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Psychischer Umgang mit schweren körperlichen Krankheiten und Erfahrungen

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  • Psychischer Umgang mit schweren körperlichen Krankheiten und Erfahrungen

    Hallo Herr Doktor,

    ich habe Schwierigkeiten mit der Krankheitsverarbeitung. Ich litt 10 Jahre lang unter schweren Depressionen, nahm viele Antidepressiva und Neuroleptika, die alle nicht wirkten. Vor 5 Jahren fing ich dann an die Medikamente auszuschleichen. 8 verschiedene Psychopharmaka musste ich absetzen, davon zwei hochdosierte Bezodiazepine (Remestan und Tavor). Vor einem halben Jahr habe ich die letzte niedrige Dosis Risperdal abgesetzt. Da ich immer unipolare Depressionen hatte, bin ich auch nicht aus dieses angewiesen.
    Seit 2 Jahren nehme ich kein Antidepressivum mehr und mir geht es seitdem viel besser.
    Mein einziges Problem ist die Krankheitsverarbeitung. Ich habe in den ca. 2 Jahren, die ich in der geschlossenen Psychiatrie insgesamt gelegen habe, viel schlimmes erlebt, war wöchentlich auf dem Flur fixiert, manchmal auch mehrmals wöchentlich. Ich lag in einem großen Bettensaal mit ca. 20 Patienten. Es gab keine Psychotherapie. Durch die vielen Medikamente war man auch außerhalb der Fixierungen ans Bett gefesselt. Ich bekam dreimal ein halbes Jahr am Stück Thrombosespritzen ("Blauer Bauch") und hinzu kamen viele mehrmonatige "Kurzaufenthalte" auf der Geschlossenen. Eine Freundin von mir kämpfte dort auch um ein normales Leben. Wie lernt man am besten mit solchen Erfahrungen umzugehen?
    Insgesamt muss ich sagen, dass es mir besser geht seitdem die Psychopharmaka abgesetzt sind. Ich merkte je weniger ich genommen habe desto besser wurde wieder meine Stimmung. Auch diese emotionale Gleichgültigkeit und die Müdigkeit hörten auf. Früher mit 8 verschiedenen Psychopharmaka habe ich mich wöchentlich selbstverletzt. Jetzt ist meine letzte Selbstverletzung über ein Jahr her! Auch das starke Übergewicht ist weg. Seit dem Absetzen der Psychopharmaka habe ich 30 kg abgenommen und bin normalgewichtig. Sieht viel besser aus, fühle mich wohler, auch wenn mein Bluthochdruck und mein Blutzucker davon nicht besser wurden.

    Ich leide gleichzeitig noch unter eine Epilepsie, die auf Medikamente überhaupt nicht anspricht. Ich habe alles an Medikamente durch und bin sogar operiert worden. Seit der Op ist alles noch schlimmer. Ich habe mehrmals wöchentlich komplex fokale Anfälle. Anfälle bei denen ich stürze und mich auch oft verletze habe ich so alle 6 Wochen. Vor der Op hatte ich gar keine große Anfälle. Wie lerne ich mit einer solchen Anfallssituation umzugehen und mir keine Vorwürfe zu machen, dass ich mich auf die Op eingelassen habe?
    Neben der Epilepsie habe ich noch schweres Asthma und diverse Folgeerkrankungen durch die orale Kortisontherapie.
    Insgesamt ist meine Stimmung gut, viel besser als früher, aber ich kämpfe im Alltag sehr mit den körperlichen Krankheiten, die ein normales Leben kaum möglich machen. Wie lernt man mit Krankheiten umzugehen, die über die Jahre immer schlimmer werden? Habe jetzt einen Schwerbehinderungsgrad von 100 mit verschiedenen Merkzeichen. Das Ergebnis des Versorgungsamts war für mich auch etwas schockierend.

    Viele Grüße


  • Re: Psychischer Umgang mit schweren körperlichen Krankheiten und Erfahrungen

    Darf ich fragen ob die Psychiatrie in Deutschland war?

