ich wende mich an euch Teilnehmer dieses Forums und danke schon im voraus dafür, dass es überhaupt Menschen gibt, die sich die Zeit dafür nehmen, auf hilfesuchende Beiträge wie meinen einzugehen bzw. überhaupt die Kraft haben, sich mit dem Leid von anderen Menschen gedanklich und emotional auseinanderzusetzen.
Mein konkretes Problem stellt sich wie folgt dar
(ich hoffe, die Länge des Textes ist gerade noch erträglich, aber die Komplexität des Themas ließ mir keine Wahl):
Ich stehe seit einer Woche unter einem psychisch und existenziell schwerwiegenden eifersuchtsbedingten Dilemma, das sich gestern in Form mehrerer Telefonate mit meiner Freundin so stark zugespitzt hat, dass ich keinen Rat mehr weiß und total unter innerem Druck stehe.
Ursache für das Dilemma ist eine sehr extreme Ausprägung von Eifersucht meiner Freundin, die sich massiv gegen meine Schwester richtet und mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der traumatischen Kindheit meiner Freundin zusammenhängt, die sich durch mangelnde emotionale Zuwendung und psychischem Terror seitens ihrer persönlichkeitsgestörten Eltern äußerte (u.a. häufiges Alleingelassenwerden, Gewalt, Abweisung).
Die sich aufbauende Zuspitzung in den gestrigen Telefonaten zwischen mir und meiner Freundin besteht nun darin, dass meine Freundin unter einem extremen Leidensdruck und unter tagelangen psychisch bedingten Schmerzen in der Brustgegend und Appetits- und Gewichtsverlust mich weinend zunächst total angefleht hat, dass ich mich für sie entscheiden soll und nicht für meine Schwester, da ich doch so lange es auch ohne meine Schwester bereits ausgehalten habe und für sie die ganze Welt zusammenbricht, warum ich mich nun von ihr abwenden will und sie ins völlig Nichts schleudere.
Nachdem ich dennoch kein eindeutiges Bekenntnis zu ihr oder für meine Schwester äußerte, sprach sie bis 3 Uhr heute morgens im Telefonat nur noch über ihren sehnlichsten Wunsch, sterben zu wollen und von Gott erlöst zu werden von ihrem Leiden. Sie war extrem aufgewühlt und so hilflos, dass ich absolut keine tröstlichen Worte für sie hatte, die ihren Wunsch verhindern hätten können, ununterbrochen drückte sie ihren extremen Schmerz aus, den sie empfand und ließ mich wissen, das ich in Gedanken behalten solle, dass sie jede Sekunde ihres Lebens fortan nur hoffen wird, endlich zu sterben, da sie ihr Leben in keinster Weise mehr lebenswert empfindet.
Für sie ist die Beziehung zwischen uns nun beendet, da ich sie verstoßen und aus ihrer Sicht mich GEGEN sie und FÜR meine Schwester entschieden habe.
Nun zu meiner Position bzw. die Beschreibung des Dilemmas und wie es dazu kommen konnte:
Seit 2009 bis zuletzt lebe bzw. - ihrer jetzigen Perspektive geschuldet - besser gesagt "lebte" ich mit meiner Freundin in einer Fernbeziehung (über 600 km Entfernung), bei der wir uns meist ca. alle 5 Wochen für mal eine Woche oder mal 2 Wochen in einer so billig wie möglichen, von unseren Eltern bzw. (bei mir) Großeltern finanzierten Pension oder (bis Sommer 2011) in ihrem Wohnheim an ihrem ehemaligen Studienort treffen konnten.
Mit unserem gemeinsam geteilten Wunsch nach Zweisamkeit konnten wir abgesehen von manchen lediglich routinebedingten, aber nicht schwerwiegenden Streitigkeiten liebevoll miteinander zusammenleben und teilten unsere Interessen und brauchten einander nichts außer uns. Die größte lebenspraktische Krise bestand hauptsächlich in unserer Unselbständigkeit und unserer massiven Angst, unsere Abschlussarbeiten des ansonsten zu 99 % abgeschlossenen Studiums nicht fertigstellen zu können und aufgrund unserer völligen Nutzlosigkeitsgedanken in Bezug auf die zukünftige Arbeitswelt und starken Selbstwertdefiziten in punkto eigenständiger Lebensführung völlig zu versagen und auf der Straße zu landen. Diese Angst ist bei uns nach wie vor bis zuletzt präsent gewesen, da wir seit über einem Jahr mit der Abschlussarbeit so gut wie gar nicht vorankamen und ich persönlich bereits über das doppelte der Regelstudienzeit verschlissen habe (bis 2009 auch aufgrund der Tatsache, dass ich sozusagen zweigleisig fuhr und in einer Band mit sich bereits abzeichnenden Erfolgsaussichten Musik machte, trotz meiner ewigen sozialen Ängste als als Sänger/Keyboarder).
