Er hat viele Jahre in einem Job gearbeitet, der ihn psychisch sehr belastet hat. Ein Mann verarbeitet seine Probleme dadurch, dass er über sie redet. Stundenlang, durchaus sich wiederholend, wochenlang nächtelang hintereinander. Zuhörer war stets ich. Wenn ich dann nach vielen durchdiskutierten Nächten um 3:30Uhr vorsichtig anmerkte, ich sei jetzt wirklich sehr müde, reagierte er sehr empfindlich um nicht zu sagen beleidigt. Ich selbst arbeite in einem sehr stressigen Job mit problemlos 50-60Stunden pro Woche. In unserer Beziehung war ich an sich die Stärkere von beiden. Ich bin eher die Pragmatikerin und zupackend, er der feinsinnigere, verletzlichere von uns beiden. Mit persönlichen Kränkungen kann er nicht gut umgehen.
Vor ca. 3 Jahren hat er sich eine Zeit stark von mir zurückgezogen, mich wochenlang nicht angefasst. Ich machte mir schon Gedanken, ob er vielleicht eine andere hätte. Ein wenig später stieg bei mir die berufliche Belastung stark an, was bis heute anhält. Ich bräuchte meinen Mann als Unterstützer, der nicht ständig Stärke von mir fordert, sondern auch mal Stärke geben kann. Nur funktioniert das leider nicht.
Gleichzeitig war unser Hund dem Junghundealter entwachsen, sodass ich täglich mit ihm joggen gehen konnte. Ich kompensierte meinen beruflichen sowie privaten Stress mit exzessiven Läufen und einer gewissen Appetitlosigkeit, sodass sich mein Gewicht im Laufe eines Jahres um gut 10kg reduzierte. Irgendwann sagt mir mein Mann, er hätte mich deshalb nicht mehr angefasst, weil ich ihm zu viel gewogen hätte. Wobei man dazu sagen muss, dass wir hier von 62kg bei 1,65m reden, die sich auf 52kg reduziert haben.
Über den Hund habe ich in einem Forum vor ca. 2,5 Jahren einen Mann kennengelernt. Wir wohnen nur ca. 10 Autominuten voneinander entfernt. In der Zwischenzeit hat sich zwischen uns eine sehr tiefe Freundschaft entwickelt. Von Anfang an bin ich daheim offen damit umgegangen. Mein Mann war nie ausgeschlossen, hätte meinen besten Freund jederzeit kennenlernen können, aber er wollte und will nicht. Zunehmend reagierte er aggressiv darauf, wenn ich sagte, dass wir verabredet seien. Dazu muss ich sagen, dass es sich bei diesen alle 2-4 Wochen stattfindenden Verabredungen darum handelt, dass wir in aller Öffentlichkeit mit unseren Hunden eine gemeinsame Runde drehen, die ca. 1 Stunde dauert. Da ich den heimischen Stress und die Diskussionen darüber irgendwann leid war, begann ich, diese Verabredungen daheim nicht mehr mitzuteilen.
Mein Leben findet seither in zwei parallelen Welten statt: Der heimischen mit Stress verbundenen Welt und der anderen Welt, wo ich locker sein kann und die ich auch als Ausgleich brauche.
Mein Wunsch wäre es, beide Welten friedlich zu vereinen, aber es will mir nicht gelingen.
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