Hallo, nach nunmehr einem Jahr, nachdem ich mich zu meinen ersten Beitrag hier durchgerungen hatte, möchte ich mich heute wieder melden.
Ich bin erstaunt, dass es wohl nun ein Jahr her ist, dass ich ein solches letztes Tief hatte. Es gab auch zwischendurch schlechte Phasen, aber es gab auch eine Phase, in der ich dachte, ich hätte all das überwunden. Meine Therapeutin schloss meine Behandlung mit den Worten "Sie werden immer in stressigen Zeiten anfällig und gewissermaßen instabil bleiben. Sie können da gar nichts für. Das ergibt sich einfach aus Ihrer Biografie. Aber Sie wissen jetzt, wo Ihre Grenzen liegen und dass Sie keine Angst mehr vor der Angst haben müssen..." Ich hatte Wochen ohne morgens Aufzuwachen und in mich hinein zu horchen, wie stark meine Dämonen denn heute wieder sind und ob sie mir diesen Abend wieder Panikattacken bescherren möchten...
Es gab Momente, vorzugsweise an stressigen oder aber auch an besonders entspannten Tagen, an denen ich abends im Restaurant, oder bei Treffen mit Freunden Panikwellen bekam. Mein Mann erkannte das zu dem Zeitpunkt schon sehr gut. Er sieht es an meinem Blick. Was aber nicht heisst, dass es anderen auffällt. Denn ich rede trotzdem weiter, gehe notfalls mal kurz auf die Toilette.. Meistens war es so, dass ich merkte, wie eine Welle der Panik in mir hochstieg und ich immer den geichen Gedanken hatte, nämlich "Jetzt gehts wieder los, es hört nie auf, jetzt bleibt es für immer und niemand kann mir helfen, ich muss meine Therapeutin anrufen und jetzt wirklich in die Klinik". Zu meinen besten Zeiten waren diese Panikattacken, aber manchmal schon in 15 Sekunden (!!!) beendet. Man kann sich das kaum vorstellen, aber das war so. Und dann war ich befreit. Es war wie eine Energie, die sich angestaut hatte und wenn sie entladen war wusste ich, jetzt habe ich erst einmal wieder Ruhe. Ich hatte hier bereits geschrieben, dass ich die Angst irgendwann lernte als etwas zu verstehen, dass mich beschützen möchte.
Im September dann ging ich einen 2. Versuch an, das Citalopram (und wenn es auch nur 25mg waren) abzusetzen. Es folgten 2 Wochen in denen ich fast wahnsinnig wurde, weil ich extrem reizbar war, mich schon als aggressiv empfand. Und das machte mir wiederum große Angst, mit mir stimme etwas nicht und niemand konnte mir sagen, ob es ein Absetzsymptom oder ein Symptom meiner Krankheit war.
Aber irgendwann hatte ich es geschafft. Die Weihnachtszeit war gut, es gab erst wieder eine 2wöchige Krise im März, denn ich bekam Panikzustände, selbst wenn ich dachte, es ginge mir gut. Panikattacken zu haben, obwohl man kämpft, Sport macht, versucht sich anzunehmen und gut zu sich zu sein, sein inneres Kind liebevoll in den Arm nehmend, zu sagen "Du bist in Ordnung und alles ist gut"...das ist das schlimmste. Denn dann hat man gar kein Gefühl mehr von Kontrolle... Heute vermute ich aber, dass es der reine Gedanke an den Abschluss meines Studiums war, der mich mehr unter Druck setzte, als ich zugeben will.