Als ich 2009 meine Freundin kennenlernte und es gerade in der Band wegen zwischenmenschlicher Spannungen für mich nicht mehr auszuhalten war (u.a. weil ich nicht selbstbewusst genug war und wegen sehr starker Phobie nicht bereit war, einen Führerschein zu machen, der von mir seitens der Band gefordert wurde), stieg ich aus und widmete mich fortan nur noch meiner Freundin.
Damit der Text nicht noch länger wird:
Ich machte immer weniger mit meiner Schwester und ignorierte sie mehr und mehr, da ich einerseits diesen tiefen Wunsch hegte, für meine Freundin alles zu sein und ihr all die Liebe zuteil werden zu lassen, die ich habe (der Zweisamkeits-Wunsch, niemanden außer sie zu bedürfen und darin mein Glück zu sehen) sowie andererseits, da meine Schwester auch einen Freund kennengelernt hat (ebenfalls über das Internet), den sie immer häufiger besuchte und mit dem sie nun in einer weiter entfernten Stadt lebt, nachdem sie bis Anfang 2010 seit ihrer Kindheit mit mir ein Zimmer geteilt hat (also über zwei Jahrzehnte lang).
Den Kontakt zu meiner Cousine brach ich auch ab, womit ich aber psychisch zurecht kam, ebenso wie mit der Distanz zu meiner Schwester.
Nichtsdestotrotz bestimmte das Thema Eifersucht immer wieder sehr stark unsere Beziehung, wobei es NIE um irgendwelche fremden Frauen ging, da ich nie Absichten hegte, andere Kontakte zu haben, geschweige denn männliche Kontakte, da ich spätestens seit meiner Pubertät total verstört bin und eine soziale Phobie ausbildete, die mich zu einem Menschen werden ließ, der jegliche Zusammenkünfte zwischen Gleichaltrigen fürchtete und NIE auf Partys gehen wollte und bis heute keinen Tropfen Alkohol trinkt und Drogen hasst.
Die einzige Bezugsperson, mit der ich mich immer wirklich austauschen konnte, war meine Schwester, die auch aufgrund unseres Vaters mit mir immer sehr unter seinem psychischen Terror litt, der durch seinen Alkoholismus sehr schlimm war.
Ich lebe nun immer noch zuhause bei meinen Eltern mit eben diesem Vater, der phasenweise erträglich, phasenweise völlig unerträglich ist und mich in psychische Abgründe stürzt. Es ist ein Wunder, wie ich mein Abitur je schaffen konnte und den Terror ausgehalten habe, ein Studium zu machen, obwohl ich zudem keinerlei Ahnung habe, warum ich es je angefangen habe, da ich wegen meiner sozialen Angst und meinem Versagensdruck sowieso wohl nie werde arbeitsfähig werde können.
Ganz akut holte mich und meiner Freundin nun ein Teil dieser Vergangenheit wieder ein, nachdem ich über Facebook Mitte Dezember eine Nachricht von meiner Schwester erhielt, in der sie schildert, dass ihr Freund, mit dem sie dort zusammenlebt, ihren Bruder einfach nicht ersetzen kann und sie psychologischer Behandlung wegen starker Depressionen ist.
Nachdem ich sogar die Geburtstags-SMS, die ich vergangenen Sommer (in Gegenwart meiner Freundin ) von meiner Schwester erhielt, aus psychischem Druck ihr zuliebe ignorierte und nicht beantwortete, habe ich nach über einem Monat diesen Montag auf die Facebook-Nachricht meiner Schwester geantwortet:
das erste Lebenszeichen von mir seit sehr vielen Monaten also. Ein Kontakt, der völlig auf Eis liegt und den ich nun in Form einer Stellungnahme einmalig wieder aufnahm.
Das riesige Problem jedoch für mich:
Ich habe meiner Schwester lediglich eben dieses Dilemma noch einmal und meine desolate Lebenssituation im Gesamten erklärt (in etwa so wie hier), jedoch ihr WEDER eine Wiederaufnahme des Kontakts angekündigt, NOCH mich eindeutig dazu bekannt, fortan für mein Leben lang den Kontakt zu ihr abzubrechen.
D.h. ich bin meiner Schwester gegenüber schuldig, da ich mich nicht klar ausdrückend gegen oder für sie entscheide UND ich bin gegenüber meiner Freundin schuldig, die meiner Entscheidungsunfähigkeit wegen völlig am Ende ist (körperlich wie gesagt starke Weinkrämpfe etc. und mit klaren Suizidwünschen, die mich total belasten).
Wie soll ich dieses schreckliche Dilemma lösen?
Ich will meine Freundin, die ich liebe, nicht mitten im Leben umbringen.
(Wie der große E.M. Cioran in seinen Schriften immer wieder treffend betont hat, stirbt der Mensch eben im Laufe seines Lebens viele Tode, der Tod ist dem Leben immanent und nur naive Menschen verkennen diese Einsicht.)
Ich bin aber auch unfähig, meiner Freundin zu versprechen, lebenslänglich den Kontakt zu meiner Schwester abzubrechen und nie wieder mit ihr zu reden.
