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Therapeutic Lifestyle Change – Der antidepressive Lebensstil

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  • Therapeutic Lifestyle Change – Der antidepressive Lebensstil

    Moin zusammen

    Dann will ich hier mal gleich den Aufschlag machen und das neue Unterforum mit erstem Inhalt füllen Ich hoffe, das Thema paßt hier rein.


    Wie manche von euch wissen, mache ich ja schon seit etlichen Jahren mit anhaltenden Depressionen und Ängsten herum. Mal ist’s besser, mal schlechter. Zur Zeit eher letzteres, was womöglich damit zusammenhängt, daß ich mein Fluoxetin vor 12 Wochen ausgeschlichen habe und es vielleicht doch ein bißchen mehr Wirkung hatte als noch während der jahrelangen Einnahme gedacht. Vielleicht aber auch nur Zufall.

    Auf jeden Fall bin ich seitdem auf der Suche nach alternativen Therapien und Methoden, um mich auch ohne Medikament zu stabilisieren. (Zwei kognitive Verhaltenstherapien habe ich auch schon hinter mir; eine dritte Therapie bzw. heilpraktisches Coaching versuche ich geradezu abzustimmen.)


    Über einen Blog im Netz und die Rezensionen auf Amazon zu

    Depression ist heilbar“ von Stephen S. Ilardi

    bin ich nun auf die
    Therapeutic Lifestyle Change (TLC) aufmerksam geworden.


    Und was ich da bisher gelesen habe, ist nicht nur ein immenser Augenöffner, sondern bestätigt auch etliche meiner persönlichen Vermutungen und Schlußfolgerungen aus den letzten Jahren:

    Nämlich schlicht, in meinen Worten zusammengefaßt, die
    Tatsache, daß der moderne Mensch gar nicht so „modern“ ist, sondern aus Evolutionssicht betrachtet nach wie vor ein Steinzeitmensch ist, der rein von seiner genetischen Steinzeit-Ausstattung her nicht mehr für das moderne Lebensumfeld geschaffen ist:
    Die falschen Lebensmittel (u.a. speziell zu wenig Omega-3), zu wenig Bewegung (Dopamin), zu wenig Schlaf (zirkadianer Rhythmus), zu wenig Sonnen-/Tageslicht (Vitamin D, Serotonin, Melatonin), soziales Umfeld und Unterstützung und Aktivität.
    Evolution passiert eben nicht über Nacht - und 5-10.000 Jahre Menschheitsgeschichte sind in dieser Hinsicht (leider) "über Nacht". Das hebelt keine noch so raffinierte Wissenschaft und Technologie aus.

