Gedächtnisses zur Voraussetzung : Die Zeit löscht die Gedächtnisspuren kaum, sondern sie bleiben lebenslänglich erhalten und können sich immer wieder geltend machen.

                            Im Zusammenhang mit der Dauerhaftigkeit der Erfahrung steht die hervorragende Bedeutung der Kindheit und der Gewohnheit für die Persönlichkeitsentwicklung:
                            Immer liegen die Urgründe der Entwicklung in der frühen Kindheit, und das spätere Geschehen stellt bloß eine Umprägung des früheren dar. In keinem Entwicklungsstadium vermindert sich die Bedeutung des Kindheitsgeschehens. So z.B. beeinflusst das Bild des Vaters, wie es in der Kindheit geprägt wurde, die eigene Haltung im späteren Leben, und das gerade auch im höheren Alter; bald wirkt es als Vorbild, bald als abschreckendes Beispiel auf eigenes Tun und Lassen.
                            Die Macht der Gewohnheit ist sprichwörtlich; trotzdem überrascht und verwirrt sie den Anfänger in der Psychotherapie und der sozialen Fürsorge. Viele seiner bestgemeinten Ratschläge auf Wechsel der altgewohnten Lebensführung sind in den Wind gesprochen, auch wenn ihrer Befolgung keine äußeren Hindernisse im Wege stehen. Eine längst erwachsene Tochter, die sich im ständigen Kleinkrieg mit der dominierenden Mutter aufreibt, löst doch die Hausgemeinschaft mit ihr nicht; die Trinkerfrau, die allnächtlich in furchtbaren Auftritten beschimpft und misshandelt wird, trennt sich nicht von ihrem Mann, ja kann sich nicht einmal mit seiner Abwesenheit zur Entziehungskur abfinden; selbst ein Arbeiter mit einer beginnenden Gewerbevergiftung bleibt manchmal jeder Vernunft und jedem Ratschlag zum Trotz an jenem Arbeitsplatz, an dem er langsam umgebracht wird. Es ist, als ob viele Menschen Wurzeln hätten, die sie auf dem gewohnten Boden festhielten, auch wenn sie darauf nicht gedeihen können. Die ganze Lebensenergie scheint manchmal darauf gerichtet, eine bestimmte Problematik unter den hoffnungslosen Umständen, in denen sie sich langsam ausbildete, durchzukämpfen. Im Hintergrund steht gewöhnlich die Analogie mit der Kindheitssituation. Der spätere Lebenskampf steht für denjenigen, in den sich das Kind festgebissen hat; die neue Problematik bekommt ihre packende Bedeutung als Symbol der früheren.
                            Die in ihrer eigenen Lebensentfaltung verkümmerte, an die Mutter gebundene Tochter lässt in erwachsenem Alter ähnliche Affekte abrollen, mit denen sie in trotziger und schmollender Kinderunart die strenge, Zärtlichkeit abweisende Mutter an sich binden, aber auch kränken wollte und setzt sich mit den nachfolgenden Gewissensbissen in ähnlicher Art auseinander wie damals. Die passiv leidende Trinkerfrau lebt sich oft in die Rolle der Mutter ein, die mit dem alkoholischen Vater damals ähnliches durchgemacht hat, als sie selbst ein Kind war.
                            In der gesunden und besonders in der krankhaften Persönlichkeitsentwicklung lassen sich viele Zusammenhänge am besten mit dem Begriff der Regression dem Verständnis nahe führen:
                            Zurückfallen auf eine frühere .Entwicklungsstufe unter bedrohlichen Umständen, denen man hilflos preisgegeben ist. Vorübergehende Regressionen sind alltägliche Kinderstubenerfahrungen: Das Kleinkind, das Heimweh hat, das die Mutter verliert oder dem auch bloß zufolge der Geburt eines Geschwisterchens mehr Selbständigkeit zugemutet wird, benimmt sich plötzlich wie ein noch jüngeres Kind und verliert bereits erworbene Fähigkeiten wieder: es wird wieder unrein, wenn es bereits an Reinlichkeit gewöhnt war ; seine Sprache wird wieder lallend und agrammatikalisch, wenn sie schon entwickelt war, oder es fällt sogar in Sprachlosigkeit zurück; es zieht sich nicht mehr selbst an oder isst nicht mehr selbst, wenn es Selbstessen und -anziehen schon gelernt hat. Der Erwachsene zeigt offensichtliche Regressionen, wenn er krank und hilflos wird:. der Ton, in dem viele Schwerkranke mit Schwester und Arzt sprechen, gleicht sich demjenigen eines klagenden Kindes an; Schwerkranke "lassen sich oft mehr gehen, als es nötig wäre", man muss ihnen beim Essen, beim Gehen, bei den körperlichen Verrichtungen noch mehr behilflich sein, als es sich aus ihrer körperlichen Störung erklären lässt, sie zeigen den Pflegenden gegenüber eine kindische, klebrige Anhänglichkeit, aber auch kindischen Trotz und Eifersucht; die Kreißende lässt sich die Hand halten und streicheln wie ein Kind usw. Der biologische Sinn der Regression ist offensichtlich: wenn man eine Existenzbedrohung nicht aktiv abzuwehren imstande ist, so fällt man zurück in ein Verhalten, das wie dasjenige eines Kleinkindes Erbarmen wachruft und Trost und Hilfe von anderen einbringt.
                            Regressionen können einen lange andauernden Infantilismus mit verursachen. Im Rahmen eines solchen können z. B. Impotenz oder Menstruationsstörungen als Ausdruck von Angst vor reifer Verantwortung klinische Bedeutung bekommen. Oft beziehen sich Regressionen und Infantilismus nicht auf die ganze Persönlichkeit, sondern nur auf einzelne Einstellungen: z. B. kann eine erwachsene Tochter in infantiler Weise an die Mutter gebunden bleiben und alle anderen menschlichen Beziehungen verkümmern lassen, während sie sich intellektuell ausgezeichnet entwickelt; oder die Tochter eines Trinkers kann im Zusammenhang mit regressiven Tendenzen liebesunfähig bleiben und sich in kindlicher Gebundenheit an Trinkerelend einen Trinker zum Manne wählen, während sie eine reife, hingebungsvolle Mütterlichkeit zeigt.
                            Besonders bedeutungsvoll werden regressive Erscheinungen bei der Anpassung an die zunehmende Altersschwäche. Der Begriff der Regression hilft, einen Teil des "Kindischwerdens" des Alternden zu verstehen.
                            Die persönlichkeitsprägende Kraft von affektgeladenen Lebenserfahrungen ist keinesfalls davon abhängig, ob sie dem Bewusstsein gegenwärtig bleiben. Im Gegenteil: Erinnerungen und Vorstellungen können dem bewussten Leben unzugänglich aus dem Unbewussten heraus schaltende Wirkung auf alle Lebensvorgänge erlangen und unsere Entwicklung beeinflussen, ohne dass wir es wissen. Häufig kommt es vor, dass wir uns mit unerfüllbaren Wünschen und Hoffnungen, mit Herabsetzungen und Entbehrungen in unserem Liebes- oder Geltungsbedürfnis dadurch abzufinden versuchen, dass wir sie vergessen. Wir verdrängen sie ins Unbewusste. Damit ist aber die Bedrängnis nicht immer aus der Welt geschafft: vielmehr geschieht es leicht, dass die verdrängten Vorstellungen schaltende Wirkungen haben, die unseren bewussten Tendenzen widersprechen: die Erkenntnis eigenen beruflichen Ungenügens ist oft so schmerzhaft, dass man sich vor dem Bewusstsein nicht damit auseinandersetzen kann;
                            ins Unbewusste verdrängt, kann sie unter Umständen doch zu Depression und Lebensangst mit vegetativen Erscheinungen wie Herzklopfen oder Appetitlosigkeit und Verdauungsbeschwerden führen. Eine verheiratete Frau möchte sich an ihre Ehe anpassen und verdrängt die frühere Liebe zu einem andern und die Abneigung gegen den Ehemann; die unterdrückten Gefühle können sich aber ohne ihren Willen in Frigidität oder Vaginismus oder in einer gehässigen Streitsucht dem Ehemann gegenüber geltend machen.
                            Man spricht in der Psychopathologie von einfachen Entwicklungen, wenn die prägenden Erfahrungen dauernd dem Bewusstsein als Stachel gegenwärtig bleib, und von neurotischen Entwicklungen, wenn die ungünstigen Einflüsse von ins Unbewusste verdrängten affektgeladenen Vorstellungen ausgehen. In Wirklichkeit fließen bei jedem persönlichen Entwicklungsvorgang Einflüsse aus bewussten und aus unbewussten Vorstellungen zusammen; höchstens können die einen oder die anderen bei der klinischen Betrachtung deutlicher werden.
                            Nicht jene Gefahren, Leiden und Bedrohungen sind am schädlichsten, zu denen wir eindeutig Stellung beziehen.
                            Viel eher krankheitserzeugend sind Lebenslagen, denen wir zwiespältig, ambivalent, gegenüberstehen, die innere Zweifel und Widersprüche beleben. Eine Frau, die ihren Mann von ganzem Herzen liebt, wird furchtbar leiden, wenn er in Lebensgefahr ist. Neurotisch erkranken wird die Frau bei Lebensgefahr des Mannes aber eher, wenn sie nur mit halbem Herzen an ihm hängt und mit einem Teil ihrer selbst sich ausmalt, was für erfüllendere erotische Bindungen zu andern ihr nach seinem Tode möglich wären. Eine einmalige homosexuelle Verführung eines Jugendlichen durch einen Lehrer wird ihm wenig schaden, wenn er sexuell normal veranlagt ist; kämpft er aber ohnehin mit unterdrückten homosexuellen Neigungen, so wird diese Verführung seine Weiterentwicklung stärker gefährden.

