Gut: Mein Geschenk hat ihr nicht gepasst. Es war eine Tasche, die sie vor einigen Wochen in einem Schaufenster ausgiebig bewundert hatte. Nicht ganz genau das bewunderte Modell: Der Stoff war gleich, die Lederbesätze waren gleich, die Größe war die gleiche. Aber das zwei Zentimeter große Markenlogo war bei der Schaufenstertasche aus weißem Kunststoff, bei der geschenkten aus Leder. Zu bieder. Ich nehm das nicht persönlich: Den Rücksendeschein habe ich noch Heiligabend ausgedruckt (im dem Laden war die Tasche längst ausverkauft). Mit dem Portemonnaie vor vier Jahren war es ja das Gleiche. Ich halt das gut aus. Immerhin haben die anderen, kleinen Geschenke gepasst.
Die kleine Weihnachtsfeier im Freundeskreis, die wir zwischen den Feiertagen immer zelebrieren, war dieses Jahr auch wunderbar. M. genießt das immer sehr, und sie ist dann das, was sie seit Jahrzehnten im Freundeskreis ist: Mit Abstand die charmanteste, schönste, warmherzigste Frau im Raum. Seit Jahrzehnten sonne ich mich im Neid der männlichen Freunde.
Vor Silvester kommt dann unser (standesamtlicher) Hochzeitstag. Ein Tag, dem sie vor vielen Jahren noch eine gewisse Bedeutung beimaß. Damit, dass das langsam weniger geworden ist, kann ich gut leben. Ich lebe an dem Tag meine Rolle: Wecker um sieben gestellt, um halbacht sieben wunderschöne rote Rosen aus der Gärtnerei geholt, dann noch frische Semmeln, Croissants, ihre Lieblingspralinen und ein Lindt-Herz. Tisch feierlich gedeckt, Blumen in der Vase, Pralinen, Herz und duftender Kaffee an ihrem Platz.
"Achso, feiern wir heute wieder Hochzeitstag?" war ihr Überraschungskommentar. Wir frühstückten mit den Kindern, die sich an den Rosen kaum sattsehen konnten. "Sind das schöne Blumen! Warum bringst du nicht öfter Rosen mit, Papa?"
Nach dem Frühstück verschwand M. an ihren Schreibtisch. Bis zum ersten Arbeitstag im neuen Jahr waren es noch acht Tage, aber sie erledigt solche Sachen lieber so schnell wie möglich. Vom Schreibtisch ist sie dann schwer wegzubekommen, aber Kino am Abend wird ja gehen. Seit Wochen wollen wir in den neuen Tarantino. Man kann ihn schon auf DVD kaufen und wir haben es noch nicht ins Kino geschafft, aber am Hochzeitstag muss das doch klappen.
"Das ist eine wunderbare Idee, aber doch nicht heute! Morgen kommen die Silvestergäste, und da ist noch so viel vorzubereiten!" Was genau, das ist mir nicht klar. Ich habe geputzt, die Gästebetten gerichtet, eingekauft und angefangen, die vorbereitbaren Sachen vorzubereiten.
"Eines wollte ich dir noch sagen: Du hast wohl in zwanzig Jahren noch nicht verstanden, dass Rosen nicht meine Lieblingsblumen sind. Wie oft muss ich das eigentlich wiederholen, damit du das verstehst?"
Meine Antwort war kurz: "Die Blumen waren nicht für dich, sondern für uns. Ich habe sie danach ausgesucht, was ich für den zwanzigsten Hochzeitstag schön finde. Und, falls du dich nicht erinnern kannst: Ich habe dir seit 23 Jahren keine Rosen mehr geschenkt, weil ich das beim ersten Mal verstanden habe."
Nach der Zurechtweisung war der Hochzeitstag kein Thema mehr für M. Halt, ich will nicht lügen: Sie hat mir eine von den Pralinen angeboten. Die mag ich aber nicht. Könnte sie nach zwanzig Jahren Ehe eigentlich wissen.
Nachdem die Silvestergäste weg waren und wir die Rosen wieder auf den Tisch gestellt haben, meinte sie "Eigentlich sind Rosen schon tolle Blumen." An meinem Entschluss hat das aber nichts mehr geändert. Am nächsten Hochzeitstag werde ich mich alleine an 1999 erinnern. Ich werde die Frau sehr vermissen, in die ich mich vor 28 Jahren bis über beide Ohren verliebt hatte. Ich werde sie aber garantiert nicht mehr vermissen als am zwanzigsten Hochzeitstag.
Um die Kinder werden wir natürlich einen Rosenkrieg führen. Ehrensache.
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