Hallo Chibi,
zunächst mal schön, von Dir zu hören
Als nächstes: Mach Dir erstmal nicht so viele Gedanken wegen Deiner ambulanten Therapie. Wieso sollte der Klinikaufenthalt und was Du dort erzählst und mitmachst, die ambulante Therapie gefährden? Vorausgesetzt, Du nimmst (endlich mal ) kein Blatt mehr vor den Mund und sprichst Dich in Richtung beider Therapeuten / Therapien mal klar aus. Dir kann da absolut nichts passieren – Du bist in einen geschützten Umfeld. Sowohl in der Klinik, als auch in der ambulanten Therapie. Und Du bist mittlerweile auf der Offenen, was ja auch schon ein schöner Fortschritt ist
Was die ganzen körperlichen Symptome angeht, kann ich da wenig zu sagen – außer, daß ich auch noch immer wieder damit zu tun habe, mal schwächer, mal stärker. Das Einschlafen von Körperteilen kann u.U. dadurch kommen, wenn Du sehr angespannt und verspannt wärest – was bei solchen Geschichten auch nicht ungewöhnlich ist, bei all dem Gedöns, das einem durch den Kopf geht. Dann drücken die verspannten Muskeln immer wieder auf einzelne Nervenstränge. Macht ihr in der Klinik Entspannungsübungen? Eventuell kann Dir das in der Hinsicht schon ein wenig helfen.
Wie schon früher vorgeschlagen:
Wer oder was hindert Dich daran, Dir über das Internet einmal ne gute Klinik-Empfehlung geben zu lassen und Dich auf ne Warteliste setzen zu lassen?
Meine Klinik hier war auch nicht der ganz große Bringer. Aber es soll richtig gute Kliniken geben, die sogar chronisch Depressive wieder auf die Bahn bekommen. Freunde von uns haben eine sehr gute Freundin, die seit ihrer Jugend schwer depressiv gewesen ist und Zuhause in einem Umfeld lebte, in dem psychische Krankheiten schlicht nicht existieren durften. Erst, als sie Zuhause ausgezogen war, hat sie dann diverse Therapien ausprobiert – alle mehr oder minder erfolglos. Bis sie zum Schluß an eine Superklinik in der Nähe von München geraten ist, und seitdem ist sie wie ausgewechselt. Sie ist zwar nicht 100% genesen, weil’s wohl eben genetisch-chronisch veranlagt ist. Aber sie ist soweit gesund, daß sie sogar drei oder vier Monate Yogaausbildung in Indien gemacht hat – eine Sache, die vorher absolut undenkbar gewesen ist; sie ist in den schwersten Phasen ihrer Depression nicht mal mehr ans Telefon gegangen u.ä., geschweige denn, daß so ein langer Auslandsaufenthalt denkbar gewesen wäre.
Oder besprich mit Deinen Ärzten in der Klinik doch einmal das Therapie Elektroschocktherapie. Mehr als „nein“ sagen können sie nicht, und im besten Fall machen sie einen Versuch, und es geht Dir besser.
Das alles mag kein Zuckerschlecken sein; ich muß auch immer wieder gegen mein Angst- und Depressionsdenken angehen.
Aber es funktioniert!
Übrigens - das habe ich noch in dieser Woche "gelernt":
Die gestellte Diagnose ist umso besser und treffender, je mehr Du Dich den Ärzten gegenüber öffnest.
Ich bin am Dienstag bei einem neuen Psychotherapeuten gewesen, und der legte den Schwerpunkt meiner Erkrankung schon nach zehn Minuten deutlich mehr in Richtung "Angst" und "Angststörung". Und das deckt sich sehr viel besser auch mit dem, was ich wirklich fühle und schon seit Wochen und Monaten vermute.
Entsprechend müßte dann auch meine weitere Therapie in eine etwas andere Richtung gelenkt werden, denn die Depression ist womöhlich "nur" das i-Tüpfelchen, das da noch obendrauf gekommen ist. Es gibt ängstliche Depressionen, und es gibt Angststörungen mit Depressionsneigung - bei mir sieht es aktuell nach letzterem aus.
Und dann fängt es schon beim Medikament an: Denn das Fluoxetin, das ich seit sechs Monaten nehme, wirkt nicht ganz so effektiv gegen Angst wie das Citalopram, das ich in meiner ersten Phase bekommen habe (aber wegen verlängerter QT-Zeit nicht mehr nehmen darf). Hat mir gestern ein Arzt bestätigt und trifft auch hier meine Vermutung aus den letzten Monaten.
Also: Je offener Du allen behandelnden Ärzten und Therapeuten mit Deinen Problemen begegnest, umso besser wird die Diagnose, umso punktgenauer die Medikation und Therapie, und umso größer sind die Erfolgschancen.
Gerade die brisanten Themen, die Du hier schon einmal erwähnt hattest - Gewalt, Heimunterbringung, versuchte Vergewaltigung - das sind keine Pappenstile!! Wenn bei mir schon deutlich geringere Ereignisse in Kindheit und Jugend zu meinen aktuellen Ängsten geführt haben (sollten), wie muß es dann erst bei Dir sein !!
Chibi, wenn Du es noch nicht getan hast:
Sprich die Dinge aus!
Er wird Dich verstehen, er ist Arzt.
Und solltest Du ihm, weil "Mann", nicht ausreichend vertrauen, dann bitte um ein Gespräch mit einer TherapeutIN. Gut vorstellbar bei Deinen Erlebnissen, daß da ein Teil Deiner Hemmungen und Ängste rührt und Dich deshalb einem männlichen Therapeuten gegenüber nicht so gut öffnen kannst. Was absolut verständlich und nachvollziehbar wäre.
Sprich es aus! Du darfst zwar Angst haben, aber Du mußt keine Angst haben! Die kann nichts passieren! Versprochen! Die Vergangenheit ist vorbei, die damaligen Ereignisse auch, und wer auch immer Dir damals etwas angetan hat, ist nicht mehr da, um Dir zu drohen, Dich einzuschüchtern oder Dir zu schaden!
Du bist umgeben von sehr sehr vielen Menschen, die Dir helfen wollen.
Nutze das!
Es wird Dir anfangs zunächst wahrscheinlich dreckig gehen, wenn die ganzen Sachen wieder so richtig hochkochen. Aber mit der Zeit wird es besser werden. Auch versprochen.
Du schaffst das – das Schlimmste hast Du überstanden
Weiterhin gute Besserung
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