                            3. Persönlichkeitsprägende Lebenserfahrungen
                            Nachdem die Wirkung von Lebenserfahrungen skizziert worden ist und nachdem einige Gesetzmäßigkeiten des Zusammenhangs zwischen Persönlichkeitsentwicklung und Erfahrung erwähnt worden sind, bleibt die Art der Lebenserfahrungen zu beschreiben, die die Persönlichkeit prägen.
                            Zwar üben alle Lebenserfahrungen einen Einfluss auf unsere Entwicklung aus; es scheint aber doch häufige und typische Lebenssituationen zu geben, die auf die Persönlichkeit besonders stark einwirken. Sie sollen im folgenden nach den Lebensaltern geordnet kurz übersehen werden :
                            Im Säuglingsalter beherrscht das Verhältnis zur Mutter die Entwicklung. Die Bedeutung der Mutter würde nur ungenügend anerkannt, wenn man sie bloß in der Verabreichung der richtig zusammengesetzten Nahrung, dem Schutz vor Kälte und vor Verletzungen, der Sorge für Sauberkeit und andere lebensnotwendige materielle Belange suchte. Vielmehr hat schon der Säugling Emotionen, die während der Pflege lebhaft ansprechen. Lange war die Meinung geläufig, der Säugling könne die menschlichen Äußerungen der pflegenden Mutter gar nicht wahrnehmen.
                            Heute wissen wir nicht nur, dass die Mutter ihre Gefühle während der Pflege in viel höherem Maße spielen lässt, als man früher ahnte, sondern auch, dass der Säugling elementar darauf anspricht. Eine Mutter kann den Säugling hart oder weich, ängstlich oder grob in die Arme nehmen, sie kann ihn beim Aufheben erschrecken oder beglücken, sie kann ihn beim Stillen ungeduldig mit Schlagen und Kneifen antreiben oder sich geduldig seinem Tempo anpassen, sie kann heftig oder gar nicht auf Schmerzen in der Brust reagieren, unter dem Einfluss ihrer eigenen Emotionen kann der Fluss der Milch verändert werden, ihre Hände können kalt oder wohlig warm sein. Die persönliche Note, mit der die Mutter auf Äußerungen von Lust und Unlust des Säuglings, auf sein Schreien, Zappeln und Lächeln, antwortet, beeinflusst ihn stark. Sie kann sich um sein Schreien kümmern oder nicht kümmern, kann sich regelmäßig oder unregelmäßig, geduldig und liebevoll oder ungeduldig, hastig und zornig darum kümmern, sie kann das Kind lange oder kurz, leise und weich oder grob (mehr einem Schütteln gleich) wiegen, sie kann auf einen Lutscher verzichten, einen Lutscher sanft reichen oder ihn ungeschickt in den Mund führen usw.
                            In den ersten Wochen nach der Geburt äußert sich der Säugling vorwiegend durch Zeichen der Unlust. Er schreit und lässt sich z. B. durch das warme Bad oft beruhigen. Mit dem Auftreten des Lächelns (in der dritten bis sechsten Lebenswoche) werden der Mutter auch seine wohligen Stimmungslagen erkennbar. In den folgenden Monaten gestaltet und differenziert sich unter dem Einfluss der Mutter seine Emotionalität rasch. Der Ausdruck des Erschreckens bekommt eine andere Tönung als derjenige des Hungers oder des nass und unbequem Liegens, der Ausdruck von satter und müder Zufriedenheit wird anders als derjenige freudig erregter Erwartung, und das Kind beginnt sich zu Fremden anders zu verhalten als zur Mutter. Zusammen mit dem Beginn der emotionellen Differenzierung entwickelt sich das aktive Hinsehen und Hinhören (ungefähr vom dritten Monat an) und das aktive Greifen (ungefähr vom vierten Monat an), dem sich das Lallen, und das Erkennen von wichtigen Gegenständen anschließen. Wichtig ist die Feststellung, dass sich schon im frühesten Alter gemeinsam mit dem emotionellen und dem intellektuellen Leben körperliche Funktionen in persönlicher Art prägen und dass diese Prägung ebenfalls stark von der Umwelt, namentlich von der Beziehung zur Mutter, abhängt. Die Pawlow´sche Lehre von den bedingten Reflexen gibt ein anschauliches Bild elementarer Vorgänge bei dieser Prägung. Unter dem Einfluss des Verhaltens der Mutter werden Schlafgewohnheiten, Mimik und Motorik, die Art der Nahrungsaufnahme und der Verdauung, Tempo und Zeitpunkt der Entleerungen und wahrscheinlich noch viele andere Körperfunktionen persönlich geprägt. Das Schlafbedürfnis kann sich zu verschiedenen Tageszeiten einstellen, der Schlaf kann ruhig oder unruhig sein, die Nahrungsaufnahme kann gieriger und hastiger, aktiver oder träger, lustvoller oder weniger lustvoll, den physiologischen Bedürfnissen mehr oder weniger angepasst werden. In engstem Zusammenhang mit den Beziehungen zur Mutter und der Entwicklung der Emotionalität können sich bereits in diesem Alter schon krankhafte körperliche Prägungen einstellen: Schlafstörungen (schreien statt schlafen, nächtliches Aufschrecken), Übersteigerung der normalen motorischen Stereotypien (Kopfwackeln), Störungen des Appetits und des Schluckens, Brechen u. a.
                            Ein Säugling ließ die Nährflüssigkeit aus dem Munde fließen und schluckte sie kaum, so dass er lange Zeit mit der Magensonde am Leben erhalten werden musste. Eine organische Ursache fehlte. Kennzeichnend aber war der Beginn der Störung: Die Mutter hatte an diesem Tage die Schwiegermutter erstmals nach langer Zeit zum Essen erwartet und hätte gerne das Stillen rasch beendet, um Zeit für das Zubereiten der Mahlzeit zu gewinnen. Für diese Mutter war diese Situation nicht alltäglich. Sie war in vielem unreif geblieben und fühlte sich in der Ehe mit einem intellektuell überlegenen Mann minderwertig; sie hatte Grund, die Missbilligung der Schwiegermutter zu fürchten, da diese Schwiegermutter um das Kochen ein übertriebenes zeremonielles Wesen zu machen pflegte und von der Schwiegertochter Nachahmung erwartete. In der Folge bestanden für die junge Mutter eine Reihe weiterer schwerwiegender Gründe, sich bei der Pflege des Kindes höchst befangen und unfrei zu fühlen. Die lebensgefährlichen Schluckstörungen gingen zurück, als die Mutter unter der Psychotherapie ruhiger und selbstsicherer geworden war.
                            Das emotionelle Verhalten, die Entwicklung und die körperlichen Funktionen des Säuglings ändern sich, wenn plötzlich jemand anderer anstelle der Mutter die Pflege übernehmen muss oder wenn sich das Verhalten der Mutter ändert, weil sie selbst gedrückt oder krank wird. Unter solchen Umständen kann die Entwicklung stille stehen oder krankhaft werden. Man darf aber die Fähigkeit des gesund veranlagten Kindes, einmalige Erschütterungen zu überwinden, nicht unterschätzen. So ist die Behauptung völlig falsch, dass sich ein Kind, das in frühem Alter die Mutter verliert, nunmehr unter allen Umständen im Sinne einer Psychopathie oder gar einer späteren Psychose krankhaft entwickeln müsste. Der Verlust der Mutter ist eine schwere Gefährdung für die gesunde Entwicklung, doch zeigt die Erfahrung, dass sich unter günstigen Umständen das Kind auch in der Obhut einer liebevollen Pflegemutter oder eines guten Heims günstig entwickeln kann. Die Betreuung des Kindes durch die eigene Mutter bedeutet ein großes Glück, aber das Kind ist nicht wie manchmal behauptet wurde -hoffnungslos verloren, wenn die Mutterpflichten von jemand anderem übernommen werden. Wenn die Mutter infolge von Schwachsinn, Trunksucht, Psychopathie oder Geisteskrankheit das Kind dauernd grob misshandelt und vernachlässigt, ist auf alle Fälle eine geeignete Fremdpflege der Preisgabe des Kindes an die krankhafte Mutter vorzuziehen.
                            Während sich in den ersten Monaten das emotionelle Spiel zwischen Mutter und Kind vorwiegend um die Ernährung dreht, folgt im zweiten Lebensjahr die Erziehung zur Reinlichkeit. Wie sie durchgeführt wird, hängt wieder von der Mutter ab, von der Zeit, die sie dem Säugling widmen kann, von ihrer Geduld und ihrem Takt. Manche Mütter gehen streng und perfektionistisch vor und ertragen es schwer, wenn der Erfolg ihrer Bemühungen lange ausbleibt. Andere bekümmert die Reinlichkeit des Kindes wenig. Das Vorgehen der Mutter beeinflusst Häufigkeit und Zeitpunkt der Entleerungen, führt zu Trotz oder zu Verschüchterung, stört oder fördert die Anhänglichkeit an die Mutter und wirkt sich noch in vielfach anderer Art aus.
                            Das Kleinkind steht emotionell stark unter dem Einfluss der Dreieck-Beziehung Vater- Mutter- Kind. Das Kind erlebt sie als etwas Grundlegendes und Gewaltiges. Es bildet dabei seine ersten Vorstellungen über die Gemeinschaft, über die Rolle von Mann und Frau in Familie und Gesellschaft, über häusliches Glück und häuslichen Ärger.
                            Streit und Hader zwischen den Eltern können sein Geborgenheits- und Sicherheitsbedürfnis gefährden; Kälte und Gleichgültigkeit in ihrer Ehe kann die Entwicklung seiner eigenen emotionellen Wärme hintanhalten; seltener lässt eine allzu innige und in sich selbst zufriedene Gemeinschaft zwischen den Eltern das Kind nur mangelhaften Anschluss an diese Gemeinschaft finden. Wenn das Kind schon für die Beziehungen zwischen den Eltern feinfühlig ist, so erlebt es gleichzeitig die Gefühle, die ihm selbst von ihnen entgegengebracht werden, mit großer Eindrücklichkeit. Zärtlichkeit und Liebe, Ungeduld und Überdruss, Lieblosigkeit und Gleichgültigkeit oder Abneigung der Eltern haben ihre unmittelbaren Folgen auf die entsprechenden Gefühle des Kindes, auf seine Interessen, seine Stimmung, sein motorisches Verhalten, seine sprachliche und allgemein intellektuelle Entwicklung und die Gestaltung vegetativer Abläufe: auf Schlaf, Appetit, Verdauung, Brechen, Verstopfung, übertriebenes Festhalten oder Auslösung von anaphylaktischen Erscheinungen wie Asthma usw.
                            Neben derartigen einfachen, fast selbstverständlichen Auswirkungen des Kind – Eltern - Verhältnisses gibt es noch andere, die schwieriger zu erkennen waren und deren Beachtung das Empfinden des Erwachsenen so stark zu kränken geeignet ist, dass sie von ganzen Generationen ängstlich vermieden wurde. Es ist der Psychoanalyse von FREUD zuzuschreiben, dass diese Gegebenheiten beachtet wurden.
                            Es ist kaum möglich, sie völlig tatsachenentsprechend in Worte zu fassen, da unsere Sprache die Erlebniswelt des Erwachsenen ausdrückt und derjenigen des Kleinkindes immer Gewalt antut. In seinem Nachahmungstrieb gefällt sich das Kind in Spiel und Träumereien ganz besonders in der Rolle des gleichgeschlechtlichen Elterteils. (Der kleine Knabe imitiert Berufsverrichtungen des Vaters, er will wie der Vater Soldat sein, denselben autoritativen Ton im Familienleben annehmen; das Mädchen geht der Mutter bei den Verrichtungen des Haushaltes nach, will vom heimkehrenden Vater gleich begrüßt sein wie die Mutter usw.) Das Kind teilt auch die Liebe des gleichgeschlechtlichen Elternteils zum gegen geschlechtlichen. In dieser Liebe will der kleine Knabe die Mutter ganz für sich haben, und die Gegenwart des Vaters wird unerwünscht. Auch aus dem Nachahmungstrieb heraus wird der Vater überflüssig, wenn sich der Kleine im Spiel und in der Phantasie als Familienoberhaupt an seine Stelle setzt. In all dem liegt eine Feindseligkeit, die sich oft drastisch äußert. ("Wenn der Vati tot ist, heirate ich die Mutti.") Entsprechendes gilt für das kleine Mädchen. Die Erwachsenen neigen dazu, an den Äußerungen von Eifersucht und Ablehnung des Kleinkindes einem Elternteil gegenüber vorbeizusehen oder sie zu unterdrücken. Solche Äußerungen werden als drollige Blüten des kindlichen Unverstandes, hinter denen kein tieferes Erleben stecken soll, lächerlich gemacht oder in einer kurzen Zornaufwallung mit einem Schimpfwort oder einer Ohrfeige zum Schweigen gebracht. Das Kleinkind spürt aber selbst das Unziemliche, Verwerfliche, ja Ungeheuerliche seiner Auflehnung dem Vater oder der Mutter gegenüber, denn es liebt sie zur gleichen Zeit, da es eines von ihnen ausschalten möchte. Die Einheit seiner Gefühlswelt geht verloren. Das Kleinkind steht in einem Konflikt, der einem Gewissenskonflikt des Erwachsenen ähnlich ist, wenn er auch nicht bewusst als solcher empfunden wird. In diesem Konflikt kommt es zur Entwicklung von Angst vor Bestrafung durch den abgelehnten Elternteil und Angst davor, dass die geheimen und nur unklar ausgedachten Wünsche auf Beseitigung dieses Elternteils in Erfüllung gehen und furchtbare Folgen zeitigen könnten.