Ich habe wirklich alles versucht, was es an Kompromissvorschlägen gibt:
z.B. Treffen zu dritt vorgeschlagen: aber meine Freundin kann die Gegenwart meiner Schwester unter keinen Umständen ertragen.
Dabei hat sie meiner Schwester noch NIE getroffen, weiß nicht einmal wie sie aussieht (!), da sie den Kontakt immer gemieden hat.
Trotzdem hasst sie meine Schwester wie die Pest, da sie für sie das größte Unglück ist.
Denn sie verunmöglicht aus ihrer Sicht unsere Beziehung, will mich nur für sich haben. Exklusiv. Dass meine Schwester mit mir redet, ist für sie eine Demütigung wie sie schlimmer nicht sein könnte.
Das alles nur, weil ich eine Schwester habe. Weil ich eine Vergangenheit mit ihr habe und mich sehr gut mit ihr verstanden habe.
Ich bin schuldig, weil ich eine Schwester habe.
Was kann ich nur tun?
Ich kann nichts dafür, aber diese Einsicht bringt meiner Freundin nichts, es fühlt sich für sie wie Messerstiche an und sie fragte mich immer die letzten Tage immer wieder und wieder, warum ich sie so leiden lasse und ihr das antue und meine Freundin nicht endlich verstoße, damit sie wenigstens Klarheit hat, auch wenn sie danach sowieso wie tot ist (ich bin der EINZIGE Sinn in ihrem Leben; sie hat NIEMANDEN mehr, der sich emotional um sie kümmert und will auch keine Therapien; ohne mich kommt sie aus organisatorischen Gründen überdies nicht mal an die Bücher heran, die sie für ihre Diplomarbeit braucht, da sie nicht mehr an ihrem Studienort lebt, d.h. auch das Studium wäre passe).
Ich bin alles für sie, wie kann ich sie nur verstoßen?
Warum bin ich so grausam und unfähig, meine Schwester für sie für immer aufzugeben?
Bin ich ein widerlicher Egoist, der sich nicht klar entscheiden kann?
Sie bedeutet mir doch so viel, aber ich kann ihr nicht helfen.
Bitte gebt mir irgendeinen Rat, denn ich ertrage es nicht, ihr Leiden zu ertragen und sie mitten im Leben zu töten. Sie hat wirklich niemanden außer mich. Ihre Mutter ist emotional verkümmert und kaufsüchtig (d.h. meine Freundin lebt auch noch bei ihren Eltern) und ihr Vater ziemlich krank und gebrechlich, ihr Bruder (sie teilt sogar noch ihr Zimmer mit ihrem Bruder, wie ich früher mit meiner Schwester) ist völlig rücksichtslos, verdient schon Geld und wohnt trotzdem noch zuhause, obwohl er sie damit total einengt, da sie nicht einmal ein eigenes Zimmer hat und spielt nachts einfach Computer, wenn sie schlafen will.
Der absolute Horror.
Bitte gebt mir einen Rat, was ihr tun würdet und ob ihr mich für einen entscheidungsunfähigen schlechten Menschen haltet, der nicht abschließen kann.
Ich lebe mit 27 Jahren alleine bei meinen Eltern, bin ganz mir selbst überlassen und werde nur finanziell ernährt und ansonsten muss ich alle solche schrecklichen Dinge in meinem Kopf und Herzen ausbrüten.
Es ist total schrecklich und kein Psychologe kann solche existenziellen Probleme lösen.
Ich habe schon Yoga in meinem Zimmer ausprobiert, lebe vegan und beschäftige mich mit dem Leiden von Tieren und will ein guter, moralischer Mensch sein.
Aber wie soll ich gut und moralisch sein, wenn meine Freundin so unter mir leidet.
Sie ist doch auch ein Tier, das leidet und wie kann ich über dieses Leiden hinwegsehen und sie in dieses tiefe Loch stürzen, aus dem sie womöglich nie wieder herauskommt, da sie doch ohne mich keinen Sinn mehr darin sieht, zu leben und sie unermeßlichen Schmerz empfindet, wenn ich zu meiner Schwester einen Kontakt wieder erneuer würde.
Müssen Menschen im Leben über Leichen gehen, wenn sie leben wollen?
Ist das das Prinzip des Lebens, dass man skrupellos und abgebrüht sein muss und einfach mit Menschen abrechnet, damit man selbst lebt?
Ich hasse dieses Prinzip genauso wie die Tatsache, dass Lebewesen für andere Lebewesen getötet (= ermordet) werden, nur damit Menschen ihre Befriedigung daraus ziehen, Fleisch zu essen, ohne das eine Notwendigkeit für dieses Leiden gegeben ist.
Wie löse ich mein Dilemma, OHNE jemanden mitten im Leben zu töten?
(denn ich kann NICHT mit beiden Menschen in meinem Leben Kontakt haben, so viel ist mir klar. Diese Option gibt es nicht, daraus resultiert mein moralisches und emotionales Dilemma.)
Vielen Dank, dass ihr meinen Beitrag ertragen habt.
Elis
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