Hallo Selma,
der Mann hat also eine herbe Niederlage wegstecken müssen, weil seine heile Welt gar nicht so schick und ohne Makel war, wie er wollte. Und sicher: der Mann wurde - wie sagt Pick_nic so schön - hintergangen. Das ist bedauerlich. Schade ist nur, dass er nicht gelernt hat, dass man aus schönem Schein und harter Arbeit keine heile Familie generieren kann.
Die armen Kinder haben sicher verdient, dass er sich liebevoll um sie kümmert, und auch die Freunde sind sicher den einen oder anderen Freundschaftsdienst wert. Aber wo bitte bleibt da die Zufriedenheit für den hilfsbereiten Vater, Freund und Partner? Der Mann verpasst gerade sein Lebensglück, ist ihm das eigentlich klar? Der ist so in Eile und so in Aktion, der treibt gerade mit dieser Selbstlosigkeit und seinem selbst gestellten Anspruch, es allen, die es in seinen Augen verdient haben, Recht zu machen, vermutlich die Frau seines Lebens aus dem Haus, der Blindmann! (tschuldige bitte die harte Ausdrucksweise - manchmal geht's mit mir durch!)
Dass er gekränkt ist - geschenkt!
Dass er verletzt ist - oh Gott, wer hat nicht schon Wunden geschlagen bekommen!?
Dass er niemandes Hilfe braucht - ja, verdammt nochmal, warum hat er dann Dich in sein Haus gebeten, wenn er allein zurecht kommt und niemanden nötig hat?
Hauptsache, das Haar wird nicht noch dünner, damit nur nicht offenbar wird, dass da wieder etwas von der Fassade abbröckelt, ein Mangel offen zum Angriff auf sein Ego daliegt.
Meine Herren, hat DER MANN Probleme!
Wie alt sind die Kinder, wenn ich mal fragen darf?
Stellen die inzwischen selbst fest, dass Papa irgendetwas hinterherläuft, was sie nicht genau beschreiben können?
Welche Pläne hattet ihr eigentlich, als ihr zusammen gezogen seid - außer, dass Du den Haushalt in Takt hälst und die Kinder und ihn bekochst?
Ich meine, da muss es doch Dinge gegeben haben, die ihr beide miteinander bewältigen wolltet oder die ihr euch so als Traumziel vorgestellt habt (für die fernere Zukunft, für's gemeinsame Alter oder auch nur für den nächsten Urlaub). Was ist davon übrig geblieben?
Warum will er, dass Du so nah bei ihm bist und stößt Dich regelmäßig vor den Kopf? Ist ihm Deine Liebe so selbstverständlich geworden oder merkt er vielleicht, dass er wieder nicht die heile Welt geschaffen hat, obwohl er sich doch eine liebende Frau ins Haus geholt hat - also irgendwie den Ursprungszustand wieder hergestellt hat.
Ich glaube, er hat keinen Weg gefunden, die Ursachenforschung für sein erstes Scheitern abzuschließen und sich ein neues Handwerkszeug für die Zukunft mit einer anderen Partnerin zu beschaffen. Er verfährt im alten Rhythmus und ist wieder einmal erstaunt, dass die Frau an seiner Seite nicht glücklich und zufrieden ist. Er "rackert sich ab", und merkt gar nicht, dass Du gar keinen sich ständig beweisenden, abrackernden Übervater zum Mann haben möchtest sondern einfach einen Partner, der ruhig auch ein paar Macken haben darf. Macken, die menschlich machen, statt das perfekte Arbeitstier, immer unter Dampf, immer in Bewegung, nicht zu packen und an sich ranzuziehen. Jedenfalls nicht, bevor sich der liebe Mann die selbst erteilte Rechtfertigung zum Müßiggang mit der liebenden Frau an seiner Seite verdient hat.
Wie kannst Du dem Mann helfen? Ich weiß es ehrlich nicht, ob das geht. Ich fürchte, er hat zuviel Angst vor sich selbst, vor seinen Schwächen, vor seiner Emotionalität, davor wieder zu scheitern. Und er hat vielleicht auch Angst davor, Dich zu verlieren, weil er Liebe mit Besitz und Vertrauen mit Kontrolle verwechselt oder das eine sich nicht ohne das andere vorstellen kann.
Du könntest ihm eine Paartherapie vorschlagen oder eine Gesprächstherapie. Du könntest ihm einen Brief schreiben und ihn bitten, den ganz in Ruhe zu lesen, während Du vielleicht über das Wochenende (ganz allein) zu Deiner Schwester oder so fährst, um mal Abstand zu gewinnen und für Dich selbst zu klären, was Du nun machen willst.
Sicher sind Dir die Kinder ans Herz gewachsen. Sicher verstehst Du sehr gut, warum dieser Mann so elendiglich leidet. Das heißt aber nicht, dass Du das bis an Dein Lebensende hinnehmen musst. Und vor allem heißt das nicht, dass es nicht zu ändern wäre, wenn er die Veränderung mit angeht. Meinst Du, Du kannst ihn dazu bekommen, Dich noch mehr als jetzt in sein Leben zu lassen. Er muss dafür gewohntes Terrain verlassen, denn mit den bisherigen Methoden, da kennt er sich ja aus - wer weiß schon, ob die neuen Methoden wirklich alle Beteiligten glücklich machen, ob die Beziehung dann für immer halten wird? Ob er wohl bereit ist, sich selbst in Frage zu stellen? Ob er das Risiko, den Sprung ins Unbekannte mit Dir wagen will?
Frag ihn. Sag ihm, was Du Dir NICHT unter Partnerschaft vorstellst und sag ihm, dass Du verstehst, wenn er meint, dass er nicht anders leben kann, aber dass er Dir das auch klipp und klar sagen soll, damit Du Dich entscheiden kannst - was Du wirst, nach gewisser Bedenkzeit. Er muss merken, dass es Dir ernst ist und dass er eine Wahl hat. Er kann den Versuch unternehmen, etwas zu ändern, oder er kann es lassen. Er hat die Wahl. Dass es nicht so bleiben kann - aus Deiner Sicht - das war wohl klar, oder?
Mein Ex-Mann hat übrigens seine Bereitschaft zu einer Paartherapie erklärt als ich ausgezogen war. Jahrelang habe ich auf ihn eingeredet und ihn gebeten - unter Tränen -, er möge doch bitte versuchen, unser Leben mit zu verändern. Als es dann zu spät war, als ich meine Grenze endgültig gezogen hatte, da lenkte er ein. Da hatte ich mich allerdings schon "entliebt", da bestand von mir aus kein Bedarf mehr an "Therapie" für unsere Partnerschaft, die eigentlich nie eine war. Ich hoffe sehr für Dich und für ihn, dass ihr die Kurve rechtzeitiger bekommt. Einen Versuch ist es in jedem Fall wert!
Grüße
Anke
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