    Für mich klingt das alles sehr einleuchtend, weil ich ich das meiste davon schon vor Jahren lange vor dem Lesen des Buches an mir selbst beobachtet und vermutet hatte. Nur konnte ich es bis dato nicht so konkret begründen bzw. wußte gar nicht, wie allgemeingültig das eigentlich für die meisten Menschen doch ist - und daß eben nicht nur ein rein persönliches Problem von mir selbst ist:
    1. Fisch ist ein wesentlicher Omega-3-Lieferant. Nur soviel Fisch kann normalerweise niemand essen, wie er insbesondere heutzutage müßte, denn andere natürliche Omega-3-Quellen sind im Verlauf der letzten ein bis zwei Jahrhunderte aufgrund der Industrialisierung der meisten Nahrungsmittel praktisch zum Erliegen gekommen, bspw. diverse Gemüsesorten (landen zu unreif im Handel) oder auch Fleisch (Fütterung mit Getreide statt auf der Weide mit Gras und Blattgemüse etc.).
      Unser modernes (deutsches) Prinzip ist hier ganz klar: Alles jederzeit für jeden, möglichst günstig – gepfiffen auf die Qualität. Das rächt sich nun.
    2. Zu Uni-Zeiten bin ich viel zu Fuß unterwegs gewesen und auch 2-3x pro Woche mindestens ne Stunde Fahrrad gefahren. Noch in den ersten Berufsjahren konnte ich mir den Luxus erlauben, manchmal zu Fuß ins Büro bzw. nach Hause zu gehen – das waren anderthalb bis zwei Stunden Fußmarsch, sprich Bewegung.
      Heute ist meine Arbeitsstelle 40km von Zuhause entfernt – ohne Auto nicht machbar. Dann noch Familie und Haushalt on top – und ihr könnt euch ausrechnen, wo mein Bewegungsniveau aktuell ist im Vergleich zu früher
    3. Auf Schlafmangel habe ich schon immer allergisch reagiert. Meine Mutter war eine Nachteule und hat sich immer mal wieder darüber mokiert, wenn ich damals als Jugendlicher freiwillig zwischen acht und neun im Bett lag, selbst manchmal wochenends oder in den Ferien. Dem nächtlichen Durchfeiern bis morgens um vier oder fünf konnte ich auch noch nie etwas abgewinnen. Das alles hat sich mittlerweile etwas verschoben – normalerweise liege ich zwischen zehn und elf im Bett, manchmal auch vor zehn. Aber Richtung Mitternacht oder danach spüre ich den Mangel fast immer unweigerlich schon am nächsten Morgen, erst Recht unter der Woche, wenn ich um halb sieben raus muß. Und spätestens mit der Geburt unseres Sohnes vor sieben Jahren und den schlaflosen Nächten in den ersten ein bis zwei Jahren lag das Offensichtliche dann endgültig auf der Hand.
    4. Mit dem Mangel an Bewegung und den langen Bürotagen hat natürlich auch das Tanken von Tageslicht abgenommen; das eine bedingt fast schon das andere.
    5. Als nach dem Studium alle im Freundeskreis zu arbeiten anfingen, Familien gründeten und teilweise auch weiter weg zogen, war das eine arge Veränderung für mich, an der ich schnell zu knabbern hatte und auch noch bis heute habe. Das war mir schon lange bewußt, bevor die Depri ausbrach oder ich besagtes Buch oben gelesen habe. Die jahre- und jahrzehntelangen Probleme und Streitigkeiten in der Familie zwischen meinen Eltern und einem meiner Brüder waren sicher auch nicht „optimal“ für ein vertrauensvolles, soziales Umfeld, das „immer“ da ist, um einen aufzufangen.
    6. Über fehlende, fesselnde Aktivitäten kann und konnte ich mich grundsätzlich nicht beschweren – die einzige „Baustelle“, die für mich nie eine war Allerdings haben hier natürlich die Depri und die Ängste seitdem einiges sehr stark in Zweifel gezogen, und manche meiner alten Hobbies wie beispielsweise der Modellbau spielen sich praktisch nur noch in guten Momenten in meinem Kopf ab – jeder Versuch, da ins Handeln zu kommen, endete bisher meistens mit Unwohlsein…

    Lange Rede, kurzer Sinn – ich wollte das, was ich in dem neuen Buch gestern gelesen habe, hier mal lediglich aus persönlicher Sicht und mit eigenen Erfahrungen untermauern. Denn ich denke, in dem, was der Autor da beschreibt, steckt leider viel viel Wahres!
    Es geht insbesondere also auch weniger um so allgemeine Plattitüden wie "heute ist alles zu schnell, zu hektisch, zuviel Streß", sondern um sehr konkrete Aspekte, die ich persönlich besser greifen und handhaben kann. Wobei Stressoren wie Informationsflut, übervolle Terminkalender und der Spagat zwischen Familie und Job natürlich immer noch on top kommen, klar.


