Mein Name ist Robin, ich bin 23 Jahre alt und komme aus Bayern.
Ich habe inzwischen eine fast einjährige Leidensgeschichte hinter mir, die leider kein Ende finden konnte und habe mich nun hier im Forum angemeldet. In erster Linie natürlich auf der Suche nach Rat, aber auch um sich das alles mal von der Seele schreiben zu können.
Vorweg schon mal die Warnung, dass dieser Text sehr lang wird, da ich versuche, alles zu erwähnen und bestmöglich darzustellen.
Es fing alles etwa Mitte März letzten Jahres an.
Ich verspürte in meinem Brustkorb immer wieder kehrende Schmerzen und manchmal auch ein Engegefühl. Die Schmerzen waren meist nur kurz anhaltend, mal entlang der Rippen, mal direkt über dem Herzen, mal am Brustbein, mal zwischen den Schulterblättern. Manchmal strahlten diese Schmerzen bzw. Empfindungen auch in die linke Schulter oder den Arm aus.
Das alles wirkte auf mich irgendwie sehr bedrohlich, da ich schnell Angst bekam, es könnte etwas mit meinem Herzen nicht in Ordnung sein.
Diese Angst steigerte sich irgendwann so sehr, dass sie alles beherrschte und Ausmaße annahm, die ich so bisher nicht kannte. Die ersten schlaflosen Nächte und angsterfüllten Tage ließen nicht lange auf sich warten.
Natürlich suchte ich meine Hausärztin auf und bat um eine Untersuchung, sie überwies mich zum Internisten, der ein Röntgenbild meines Thorax, eine Ultraschalluntersuchung vom Herz und eine Blutabnahme machte. Alles komplett unauffällig, das Herz ist gesund.
Doch anstatt Erleichterung zu erleben wurde alles noch schlimmer.
Die körperlichen Beschwerden hörten nicht auf bzw. waren inzwischen neue dazu gekommen.
Nachts schliefen mir oft Finger und Hände ein, ich sah auf dem linken Auge leicht unscharf und immer wieder mal hatte ich diffuse, kurze Schmerzen in allen möglichen Muskeln oder Gelenken.
Meine psychische Verfassung war indes katastrophal geworden. Ich schlief im Wohnzimmer auf der Couch (wenn ich überhaupt schlafen konnte), da das neben dem Schlafzimmer meiner Mutter liegt und ich dort besser schlief als in meinem Zimmer. Die Angst beherrschte mein komplettes Leben.
Da ich nach wie vor versuchte, mir irgendwas auf meine körperlichen Symptome zusammen zu reimen, kam ich bald auf MS(Multiple Sklerose). Die Sehstörungen, Missempfindungen und Schmerzen könnten dazu passen.
Wieder bei meiner Hausärztin erklärte ich meine Situation und sie entschied, einen großen Bluttest zu machen und mir eine Überweisung für ein Schädel-MRT zu geben. Doch nur unter der Bedingung, dass ich, sollten alle Befunde unauffällig sein, eine Psychotherapie starten würde. Ich willigte ein.
Beim MRT kam dann ein unklarer Befund heraus, es wurde zwar eine ganz kleine Läsion gefunden, die von der Lokalisation her zu MS passen würde, aber für sich allein total unspezifisch ist und auch von was ganz anderem kommen könnte.
Daraufhin entschied mein Neurologe, der die Bilder ausgewertet hatte, eine Lumbalpunktion zu machen. Deren Ergebnisse waren zum Glück unauffällig.
Wie auch immer waren in der Zwischenzeit neue Symptome dazu gekommen. Meine Beine bzw. Beinmuskeln fühlten sich fast permanent irgendwie steif oder total verspannt an und ich bemerkte intensive Zuckungen in meinen Waden (Faszikulationen), die auch am restlichen Körper zu vernehmen waren, aber nur sporadisch.
Daraus resultierte dann leider, dass ich auch noch befürchtete, an ALS erkrankt zu sein, auch, wenn ich dafür statistisch gesehen zu jung bin und auch keine Schwächen hatte, passen die Symptome doch.
Ich erwähnte diese neuen Symptome zwar bei meinen Neurologen, der aber nicht näher darauf einging und mir wegen meiner psychischen Verfassung lieber ein Antidepressivum(Sertralin) verschrieb.
Leider änderte das auch nicht viel, da mein Hauptproblem keine Depression, sondern diese Angst aufgrund der körperlichen Symptome war.
Diese Angst wurde in den Folgetagen so schlimm, dass ich erneut zu meinen Hausärzten ging und dort um Hilfe bat.
Leider wurde mir nur erneut geraten, eine Psychotherapie zu machen, ohne wirklich auf meine körperlichen Probleme einzugehen. Außerdem verschrieb mir mein Hausarzt zusätzlich zum Sertralin noch Mirtazapin und Tavor. Letzteres weigerte ich mich erst zu nehmen, schließlich nahm ich es dann, wenn es sehr schlimm war und erlebte die wohl einzigen angstfreien Momente im ganzen letzten Jahr.
Wie auch immer war das dann erst mal für längere Zeit mein letzter Arztbesuch und ich begann mich zu fangen. Ob das an den ADs lag, kann ich schlecht beurteilen, da ich das Sertralin sowieso nur 6 Wochen oder so einnahm und das Mirtazapin bis die Packung aufgebraucht war.
In dieser Zeit der Stabilisierung begann ich dann auch wieder, mit Freunden feiern zu gehen etc., mein Leben schien sich wieder langsam zu normalisieren, die körperlichen Symptome waren allerdings nach wie vor da und das meiste vom normalen Leben war nichts als gespielter Schein, wenn ich ehrlich zu mir selber war.
