Liebe Kimy, liebe Elektraa, es gibt sicher auch Männer, die ihr Gefühlsleben nach außen tragen und Frauen, die es nicht tun. Da ich in meinem häuslichen Umfeld in der Minderheit bin, kann ich keine neutrale Aussage treffen. Ich denke, Kimy, das mit dem Schutzgen hast du sehr gut getroffen. Egal ob Weiblein oder Männlein, wer seine Gefühle nicht zeigen möchte, tut dies wohl um sich selbst zu schützen. Denke, das trifft auf mich zu.
Kimy, du sehnst dich nach dem "Unten-Halten-Können-Gen"? Das kann man lernen. Ob das sinnvoll ist? Ich weiß es nicht. Gefühle müssen raus, dafür hat sie der Mensch. Sie sind Teil eines Verarbeitungsprozesses und der Kommunikation. In manchen Situationen sind sie aber hinderlich und auch schädlich für einem selbst und/oder seiner Umwelt. Ein Unterdrücken der Gefühle kann bekanntlich auch negative Folgen haben. Ich wiederhole mich; wenn jemand Gefühle zeigt, dann ist er menschlich und das finde ich prinzipiell sympathisch.
Für mich beginnt es schwierig zu werden, wenn ich negative Gefühle nicht nachvollziehen kann. Z. B. wenn meine Frau einen Wutanfall hat oder stinksauer wird und ich nicht erkennen kann warum. Habe ich etwas Falsches getan/gesagt? Was ist der Grund? Eine Banalität? Ich kann ihr dann nicht aus dem Weg gehen, bevor für mich geklärt ist, lag’s an mir oder kann ich ihr helfen? Ein einfaches Nein, hat nichts mit dir zu tun, genügt mir aber vollkommen.
Kimy, ich hatte ja erst kürzlich deine Geschichte mit dem Tanzpartner gelesen. Er hatte dich nach deiner „Abweisung“ bestraft. Du wolltest eine Klärung der Situation und er hat das nicht zugelassen. Ich konnte mich sehr gut in dich hineinversetzen. Auch ich würde ein vernünftiges Gespräch erwarten. Für mich wäre es kein Gesichtsverlust zu sagen: „Tut mir Leid, ich habe falsch gehandelt, weil ich mich von dir abgewiesen/abwertend behandelt gefühlt habe… Mir liegt viel an dir bitte verzeihe mir.“ Das ist doch Stärke. Elektraa aber hatte dir geraten ihn in Ruhe „pupsen“ zu lassen und siehe da; es hat funktioniert.
Warum ich das hier schreibe? Weil mir gerade bewusst wurde, dass ich die gleiche Situation vier Jahre lang, manchmal wöchentlich, manchmal monatlich erlebt habe. Hätte ich diese Erkenntnis früher gehabt, mir wäre vieles erspart geblieben. Es ist ein Kollege, den ich seit ca. 20 Jahren kenne. Er leistet sehr gute Arbeit, aber dank Venus Kommentar zu meiner „Beischlaf-Kollegin“ kann ich das nun treffender schreiben: Er schätzt Situationen/Menschen falsch ein. Die Kommunikation ist das reinste Drama. Grundsätzlich versteht er mich/andere nicht. In den Aussagen sieht er sich falsch behandelt, nicht wertgeschätzt, reglementiert, Unwahrheiten… Das sagt er und das lässt er alle spüren. Wie ein kleines Kind, eingeschnappt, schnippisch. Warum er gerade pupst? Keine Ahnung. Ich habe immer und immer wieder das Gespräch gesucht (> 50 x) und festgestellt, dass er alles negativ sieht. Meine Beteuerungen, dass er das falsch verstanden hat, glaubt er nicht. Liebe Elektraa, kannst du verstehen, warum ich mich permanent für missverständliche Formulierungen entschuldige? (Aber nicht nur, sondern auch, weil ich niemanden verletzen möchte) Das ist zu einem Trauma für mich geworden. Er sieht sich als unfehlbar an. Wenn ihm doch ein Fehler unterlief, was für mich überhaupt nicht schlimm ist, dann sagte ich ihm immer, dass ich mich falsch ausgedrückt habe. Damit er sein Gesicht wahren kann. ICH habe den Fehler gemacht! Und mich auch noch dafür entschuldigt. Anderenfalls wäre der Tag, die Woche gelaufen. Das hat sich bei mir so eingeprägt. Niemals hätte ich sagen dürfen: das hast DU falsch verstanden. Was in Wirklichkeit meist der Fall war. Mehrmals gratulierten mir Kollegen zu meiner Fähigkeit mich so im Griff zu haben. Das hat sich in den Jahren so hoch geschaukelt, dass oftmals kein normales Arbeiten mehr möglich war. Die Gespräche brachten keine Besserung. Ich war mehrmals kurz davor ihn zu entlassen. Als er letzten Sommer wieder eine sinnlose Diskussion mit mir anfangen wollte, ist mir der Kragen geplatzt und ich bin förmlich explodiert. Ich habe ihn stehen lassen und bin gegangen. Seitdem interessiert es mich nicht mehr, wenn er pupst. Soll er, ich ignoriere es. Er merkt, dass ich mich nicht mehr bemühe. Seitdem läuft es nicht rund, aber entschieden besser.
Ihr seht. Beherrschung ist nicht immer gut. Und das Gespräch suchen auch nicht. Ich musste beides erst lernen. Ich danke euch für die Erkenntnis.
Eigentlich bin ich noch nicht ganz fertig, habe aber schon genug geschrieben und bin todmüde.
Venus, ich wollte dir auch noch zu deinem gestrigen „Frust-Teil“ mit V. was schreiben. Dann halt hier in Kürze: Ihm geht’s halt auch nicht gut. Hat doch noch weniger Freud und hat nicht deine Fähigkeiten sich aus dem Loch zu ziehen. Lass ihn „pupsen“ dann geht’s ihm besser und dir dann auch.
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