    Ich für meinen Teil habe mir auf jeden Fall schonmal 1000er Omega-3-EPA-Kapseln bestellt und heute Morgen die erste genommen. Ein großer Fischesser bin ich nie gewesen (Gräten - igitt *g*) - aber auch das habe ich vor, noch mehr zu ändern als schon in den letzten ein bis zwei Jahren - und wenn es nur regelmäßig eben Lachsfilet ist
    Montag abends mache ich ja seit vier Wochen Karate – und auch den Rest der Woche will ich dann jetzt noch mit 2-3x Fahrrad-fahren oder längeren Spaziergängen ausfüllen. Das muß irgendwie gehen – und zwar nicht „müssen“, weil „müssen“, sondern weil es unserem natürlichen Wesen entspricht.
    Damit werden sich dann hoffentlich auch die Schlafprobleme legen, mehr Tageslicht bekomme ich dadurch auch ab (es hatte schon was, als das Karate letzte Woche aufgrund eines gebrochenen Wasserrohres in der Halle im Freien stattgefunden hat *g*).
    In Sachen Freundeskreis und sozialem Anschluß kann ich nicht unbedingt viel mehr tun: Ich habe mich auch in den letzten Jahren da nicht übermäßig zurückgezogen; ganz im Gegenteil habe ich es meiner Depression zu verdanken, daß ich hier aus dem jahrelangen Jammern, wie schlimm es doch sei, daß alle Freunde keine Zeit mehr hätten, raus bin und stattdessen sogar etliche Kontakte reaktivieren konnte, die jahrelang eingeschlafen waren Der Rest ist leider immer noch den diversen zeitlichen Restriktionen in den Terminkalendern der Beteiligten unterworfen. Was mir nicht immer gefällt, was ich aber auch schwerlich ändern kann - da hilft nur Akzeptanz.
    Tja – und Aktivitäten… ich hoffe einfach, daß ich durch eine stärkere Beachtung und Erfüllung der ersten Punkte irgendwann wieder an den Punkt komme, wo mir auch meine Aktivitäten aus sich heraus wieder mehr Spaß und Erfüllung verschaffen anstatt nur Beschäftigungstherapie zu sein


    Die TLC ist hierzulande sicher noch nicht so bekannt; ob sie funktioniert, vermag ich noch nicht zu beurteilen.

    Aber trotz meiner mittelprächtigen Stimmung bin ich guter Dinge, die Anregungen mal aufzunehmen, auszuprobieren und zu sehen, wie sich alles entwickelt.


    Und ich denke – wenn es denn funktioniert -, können davon auch alle anderen hier im Forum profitieren, denn die TLC ist kein Widerspruch oder nur eine Alternative zur Medikamenten- oder Psychotherapie, sondern eine sinnvolle Ergänzung, die man sehr gut kombinieren kann.

    Hoffe, es klappt

    LG,
    Alex



  • Re: Therapeutic Lifestyle Change – Der antidepressive Lebensstil

    Hallo Alex,

    sehr interessant und auch gut zusammengefasst, einiges was ich im Einzelnen schon mal bedacht habe, aber zusammen betrachtet doch noch mal zum Denken anregt.

    Gerade der Teil die Evolution betreffend ist spannend, dazu habe ich vor einiger Zeit eine Doku gesehen.
    Danach hat die moderne Zeit die Evolution überflügelt, wir schaffen unsere eigene Evolution und kommen mit unserer natürlichen Ausstattung nicht mehr hinterher, so dass viele regelrecht auf der Strecke bleiben.

    In der Sendung wurde ein Beispiel von einem mexikanischen Stamm angeführt (ich glaube ich hatte es auch schon mal irgendwo geschrieben), dieses Volk hat von Natur aus und auch evolutionär bedingt, einen sehr großen Bewegungsdrang.
    Sie rennen und springen in de Felsen herum wie die Gämsen, sind ohne Unterlass sehr aktiv und ernähren sich genügsam.
    Extremsportler pilgern regelmäßig zu deren Heimat, um sich mit dem "Urvolk" zu messen und immer gewinnen die Einheimischen mit Leichtigkeit das Rennen durch die Felsenlandschaft, währen die gut trainierten Extremsportler nicht mehr hinterher kommen.

    Nun zieht es aber auch immer mehr junge Leute aus diesem Völkchen in die Zivilisation, sie wandern aus in die Großstädte von Mexiko und fristen dort ein unwürdiges Leben.
    Jeder von ihnen wird mit der Zeit adipös, mit einem Übergewicht von 150Kg aufwärts, also ein früher Tod unumgänglich.
    Die Gewichtszunahme ist ungleich höher und bedrohlicher, als im Bevölkerungsdurchschnitt und hat nicht nur etwas mit der ungesünderen Ernährung zu tun.
    Die Genetik gibt viel Bewegung als ein "Muss" vor, sie hat sich speziell aus der Lebensart dieses Volkes entwickelt, sie sind genetisch gesehen ihrer natürlichen Umwelt so gut angepasst dass die Zivilisation für sie in jedem Fall eine tödliche Gefahr darstellt.

