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Atemlos

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  • Atemlos

    Atemlos

    Das Auto steht auf dem Parkplatz, direkt am Friedhof. Die letzte Zuflucht heute Nacht. Sandra hat nur das dünne Nachthemd am Körper. Keine Strümpfe, keine Schuhe. Sie verschwendet keinen Gedanken daran. Sie ist in Sicherheit. Das alleine zählt. Sie zittert immer noch. Spürt wie langsam die Wut der Angst weicht. Dieses Mal wird sie weiterfahren. Nicht mehr zurückkehren in den Wohnblock an der Stadtallee. Nur eine kurze Pause noch.

    Sandra fährt mit den Fingern über das schmerzende Gesicht. Sie spürt die geschwollene Wange, die aufgeschlagenen Lippen. Am Anfang hat er ihr noch ins Gesicht geschlagen. Einfach die Hand gehoben und mit der flachen Hand zugeschlagen. Einmal, zweimal. So lange bis sie das Gesicht in ihren Armen versteckte und winselte. Die glutroten Wangen haben ihm irgendwann nicht mehr genügt.

    Er fing an, ihre Nase und Mund mit seiner Hand zuzudrücken. Sie zuzuquetschen. Die Adern in ihren Wangen rissen, während sie verzweifelt versuchte Luft zu schnappen. Er drückte ihren Kopf mit seiner Pranke auf den Steinboden. Hier auf dem kalten Steinboden ihrer Küche, lernte Sandra die Todesangst kennen. Hin und wieder lockerte er seine Hand, ließ ihr ein paar Sekunden Zeit um Luft zu schnappen. Mit verzerrtem Gesicht achtete er auf das Betteln und Flehen, bevor er wieder zudrückte.

    Manchmal schaffte Sie es bis zur Tür. Hatte er noch nicht genug, riss er sie an den Haaren zurück und flüsterte ihr ins Ohr, dass er sie heute noch umbringen wird. Manchmal ließ er sie auch gehen. So wie heute. Dann lief sie barfuss in die Tiefgarage, setzte sich ins Auto und fuhr in die Nacht hinaus. Das zerquetschte Gesicht Tränen überströmt.

    Sandra schaut auf die Uhr. Es ist vier Uhr morgens. Langsam lässt das Zittern nach. Sie spürt jetzt die Kälte. Wo soll sie hin, jetzt mitten in der Nacht? Der Gedanke an die Polizeiwache verwirft sie wieder. Nicht in diesem dünnen Nachthemd. Was würden die Polizisten sagen? Nein, das war kein guter Plan. Sie ist müde. Will einfach schlafen. Sich das Ganze in Ruhe überlegen. Sie drückt auf die Innenbeleuchtung. Der kleine Rückspiegel lässt das Ausmaß ihres zerschundenen Gesichts nur ahnen. Vielleicht sollte sie doch nach Hause gehen. Dort war der große Badezimmerspiegel, dort war ihr Bett und ein Telefon. Sie kann ja von dort aus bei der Polizei anrufen. Oder bei ihrer Mutter. Hier hatte sie kein Geld, keine Papiere. Nichts als dieses Nachthemd.

    In der Tiefgarage ist es dunkel. Sie stellt das Auto an seinen Platz und geht zu den Aufzügen. Das Haus ist ruhig. Sie fährt in den vierten Stock und bleibt vor der Eingangstür zu ihrer Wohnung stehen. Drückt das Ohr an die Tür. Lauscht. Kein Geräusch zu hören. Absolute Stille. Vorsichtig schließt sie die Wohnungstür auf. Die nackten Beine hinterlassen kein Geräusch auf dem Boden. Die Schlafzimmertür ist offen. Er liegt auf dem Rücken und atmet tief und gleichmäßig. Schläft, als wäre überhaupt nichts geschehen. Er wartet nie, bis sie wieder zurück kommt. Er braucht seinen Schlaf. Morgen wird er wieder einen anstrengenden Tag im Büro haben.

    Sandra geht leise ins Bad. Lässt kaltes Wasser über ihr Gesicht laufen. Ihr Gesicht ist verschwollen und blutunterlaufen. Sie betupft die offenen Stellen mit Heilsalbe, schaltet das Licht aus und geht ins Schlafzimmer. Leise, um ihn nicht zu wecken, schlüpft sie unter die Bettdecke. Morgen wird sie sich einen Plan machen. Wie sie dem Ganzen ein Ende bereitet, aber jetzt will sie einfach nur schlafen.