                            Dieselben emotionellen Schwierigkeiten können eine mehr triebhafte Seite haben. Das Kleinkind ist zwar nach den geläufigen Vorstellungen vieler Erwachsener in dem Sinne "unschuldig'., als ihm keinerlei Empfindungen zukommen sollen, die der Sexualität des Erwachsenen ähnlich wären; solche beliebten Vorstellungen entsprechen aber den kinderpsychologischen Tatsachen nicht. Vielmehr zeigt schon das Kleinkind u. a. eine lustbetonte Erregbarkeit einzelner Körperzonen, neben dem Mund vor allem der genitalen Onanie ist schon beim Kleinkinde häufig, und Erektionen kommen vor. Es ist richtig. Dass das Kleinkind zwar an den meisten Lebensäußerungen, die beim Erwachsenen eine sexuelle Bedeutung haben, völlig unberührt vorbeigeht. Gelegentlich aber wecken sie doch eine unbestimmte Gefühlstönung, die der sexuellen Empfindung des Erwachsenen irgendwie ähnlich ist. So entsteht am Beispiel der Bettgemeinschaft der Eltern das kindliche "Familienspiel", das eine oder andere Mal sogar mit Entblößungen und Betastungen. Es kann sich auch etwas wie eine sexuelle Neugierde bilden. Jedenfalls fehlen irgendwie erotisch betonte Einstellungen dem Phantasieleben des Kindes nicht. Deshalb hat die Einstellung des Kleinkindes zu den Eltern manchmal auch eine irgend wie sexuell getönte Seite. Grob und übervereinfacht formuliert: Der kleine Knabe liebt seine Mutter und möchte den Vater beseitigen, der ihm dabei im Wege steht. (Eine entsprechende Formulierung hat für das Mädchen Anwendung gefunden.) Die gefühlsgeladenen Vorstellungen im Zusammenhang mit dieser Situation wurden als Ödipus-Komplex bezeichnet. (Ödipus, eine hervorragende Gestalt in der griechischen Sagenwelt, hat seinen Vater getötet, seine Mutter geheiratet und hat furchtbare Sühne für diesen Frevel leisten müssen.) Die befürchtete Rache durch den Vater zufolge der sündigen Ansprüche des kleinen Sohnes kann in dessen Vorstellungswelt besonders auf seine Geschlechtlichkeit gerichtet sein. Er fürchtet die Bestrafung in Form der Verstümmelung seiner Genitalien: Kastrationskomplex.
                            Das Mädchen kann die Befürchtung haben, der Mangel eines Penis bedeute bereits Strafe oder Sühne für unzulässige Bedürfnisse. Solche Befürchtungen werden durch zahlreiche Verhaltensweisen der Erwachsenen geschürt. Viel häufiger als man glauben möchte, wird kleinen Kindern wegen Onanie, Bettnässen u. a. brutal mit dem Abschneiden des Penis gedroht. Noch häufiger ist die Drohung mit anderer Verstümmelung, dem Abschneiden des Daumens wegen Lutschens, des Ohres in der scherzhaft-drohend gesprochenen Äußerung: "Warte, ich lasse dir die Ohren stehen" u. a. Vor allem gewinnt der Kastrationskomplex auch dadurch an Leben, dass jede sexuelle Äußerung des Kleinkindes, selbst wenn sie völlig harmlos gemeint ist, zu heftiger Abwehr, Empörung und Ekel der Erwachsenen führt. (Zum Beispiel sind die Grausamkeiten unvorstellbar, denen Kinder mit krankhafter sexueller Frühreife alltäglich durch Erwachsene ausgesetzt sind.)
                            Wie nahe die kindliche Erregung im Zusammenhang mit Ödipus- und Kastrations-Komplex einer sexuellen Erregung Erwachsener steht und wie oft Sexuelles dabei anspricht, wird verschieden beurteilt und ist auch von Kind zu Kind verschieden. Kaum mehr bestritten ist aber heute die Tatsache, dass im Zusammenhang mit der Liebe zu den Eltern, dem Nachahmungstrieb und der Eifersucht dem einen oder anderen Elternteil gegenüber das kindliche Gemüt heftig bewegt wird und dass diese Bewegung eine hochgradig prägende Kraft auf die spätere Persönlichkeit hat. Aus dieser Kleinkinder-Zeit stammen formende Kräfte auf die spätere Sexualität und Liebesfähigkeit: es formen sich Umrisse der persönlichen Geschlechtsideale des späteren Partners und des eigenen Verhaltens, die Triebhaftigkeit wird mit stärkeren oder erträglicheren Gefühlen der Schuld, des Ekels und der moralischen Minderwertigkeit belastet, und es wird bestimmt, welchen Seiten der Triebhaftigkeit solche Hemmungen besonders anhaften. Im Zusammenhang damit entspringen dieser bewegten Zeit aber auch Einflüsse, die die ganze Persönlichkeit betreffen: die Stimmung, das Selbstbewusstsein, die innere Freiheit u. a.
                            Völlig falsch wäre aber die Vorstellung, das Leben des Kleinkindes wäre ganz allein durch seine Beziehungen zu den Eltern gekennzeichnet. Es hat auch sonst Gewaltiges zu erleben: es beginnt, vielerlei Gegenstände und ihre Bedeutung zu erkennen und Ort und Zeit zu würdigen; es formt sich ein Persönlichkeitsgefühl, eine Ahnung vom "Ich". Im engsten Zusammenhang damit beginnt es sich mit ungefähr einem Jahr die Sprache anzueignen, es beginnt zu fragen, zuerst besonders nach Benennungen (erstes Fragealter im dritten Lebensjahr), später nach dem Woher ? Wozu ? und Warum ? (zweites Fragealter etwa vom dritten bis zum fünften Jahr). In diesem Alter entwickelt sich die reiche kindliche Phantasie, die sich noch wenig um die Realitäten kümmert und sich in irrealer Art eine Vorstellungswelt schafft, in der märchenhaft und symbolisch kindliche Wünsche erfüllt, Befürchtungen und Ängste dramatisiert und durchgespielt werden. Das Spiel in allen seinen Formen, das Zeichnen, die Gestaltung unbelebten Materials (modellieren, kneten, bauen), das Verarbeiten von Märchen und Geschichten gehört zur Entfaltung der kindlichen Phantasie und der ganzen kindlichen Persönlichkeit. Das Kind lebt sich im Spiel in verschiedenste Rollen hinein (einer Mutter, eines Vaters, eines Zuckerbäckers, eines Soldaten, eines Zugführers, einer Märchengestalt usw.) und bildet sich langsam Leitvorstellungen vom Gesellschaftsgefüge und seiner eigenen Stellung unter den Menschen.
                            Im dritten bis fünften Lebensjahr (Trotz-Alter) beobachtet man besonders oft Phasen von Trotz, Weinerlichkeit, Ängstlichkeit und Regressionen. Sie hängen gleichermaßen mit der Persönlichkeitsentfaltung aus inneren Gründen wie mit den Beziehungen zu den Eltern zusammen. Das Kind, das das Erwachen seiner Persönlichkeit, seines Ichs spürt, will auch selbständig handeln, es will eine Rolle spielen, und es muss sich an den Gegensätzen zwischen wirklicher und phantasierter Welt, an seinen eigenen Schwächen, an der Autorität der Eltern und an unnatürlichen Verhältnissen unserer Zivilisation reiben. Die emotionellen Spannungen des Kindes, die im Zusammenhang mit diesem Zusammenstoß seiner werdenden Persönlichkeit mit der Umwelt entstehen, werden durch die Beziehungen zu Vater und Mutter besänftigt oder verschlimmert, auf alle Fälle gestaltet.
                            Unter ungünstigen Verhältnissen liegen im Erleben der Gemütswallungen im Kleinkindesalter Ursachen für krankhafte Persönlichkeitsentwicklungen. Ein häufiges Beispiel liegt im Alkoholismus des Vaters: Durch die beständigen Beschimpfungen und Misshandlungen der Mutter wird der Sohn in die engste Schicksalsgemeinschaft mit ihr gedrängt. Sehr früh möchte er die Mutter beschützen und sich gegen den Vater wehren, sehr früh aber auch wird ihm die furchtbare Bedrohlichkeit des Vaters bewusst. Alkoholikerfrauen versuchen oft ihre Söhnchen zu einer Art Pagen Dienst zu erziehen, ja sie benutzen sie darüber hinaus zur Abwehr der sexuellen Zudringlichkeit des betrunkenen Mannes, z. B. indem sie die Kinder ins Bett nehmen. Der Eifersuchtswahn des Trinkers drückt sich dann gelegentlich in den schauderhaftesten Formen aus, indem der Betrunkene Frau und kleinem Sohn Inzest vorwirft. Kinder von Alkoholikern haben später sehr oft eine gestörte Liebesfähigkeit und sind selbst wieder durch Alkoholismus gefährdet.
                            Unter anderem hängt das mit der traumatischen Übersteigerung ihres Ödipuskomplexes eng zusammen. Sie haben vom Sexuellen als von etwas Brutalem und Lieblosem Kenntnis genommen. In ihren späteren sexuellen Regungen tönt leicht die Brutalität eher an als liebende Zuwendung. Die Sexualbetätigung ohne Liebe lässt aber den Menschen doch leer und unbefriedigt, und der Durst nach tieferen menschlichen Beziehungen kann eine Wurzel zur Trunksucht bilden. Daneben wirkt auch das schlechte Beispiel des Vaters direkt, die Vorstellung der Männlichkeit wird mit derjenigen der Trunksucht verknüpft.
                            Die vegetativen Vorgänge und ihre Störungen werden vom Kindesalter an auch durch das Erleben von körperlichem Unbehagen, von Schmerzen und körperlichen Krankheiten stark beeinflusst. Ist das Verhältnis zu den Eltern gestört, werden körperlich ausgelöste Erscheinungen gerne übertrieben und nach Ablauf der Körperkrankheit festgehalten: Das Kind erträgt gewisse Speisen nicht mehr , wenn die akute Gastroenteritis längst vorüber ist; es schläft nicht mehr, wenn die schmerzhafte Angina vorbei ist; es hustet weiter krampfhaft, wenn der Keuchhusten ausgeheilt ist.
                            Im Schulalter, etwa vom siebten bis zum zwölften Jahr, beginnt das Kind sich mehr und mehr für reale Belange zu interessieren, zuerst für reale Einzelheiten, dann auch für die weiteren Zusammenhänge, für abstraktes Verarbeiten. Es hat zunehmend Kameraden zum Spielen nötig, und die Fähigkeit, allein und phantasierend zu spielen, nimmt ab. Die kindische Geltungssucht, der Drang, sich beständig selbst herauszustreichen und beloben zu lassen, treten zurück und lassen in der zweiten Hälfte des Schulalters selbstkritischen Einstellungen und Anerkennung Anderer Raum. Nun tritt meist die Beschäftigung mit den Problemen der kleinkindlichen Elternbeziehungen in den Hintergrund. Gewöhnlich macht auch die Periode kindlich-sexueller Aktivität einer sexuellen Latenzperiode Platz. Das Kind wird durch seine Kameraden in Anspruch genommen.
                            Unter Kämpfen und Schwierigkeiten muss es sich unter sie einreihen. Hinter die Autorität des Vaters tritt diejenige des Lehrers und weiterer Persönlichkeiten. Die Unterschiede zwischen den Lebensverhältnissen zu Hause und in einer weiteren Umgebung halten das Gemüt des Kindes stark gefangen. Es muss erfahren, dass die Wertmaßstäbe des Elternhauses nicht die einzigen sind. Die innere Belastung dieses Erlebens kann sich z. B. darin äußern, dass das Kind zu Hause nichts über Schule und Kameraden, unter diesen nichts über die häuslichen Verhältnisse verlauten lässt. In diesen Spannungen können schädigende Einflüsse auf die Persönlichkeit liegen. Das Kind kann unter den Kameraden isoliert werden, weil sich eine verachtete oder doch ungewohnte Lebenseinstellung der Eltern in seiner Sprache, seiner Religion, seiner politischen Überzeugung oder auch nur in der Kleidung oder der Haartracht äußert. Solche Einflüsse machen sich z. B. auf Kinder von Einwanderern geltend, deren Eltern an der Tradition festhalten, während sich Lehrer und Schulkameraden an die Landessitten halten. Derartige Schwierigkeiten können, wenn sie nicht zu krass sind und wenn sie ein Kind treffen, das sich bereits in günstigem Sinne entwickelt hat, geeignet sein, seine Persönlichkeit weiter zu fördern und zu reifen, seine Selbständigkeit zu stärken, seinen Durchsetzungstrieben Ziele zu geben; in ungünstigen Fällen hingegen, wenn ein bereits empfindliches Kind besonders stark unter der Gegensätzlichkeit zwischen Elternhaus und Umgebung leidet, treten nun schon schwere neurotische Störungen an die Oberfläche, wie u. a. Schlaf- und Appetitstörungen, Konzentrationsunfähigkeit, scheues oder umgekehrt aggressives und boshaftes
