Weil wir Menschen sind?
Reflektionen...
Dann und wann Frage ich mich: Wer eigentlich ist besser, wer ist schlechter? Wer ist der Dümmere, wer der Schlauere? Ich habe nirgendwo so viel über den Menschen (und auch mich selbt) gelernt, als im Internet - so wie die Menschen sich hier zeigen, ist es mir manches mal ein Rätsel, wie sie mit diesem Verhalten real in einer Gesellschaft überleben können. Nur real verhalten sich die meisten ja eben nicht so. Ich habe mich sehr lange zu dieser Thematik unter Berücksichtigung meines eigenen Verhaltens mit einer diplomierten Psychologin und Kommunikationstrainerin unterhalten, die unter anderem auch einen Lehrstuhl an einer bekannten Universität hat. Dieses Gespräch brachte viele, interessante Aspekte hervor...
Kaum jemand wäre wirklich so naiv zu glauben, dass jeder Mensch real so ist, wie er sich virtuell zeigt, denn wäre dem so, würde es keine alleinerziehenden Frauen geben (weil die Männer hier ja so ganz anders sind als die miesen Männer die ihre Frauen alleine lassen), es gäbe nur Frauen die nicht wissen was sie wiegen, es gäbe nur Männer mit Traumjobs, ja, es gäbe nur Menschen ohne Probleme. Illusion... genauso wie der Gedanke, dass alle Menschen real so miteinander umgehen würden, wie sie es virtuell hier machen, denn wäre dem so, wäre ein reales Treffen kein Treffpunkt Gleichgesinnter sondern ein Kriegsschauplatz, der jeden Horrorfilm um Längen schlagen würde was Blutvergießen betrifft.
Warum nur sind wir hier so anders? Das wirklich große Zauberwort heißt Anonymität.
Den ganzen Tag Streß im Büro (oder auch Langweile), den ganzen Tag muss man Mucken, darf nie die Sau raus lassen - aber hier, da ist man Mensch, da darf man wirklich sein. Kompensieren der Unterdrückung im Schoße der Anonymität, in der sicheren Geborgenheit des Monitors. Und es sind nur Buchstaben, 26 an der Zahl, aneinandergereiht zu Waffen als Ersatz für die alltägliche Unterdrückung, gerichtet gegen den, der sich freiwillig hinstellt und sagt: "Schieß doch!" - mehr ist es nicht. Wer gibt gerne zu, vielleicht arbeitslos zu sein? Wer gibt zu, vielleicht riesige Probleme zu haben? Aber das allerschönste ist, wenn ich lesen darf, wie asozial es manche finden, wenn einer sich über in eine ach so schmuddeligen Talkshow aufregt, die ja keiner schaut... aber selbst durch seine Art des Postings dafür sorgen, dass so manche Diskussion das Niveau einer Talkshow weeeeiiiiiit über- oder besser unterbietet.
Oder auch schön: Wenn ich keine Angriffspunkte zum Beitrag habe (den man ja eh nicht liest, wichtig ist das Forum), dann sucht man sich eben altes aus der Vergangenheit und wenn dazu die Zeit im Büro nicht reicht, dann ist eben der Autor oder die Autorin eine "dicke Sau", hat eine "krumme Nase", ist "asozial" oder sonst was. Selbst wenn Du der perfekteste Mensch auf Erden wärest, glaube mir: Es wird sich was finden, womit andere glauben, Dich angreifen zu können, bei mir sind es oft genug die Anflüge Legasthenischer Schreibschwächen wie "das" und "dass", oder Kommasetzung - mitgeteilt wird mir das allerdings in einem Deutsch, das(s) als solches bei keinem Deutschlehrer durchgehen würde. Ich schließe mich diesem Verhalten nicht einmal aus, allerdings konzentriert sich das dann doch mehr auf ein bis zwei ausgewählte Personen, beruhend auf Gegenseitigkeit und ist auch langsam langweilig.
Es ist interessant zu beobachten, wie schnell Menschen es schaffen, meine Beiträge kurz nach erscheinen zu finden und zu bewerten, es scheint als würden manche mit zittrigen Fingern nervös vor dem PC sitzen um darauf zu warten, endlich den bisher angestauten Frust des Tages an irgendeinem Beitragschreiber auszulassen. Und dann erst der Zeitaufwand, enorm. Also unserer Wirtschaft kann es nicht so schlecht gehen, wenn ich lese, was da den ganzen Tag über geschrieben wird. Nur man beachte den Unterschied: Wenn ich den ganzen Tag schreibe, dann bin ich ein arbeitsloser Versager der von Sozialhilfe lebt. Wenn andere mir genau das den ganzen Tag vorhalten in einer Diskussion, dann sind sie immer gerade zufällig zwischen zwei ganz dringenden Sitzungen hier reingesurft. Ach, ich liebe das. Ich habe mal versucht, mich vollends aus den Diskussionen rauszuhalten. Macht aber keinen Sinn, die Beteiligung ist die gleiche. Dafür, das der Tenor lautet, dass ich hier nur sinnloses Zeug schreiben würde, ist aber in genau diesem sinnlosen Zeug am meisten los.
Jeden Tag gibt es hier Beiträge, die wirklich zu diskutieren lohnen, sozialkritische Themen, die alle betreffen, aber irgendwie iss da so rein gar nix los. Und da endlich erkennt man dann doch eine besonders starke Parallele zur Realität, denn der Mensch braucht den Fastfood, will gar nicht mehr so in die Tiefe gehen, nur zugeben wird er es nie. Und solange Menschen so einfach funktionieren, solange Menschen diese Doppelmoral an den Tag legen, solange werden Menschen wie ich funktionieren. Ob es ein Grund ist, stolz zu sein, ist nicht die Frage. Ich sehe das wie mit dem Affen im Zoo: Für den Affen sind die Menschen hinter Gittern - für die Menschen ist es der Affe. Wer nun hier Affe und wer Mensch ist, spielt doch keine Rolle, fakt ist doch nur: Ohne den einen hätte der andere keinen Spaß. Abschließen möchte ich für einige mit einer kleinen Lebensweisheit, basierend auf eigene Erfahrungen:
"Erzähle nur denen von Deinen Problemen, die Dich nicht leiden können: Es sind die Einzigen, die sich wirklich dafür interessieren!"
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