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    Diese Gesichte ist rein fiktiv, auch wenn die Beschreibung so oder so ähnlich wohl jeden Tag grausame Realität ist. Während ich diesen Artikel geschrieben habe, sind mir sehr viele Gedanken zum Thema "Gewalt in der Ehe" durch den Kopf gegangen. Ich habe mich immer wieder gefragt, warum lassen Frauen dies mit sich machen. Warum gehen sie nicht zur Polizei oder suchen wenigstens Zuflucht in einem Frauenhaus. Warum gehen sie immer wieder zurück und finden keinen Ausweg aus dieser Schiene von Gewalt und Unterdrückung?

    Sind sie in einer Art Abhängigkeit. Vielleicht sogar abhängig von diesen Misshandlungen. Sexuell hörig oder ist ihr Selbstbewusstsein im Laufe der Zeit aus ihnen rausgeprügelt worden?

    Was denkt ihr darüber? Würde gerne Eure Meinung zu dem Thema und meinen Gedanken hören.

    Vielen Dank für Euer Interesse.


  • Re: Atemlos


    hallo,

    es muß ja nicht immer abhängigkeit sein. gar von den misshandlungen? das hatten wir irgendwie erst kürzlich.....ich denke, vielen frauen in einer soclhen situation fehlt die perspektive und die unterstützung um etwas für sich zu tun. vor allem die perspektive. die angst davor, was ist, wenn sie die situation verlassen. oft fehlt das geld, die unterkunft usw. klar gibts frauenhäuser....das sind m.e. männerideen, daß sie eine frau z.b aus sexueller hörigkeit prügeln lässt. alles in allem nervt mich diese frage nach dem warum langsam. frauen werden geprügelt, weil es männer gibt die prügeln. alle darüber hinausgehenden fragen nach dem warum und wieso sind überaus sekundär.

    lg, s.

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    • Re: Atemlos


      ich frage mich nur, warum du das so ins detail beschreiben mußt und überhaupt, was deine wahre motivation ist. bist du betroffen in irgendeiner weise? es müsste ja immer im einzelfall geschaut werden, wie da die dinge liegen. so pauschal kann man auf DAS keine antwort geben. bzw. wäre hier eine lösung der situation gefragt, das reflektierende betrachten der eigenen anteile am geschehen kann ja nützlich für die verarbeitung sein. aber meine meinung ist eben, daß männer die schlagen, eben schlagen, so oder so. ein grund wird sich schon finden, denn auseinandersetzungen und kränkungen der männlichen ehre gibts wohl in jeder beziehung. mehr oder weniger.

      lg, s.

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      • Re: Atemlos


        Moment mal. Ihr redet hier nur von schlagenden Männern. Schlagende Frauen gibt es auch. Ich kenne so einen Fall. Nur ist die schlagende Frau an einen selbstbewussten Ehemann geraten, der ihr nie mehr die Gelegenheit gab zu schlagen.

        Zurück zum Thema.
        Frauen haben anscheinend in dieser Gesellschaft einen schlechten Stand. Dass sie solcherlei Gewalt öfters oder immer wieder zulassen mag an einer gewissen Menge von Ängsten liegen.

        Dort sollten wir bei der Analyse mal ansetzen.
        Ich vermute mal, der größte Angstfaktor dürfte da Lebensangst sein.

        Es zeigt sich in solchen Fällen auch, in welcher Gesellschaftsform wir leben. Gleichgültigkeit von einzelschiksalen ist an der Tagesordnung. Klassendenken ebenfalls.

        Allein daraus resultiert sicherlich schon eine Menge Angst, die man ohne weitere Betrachtung verstehen könnte.

        Es müsste also mehr geschehen als gewaltbereite Männer umzupolen!

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        • Re: Atemlos


          Liest sich sehr authentisch, warum?

          Die Erklärung, für das Verhalten einiger Menschen, (es sind nicht nur Männer die prügeln) trifft es ziemlich gut.

          Die Quelle ist mir nicht mehr bekannt.