                            Wesen, Schulschwänzen, Fortlaufen, Sprachfehler u. a. in bunten Mischungen.
                            Im Schulalter ist weiter die Anpassung der Anforderungen an die persönliche Leistungsfähigkeit des Kindes für seine günstige Entwicklung wesentlich: es wird gefördert, wenn ihm zu Hause und in der Schule die Möglichkeit gegeben wird, sich anzustrengen und zu bewähren. Eine Gefährdung kann es hingegen bedeuten, wenn die Anforderungen überspannt werden (wenn z. B. intellektuelle Eltern von einem unterbegabten Kinde den Beweis verlangen, dass es sich zum Universitätsstudium eigne).
                            Eine neue Problematik bringt das Pubertätsalter mit sich: Es zwingt einmal zu einer Umstellung im Verhältnis zu den Eltern. Der junge Mensch sieht sich dem Besitz von Kräften nahe, die denjenigen der Eltern gleichwertig, in manchen Belangen überlegen sind. Auf dem Arbeitsmarkt kann er ähnlich oder sogar höher eingeschätzt werden als viele alternde Menschen. Der Bursche erreicht die Körperkräfte des Vaters, er tritt in die Wehrpflicht ein, wenn der Vater ausgedient hat, er überholt ihn in sportlichen Leistungen; das Mädchen gewinnt seiner Jugend und Anmut willen eine neue Geltung in der Gesellschaft, die der Mutter nicht mehr zukommt. Auf der andern Seite verstärkt sich das Bedürfnis nach Halt, Stütze und Rückendeckung durch die Eltern, durch ihren erfahrenen Rat, ihre sozialen Beziehungen, ihre wirtschaftliche Macht. Vor allem hat der Jugendliche ihre Achtung und Liebe nötig, wenn er sich den Härten des Erwerbskampfes und den Schwierigkeiten und Enttäuschungen in seinem gereiften Liebesbedürfnis ausgesetzt sieht. In dieser gespannten Lage beleben sich oft die alten Konflikte aus der Kleinkinderzeit und üben mächtige Einflüsse auf die Haltung der Pubertieren. den aus. Sie ist oft zwiespältig und rasch wechselnd; trotziges Sich - Auflehnen, renommierendes Abstandnehmen vom Elternhaus, Schwärmen für neue revolutionäre Ideale und für fremde, andersartige Menschen wechseln rasch mit besonderer Anschlussbedürftigkeit an die Eltern, ängstlichem Verzagen und Zurückflüchten in kindliche Abhängigkeit. Dazwischen steht das verlorene Zurückziehen auf sich selbst mit mangelnder Äußerungsfähigkeit und Kontaktfähigkeit, in dem oft Todeswünsche auftauchen. Die affektiven Erschütterungen sind gepaart mit körperlichen Erscheinungen: die Motorik verliert die kindliche Grazie, neigt aber noch zu Ungeschicklichkeit und Plumpheit oder karikiert bloß erwachsenes Wesen oder fällt zurück in eine unnatürlich-gespielte Kindlichkeit. Häufig stehen Appetitstörungen im Zusammenhang mit dieser Entwicklung, die zu Pubertätsmagersucht oder -fettsucht führen können. Wahrscheinlich hängen auch endokrine Unausgeglichenheiten, wie sie in diesem Alter so häufig sind, mit den emotionellen zusammen (UnregeImäßigkeit im Wachstum und der sexuellen Entwicklung).
                            Die Art, wie die Eltern dem Pubertierenden begegnen, wirkt stark auf ihn zurück. Ungünstige elterliche Einstellungen können u. a. darin liegen, dass sie die Teilselbständigkeit, die der Pubertierende erreichen sollte, nicht anerkennen und ihn (aus eigenen falschen Bedürfnissen heraus) wie ein kleineres Kind in Abhängigkeit halten. Eine solche Einstellung kann zu einer infantilen Haltung des Pubertierenden führen, kann aber auch umgekehrt seine Protest- und Kampfeinstellung verstärken oder kann die Zwiespältigkeit seines Wesens zuspitzen. Besonders ungünstig kann es sich auswirken, wenn die elterliche Haltung die Ödipussituation in verzerrter Form neu belebt: wenn die Mutter den Sohn in diesem Alter gegen den Vater ausspielt und der Vater im Sohn nun recht eigentlich den Konkurrenten im Geschäft oder in der Stellung im Familienkreis
                            sieht; oder wenn der Vater die Tochter in seiner Aufmerksamkeit und Beachtung der Mutter voranzustellen beginnt und diese der Tochter gegenüber in die Einstellung der rachsüchtigen Konkurrentin verfällt.
                            Weiter steht der Pubertierende vor der Notwendigkeit, sich mit der sexuellen Problematik auseinander zu setzen: seiner körperlichen Pubertät, seinem Geschlechtstrieb, der Erwartung der Mitmenschen in bezug auf seine Geschlechtsrolle- Gewöhnlich macht er eine Periode durch, in der er die körperlich-sexuellen Bedürfnisse und ein allgemeineres Liebesbedürfnis getrennt, ja gegensätzlich erlebt. Die ersteren können sich in Masturbation oder sexuellen Beziehungen ohne Liebe verlieren und Ekel und Abscheu zurücklassen; platonisches Liebesbedürfnis hingegen führt oft zu sehnsuchtsvollem, weltfremdem Schwärmen und Träumen. Vielerlei Erlebnisse entscheiden mit, ob Sexualität und Lieben zu einem einzigen starken Gefühl werden. Die ersten Begegnungen mit dem andern Geschlecht spielen dabei eine Rolle; es kommt darauf an, ob der Jugendliche bei diesen Begegnungen verhöhnt und ausgelacht oder umgekehrt angeschwärmt und bewundert wird, ob sein Partner eher die sexuelle oder die vergeistigte Zuneigung annimmt und wie seine Reife der eigenen Reife entspricht. Wichtig ist auch das Beispiel der erotischen Haltung der Kameraden und namentlich die Art, wie die Eltern untereinander dem Kinde Liebe und Hingabe vorgelebt haben.
                            Die Persönlichkeitsprobleme, die im erwachsenen Alter besonders häufige und starke Rückwirkungen auf die weitere Entwicklung haben, sind so bekannt, dass sie nur kurz genannt zu werden brauchen: Wichtige davon liegen in der sozialen Stellung eines Menschen, die ihn einerseits befriedigen und stärken, die andererseits aber auch ein beständiger Stachel sein kann, der zu krankhaften Reaktionen ("Sozialneurosen") führt. (Zum Beispiel schließt die Stellung eines "Dienstmädchens" erfahrungsgemäß große Gefahren in sich, wenn sie einerseits zu engem Zusammenleben mit der arbeitgebenden Familie zwingt, andererseits aber beständig eine soziale Minderwertigkeit vor Augen führt.)
                            Das Gefühl, seine inneren Werte im Beruf nicht entfalten zu können oder umgekehrt den Anforderungen nicht zu genügen, findet sich an der Wurzel vieler krankhafter Entwicklungen. Ebenso wichtig ist das Eheleben, das die Aufgabe in sich schließt, sich in den sexuellen Bedürfnissen, in weltanschaulichen Belangen und vor allem in der Gestaltung des Alltags aneinander anzupassen. Aber auch die Ehelosigkeit des Erwachsenen schließt eine schwerwiegende Problematik in sich, deren Auswirkungen ihn in seinem ganzen Wesen grundlegend beeinflussen.
                            Lange Zeit ist wenig beachtet worden, dass die Eltern aktive Partner in der Auseinandersetzung mit den Kindern sind und dass diese Auseinandersetzungen auch auf sie Rückwirkungen haben. Ihre Emotionen gehen bei der Entwicklung des Kindes und seinen Beziehungen zu ihnen selbst stärker mit, als sie es vor dem eigenen Bewusstsein wahr haben wollen. Dabei werden ihre eigenen Kindheitskonflikte wieder lebendig. Schwerwiegend wirkt sich das z. B. oft bei einer jungen Mutter aus, die in ihrer eigenen Kindheit die mütterliche Liebe und Fürsorge entbehren musste: sie kann dann manchmal die richtige Mütterlichkeit nicht entwickeln, sie bleibt ihr fremd, weil sie ihr nicht vorgelebt wurde; sie hat unklar das Gefühl der Überforderung, da sie so viel schenken sollte, wovon sie nichts erhalten hat. Depressionen im Wochenbett und falsche Einstellungen zum Kind, in denen versucht wird, mangelnde Mutterliebe durch Übergewissenhaftigkeit in der körperlichen Pflege zu ersetzen, können die Folge sein.
                            Im Alter wird das Problem der Anpassung an die veränderten Kräfte allgegenwärtig. Der Versuch, sich in derselben Art durchzusetzen, wie es Jüngeren beschieden ist, muss zu Enttäuschungen und Bitterkeit führen. Wenn es hingegen gelingt, die erst in späteren Jahren erworbenen Fähigkeiten, die einem Jüngeren nicht zukommen, auszunutzen, hilft dies wesentlich zum inneren Gleichgewicht. Der Greis reibt sich auf, wenn er in jeder Hinsicht "mit seiner Zeit leben" und alle Neuerungen mitmachen soll. Umgekehrt kann es helfen, ihn der Gemeinschaft zugänglich und innerlich lebendig zu erhalten, wenn er in Belangen, in denen es auf jahrzehntelange Erfahrung ankommt oder in denen er sich spezialisiert hat, weiter wirken darf. Wesentlich für die persönliche Entwicklung im Alter ist ferner die Beziehung zur jüngeren Generation, zu jüngeren Mitarbeitern, Untergebenen und Vorgesetzten und vor allem zu den eigenen Kindern. Wenn sich hier etwas wie ein Konkurrenzkampf entwickelt, wenn krampfhaft versucht wird, den Jüngeren in einem Abhängigkeits- und Respektverhältnis zu halten, resultieren leicht Verbitterung und Beeinträchtigungseinstellung. Für das Wohlbefinden im Alter kommt es stark auf das Vermögen an, seinen Stolz darin zu sehen, dass die eigenen Schüler und Nachfolger, die eigenen Kinder auf Grund dessen, was man ihnen hat sein können, über einen selbst hinauswachsen. Wenn sich auf diesem Hintergrunde eine reife Freundschaft zwischen alten und jungen Menschen entwickelt, so ist viel im Kampfe gegen ungünstige Altersentwicklungen gewonnen, die in der Richtung der Vereinsamung, der Dauerverstimmung und der Äußerungsunfähigkeit gehen. Die Art der intellektuellen Schwächung im Alter kommt der Notwendigkeit, mehr in der Vergangenheit zu leben als in der Gegenwart und Zukunft, wohltätig entgegen: das aktuelle Erleben des Greises wird oberflächlich und rasch vergessen und wenig mehr zur Planung der Zukunft herbeigezogen. Dafür werden ihm Jugenderinnerungen besonders lebendig. Sein innerer Rückzug auf die Vergangenheit kann erleichtert und fruchtbar gemacht werden, wenn er mit Menschen Berührung hat, denen seine Erinnerungen etwas bedeuten. Unter günstigen Verhältnissen können hier Enkelkinder hilfreich sein und selbst Wesentliches dabei gewinnen.
                            Im Zuge der fortlaufenden Umwälzungen der gesellschaftlichen Strukturen entstehen vielerlei drückende Schwierigkeiten, die der eine bewältigt, die den andern mit charakterlicher Verkümmerung oder neurotischer Entwicklung gefährden. Die ältere wie die jüngere Generation leidet an Gegensätzen ihrer Lebensauffassung, ihrer Ideale und ihrer Beurteilung sexueller Verhaltensnormen. Sogar verschiedene Einstellungen zu Kleidung und äußerer Aufmachung können Eltern und Kinder an den Rand der Verzweiflung treiben. Bei den Jugendlichen spielen solche Gegensätze eine Rolle beim Verfall in Alkoholismus oder Drogensucht, beim Verlust von Fröhlichkeit und Zuversicht und der vertrotzten Ablehnung von Ausbildung, Arbeit und Fortkommen. Bei den Eltern sind oft Depressionen die Folge.
                            Derartige Spannungen zwischen den Generationen müssen als natürliche Folge der Gemeinschaft von Menschen mit verschiedenen Idealen und verschiedenen Feindbildern immer wieder entstehen. Unter dem Einfluss von Massensuggestionen erhalten die Leitvorstellungen einer Gemeinschaft leicht weltfremden und mystischen Charakter und ihre Symbole erhalten Selbstwert. In ihnen spürt man einen Sinn des Lebens, für den man selbst das Leben hinzugeben bereit ist. Sie über- steigern sich leicht zu Leitvorstellungen, die irreal sind und dem Außenstehenden -und dem Historiker -fast als wahnhaft erscheinen. Kommt die Zeit, in der sie kritisch auf ihren realistischen Gehalt untersucht werden, so bedeutet das vielen den Verlust von Glanz und Größe des Daseins und den Verlust der Lebensfreude.
                            Massierung der Bevölkerung, wie sie heute