    Mittlerweile sind ja zum Glück die meisten Kliniken bemüht solche Zustände der Fixierung und massenhaft Psychopharmaka nicht aufkommen zu lassen.
    Schwarze Schafe gibt es sicher noch genug, aber nach Einhaltung der Gesetze hört sich deine Schilderung nicht unbedingt an.
    Die Erfahrungen tun mir leid für dich und da hast du schon von den psychischen Belastungen her einiges zu verdauen.

    Hast du Unterstützung von einem Psychotherapeuten?

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    • Re: Psychischer Umgang mit schweren körperlichen Krankheiten und Erfahrungen

      Hallo,

      ja, die Psychiatrie war in Deutschland und es ist noch nicht so lange her. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.

      Ich warte auf die Antwort von Dr. Rieck.

      Viele Grüße

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      • Re: Psychischer Umgang mit schweren körperlichen Krankheiten und Erfahrungen

        "Ich warte auf die Antwort von Dr. Rieck."

        Hallo Charlie,

        Ihr Bericht hat mich an den Film "Einer flog aus dem Kuckucksnest" mit dem hervorragenden Jack Nicholson erinnert. Als ich diesen Film vor über 20 Jahren im Kino gesehen hatte, habe ich mich quasi stellvertretend geschämt, dass ich auch der Berufsgruppe Psychiater angehörte (damals habe ich noch stationär in der Psychiatrie gearbeitet).

        Die Zustände, von denen Sie berichten, darf es in Deutschland nicht mehr geben!
        Es gab die sogenannte Psychiatrie-Enquete (bis etwa Mitte/Ende der 80er), bei der über 25 Jahre hindurch die Missstände der alten Verwahrpsychiatrie aufgearbeitet und beseitigt wurden.

        Seitdem gibt es konkrete Handlungsanweisungen, wie z.B. mit Fixierungen und jeder Art von Zwang umgegangen werden soll. Also Fixierung nur separat (nicht von andren einsehbar, streng limitiert, halbstündig auf weitere Notwendigkeit überprüft und mit Sitzwache(!) u.a.m.) und möglichst vorher (!) mit dem Patienten zu besprechen, was er im Falle eines Erregungszustand mit Fremd- oder Selbstgefährdungspotenzial als Maßnahme selbst vorschlägt.

        Letzteres und die Sitzwache werden meistens wegen des personellen Aufwandes in Zeiten des Pflegenotstandes weggelassen, aber die anderen Modalitäten sind Pflicht.

        Auch Medikamentengabe ohne Einverständnis ist eigentlich nicht mehr möglich, also ungesetzlich.
        So hätte ich die Frage von Tired, ob denn Ihre "Behandlung" in Deutschland stattfand, auch gestellt.

        Zusammenfassend kann ich nur sagen, dass Ihnen offenbar Unrecht widerfahren ist, das geahndet werden müsste, auch um andere Menschen zu schützen.

        Wenn Sie an Ansprechpartnern interessiert sind, die die spezielle Einrichtung in Augenschein nehmen sollen, geben Sie mir bitte Bescheid (die Redaktion gibt Ihnen meine Mailadresse).

        Auf Ihre eigentliche Frage nach der Verarbeitung der erlittenen Traumata gehe ich später ein, das möchte ich nicht mit dem juristischen Teil vermischen.

        Beste Grüße

        Dr. Riecke

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        • Re: Psychischer Umgang mit schweren körperlichen Krankheiten und Erfahrungen

          Hallo,

          ich bin ehrlich gesagt ganz froh, wenn das Ganze nicht nocheinmal wiedergekaut wird. Ich rede nur noch mit meinen Eltern gelegentlich über die Probleme. Die kennen das alles ja aus der Zeit.

          Medikamente gegen den eigenen Willen ist so eine Sache. Irgendwann hat man keinen Willen mehr, da man nicht mehr reflektieren kann. Das Nachdenken kommt dann erst, wenn man die Medikamente nicht mehr nimmt und sich von der Psychiatrie verabschiedet hat.

          Viele Grüße

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          • Re: Psychischer Umgang mit schweren körperlichen Krankheiten und Erfahrungen

            "Wie lernt man mit Krankheiten umzugehen, die über die Jahre immer schlimmer werden?"

            Wie meinen Sie diesen Satz auch Ihrem Eingangsbericht?

            Was nimmt zu?

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