    Der Mensch hat sich also seinem Lebensraum genetisch vollkommen angepasst und wenn er diesen verlässt kann auch ein gesunder Lebenswandel das neue Umfeld nur bedingt kompensieren.
    Bei diesem Volk ist es sogar unmöglich sich anzupassen, da die Lebensumstände zu unterschiedlich sind und auch im Sportstudio nicht kompensiert werden können.
    Es braucht eben Felsen und Natur damit sie sich ihrer Genetik entsprechend gesund bewegen können, unverhältnismäßig mehr als es in der Stadt je möglich ist und die Ernährung ist natürlich auch vollkommen anders in der Stadt.

    So ist es also auch von Volk zu Volk, manchmal sogar von Stamm zu Stamm eines Volkes, sehr unterschiedlich was jeder braucht um gesund zu bleiben.

    In Sachen Ernährung, Bewegung, Arbeitsaufkommen usw., haben wir wohl einige Evolutionsstufen übersprungen, rein technisch gesehen und weder unser Körper noch unser Geist hatten genug Zeit um sich anpassen zu können.
    Dem einen gelingt es besser, aufgrund seiner mentalen Fähigkeiten, dem anderen gar nicht. Das wird in der Gesellschaft nicht berücksichtigt, kein Platz für eine individuelle Lebensart, für ein raus nehmen aus der technischen Evolution, wer nicht mit kommt geht unter, wer mit kommt betreibt Raubbau an sich selber, oft ohne es zu bemerken.
    Wer hat denn noch Lust sich mit seiner Ernährung zu beschäftigen, oder Zeit und Energie sich um ausreichend Bewegung zu kümmern, wenn alles auf die Funktion als "wertvolles" Mitglied der Gesellschaft ausgelegt ist.
    Ist man das nicht, hindert die Stimmungslage (aufgrund des eigenen Versagens) daran etwas für sich und seinen Rhythmus zu tun, ist man es wird die Zeit dafür noch knapper.

    Glückliche sind jene die die Bedürfnisse ihres Körpers und Geistes gut lesen können, alle anderen müssen im Trüben fischen, in der Hoffnung das Richtige zu tun.
    Aber zumindest gibt es dann Beiträge wie von dir, Alex, als mögliche Richtschnur und Inspiration.

    Kommentar


    • Re: Therapeutic Lifestyle Change – Der antidepressive Lebensstil

      Hallo Alex,

      danke, dass Sie hier einen Anfang machen und besonderen Dank für das interessante Thema.

      In vielen Lebensbereichen wird immer klarer, dass wir "modernen" Menschen das genetische Programm, das in uns steckt, missachten und glauben, uns darüber hinweg setzen zu können.

      Sie haben ja schon viele Bereiche angeführt, aber selbst unser Phänotypus - großer, kräftiger Mann, kleinere "zarte" Frau - ist in der Steinzeit zwar lebenswichtig gewesen, heute am PC eher hinderlich. Bis dies die Evolution ausgleichen kann, existiert die Menschheit vielleicht gar nicht mehr...

      Außer in unserer Lebensführung müssen wir besonders bei therapeutischen Verfahren dringend gegensteuern, unseren Horizont und die Toleranz gegenüber alternativen Verfahren erweitern.

      Bei Ihnen, Alex, beobachte ich schon lange eine große Aufgeschlossenheit, ein breites Spektrum an Möglichkeiten, die Sie erwägen und für sich zulassen.

      Das ist genau der richtige Weg für Sie. Lassen Sie sich nicht entmutigen, wenn etwas Neues nicht gleich Erfolge bringt. Und berichten Sie unbedingt weiter. Sie sind manchen hier inzwischen ein richtiges Vorbild.

      Beste Grüße und nochmal Dank für Ihren Beitrag.

      Dr. Riecke

      Kommentar


      • Re: Therapeutic Lifestyle Change – Der antidepressive Lebensstil

        Guten Morgen

        Zunächst mal vielen Dank für die ermutigenden Worte

        einiges was ich im Einzelnen schon mal bedacht habe, aber zusammen betrachtet doch noch mal zum Denken anregt.
        So geht es mir ja auch. Es fing ja damals im November und Dezember 2013 schon recht zügig durch den Verweis von jemandem hier aus dem Forum auf Vitamin D an. Im Laufe der Zeit kamen dann überall Puzzlestückchen dazu. Aber so schön und treffend in einem Guß zusammengefaßt wie in der TLC habe ich es bisher eben auch noch nicht gesehen.