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                            • RE: momismus volume 4


                              ....... Es gibt Hochintelligente mit wenig Gemüt und wenig Gemeinschaftssinn und es gibt Unintelligente mit viel Gemüt und viel Gemeinschafts- sinn.
                              Die Erforschung der "sozialen Reflexe" des Säuglings und ihrer Prägung wurde durch die Verhaltensforschung gefördert, wie sie vorgängig in die Tierpsychologie eingeführt worden war.
                              Angeborenes Verhalten des Säuglings und -weniger leicht zu deuten, des Kleinkindes ist darauf abgestimmt, bei der Mutter und anderen Bezugspersonen unter natürlichen Verhältnissen entsprechende angeborene Gefühlsregungen und Motivationen wachzurufen, die sein Leben, seine Pflege und seine Entwicklung sichern :
                              Von der Geburt an saugt das Kind an der dargereichten Brust und wendet ihr auch bald suchend den Kopf zu und der Mutter hilft dieses Verhalten, das Nähren nicht bloß als rational begründete Aufgabe, sondern als beglückendes Geben zu empfinden. Das Säuglings-Schreien aus Hunger, Frieren, Schmerz oder anderem körperlichen Unbehagen löst Mitleid aus, und das erfolgreiche Beruhigen durch Wiegen und Hätscheln lässt das ganze Herz der Mutter für die Pflege gewinnen. Schon die erste Bindung an die Mutter erfolgt nicht ausschließlich am Saugakt.
                              Vom Ende des ersten Monats an lächelt das Kind "reflexartig" auf leises Streicheln und auf leise, zärtliche Töne, vom 3. Monat an auf einen Umriss, der einem menschlichen Gesicht von vorne gesehen entspricht. Dieses Lächeln und die begleitenden unartikulierten Laute (als "Wonnelaute" verstanden) rühren wieder elementar an die Gefühle der Mutter, ja, eines jeden gesunden Menschen.
                              Etwa im 4. Monat beginnt das Kind, fremde Stimmen von der Stimme der Mutter zu unterscheiden und kurz darauf ein fremdes Gesicht vom Gesicht der Mutter zu unterscheiden : es schreit bei ungewohnter Stimme und ungewohntem Gesicht, es "fremdet". Dieses Schreien ruft die Mutter herbei und schenkt ihr den verpflichtenden Eindruck einer ganz persönlichen Beziehung zu ihrem Kinde. ("Es kennt mich".) Außerdem verscheucht dieses Schreien Unberufene von der Wiege.
                              Etwas später "fremdet" das Kind vor Kindergesichtern weniger als vor Gesichtern fremder Erwachsener. Vielleicht handelt es sich um eine biologisch programmierte Vorbereitung zur Eingliederung unter seinesgleichen. Das "Fremden" als reflektorischer Vorgang hört nach wenigen Wochen wieder auf, und an seine Stelle tritt ein Verhalten zu anderen Bezugspersonen als der Mutter, das sich an der Erfahrung mit Begegnungen formt.
                              Um ungefähr die gleiche Zeit fesselt auch ein " Verlassenheits-Weinen" die Aufmerksamkeit der Mutter: Das Kind weint, wenn die Mutter es verlässt.
                              Alle diese programmierten Verhaltensweisen werden vom Gesamtbefinden mitbestimmt. Sie sind z. B. anders, je nachdem, ob das Kind gesättigt oder hungrig, von der Mutter auf dem Schoß gehalten oder in unvertrauter Umgebung
                              ist. Sie werden auch von Anfang an von Nebenumständen bei ihrer Auslösung mitgeprägt, z. B. löst ein fremdes Gesicht heftiger und nachhaltiger Geschrei aus, wenn es sich rasch nähert, als wenn es sich langsam nähert.
                              Die Emotionen der Mutter und des Kindes werden auch von der Körpergestalt her zur Förderung eines Gemeinschaftsgefühls gesteuert: bekannt geworden ist das "Kindchen- Schema" von LORENZ : kleine Geschöpfe, selbst Tiere und Puppen, mit verhältnismäßig großem Kopf, großem Hirnschädel, tiefgelegenen. Augen, kurzen, rundlichen Armen und Beinen mit etwas unsicheren, "patschigen" Bewegungen muss man "automatisch" gern haben, und 'man ist versucht, sie zu liebkosen.
                              Nur in der ersten Zeit nach ihrem Auftreten lassen sich die vorprogrammierten Verhaltens-Reaktionen gewöhnlichen Reflexen vergleichen. Nur in der ersten Zeit treten sie bei jedem gesunden Kind in ähnlicher Art auf, sind sie unpersönlich und artspezifisch. Zu Beginn lassen sie sich durch bloße Attrappen ebenso gut wie durch das adäquate Verhalten der Bezugsperson auslösen. Gerade diese Erfahrung schafft den Eindruck, das Verhalten des Kindes laufe "automatisch" ab, habe nichts "Menschliches" an sich. Der Eindruck hält aber nicht lange an. Bald erfährt die Mutter, dass sich das Lächeln (und ebenso alle andern vorprogrammierten Verhaltensweisen) "beseelt" : Sie werden bald nicht mehr stereotyp durch einen bestimmten Reiz ausgelöst, vielmehr passen sie sich den emotionellen Äußerungen der Mutter immer mehr an, und es entsteht ein lebendiges und ergreifendes Hin und Her zwischen den Emotionen von Kind und Mutter. Das Kind erlebt eine Gemeinschaft noch ohne Worte und Begriffe. Sie bedeutet auch der Mutter ein packendes Erleben. Schon vor dem Ende des ersten Lebensjahres kann man sich in die emotionelle Erlebniswelt des Kindes "einfühlen", "spürt" man seine Zufriedenheit oder sein Unbehagen, seine Wonneempfindung in der Gemeinschaft, Angst, Wut oder Trotz. Man mutet dem Kinde schon früh Emotionen zu, die wir aus eigener Erfahrung kennen, mit ungefähr demselben Recht (oder Unrecht), wie wir alltäglich Emotionen an Erwachsenen glauben annehmen zu dürfen, die den unseren wesensähnlich sind.
                              Wichtig ist es, aus allen diesen Erfahrungen festzuhalten: Ein erstes Gemeinschaftsgefühl bildet sich nicht nur am Saugakt, im "Oralen", wie man lange Zeit anzunehmen geneigt war. Gleichzeitig bildet es sich am Spiel und Gegenspiel von programmierten, aufeinander abgestimmten Emotionen und Verhaltensmustern bei Mutter und Kind. Die ersten Gemeinschaftserlebnisse sind beglückend, an ihnen bildet sich ein urtümliches Vertrauen. Negative soziale Emotionen und Verhaltensweisen, Angst und Wut, aggressive Tendenzen, sind nicht das erste, was das Kind in einer Gemeinschaft erlebt. Die Versuchung liegt nahe, daraus zu schließen, dass vertrauensvolles Aufgehen in einer Gemeinschaft im Vergleich zu Furcht vor den andern Menschen, zu Wut und Angriffslust, das primär Menschliche ist.
                              Die persönliche Prägung der zuerst reflexartig und unpersönlich ablaufenden Verhaltensweisen schreitet von Geburt an rasch fort. Schon zu Beginn des zweiten Lebensjahres sind sie hinter persönlichem Verhalten nur noch schwer zu er- kennen. Beim Erwachsenen werden sie nur in einzelnen Situationen deutlich: so eben bei der Mutter, die den Säugling pflegt, und im Sexualverhalten.
                              Biologische Hintergründe der Entwicklung nach dem Säuglingsalter bilden die beiden Gestaltwandel des Kindes: Der erste, im 6. und 7. Lebensjahr, ist u.a. gekennzeichnet durch die Längenzunahme der Glieder, das Kleinerwerden des Kopfes im Vergleich zum ganzen Körper, die Ausbildung der Krümmungen der Wirbelsäule, die Vergrößerung der Schulterbreite und den Zahnwechsel. Das ver- änderte Aussehen des Kindes nach diesem ersten Gestaltwandel, seine veränderte Haltung und Motorik, fordern nicht mehr so unmittelbar zum Hätscheln heraus wie das Kindchen-Schema, und das Kind hat Hätscheln in der alten Form auch nicht mehr nötig. Dafür wächst das Kind nun an den Pflichten und Verantwortungen, die ihm überbunden werden, und an der Auseinandersetzung mit Kameraden.
                              Im Zuge des zweiten Gestaltwandels, der Pubertätsentwicklung, werden endokrine Einflüsse auf das Triebleben und die persönliche Weiterentwicklung offen- sichtlich. Ohne die physiologische Zunahme der Sekretion von Androgenen bei Knaben und Mädchen und der Sekretion von Estrogen bei Mädchen ist die Entwicklung einer reifen Psychosexualität (und wahrscheinlich auch einer reifen Aggressivität) ebenso wenig möglich wie die körperliche Pubertätsentwicklung. Erst unter dem Einfluss der endokrinen Pubertätsvorgänge erstarkt die sexualisierende Bedeutung jener Eindrücke, die als angeborene Auslöser für sexuelles Bedürfnis wirken: des Anblickes der sekundären Geschlechtsmerkmale des Partners, bestimmter Gerüche und taktiler Reizungen. Während die endokrine Pubertät eine notwendige Voraussetzung einer reifen Psychosexualität bedeutet, ist sie aber keineswegs die einzige Voraussetzung. Deren Entwicklung hängt weiter von den Beziehungen zu Eltern, Kameraden und Rivalen, von der ganzen sozialen Eingliederung und von den Erfahrungen bei den ersten Liebesbeziehungen ab. Für die Erhaltung der einmal entwickelten Psychosexualität des Mannes ist die dauernde normale Androgen-Sekretion unerlässlich. Anders bei der Frau : Nachdem ihre Psychosexualität einmal entwickelt ist, kann sie selbst fortbestehen, wenn die Geschlechtshormone (z. B. durch Kastration, Adrenalektomie und Hypophysektomie) ausfallen.
                              Damit ist erst auf physiologische Grundlagen der Entwicklung sozialer Bedürf- nisse und sozialen Verhaltens hingewiesen. Anders Bind physiologische Grundlagen der Entwicklung der "kognitiven" Funktionen, d. h. des Verarbeitens der Sinneseindrücke zu einem Erkennen und zu einem Begreifen von Zusammenhängen, zur Begriffsbildung und damit auch zum Denken und zur Intelligenz. In der frühen Kindheit hängen sie noch stark von der Reifung des Zentralnervensystems ab. Die Erfahrung, die sie gestaltet, bezieht sich zuerst vor allem auf unbelebte Objekte (und nicht vorwiegend auf Kontakte mit Menschen). JEAN PlAGET hat sie als einer der 61' sten gründlich studiert.
                              Die Entwicklung dieser kognitiven Funktionen beginnt mit der Anpassung der sensomotorischen Reflexe an die Erfahrung mit der Umwelt. Zu den sensomotorischen Reflexen gehören z. B. der Saugreflex und der Greifreflex.
                              In der Phase der "sensomotorischen Intelligenz" lernt das Kind in einem bio- logisch vorbestimmten Neugierdeverhalten mit Blicken, Tasten, Greifen, Riechen und Schmecken den eigenen Körper und die Dinge der Umgebung kennen. Es lernt, statt nur zu blicken, etwas anzublicken, statt nur herumzutasten, etwas zu betasten und zu ergreifen. Wahrnehmung und Bewegung passen sich der Umwelt an.
                              Ungefähr im Alter von 1,5 Jahren bildet sich langsam ein "symbolisch - anschauliches Denken" aus:
                              Aufgrund der vorausgegangenen sensomotorischen Erfahrung mit der Umwelt bilden sich Vorstellungen und Begriffe über das Erlebte, die wie ein Symbol Bedeutung bekommen. Das Handeln erfolgt nicht mehr nur im unmittelbaren Anschluss an eine Empfindung, sondern auch aufgrund von Vorstellungen. Die Vorstellungen drängen zuerst mit unartikulierten Lauten zur Äußerung. Die Sprache des Erwachsenen wird mehr und mehr nachgeahmt. Zuerst
                              ist dem Kleinkind dieses Nachlallen nur der Ausdruck der Gemeinschaft mit dem anderen, ohne dass es einen Unterschied beachten kann, ob es selbst oder der andere spricht. Die Übernahme der Sprache öffnet dann den Weg zur genaueren Begriffsbildung und zum Erleben von Zusammenhängen zwischen verschiedenen Begriffen, zum Verstehen und Erklären und damit zur eigentlichen, nur dem Menschen eigenen weiteren intellektuellen Entwicklung. Die Sprache bleibt aber lange Zeit egozentrisch. Sie dient lange kaum der gegenseitigen Information, sondern sie begleitet das Handeln des Kindes und gibt ihm Betonung. Das Kleinkind hält Monologe. Oft fährt es selbst dann damit fort, wenn es mit andern zusammen ist : Es spricht ohne sich zu kümmern, ob ihm zugehört und es verstanden wird. Die ersten Substantive bedeuten einen Befehl oder Wunsch ("Brot" bedeutet die Aufforderung, Brot zu geben). Später tritt die Neigung auf zu fragen und andere zu kritisieren. Erst langsam wird die Sprache zur Information und zum Gedankenaustausch gebraucht. Noch im Alter des Schuleintritts sind etwa die Hälfte der spontanen Aussagen eines Kindes ganz egozentrisch und dienen nicht dem Dialog. Nach der Bildung der ersten Begriffe entwickelt sich ein reiches Phantasieleben, die Märchen bekommen große Bedeutung und im Spiele leben sich symbolisch- phantastische Vorstellungen aus.
                              Mit dem ersten Gestaltwandel etwa im 6. Lebensjahr ist das Kind reifer für konkretes und logisches Denken. Es setzt sich als eigene Person der Umwelt gegenüber ab und fühlt sich nicht mehr wie früher einfach als Teil der selben. Die bildhaft phantastischen Vorstellungen treten in den Hintergrund und an deren Stelle sammelt das Kind genaue Beobachtungen von Einzelheiten und sucht einfache Zusammenhänge.
                              Langsam überwindet es die kleinkindliche Egozentrizität.
                              Im Pubertätsalter beschleunigt sich die Entwicklung zum abstrakteren Denken, zu übersehen, das Wesentliche hervorzuheben.
                              Diese Entwicklung zeigt sich auch in den Kinderzeichnungen; Der sensomotorischen Intelligenz entspricht das bloße Kritzeln. Nach der Bildung von einfachen einzelnen Begriffen werden diese symbolisch und wenig bekümmert um die Wahrnehmung zu Papier gebracht. (Das Kleinkind sucht nicht einen Menschen zu zeichnen, an dem der Rumpf den größten Teil ausmacht, denn der Begriff Rumpf ist ihm unbekannt; es zeichnet nicht nach der Natur. Es kennt aber die Begriffe von Mund, Augen, Nase, Armen und Beinen und stellt sie mit Strichen dar.) Im Schulalter erst sucht es die Natur nachzuzeichnen. Und in der Pubertät gestalten sich seine Zeichnungen - bei einiger zeichnerischer Begabung -und werden zu einem persönlich geprägten Ganzen.
                              Fötale oder frühkindliche Hirnschädigungen pflegen beide Entwicklungen, diejenige zur Gemeinschaft und die intellektuelle Entwicklung, zu verzögern. Fehlende oder falsche emotionelle Haltung der Mutter und anderer Bezugspersonen des Kindes den kindlichen gemütlichen Reaktionsbereitschaften gegenüber (z. B. Gefühlskälte, Mangel an Zeit für das Kind, krankhafte Feindseligkeit gegen das Kind) bedingen verspätete Entwicklung der Gemeinschaftsgefühle (z. B. Hospitalismus). Ist die Frustration langdauernd und schwer, kann die spätere Liebesfähigkeit und die natürliche Eingliederung in Familie und Gesellschaft dauernd gestört werden, so dass eine Disposition zu neurotischen Entwicklungen entsteht. -Fehlende Möglichkeiten,
                              das "Neugier- Verhalten" und dann die früh- kindliche Phantasie spielen zu lassen, mangelnde Anregung zum Beobachten, zum Gestalten und zum überdenken der eigenen Erfahrung, kann intellektuelle Interesselosigkeit und Leere und in schweren Fällen - Pseudo-Debilität- mitbedingen.