Irgendwann ging ich dann noch mal zu meiner Hausärztin. Ich wollte endlich eine umfangreiche, klärende Untersuchung, am besten stationär in der Uniklinik, um alles abhandeln zu können.
Als ich ihr jedoch von meiner ALS-Angst erzählte, winkte sie nur ab und nahm mich nicht länger ernst, und schickte mich mit der erneuten Empfehlung, eine Psychotherapie zu machen nach Hause.
Ich bemerkte in der Zwischenzeit auch immer wieder, dass mein linkes Bein oft etwas langsamer oder schwächer schien als mein rechtes.
Schließlich beschloss ich, die Sache in die eigene Hand zu nehmen und einen Termin für eine Spezialsprechstunde in der Neurologie der hiesigen Uniklinik zu vereinbaren.
Gesagt, getan war ich dann dort, erzählte meine Leidensgeschichte und wurde umfangreich untersucht. Die klinische Untersuchung war komplett unauffällig, das einzig ungewöhnliche war in der MEP-Messung(motorisch evozierte Potenziale, also die Messung der Leitgeschwindigkeit der motorischen Nerven) eine verlängerte Latenz linksseitig.
Das war der nächste Schlag ins Gesicht für mich, denn links hatte ich ja die Beschwerden.
Zunächst tippten die dortigen Ärzte darauf, dass evtl. Entzündungsherde im Rückenmark sein könnten, wie es bei MS der Fall ist.
Also wurde anschließend ein MRT der kompletten Wirbelsäule gemacht, welches aber keinen Anhaltspunkt für entzündliche Läsionen erbrachte.
Das alles bestärkte meine ALS-Angst nur noch mehr. Der Arzt dort meinte, wenn die Zuckungen beidseitig wären, gäbe es erst mal kein Grund zur Sorge, und wenn es länger anhalten sollte, müsste man es halt noch mal untersuchen.
Da ich leider schon hinreichend informiert war wusste ich aber, dass es auch Fälle gibt, wo es so war wie bei mir.
Diese letzte Untersuchung war im Oktober 2018. Seitdem lebe ich mit der Ungewissheit.
In der Zwischenzeit bekam ich auch immer mehr den Eindruck, dass mein linker Fuß irgendwie schmächtiger würde, und dort hatte ich auch oft diese Faszikulationen. Zudem ist mein linkes Bein generell nicht so muskulös ausgebildet wie mein rechtes, aber wie auch immer;
so viel zu meiner bisherigen Leidensgeschichte.
Jetzt haben wir inzwischen 2019 und ich bin immer noch nicht weiter.
Seit einigen Wochen ist die Angst wieder verstärkt da, ich weine fast jeden Tag, suche Auswege, frage mich, wie mir geholfen werden kann. Ich bin zwar psychisch soweit stabil, dass ich arbeiten kann und auch was mit Freunden unternehmen, aber ich bin permanent bedrückt, am Grübeln, manchmal sehr ängstlich, verzweifelt und einfach nur traurig. Mein Leben könnte so geil sein, ich hab mir letztes Jahr erst mein Traumauto gekauft, hab eine tolle Familie und tolle Freunde, aber immer hängt dieser Schleier der Angst und Ungewissheit über allem was ich denke oder tue. Ich kann mich nicht mehr ehrlich freuen oder positiv in die Zukunft schauen.
Und ich bin es satt. Ich kann und will so nicht mehr weiter machen. Ich will mein Leben leben, so wie es sich für einen jungen Mann gehört, so wie ich es vor dieser ganzen Sch***** getan habe.
Ich weiß gar nicht mehr, ob ich mich unbedingt untersuchen lassen will (bzgl. einer neuromuskulären Sache wie ALS) oder ob ich zu viel Angst vor den Ergebnissen habe.
Jedenfalls will ich Gewissheit. Gewissheit darüber, was mit mir los ist.
Aber wenn ich damit zu meiner Hausärztin gehe, nimmt die mich eh wieder nicht ernst und rät mir wieder nur, eine Psychotherapie zu machen und die ganze Misere geht weiter.
Was soll ich nur tun?
Sonst hatte ich immer meine Mutter dabei, wenn ich dort hin ging, einfach als seelischen Beistand und weil es mir in solchen Situationen, wenn ich kurz vor dem Flennen bin, gerne mal die Kehle zuschnürt und ich kein Wort raus bringe.
Sie hat mich ohnehin in all der Zeit so sehr unterstützt. Sie ist überall mit hin gegangen, wo sie konnte, hat mich so oft in den Arm genommen und mich getröstet, hat sich all mein Geflenne angehört. Deshalb will ich ihr das nicht noch mal zumuten und sie so gut es geht da raus halten, ich muss das irgendwie alleine schaffen.
Nur wie ich es machen soll, weiß ich noch nicht.
Nochmal direkt in die Uni geht nicht so einfach, dafür brauche ich eine Überweisung vom Neurologen, aber da muss der dafür erst mal eine Indikation sehen und ich muss auch bei ihm erst mal einen Termin bekommen.
Was meint ihr also, wie würdet ihr handeln oder befandet ihr euch schon mal in einer ähnlichen Situation?
Ich sehe halt keinen Sinn darin, direkt psychologisch das ganze an zu gehen. Selbst wenn ich eine pathologische Form von Ängsten habe und das behandelt werden muss, sehe ich halt keinen Sinn darin, ohne vorher das körperliche abgeklärt zu haben. Das ist ja der Ursprung und die Basis von alledem.
Das war es dann erst mal so weit, ich hoffe der Text war nicht zu lang und bedanke mich schon mal für eure Geduld und eure Antworten.
Viele Grüße
Robin
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