        Und gerade auch Dein Beispiel, Tired, mit den mexikanischen Eingeborenen bringt mich zu dem sehr dringenden Verdacht, daß eigentlich die allermeisten von uns depressiv oder ängstlich Geplagten im natürlichen bzw. evolutionär gesehenen Sinne nicht einmal ansatzweise krank sind!

        Gerade nach den Erkenntnissen der letzten zwei Tage sehe ich es vielmehr endgültig wirklich so, daß Depressionen und Angststörungen vor dem Hintergrund der Entwicklungen gerade in den letzten 100 bis 200 Jahren spätestens 100% gesund und natürlich sind – das sind vom Leben und der Evolution genetisch vorgesehene Schutzmechanismen, die heutzutage bei immer mehr Menschen immer früher greifen. Nicht mehr und nicht weniger.


        Was für mich ganz klar bedeutet und gerade ein Riesenschritt nach vorn ist:

        Ich bin ein Steinzeit-Mensch, der zur falschen Zeit lebt.

        Und ich bin glücklich darüber, ein Steinzeit-Mensch zu sein.


        Denn ich weiß endlich sicher und zweifelsfrei, daß ich 100% richtig und gesund bin, genau so, wie mich Gott und die Evolution haben wollten!

        Es sind die äußeren Umstände, die falsch sind und nicht dazu passen.
        Nicht umgekehrt.


        Diese Erkenntnis stimmt mich seit gestern Nachmittag geradezu euphorisch, mir geht’s richtig gut

        Ich bin GESUND!

        Mein Körper macht exakt das, was in seinen Genen steht – und auch die sind nicht falsch oder krank oder defekt – sondern sie funktionieren absolut korrekt, genau so, wie sie es sollen!


        Wenn ich da so weiter darüber nachdenke – eben gerade auch das im Bewußtsein, was Du geschrieben hast, Tired -, dann möchte ich nicht wissen, wie vielen „armen Schweinen“ in unserer Gesellschaft man eine Riesenlast von den Schultern nehmen könnte und würde, wenn wir alle entsprechend umdenken, umlernen und auch so kommunizieren würden. Natürlich auch mit der dazu gehörigen Rücksicht und der Schaffung von geeigneten Lebensbedingungen für all diese Menschen, von denen es jedes Jahr mehr werden!

        Ich denke da seit Deiner Schilderung über den extremen Bewegungsdrang dieses Stammes besonders an die in den westlichen Industrienationen mit ADHS diagnostizierten Kinder und Jugendlichen! Seit gestern Nachmittag kommt mir da regelrecht die Galle hoch, mit welcher Selbstverständlichkeit wahrscheinlich im genetischen Sinne 100% gesunde Menschen als ADHS-krank abgestempelt werden und Medikamente wie Ritalin verordnet bekommen, um sie ruhig zu stellen, damit sie – wie Du es schreibst – besser als „wertvolle Mitglieder der Gemeinschaft“ dienen und funktionieren können!!! *aaaargh*

        Das ist dermaßen etwas von menschenverachtend – so einen Zorn wie seit gestern Nachmittag habe ich schon lange nicht mehr in mir gespürt.


        Da ist das Beispiel, von dem mir meine Frau gestern Abend erzählt hat, ein wirklich leuchtendes Vorbild:
        Meine Frau arbeitet im Jugendamt der Stadt, und sie hat von einer Mutter berichtet, deren Kind „ADHS“ hat (ich setze das Wort mittlerweile extra in Anführungszeichen; ich kann das nicht mehr im Krankheitssinne Ernst nehmen). Das Kind kann sich offenbar nur rund 10 Minuten auf Hausaufgaben u.ä. konzentrieren, dann wird der Bewegungsdrang zu groß. Anstatt dem Kind nun Ritalin o.ä. zu verabreichen, hat sie ihm im Kinderzimmer eine Sprossenwand, einen Boxsack und ein paar andere Dinge eingerichtet. Fängt das Kind an zappelig zu werden, darf er in sein Zimmer und seinem Bewegungsdrang dort freien Auslauf lassen, rumschreien, toben usw.. Ist es ausgepowert, kommt es zurück und macht weiter. Usw.