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                              • ach sooo


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                                widerspricht wahrscheinlich meinen dreisten behauptungen volle kanne?
                                und ist bestimmt von einem doktor oder professor oder gar mehreren "wissenschaftlern"? eine "wissenschaftliche" studie aus der zeitung oder dem internetz rausgeholt?
                                nee, dann brauche ich das ja gar nicht lesen, dann wird das schon stimmen.
                                ja dann...nehme ich natürlich alles zurück.
                                nichts für ungut!

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                                • RE: momismus volume 4


                                  und war das plump genug, wenn nicht, dann kannst du es noch weitaus differenzierter haben...

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                                  • RE: ach sooo


                                    aus dem Bleuler, ein Muß, auch heute noch noch, zumindest für jeden Studenten der Psychiatrie

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                                    • RE: ach sooo


                                      das trifft mich natürlich hart. schließlich sind all diese thesen ja unumstritten und definitiv die wahrheit. gerade die psychiatrie hat ja den besten, wenn nicht gerade allerbesten ruf und das nun schon seit so langer zeit...

                                      gib dir keine weitere mühe, bin restlos überzeugt! und zum nächsten kindergarten-grillabend gehe ich auf jeden fall alleine. männer spielen doch sowieso keine wirklich wichtige rolle beim "dressieren" meiner sprößlinge, gell?

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                                      • ach, found


                                        deine beiträge sind immer nur " dagegen" ???????

                                        Wie wär es mal mit dafür? Positiv ?

                                        Scheinbar lebst du in einer wundervollen, insbesondere sexuell ausglichenen Partnerschaft - auf jeden Fall kenst du die Probleme anderer Leute nich ...

                                        wär toll, eigentlich angemesssen, wenn du wertvolle, positive tips geben könntest.

                                        ...aber :::::::::::::: dagegen sein: ist auch ne lebenweise, immer dagegen, damit
                                        haste soviel zu tun, dass du gar nicht mehr positiv denken kannst.

                                        bisous, ma chere, jeune

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                                        • ok


                                          :-)))

                                          gut-


                                          freu mich, dass du mich erkennst und verstehst,


                                          :-)))

                                          und mit mir denkst ...

                                          :-)))))

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                                          • RE: ach sooo


                                            Was weiß die Wissenschaft, und was darf sie wissen?

                                            Keine Phase der biologischen und der auf ihr aufbauenden kulturellen Evolution hat in so kurzer Zeit so viele tief greifende Veränderungen unserer Lebensbedingungen und unseres Selbstverständnisses hervorgebracht wie dieses Jahrhundert.
                                            Verantwortlich für den Prozess, der schließlich revolutionäre Qualität erlangte, ist die Neugier, der Drang, uns und die Welt, in die wir eingebettet sind, zu verstehen.
                                            Es ist dies eine Verhaltensdisposition, die sich im Laufe der biologischen Evolution herausgebildet hat, weil sie dem Überleben dient. Neugier ist die Triebkraft für das Gewinnen von Erkenntnis, und Erkenntnis hilft im Kampf ums Überleben.
                                            Wer die Regeln zu erfassen vermag, die den Abläufen in der Welt zugrunde liegen, kann Voraussagen treffen, erwarteten Unbilden aus dem Wege gehen und sich auf Zukünftiges vorbereiten.
                                            Die Motivation und Fähigkeit, Wissen über die Gesetzmäßigkeiten unserer Lebenswelt zu erwerben, wurden uns von der biologischen Evolution mitgegeben und sind somit natürlich.
                                            Auch höher entwickelte Tiere sind neugierig, sind in der Lage, Wissen über die Gegebenheiten ihrer Umwelt zu erwerben und dieses Wissen zur Optimierung ihrer Lebensführung einzusetzen. In Grenzen sind sie sogar fähig, dieses Wissen zu nutzen, um manipulierend in den Ablauf lebensweltlicher Prozesse einzugreifen und diese zu ihren Gunsten zu verändern.
                                            Somit entfernen wir uns nicht von der Natur, wenn wir fragen, erkennen und manipulieren, sondern nutzen lediglich kognitive Fähigkeiten, die sich im Laufe der biologischen Evolution unserer Gehirne, natürlichen Prozessen folgend, herausgebildet haben. Auch Aggressivität und Streben nach Besitz und Macht sind Verhaltensdispositionen, die - den Gesetzen der Evolution unterworfen - sich auf natürliche Weise herausgebildet haben.
                                            Doch wer wollte diese Verhaltensdispositionen schon als gut bewerten, nur weil sie natürlich sind?
                                            Das Argument, gut sei, was natürlich ist, greift folglich zu kurz.
                                            Biber bauen Dämme, um Lebensbedingungen zu ihren Gunsten zu manipulieren, und verändern damit Biotope oftmals tief greifend und auf Kosten anderer Lebewesen.
                                            Doch wer wollte das Tun der Biber alleine deshalb als böse bewerten, weil sie ihre Intelligenz und ihre technischen Fertigkeiten einsetzen, um Vorgefundenes zu ihrem Vorteil zu verändern, oder gar den Bibern vorhalten, sie verhielten sich durch diese Eingriffe in die Natur wider die Natur.
                                            Wir werden demnach bei der Zuschreibung von Gut und Böse das Vorgefundene, das so genannte Natürliche, nicht ausnehmen dürfen.
                                            Andernfalls müssten wir alles, was die Natur ohne unser rezentes Zutun hervorgebracht hat, als gut bewerten, wir müssten es fördern und bewahren.
                                            Dies schließt dann aber alle Mitspieler ein, Krankheitserreger ebenso wie Naturkatastrophen, und auch auf unsere, dem eigenen Übererleben dienliche Rücksichtslosigkeit müssten wir dann stolz sein dürfen.
                                            Die ohnehin fragwürdige Unterteilung der Phänomene in natürliche und unnatürliche taugt somit kaum als Grundlage für wertende Setzungen.
                                            Sie taugt folglich auch nicht für die Definition von Handlungsgrenzen, etwa in dem Sinne, dass alle Eingriffe in unsere Lebenswelt verboten sein sollten, die auf die Veränderung von Bedingungen abzielen, die ohne unsere Beteiligung und somit auf »natürliche« Weise zustande gekommen sind.
                                            Nicht nur, dass es uns unüberwindliche Schwierigkeiten bereiten würde herauszufinden, was von dem heute Vorgefundenen auch ohne unser bisheriges Zutun wäre, es würde uns auch als befremdlich anmuten, dem so genannten Natürlichen seinen Lauf zu lassen, dem Kinder reißenden Löwen und dem Poliovirus genauso wie der Gewalt und dem Eigennutz.

                                            Woher also, wenn schon nicht von der Unterscheidung der Welt
                                            in Natürliches, Vorgefundenes einerseits und Unnatürliches, von Menschen gemachtes andererseits, sollen wir die Kriterien beziehen, nach denen wir Eingriffe in unsere Lebensbedingungen werten und begrenzen?

                                            Dies ist eine der vielen Fragen, auf die ich keine befriedigende Antwort weiß.