          Täter-Opfer in häuslicher Gewalt
          In einer gewalttätigen Beziehung beginnt der Kreislauf der Abhängigkeit allmählich. Bereits in der Phase des Verliebtseins, in der die Frau sich emotional bindet, sind die ersten Anzeichen von Unterdrückung erkennbar, die einen Einstieg in eine extreme Abhängigkeit erkennen lassen. Frauen interpretieren das besitzergreifende Verhalten des Mannes anfangs als Zeichen von Leidenschaft und Liebe. Wird sein Verhalten mit der Zeit herrischer, versucht sie es herunterzuspielen oder entschuldigt es sogar. Dies geschieht nicht nur aus Angst, sondern auch aus Liebe zu ihm.
          H. L. Hermann vergleicht die Dynamik häuslicher Gewalt mit der von Institutionen organisierter sexueller Ausbeutung, Gefängnissen, Konzentrations- und Zwangslagern, religiöser Sekten, Bordellen. Es sind jeweils Situationen, aus denen das Opfer nach Traumatisierung nicht flieht oder nicht fliehen kann und unter der Kontrolle des Täters steht. Häusliche Gewalt kann einer Gefangenschaft gleichen. Sie ist jedoch nicht an äußeren Barrieren erkennbar. Die Barrieren, die eine Flucht verhindern, sind zwar in der Regel unsichtbar aber trotzdem äußerst wirksam. In der Gefangenschaft, wenn Opfer und Täter über längere Zeit Kontakt haben, entsteht eine Beziehung, die von Zwang und Unterwerfung geprägt ist. Dies betrifft Opfer, die mit Gewalt oder durch eine Mischung von Gewalt, Einschüchterung und Verführung festgehalten werden. In der Gefangenschaft wird der Täter im Leben des Opfers der wichtigste Mensch, denn die Psyche des Opfers ist durch Taten und Ansichten des Täters geprägt.
          Es geht dem Täter um die Versklavung des Opfers. Dies erreicht er durch despotische Kontrolle sämtlicher Lebensbereiche des Opfers. Der Täter sucht die Zustimmung des Opfers, verlangt unablässig die Beteuerung seiner Liebe und Dankbarkeit. Der Täter verlangt von der Frau den totalen Gehorsam und den Beweis absoluter Treue. So ist es wichtig, dass das Opfer sämtliche Beziehungen, die es bisher hatte, abbricht.
          Um das Opfer in einen ständigen Angstzustand zu versetzen, muss nicht unbedingt Gewalt angewandt werden. Sehr viel häufiger drohen Täter mit Tötung oder ernsthafter Verletzung. Sogar Drohungen gegen Außenstehende tun dabei ihre Wirkung. Das Opfer soll zu der Überzeugung gebracht werden, dass der Täter allmächtig ist und somit jegliche Gegenwehr sinnlos ist. Das Leben des Opfers scheint davon abzuhängen, alles dafür zu tun, um den Täter nachsichtig zu stimmen. Neben Angst versucht der Täter auch das Gefühl von Autonomie beim Opfer zu vernichten. Dies kann so weit gehen, das Körper und Körperfunktionen des Opfers peinlich überwacht werden. Zur Kontrolle über den Körper kommen fast immer sexuelle Drohungen und Übergriffe hinzu. Der Angriff auf die physische Autonomie erzeugt Scham und Erniedrigung.
          Ist dem Täter die Herrschaft über das Opfer gelungen, ist er nicht mehr nur der, der Furcht und Erniedrigung bringt, sondern das Opfer erwartet auch Trost von ihm. Wem die Erfüllung der natürlichen Bedürfnisse lange verweigert wurde, für den ist die Hoffnung auf die Möglichkeit, Trost und Zuwendung zu bekommen, sehr verführerisch. Die je nach Laune zugestandene Vergünstigung untergräbt die psychische Widerstandskraft wirkungsvoller als unablässige Misshandlung.
          Gelingt der Frau dennoch ein Fluchtversuch, kann der Täter sie in aller Regel durch Liebesbekundungen, Besserungsbekundungen und Appellen an die Treue und Mitgefühl zur Rückkehr überreden. Für den Moment scheint dann das Gleichgewicht der Macht in der Beziehung wieder hergestellt. Der Täter tut alles, um das Opfer zurückzugewinnen. Danach bekommt seine besitzergreifende Aufmerksamkeit eine andere Qualität; sein dominierendes Verhalten stelle lediglich den Beweis dafür da, wie sehr er seine Partnerin brauche und liebe. Sein Schicksal liege ganz in ihrer Hand und durch einen größeren Liebesbeweis könne sie die Gewalttätigkeiten beenden. Die Macht liege ganz in ihren Händen.

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