        Ein wirklich leuchtendes Beispiel, wie es eigentlich ablaufen müßte, wenn wir nur mal richtig die Augen öffnen würden und uns für so etwas mehr interessieren würden!


        Nächstes Beispiel:
        Als mein Sohn im letzten KiTa-Jahr in der Schule für einen Vormittag Probeunterricht war, sind er und seine beste Freundin plötzlich irgendwann mittendrin einfach raus auf den Schulhof und haben getobt.
        Als die Lehrerin sie dann später gefragt hat, warum sie denn rausgegangen seien; daß sie das eigentlich nicht gedurft hätten, war ihre Antwort: „Wir mußten uns die Energie rauslaufen!“

        Ich hab damals etwas gestutzt, aber gelacht.

        Seit gestern aber fällt es mir da wirklich wie Schuppen von den Augen. Und ich habe mir fest vorgenommen, mich da immer und jederzeit vor meinen Sohn zu stellen! Er hat es zwar seitdem nicht mehr gemacht (weil auch wir ihm erklärt haben, daß er das nicht darf…) – aber sollte es sich wiederholen, werde ich ab jetzt wahrscheinlich sogar Beifall klatschen und mich im Zweifelsfall auch mit jedem Lehrer und Direktor dieser Welt anlegen

        Kindermund tut Wahrheit kund!


        Wäre unsere westliche-industrielle Sichtweise die richtige, müßte man besagten mexikanischen Stamm mit Ritalin vollpumpen!


        Deswegen –
        an alle hier im Forum: Keiner von uns ist Schuld an seiner depressiven oder ängstlichen Situation, absolut keiner!

        Es ist lediglich so, daß der menschliche Steinzeit-Genpool eben Menschen hervorbringt, die etwas besser mit all dem umgehen können und solche, die es etwas schlechter können – wie Du geschrieben hast. Das ist einfach genetische Streuung, genauso wie es Menschen mit blauen, grünen und braunen Augen oder blonden, schwarzen oder braunen Haaren gibt. Nicht mehr und nicht weniger.

        Aufgrunddessen glaube ich mittlerweile auch nicht mehr so sehr an ursächlich genetische Prädispositionen bei Depressionen oder Angststörungen – sondern schlicht an genetische Vielfalt innerhalb unserer Steinzeit-Gene. Sicher mag es auch echte Defekte geben, und sicher guckt man sich als Kind auch sehr viel von womöglich depressiv-ängstlichen Eltern ab, keine Frage. Aber die wahre Ursache steckt, denke ich, sehr viel tiefer, als man bisher glaubte. Oder als uns die medizinische Wissenschaft / Wirtschaft (?) und unsere insgesamt wirtschaftlich orientierte Leistungsgesellschaft glauben machen möchte! Man stelle sich einmal vor, all die Streß-, Burn-Out- und Angst geplagten Arbeitnehmer gälten plötzlich als tatsächlich gesund und die Wirtschaft dieser Welt müßte mit einem Mal wirklich menschen- und lebenswürdig mit ihnen umgehen…!!! Und ich meine damit nicht irgendwelche Pflegeheime, psychosomatischen Kliniken und dergleichen! Sondern ein der menschlichen Natur und den Genen entsprechendes und würdiges, gemäßigtes Arbeitsleben. Nicht auszudenken – es kann ja jeder einmal darüber nachdenken, was das bedeuten würde.


        Außer in unserer Lebensführung müssen wir besonders bei therapeutischen Verfahren dringend gegensteuern, unseren Horizont und die Toleranz gegenüber alternativen Verfahren erweitern.
        Da stimme ich Ihnen voll und ganz zu.

        Noch wichtiger erscheint mir allerdings, solche Diskussionen auf gesellschaftlich-politischer Ebene anzustoßen und voranzutreiben und damit mehr an der tatsächlichen Wurzel des Übels anzusetzen. Sonst schafft sich der Mensch in den nächsten 100 bis 200 Jahren komplett ab bzw. besteht nur überwiegend nur noch (vermeintlich) „Kranken“.