                                            Der Prozess der Wissensmehrung und manipulativen Veränderung unserer Lebensbedingungen wurde wegen seiner exponentiellen Beschleunigung erst in jüngster Zeit besonders augenfällig, seinen Anfang aber nahm er schon in den frühen Phasen unserer kulturhistorischen Entwicklung.
                                            Dank der kognitiven Fähigkeiten unserer Gehirne gelang es uns, arbeitsteilige Gesellschaftssysteme aufzubauen und dadurch Zeit zu gewinnen, Zeit zum Entwickeln von Werkzeugen, Zeit zum Experimentieren, Zeit, um nach Gesetzmäßigkeiten zu suchen und Modelle zu entwerfen.
                                            Erste Anfänge zu dieser Befreiung vom unmittelbaren Zwang zum Überleben lassen sich schon bei hoch entwickelten Primatengruppen finden.
                                            Von den kognitiven Leistungen, die nur dem Menschen eignen und ihn als einzigen zum Träger einer kulturellen Evolution werden ließen, seien nur die drei wichtigsten angeführt:
                                            Es sind dies erstens, das Vermögen, uns unserer kognitiven Prozesse und mentalen Operationen gewahr zu werden, die so erfahrenen Inhalte symbolisch zu repräsentieren und in rationalen Sprachen anderen Menschen mitzuteilen,
                                            zweitens, die Fähigkeit, uns von den mentalen Prozessen des je anderen ein Bild zu machen und daraus eine »Theorie des Geistes« zu entwickeln, uns vorstellen zu können, was im je anderen vorgeht, wenn wir ihn in einer bestimmten Situation wissen,
                                            und drittens, unsere Gabe, zu Lebzeiten erworbenes Wissen über die Welt so zu speichern und zu kodieren, dass es durch Belehrung und Erziehung auf die je nächste Generation tradierbar wird.
                                            Diese Fähigkeiten, und insbesondere die Tradierbarkeit erworbenen Wissens, haben es den Menschen ermöglicht, der biologischen Evolution die kulturelle hinzuzufügen.
                                            Begünstigt wurde dieser kulturelle Evolutionsprozess durch die extrem verlangsamte Ausreifung des menschlichen Gehirns während der Individualentwicklung.
                                            Zwar sind die Grundstrukturen des menschlichen Gehirns zum Zeitpunkt der Geburt vorhanden, ein Großteil der Verbindungen zwischen Nervenzellen, insbesondere in der Großhirnrinde, werden jedoch erst nach der Geburt angelegt.
                                            Dieser postnatale Entwicklungsprozess zieht sich bis zur Pubertär, also über mehr als ein Jahrzehnt, hin.
                                            Besonders bedeutsam ist dabei, dass dieser Ausreifungsprozess ganz maßgeblich von Einflössen aus der Umwelt mitbestimmt wird.
                                            Welche von den zunächst im Überschuss gebildeten Verbindungen im erwachsenen Gehirn übrig bleiben, wird nach funktionellen Kriterien bestimmt. Auf diese Weise nehmen frühe Erfahrungen, auch solche, die durch Erziehung vermittelt werden, direkten Einfluss auf die Ausprägung der Verschaltungsarchitektur des Gehirns.
                                            Da das Programm für alle Funktionen des Gehirns durch das Verschaltungsmuster der Nervenzellen determiniert wird, hat diese Prägbarkeit der funktionellen Architektur des sich entwickelnden Gehirns zur Folge, dass nicht nur instrumentalisierbares Wissen, sondern auch tiefer wurzelnde Verhaltens- und Sichtweisen durch Erziehung von einer Generation auf die nächste übertragen werden können.
                                            Das im menschlichen Gehirn gespeicherte Wissen über die Welt residiert also in der spezifischen Verschaltung von Nervenzellen, und diese Verschaltung wird sowohl durch generische Instruktionen als auch durch Erfahrung, beziehungsweise Erziehung, determiniert.
                                            Unser Wissen über die Welt wird demnach aus zwei Quellen gespeist:
                                            Zum einen ist es das Wissen, das im Laufe der biologischen Evolution durch Versuch und Irrtum erworben und in den Genen gespeichert wurde, Wissen, das sich in den angeborenen Verschaltungsmustern unserer Gehirne manifestiert und unsere grundlegenden Verhaltensweisen vorgibt.
                                            Zum anderen ist es das Wissen, das die Generationen vor uns zu Lebzeiten erworben und über frühe Prägung und Erziehung auf uns übertragen haben.
                                            Auch dieses Wissen lagert in Verschaltungsmustern unserer Gehirne, nur dass diese nicht genetisch, sondern durch Erfahrung spezifiziert wurden.
                                            Es war die Erfindung dieses zweiten Mechanismus für die Übertragung von Wissen, der maßgeblich für die atemberaubende Beschleunigung der kulturellen Evolution verantwortlich ist.
                                            Synergistische Effekte durch zunehmende Arbeitsteilung, wachsende Bevölkerungsdichte und technische Erfindungen haben das ihre zu dieser Akzeleration beigetragen.
                                            Festzuhalten bleibt aber, dass die genetisch vorgegebenen Grundstrukturen unserer Gehirne sich wohl seit Beginn der kulturellen Evolution wegen der Kürze der Zeit kaum geändert haben können. Dies bedeutet, dass auch die elementaren Verhaltensdispositionen, die uns während der biologischen Evolution zuwuchsen, im Wesentlichen erhalten blieben.
                                            Trotz dieser immer noch allgegenwärtigen Begrenzungen lässt die Erfahrung exponentiellen Wissenszuwachses und schier unbegrenzter Machbarkeit in uns den Eindruck entstehen, wir näherten uns in raschen Schritten dem alten Traum des Menschen, er könne sich vom Geschöpf zum Schöpfer wandeln, den Zwängen der Evolution entfliehen, seine so schmerzlich erfahrene Endlichkeit überwinden und sich den Weg zurück ins Paradies durch Wissensmehrung ebnen.
                                            Das gleiche Streben nach Erkenntnis, das für die Vertreibung aus dem Paradies verantwortlich gemacht wird, sollte uns diesmal erlösen.
                                            Und die Wissenschaftsgeschichte tut das ihre, diese Hoffnung zu nähren, lehrt sie uns doch, dass das, was denkbar geworden ist, in der Regel auch Wirklichkeit wird.
                                            Schon die mittlerweile konventionellen medizinischen und hygienischen Eingriffe in unsere Lebensbedingungen haben zu einer spürbaren Zunahme der Lebenserwartung geführt.
                                            Inzwischen ist denkbar geworden, jene Gene zu identifizieren, die für den Alterungsprozess verantwortlich sind, und durch deren Manipulation Lebensspannen dramatisch zu verlängern.

                                            Wir sterben, weil Reparaturprozesse in unserem Organismus nach einer bestimmten, genetisch determinierten Zeit zum Stillstand kommen und die daraus resultierende Häufung von Abnützungsphänomenen und Spontanmutationen schließlich zur Destabilisierung und Desintegration des Organismus führt.
                                            Ließen sich die in der Jugend hochaktiven Reparaturprozesse aufrechterhalten, bräuchten wir den natürlichen Tod nicht zu fürchten.
                                            So sollten wir beginnen, darüber nachzudenken, welche Konsequenzen eine drastische Verlängerung unserer Lebensspanne nicht nur für die Weltpopulation, sondern auch für das Individuum hätte.
                                            Müssten dann nicht auch Manipulationen vorgenommen werden, die die Speicherkapazität des Gehirns nachhaltig erhöhen, damit die Erinnerung an die eigene Individualität erhalten bleibt, oder sollte man vielmehr dafür sorgen, dass Speichervorgänge so umorganisiert werden, dass neue Erfahrungen die Erinnerung an zurückliegende überschreiben?

                                            Was aber nützte ein langes Leben, wenn die Erinnerung an frühere Phasen verschüttet würde?
                                            Wollen wir überhaupt sehr viel länger leben, oder würde es uns genügen, die Angst vor dem Tod zu besiegen und den Schmerz des Verlustes der Liebgewordenen? Wären wir mit einem Leben ohne Krankheit und Leiden zufrieden, und nähmen wir einen würdevollen Tod in Kauf, um Platz zu machen für unsere Kinder?
                                            Was wollen wir eigentlich?
                                            Und wie können wir wissen, was wir wollen sollen?
                                            Denkbar geworden ist auch, dass uns das Wissen um die Entstehung von Leben eines Tages in die Lage versetzen wird, Leben nicht mehr nur durch Rekombination von Erbgut aus bereits existierenden Organismen zu erzeugen, sondern die erforderlichen Grundbausteine, deren Zusammenwirken den Entwicklungsprozess eines neuen Organismus einleitet und trägt, synthetisch herzustellen.
                                            Auch schon vor der Entwicklung gentechnischer Verfahren wurden Organismen mit ganz spezifischen Merkmalen nach Plan hergestellt.
                                            Seit altersher bedienen sich die Menschen der selektiven Kreuzung, um Tiere und Pflanzen mit ganz bestimmten Merkmalen zu züchten.
                                            In gewisser Weise nehmen wir sogar selbst durch die Partnerwahl ständig Einfluss auf die zukünftige Ausprägung des Menschengeschlechts.
                                            Weil diese Strategien zur Rekombination von Erbgut nur über viele Generationen hinweg zu erkennbaren Veränderungen führen und auch dann nur innerhalb enger Grenzen, wurde wenig über deren ethische Implikationen nachgedacht.
                                            Erst als Rassenideologien diese gewissermaßen natürlichen Verfahren zur Genmanipulation usurpierten, sind wir erschrocken und haben erkannt, dass hier Optionen bestehen, die mit der Würde des Menschen unvereinbar sein können. Inzwischen ist es Routine geworden, das Erbgut von Organismen gezielt zu verändern und synthetisch erzeugtes Genmaterial mit dem natürlich vorkommenden zu verbinden, um Organismen mit neuen Eigenschaften zu erhalten.
                                            Durch die Erzeugung transgener Organismen ist die bislang ausschließlich vom Zufall regierte Veränderung von Erbgut planbar geworden. Die Vollsynthese der Bausteine, die sich, wenn richtig kombiniert, zu Organismen entwickeln können, ist denkbar geworden. Die Menschheit muss sich jetzt einig werden darüber, wofür sie diese Optionen nutzen möchte und nach welchen Kriterien sie die Macht, die ihr durch dieses Wissen zugewachsen ist, begrenzen will.
                                            Nicht zu beeinflussen sind die nachhaltigen Veränderungen unserer Wahrnehmung des Lebendigen, die aus diesen Erkenntnissen resultieren. Die Entzauberung des Lebendigen wird weit reichende Folgen für unser Selbstverständnis haben, die dringend der Reflexion bedürfen.
                                            Tiefgreifende Veränderungen unseres Selbstverständnisses erzwingen auch die Ergebnisse der modernen Hirnforschung. Sie legen nahe, dass das, was unsere Persönlichkeit und Individualität ausmacht, auf der funktionellen Architektur unserer Gehirne und somit auf einem materiellen Substrat beruht.
                                            Obgleich wir keine Probleme damit haben, das Verhalten von Tieren vollständig auf Hirnfunktionen zurückzuführen, fällt uns der logische Schluss schwer, das gleiche für den Menschen zu postulieren.
                                            Es gibt jedoch derzeit keinen Grund, daran zu zweifeln, dass auch mentale und psychische Funktionen auf Abläufen in unserem Gehirn beruhen, die sich im Rahmen naturwissenschaftlicher Beschreibungssysteme darstellen und untersuchen lassen.
                                            Es ist hier nicht der Platz, auf die Leib-Seele-Problematik einzugehen.
                                            Soviel nur sei gesagt, dass es zwar erhebliche Schwierigkeiten gibt, Phänomene wie Bewusstsein und Empfindung mit ihren ausgesprochen subjektiven Konnotationen auf Hirnprozesse zurückzuführen, ohne die Grenzen verschiedener Beschreibungssysteme überschreiten zu müssen. Doch auch hier sind Lösungen zumindest denkbar geworden (siehe hierzu Singer, 1997, 1998).