Dann schrieb ich im Sommer an meiner Masterarbeit, versuchte alles zu schaffen um dann mit Mann und Kind in den wohlverdienten Urlaub zu fahren. Vor dem Urlaub hatte ich zudem Sorge, da es mir gerade in Zeiten der Entspannung eigentlich schlecht geht. In Zeiten der Anspannung habe ich nunmal gar keine Zeit meiner Panik Beachtung zu schenken und muss funktionieren. Und ich wollte funktionieren, ich wollte einen sehr guten Abschluss schaffen. Der Urlaub verlief jedoch sehr gut. Doch aus dem Urlaub zurück erfuhr ich, dass ich das sehr gut auf meinem Masterzeugnis um nur einen Punkt verfehlt hatte. Freunde und Familie lachten und sagten nur "So kennen wir dich, jetzt sei mal stolz auf dich". Zur gleichen Zeit kauften wir ein Haus. Mit dieser großen Verantwortung hatte ich wochenlang zu kämpfen (ich bekam innerlich eine Panikattacke während des abschließenden Bankgesprächs) und mein Mann wollte schon alles canceln, denn mit mir "könne man sowas halt nicht machen". Solche Aussagen treffen mich leider zutiefst. Ich sagte mir und ihm aber immer wieder, dass ich es nicht zulassen werde, dass die Angst mein Leben beherrscht. Auch ich habe das Recht auf solche Lebensziele und eben ein ganz normales Leben zu führen. (Früher hatte ich halt noch ein Bauchgefühl, auf dass ich mich immer gut verlassen konnte. Heute habe ich das nunmal leider nicht mehr. Würde ich immer auf Panikzustände hören, wäre ich schier Handlungsunfähig)
Aber in mir begann das Gedankenkarussel wieder. Mein innerer Kritiker wurde jeden Tag lauter und plötzlich saß ich da und erschrack, dass ich mich über meinen lang ersehnten Abschluss überhaupt nicht freuen konnte. Die Angst vor einer Depression wuchs somit plötzlich parallel. Trotzdem versuchte ich in der Zeit auch das Opipramol abzusetzen. Das war halt mein nächstes Projekt/ Ziel (Ich formuliere das bewusst so, weil mir klar ist, welcher Mechanismus dahinter steckt, zumindest glaube ich das.) nach dem Studium... Ich wollte das alles schaffen, so wie ich bin und dachte mir, wenn ich das jetzt in diesem Zustand schaffe, dann kann ich diese Krankheit endlich überwinden.
Die erste Woche ging noch gut, und dann bekam ich trotz langsamen Ausschleichens (50mg halbiert) extreme innere Unruhe, konnte kaum mehr im Auto sitzen beim Fahren etc. Und da war plötzlich der alles entscheidende Gedanke, etwas was mir noch nie so große Angst gemacht hatte. "Was wenn das alles nur noch schlimmer wird, wenn ich nicht mehr die Kraft habe zu kämpfen und diese negativen Gedanken und Zustände nicht mehr ertrage und nicht mehr sein will?" Pure Panik stieg in mir hoch, gefolgt von Schuldgefühlen, wie ich so etwas schlimmes nur denken konnte, obwohl ich mein Leben an sich doch liebe und es doch eigentlich die Angst vor dem Verlust ist, vor dem Tod, die mich wahnsinnig macht. Ich konnte kaum noch aufhören in mich hinein zu hören, um zu prüfen, ob das wirklich ich bin, die das denkt oder nur ein Angstgedanke, den ich vorbei ziehen lassen sollte. Zur gleichen Zeit gab es die schlimmen Nachrichten über den Suizid zweier Rockstars mit Depressionen. Mein Mann sagte "Wie kann man so etwas nur tun??". Und ich fühlte eine unbändige Angst und Scham...
Ich bekam schnell einen Termin bei meiner Therapeutin und auch sie beruhigte mich zunächst, machte mir aber auch klar, dass es wieder kurz vor zwölf ist, weil ich mir wieder mal zu viel aufgehalst hätte. Ich zeige Anzeichen eines Burnouts (na toll) und solle alles radikal zurück fahren. So funktioniert das Leben nur leider nicht. Es stand noch der Umzug vor uns und unser Sohn wurde zwei Wochen später eingeschult und ich bin es ihm und mir nach wie vor schuldig, eine fröhliche, positive Mama zu sein. Ich habe schon genug Sorgen, dass ich ihn selbst unbewusst anfällig mache.
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