        Und auch auf die Gefahr hin, ganze Berufszweige wie den Ihren, Therapeuten und die Pharma-Industrie um einen Großteil ihrer Klienten und Kunden zu bringen


        Ich wünsche allen einen schönen, sonnigen Mittwoch


        Und:
        Ihr SEID GESUND !!!
        Unsere Gesellschaft tickt nicht mehr ganz richtig. Ihr schon!
        Haltet euch das immer vor Augen

        PS: Was nicht heißt, daß wir nicht an uns und einigen Dingen arbeiten müssen, um mit all dem zurecht zu kommen, keine Frage. Die Umwelt und äußeren Umstände werden sich irgendwann vielleicht einmal ändern, sobald genug wach geworden sind, aber sicher nicht heute, morgen oder in den nächsten Jahren.
        Bis dahin gilt es, sich unseres Wesens bewußt zu werden, dieses auch als gesund und richtig (!) zu akzeptieren und sich im Rahmen der Möglichkeiten die Inseln zu schaffen und zu erhalten, die unser Steinzeit-Wesen braucht.
        Nur eben:
        Wir sind gesund


        LG,
        Alex

        Kommentar



        • Re: Therapeutic Lifestyle Change – Der antidepressive Lebensstil

          Moin Alex, moin Leut's

          Ich denke da seit Deiner Schilderung über den extremen Bewegungsdrang dieses Stammes besonders an die in den westlichen Industrienationen mit ADHS diagnostizierten Kinder und Jugendlichen! Seit gestern Nachmittag kommt mir da regelrecht die Galle hoch, mit welcher Selbstverständlichkeit wahrscheinlich im genetischen Sinne 100% gesunde Menschen als ADHS-krank abgestempelt werden und Medikamente wie Ritalin verordnet bekommen, um sie ruhig zu stellen, damit sie – wie Du es schreibst – besser als „wertvolle Mitglieder der Gemeinschaft“ dienen und funktionieren können!!! *aaaargh*
          Ja,ja,ja, voll das aufreger Thema.
          Es ist ja mittlerweile bekannt das diese Erkrankung zum Wohle der Pharmaindustrie und zum Stillen der Entdeckerlust des Arztes, der die "Krankheit" erfand, ins Leben gerufen wurde.
          Es besteht halt immer Bedarf an neuen Erkrankungen, für überschüssige Medikamente, oder welche die noch erfunden werden wollen und direkt auf die Krankheit in der Schublade zugeschnitten sind.
          Manchmal wird eine Krankheit für ein schon vorhandenes Medikament erfunden und manchmal ein Medikament für eine Krankheit die einfach abgespalten wird, wie der Burnout.
          Früher wurde die "Hasufrauenerschöpfung" mit Valium abgetan und nicht wirklich ernst genommen, als diese Quelle langsam versiegte erhob man sie in den Stand der Depressionen (was wieder eine neue Therapien ermöglichte) und spätestens mit dem Burnout hat mich sich auch das Feld der gehobenere Gesellschaft so erschlossen dass die Schranken nicht mehr allzu hoch für die Macher sind, wenn sie eine Macherkrankheit haben.

          Natürlich sind diese Krankheiten auch da, aber das waren sie schon immer, nur eben nicht so spezialisiert.
          Man erinnere an den Zappelphilipp, mit dem noch ganz anders umgegangen wurde, als mit der spezialisierten Form des ADHS.
          Ok, früher hatten die Kinder auch viel mehr Möglichkeiten sich auszutoben, draußen war Heimat und drinnen nur die Schlafstätte.
          Ich denke schon dass in manchen Fällen Medikamente nötig sind, besonders wenn das Leid zu groß wird.
          Leider werden diese Medikamente aber viel zu oft verschrieben, was aber auch verständliche Gründe hat.
          Was sollen überforderte Eltern mit wenig Geld tun, wenn der Spross regelmäßig das Klassenzimmer zerlegt?
          Das Geld für Sportgeräte fehlt, die beiden können auch wegen ihrer vielen Arbeit nicht regelmäßig mit dem Kind zum Austoben gehen, sind zu sehr mit ihren alltäglichen Pflichten überlastet.
          In der Schule werden die Noten schlechter, die Zukunft des Kindes wird wackelig, Sonderschulen sind im Gespräch, da ist es manchmal für alle eine Erlösung wenn es ein Mittelchen gibt das den kleinen Soldaten wieder in Reih und Glied stehen lässt.
          Ich denke es ist ein wenig wie bei Menschen mit manisch-depressiven-Störungen.
          Sind sie überdreht und über die Maßen aktiv, dann geht es ihnen wunderbar gut, das Umfeld kriegt aber das K.otzen, kommt nicht mehr mit ihnen klar und bettelt das sie doch zum Arzt gehen mögen.
          Setzt nach der Phase die Stille und Depression ein, geht es den Betroffen mehr als übel, aber das Umfeld genießt die Ruhe und kann endlich wieder durchatmen.
          Ich denke mit ADHS ist es ähnlich und durchaus ein gesellschaftliches Problem.
          Eigentlich gehören in jede Stadt Zentren wo es für jeden Kostenlose Sportangebote gibt und auch Kinder ohne Probleme dort hin kommen können und auch Kurse gegeben werden, wie man Strategien für einen besseren Umgang mit der unbändigen Kraft entwickeln kann, für Eltern, Kinder und alle die so einen Überschuss haben.