                                            Es steht zu erwarten, dass sich unsere Sichtweisen so verändern werden, dass wir eines Tages keine Schwierigkeiten mehr haben werden, Bewusstsein und Gefühle als emergente Eigenschaften hochkomplexer Gehirne zu verstehen, vor allem dann, wenn wir uns bei diesen Erklärungsversuchen nicht mehr nur auf die Erforschung einzelner Gehirne beschränken, sondern die Mechanismen und Folgen des für die Entstehung von Bewusstsein so eminent wichtigen Dialogs zwischen sich gegenseitig abbildenden und reflektierenden Gehirnen mit einbeziehen.
                                            Für reine Intelligenzleistungen, wie sie etwa beim Schachspielen erforderlich sind, ist uns die Sichtweise einer materiellen Gebundenheit mentaler Operationen schon jetzt vertraut.
                                            Auch die Tatsache, dass so komplexe kognitive Funktionen wie logisches Folgern, Mustererkennung und die Lösung komplizierter mathematischer Probleme von Maschinen erfüllt werden können, wurde für uns zur Alltags Erfahrung.
                                            Wir haben uns daran gewöhnt, dass ein Teil der mentalen Leistungen, die wir für spezifisch menschlich hielten, auch von technischen Systemen erbracht werden können.
                                            Noch verdanken diese Maschinen ihre Eigenschaften einem vom Menschen erdachten, durchstrukturierten Bauplan. Denkbar ist aber geworden, künstliche Systeme zu konzipieren, die, ähnlich wie unsere Gehirne, einen Entwicklungs- und Lernprozess durchlaufen, sich vorwiegend selbst organisieren und auf diese Weise einen Komplexitätsgrad erreichen, der weit über das hinausgeht, was wir gegenwärtig planend strukturieren und analytisch durchdringen können. Solche Systeme wären dann in der Lage, ihre eigenen Erfahrungen zu machen und mit Initiativen aufzuwarten, die nicht mehr vom Konstrukteur antizipierbar sind. Schon jetzt sollten wir darüber nachdenken, wie wir mit solchen Systemen umgehen wollen.
                                            Seit der Mensch begonnen hat, seine Geschicke und die des ihn umgebenden Biotops zu manipulieren, hat er auch vor der Manipulation von Hirnfunktionen nicht haltgemacht.
                                            Erziehung mit Bestrafung und Belohnung oder Gesinnungsmanipulation durch das Wort alleine sind wohl die subtilsten und ältesten Formen der Beeinflussung mentaler Funktionen.
                                            Eine invasivere Strategie ist der Gebrauch von Drogen, und auch dieser lässt sich in die Anfänge der Menschheitsgeschichte zurückverfolgen. Eingriffe mit Psycho- und Neuropharmaka sind lediglich die professionalisierte Fortsetzung dieser Bemühungen, Hirnfunktionen mit chemischen Werkzeugen zu modifizieren.
                                            Der Neurochirurg schließlich greift täglich in Hirnstrukturen ein, um Leben zu retten oder Leiden zu mindern. Die Folge sind nicht selten tief greifende Veränderungen mentaler Funktionen, die Persönlichkeitsstruktur mit eingeschlossen. Die Optionen zur Beeinflussung von Hirnfunktionen wurden vom Menschen demnach schon seit langer Zeit, zunächst implizit und unreflektiert, später explizit und zielgerichtet genutzt.
                                            Aus dem bisher Gesagten folgt also, dass die Bemühungen, unsere biologischen Grenzen manipulativ zu überwinden, samt und sonders eine lange Geschichte haben. Die Versuche, menschliches Leben zu verlängern, die Zusammensetzung des Erbguts zu manipulieren und Hirnfunktionen zu beeinflussen, sind nicht neu. Was uns heute bewegt, ist die rasche Zunahme der Optionen und die dramatische Ausweitung der Handlungsräume.
                                            Das eigentliche und in gewisser Weise tragische Dilemma ist aber folgendes:
                                            Die kulturelle Evolution hat zu einer gewaltigen Expansion des Wißbaren geführt, Wissen angehäuft, das weit über das hinausgeht, was im Laufe der biologischen Evolution erworben und in den Genen gespeichert wurde.
                                            Dieses Wissen hat sekundär auf ebenso dramatische Weise die Optionen vermehrt, durch aktive Eingriffe in die Prozesse, die uns hervorgebracht haben, unsere biologische Geworfenheit zu überwinden.
                                            Dieses Wissen hat uns ungeahnte Macht über unser Biotop und über uns selbst verliehen. Wir sind in den Zugzwang geraten, über unsere eigene Zukunft entscheiden zu müssen.
                                            Und weil wir so viel Macht haben und unsere Eingriffe folgenreicher denn je werden, und wir uns dieser Tatsachen bewusst geworden sind, brauchen wir mehr denn je verlässliche Kriterien für die Optimierung unserer Entscheidungen.
                                            Die Tragik ist nun, dass just das Wissen, das uns in diese verantwortungsvolle Lage gebracht hat, zugleich die Quellen zum Versiegen brachte, aus denen wir bislang glaubten, verlässliche Handlungsmaximen ableiten zu können.
                                            Auch hat dieses Wissen unser Vertrauen in unsere Fähigkeit, Gewissheit zu erlangen, nachhaltig erschüttert, und es hat eben dieses Wissen den Beweis erbracht, dass wir vieles von dem, was wir wissen müssten, um verantwortungsvoll zu entscheiden, im Prinzip nicht wissen können.
                                            Die kognitiven Leistungen unserer hoch differenzierten Gehirne haben uns Mechanismen erkennen lassen, mit denen sich die Entstehung von Leben, die Evolution der Arten und die Individualentwicklung von Organismen innerhalb naturwissenschaftlicher Beschreibungssysteme befriedigend erklären lassen. Teleonomie freie, also nicht auf ein Ziel hin orientierte Evolutionstheorien haben Schöpfungsmythen auf die im Dunkeln liegenden Anfänge verwiesen.
                                            Gerade aus diesen Schöpfungsmythen aber haben wir Legitimationen für unsere Eingriffe in die Natur und Kriterien für unser Handeln abgeleitet. Solange das Gebot, uns die Erde untertan zu machen, als ein gottgegebenes, keine Zweifel ließ, waren unsere Rechte gegenüber der Natur wohl definiert.
                                            Aber damit nicht genug. Just in der Phase, in der wir Vertrauen in unsere Erkenntnis- und Urteilsgabe am dringendsten bedürften, wird auch dieses nachhaltig erschüttert. Die moderne Physik hat uns vorgeführt, dass die Welt ganz anders ist als sie unserer Primärerfahrung erscheint.
                                            Sie hat die für unverrückbar gehaltenen Koordinaten von Raum und Zeit relativiert und Zweifel an der allgemeinen Gültigkeit des Kausalgesetzes nahe gelegt.
                                            Zweifel an der Erkenntnisfähigkeit unseres Gehirns werden von der modernen Hirnforschung weiter verstärkt.
                                            Sie begreift Nervensysteme als Produkte eines evolutionären Vorgangs, dessen Auswahlkriterium die erfolgreiche Weitergabe von Genen ist.
                                            Die Funktion unserer Gehirne kann also nur daraufhin optimiert worden sein, den sie tragenden Organismus bei dieser Aufgabe zu unterstützen. Unsere Gehirne, und damit auch unsere kognitiven Fähigkeiten sind deshalb so wie sie sind, weil sie sich offensichtlich bei diesem Wettbewerb der Individuen bewährt haben.
                                            Da es während der Evolution vermutlich keinen Selektionsdruck dafür gegeben hat, Gehirne herauszubilden, deren kognitive Eigenschaften so beschaffen sind, dass sie eine möglichst objektive Beschreibung von Welt liefern, ist es sehr unwahrscheinlich, dass unsere kognitiven Fähigkeiten für gerade diese Funktion optimiert wurden.
                                            Der extreme Selektizismus unserer Sinnessysteme und die ausgeprägt konstruktivistischen Tendenzen unseres Denkapparates verstärken diesen Verdacht. Da wir aus einem Wettbewerb der Individuen hervorgegangen sind, ist es überdies wenig wahrscheinlich, dass wir Eigenschaften erworben haben, die Organismen haben sollten, wenn sie sich vom Geschöpf zum Schöpfer wandeln und Zukunft nach finalen Kriterien gestalten wollen.
                                            Das in den Genen gespeicherte, in Hirnstrukturen sich manifestierende, während der Evolution erworbene Wissen über den Umgang mit der Welt wird hierzu nicht taugen.
                                            Was diesen Teil des Wissens anlangt, ist der Mensch nach wie vor des Menschen Wolf.
                                            So stellt sich die Frage, ob es uns im Laufe unserer kulturhistorischen Evolution gelungen ist, das erforderliche zusätzliche Wissen aus kollektiver Erfahrung zu schöpfen.

                                            Dieses, in Mythen und Glaubenssystemen, und neuerdings in Verfassungen und Gesetzbüchern sich verdichtende Wissen ist das einzige, auf das wir auf unserer Suche nach Gewissheit zurückgreifen können.
                                            Und hier ist das tragische, nachgerade ironische Dilemma:
                                            Eben jenes Wissen, dessen Bändigung jetzt der Gewissheit und verlässlicher Entscheidungskriterien bedürfte, hat wesentlich dazu beigetragen, jene Mythen und Glaubenssysteme zu erodieren, aus denen wir einst Gewissheit schöpften.
                                            Wir haben gelernt, diese Gewissheiten zu relativieren und die sie verkündenden Götter durch Besserwissen zu ersetzen.
                                            Doch die Hoffnung, dass es uns dieses Besserwissen erlauben wird, Entscheidungen, die früher auf Glaubensbasis gefällt wurden, jetzt auf der Basis gewusster Fakten nach rationalen Gesichtspunkten zu optimieren, trägt nicht.
                                            Die Analyse komplexer nichtlinearer Systeme hat uns gelehrt, dass deren Entwicklung prinzipiell nie mit Sicherheit, sondern bestenfalls mit begrenzter Wahrscheinlichkeit, und nur über kurze Zeiträume hinweg prognostizierbar ist.
                                            Lebewesen, und die von ihnen gebildeten Gemeinschaften, sind Systeme dieser Art.
                                            Es ist also prinzipiell unmöglich, selbst wenn die Ausgangsbedingungen und die Entwicklungsgesetze vollständig bekannt sind, die zukünftigen Trajektorien solcher Systeme vorauszuberechnen.
                                            Damit wird es auch unmöglich, die Konsequenzen von Eingriffen in solche Systeme mit Sicherheit vorauszusagen. Wenigstens also ist jetzt beweisbar, dass wir, was wir immer schon ahnten, nicht in die fernere Zukunft würden sehen können.
                                            Selbst wenn es uns also gelänge, unter Ausnutzung aller, während unserer kulturhistorischen Entwicklung gemachten Erfahrungen einen Konsens darüber zu finden, wohin wir wollen und was aus uns werden soll, bliebe da die prinzipielle Unmöglichkeit, die gewünschte Entwicklung durch gezielte Eingriffe festzulegen. Noch nie zuvor hat die Menschheit so viel gewusst und so viel gekonnt wie jetzt, und nie zuvor war sie so ratlos oder, versöhnlicher formuliert, sich ihrer Ratlosigkeit und Geworfenheit so bewusst.
                                            Vermutlich werden wir uns also daran gewöhnen müssen, dass wir immer noch Komponenten eines Systems sind, das sich in einer für uns nicht erfassbaren Evolution befindet, dessen Dynamik wir durch unser Tun zwar aufrechterhalten und modifizieren, dessen Zukunft aber, wie damals, während der Zeiten der blind würfelnden biologischen Evolution, undurchschaubar, unprognostizierbar und damit auch unplanbar ist.
                                            Zunächst hat sich die Menschheit, als sie sich ihrer Geworfenheit gewahr wurde, den Göttern anvertraut,
                                            dann hat sie versucht, ihr durch Erkenntnis zu entfliehen,
                                            und jetzt, wo sie das Ziel zum Greifen nahe wähnt, selbst die Schöpferrolle zu übernehmen, muss sie erkennen, dass ihr hierzu die Weisheit fehlt.

                                            So werden wir fortfahren müssen, wie damals, kleine Veränderungen zu induzieren und durch Versuch und Irrtum je gangbare Wege zu finden, und wir werden die Kriterien zur Legitimation unseres Handelns pragmatisch aus der individuellen Erfahrung dessen ableiten müssen, was gut tut und Leid mildert.
                                            Wir müssen fortfahren zu suchen und nach bestem Wissen und Gewissen entscheiden und handeln.
                                            Dabei sollte uns unser Wissen um die Begrenztheit des Wißbaren davor bewahren, jenen zu folgen, die einfache Losungen ausgeben und vorgeben, sie wüssten.

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                                            • RE: ok


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                                              lg.
                                              der mann

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                                              • rachsüchtige rippe


                                                "Genauso hab ich es gefühlt. Neid, Eifersucht, Gier, nach Besitz, Macht ... vielleicht seit ihrer Erschaffung aus der Rippe, Wut darüber, denn es war ja nur ein Teil von ihm.
                                                Seitdem hassen wir den Mann. "

                                                jetzt sehe ich es auch! das war ja sowas von positiv.
                                                tut mir unheimlich leid, dass ich den eindruck hatte, das sei schwer düsterer, frei erfundener quatschkram mit religions-soße
                                                aber du siehst es mir bestimmt nach, sonnenschein!

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                                                • egoismus der gene


                                                  .....Sie begreift Nervensysteme als Produkte eines evolutionären Vorgangs, dessen Auswahlkriterium die erfolgreiche Weitergabe von Genen ist.
                                                  Die Funktion unserer Gehirne kann also nur daraufhin optimiert worden sein, den sie tragenden Organismus bei dieser Aufgabe zu unterstützen. Unsere Gehirne, und damit auch unsere kognitiven Fähigkeiten sind deshalb so wie sie sind, weil sie sich offensichtlich bei diesem Wettbewerb der Individuen bewährt haben.
                                                  Da es während der Evolution vermutlich keinen Selektionsdruck dafür gegeben hat, Gehirne herauszubilden, deren kognitive Eigenschaften so beschaffen sind, dass sie eine möglichst objektive Beschreibung von Welt liefern, ist es sehr unwahrscheinlich, dass unsere kognitiven Fähigkeiten für gerade diese Funktion optimiert wurden.
                                                  Der extreme Selektizismus unserer Sinnessysteme und die ausgeprägt konstruktivistischen Tendenzen unseres Denkapparates verstärken diesen Verdacht.
                                                  Da wir aus einem Wettbewerb der Individuen hervorgegangen sind, ist es überdies wenig wahrscheinlich, dass wir Eigenschaften erworben haben, die Organismen haben sollten, wenn sie sich vom Geschöpf zum Schöpfer wandeln und Zukunft nach finalen Kriterien gestalten wollen.

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