nachdem mir einige von euch vor kurzem so nett und ermutigend zur Problematik meiner Tochter geschrieben haben, muss ich mich heute mal über mich ausheulen.
Ich bin Anfang 40 und kann sagen, dass mir noch nie, wirklich noch NIE, etwas in meinem Leben gelungen ist. Außer der Tatsache, dass ich eine wunderbare Tochter habe, die mir viel Kraft gibt. Ich war von Anfang an alleinerziehend.
Ich habe mich schon als Kind schwerer getan als Andere. Alles, was andere Kinder mühelos erlernten, fiel mir schwer. Ich war auch in allem unglaublich langsam, was meine Mutter dazu brachte, manchmal hysterisch zu werden. Sie war im Allgemeinen eine lieblose Person. Ich schob ihre Unzufriedenheit lange darauf, dass sie mich nicht liebte. Bis man auch in der Schule oft bald wahnsinnig wurde, weil ich ja so eine Schnecke war.
Im Grunde haben sich meine Eltern nie für mich interessiert, ich wurde zu Hause überhaupt nicht gefördert und war meistens mir selbst überlassen. Deshalb fiel ihnen wohl auch nur meine Langsamkeit und mein zurückgezogenes Wesen auf.
Nur meiner Oma, die mich liebte, fiel auf, dass etwas mit mir nicht stimmen konnte. Ich erinnere mich, wie oft sie mich "Träumerchen" nannte, wenn ich mich mal wieder weggebeamt hatte und kurze Zeit auf nichts reagierte.
Einen Vorfall werde ich nie vergessen. Ich saß in ihrer Küche und war in ein Buch vertieft. Meine Oma war im Haus beschäftigt, während auf dem Herd Essen kochte. Ich war komplett "weg", als ich plötzlich ganz überraschend in die Realität zurückgeholt wurde, weil meine Oma schreiend in die Küche gestürzt kam. Das Essen auf dem Herd war angebrannt und die Küche war voller Dampf. Ich hatte es nicht mitbekommen...
Schade, dass meine Oma sich nicht weiter darum gekümmert und nicht mit meinen Eltern darüber gesprochen hat.
In der Schule träumte ich mich auch ganz oft weg und verpasste dadurch ganze Unterrichtsstunden. Immerhin schaffte ich einen Realschulabschluss mit einem durchschnittlichen Ergebnis.
Es würde den Rahmen sprengen, wenn ich weitere Details anführen würde.
Jedenfalls habe ich im Berufsleben einiges ausprobiert und bin doch nirgendwo zurechgekommen. Den einzigen Job, den ich ein paar Jahre behalten habe, war in einem Callcenter. Doch irgenwann war ich seelisch so erschöpft von der Monotonie und der Schichtarbeit, dass ich den Job hinschmiss.
Ich habe schon mehrere Jahre von ALG II gelebt, weil ich zwischendurch immer wieder langzeitarbeitslos war. Ich mache mir natürlich den Vorwurf, für meine Tochter kein gutes Vorbild zu sein, aber ich schaffte es nicht besser.
Wo sich allerdings die Chance auftat zu arbeiten, ergriff ich sie auch. Egal, ob es Jobs auf dem zweiten Arbeitsmarkt oder Putzstellen waren.
Ich hatte lange den Verdacht, unter ADS zu leiden und suchte verschiedene Psychiater und Neurologen auf. Die ersten, an die geriet, nahmen meine Problematik gar nicht ernst. Nach dem Motto: es gibt halt diese Hans-guck-in-die-Luft, kann man nicht ändern.
Bis ich an einen Psychiater geriet, der zumindest ein EEG machen ließ. Er sprach von einem abnormen EEG mit vielen langsamen Wellen, also Thetawellen. Dabei hatte ich ihm gesagt, dass ich seit Jahren ein Antidepressivum nehme, was ihn aber nicht von der Meinung abbrachte, dass da wohl etwas nicht stimmt. Er tippte auf eine "frühe Hirnschädigung".
Ich war also nicht schlauer und machte irgendwann noch mal einen Termin bei einem Neurologen. Der hörte sich sehr geduldig meine ganze Kindheitsgeschichte an und veranlasste auch ein EEG. Er stellte unspezifische Aufälligkeiten fest, die er meinen Schilderungen nach einer Epilepsie zuordnen würde. Er würde mir gern ein Antiepileptikum verschreiben.
Da ich ihm so viele Zweifel anmerkte, habe ich das Medikament nicht genommen.
So hat sich das Elend fortgesetzt.
Ich wollte unbedingt wieder arbeiten und habe zu Beginn diesen Jahres eine Stelle als Seniorenassistentin in einem Altenheim angetreten. Es war bisher eine schwere Zeit, doch ich habe tapfer durchgehalten. Immer wieder wurde mir vorgeworfen, dass ich zu still und vergesslich bin und kein gutes Zeitmanagement habe. Eine Mitarbeiterin mochte mich auf den ersten Blick hin nicht und schikaniert mich. Ich tue aber alles, um den Umgang mit den Bewohnern liebevoll und fürsorglich zu gestalten. Wahrscheinlich wurde ich deswegen noch nicht rausgeschmissen. Ich bemerke aber, dass sich meine Vorgesetzte mir gegenüber zunehmend abwertend und geringschätzig verhält.
Im Januar läuft mein Vertrag aus und ich habe die Befürchtung, dann wieder arbeitslos zu sein.
Ich habe keine Ahnung, wie es weitergehen soll. Ob es sich lohnt, noch weitere Ärzte aufzusuchen, um herauszufinden, was wirklich mit mir los ist.
Könnt ihr mir einen Rat geben?
Können meine Probleme vielleicht rein psychische Ursachen haben?
Liebe Grüße,
Annea
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