          Wird es aber nie geben, die Pillen sind günstiger, die Lobby zu stark und die einzelnen Menschen zu unwichtig für die Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.

          Man kann über Google und Co. viel schlechtes sagen, aber das sind dann doch die Firmen, die in Sachen Individualität innovativer sind als alle anderen.
          Die klugen Köpfe werden wie wertvolles Kapital behandelt, jeder kann wählen ob er im Büro, auf der Couch oder von der Kaffeeecke aus arbeiten möchte, dafür gibt es viele Inseln zum Wohlfühlen.
          Die Arbeit kann jederzeit für ein Spielchen am Kicker o.ä. unterbrochen werden, die Freizeit wird mit der Arbeitszeit verquickt um größtmögliche Individualität zuzulassen.
          Auf der anderen Seite wird dann natürlich wieder viel verlangt, unmenschliche Arbeitszeiten und unerschöpfliche Kreativität, aber zumindest in einem angenehmen Umfeld und dem Gefühl dem Arbeitgeber jeden Cent wert zu sein, geschätzt zu werden.

          Der Ottonoermalbürger wir nie dahin kommen, dass er vom Arbeitgeber etwas verhätschelt wird, die Zeiten sind lange vorbei, ganz besonders im Niedriglohnsektor.
          Wir sind austauschbar, wer nicht funktioniert ist weg vom Fenster und hundert andere stehen schon Schlange um ihn zu ersetzen.
          Es wird nicht mehr gelobt wenn du gute Arbeit leistest und es wird nichts dafür getan, dass du als verlässlicher Arbeitnehmer der Firma nicht verloren gehst, sondern gedroht wenn die Leistung nachlässt, weil eben aus einem großen Bewerberpool geschöpft werden kann und Quantität die Qualität schon längst überholt hat.
          Da ist es auch Wunder wenn schneller zum Medikament gegriffen wird, als zum Boxsack, zu hoch das Risiko auf der Strecke zu bleiben und das gilt auch schon für die Kleinsten.

          Ich denke auch die meisten psychischen Erkrankungen sagen uns etwas: Hey, mach mal langsam, ich komm nicht mehr mit, oder, da ist was schief gelaufen, kümmere dich doch erst einmal darum bevor du einfach weiter marschierst.

          Kommentar


          • Re: Therapeutic Lifestyle Change – Der antidepressive Lebensstil

            Das will auch ich unterschreiben, dass wir dazu gebaut sind, so natürlich wie möglich zu leben und viele inzwischen sehr weit davon entfernt sind.

            Sich rühren, das braucht unsere Natur, bewegen wälzt das Wasser um in uns, schwemmt Schlacken aus den Zellen, lässt frisches Wasser bis in die letzten Gefäße landen und darum kann man auch besser denken, wenn man sich feste durchpumpt immer wieder. Ohne dieses Durchrühren versumpfen wir ( Buchstabengetreu) , das habe ich mal wo gelesen und denk wegen dem schon dran, das ja nicht zu vergessen.

            Hi Alex, hi tired, danke für die reichen Gaben, ich kopiere und les, morgen, nach ausgiebigen Schlaf. Heute bin ich zu lang gesessen, kann mich nicht mehr konzentrieren.

            Liebe Leut, ihr seid aber so was von hilfreich und gut! Bis nachher, mir gefällt diese Rubrik sehr!

            Lieben Gruß

            Elektraa!

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