An einem kalten und regnerischen Berliner Morgen (das Wetter schien sich wie ein kalter, klammer Film über alles gelegt zu haben), sassen wir in der S-Bahn. An den Fenstern zogen leere Landschaften vorbei, denn in der Welt zwischen Potsdam und Berlin gibt es nicht viel zu sehen. Entlaubte Bäume, verlassene graue Gebäude, die einzigen Farbtupfer Graffitti, mit riesigen, bunten Lettern.
Uns gegenüber saß diese Frau. Sie blickte uns ständig an. Und lächelte einfach glücklich. Mal sah sie mich an (die meiste Zeit mich), mal sie. Und lächelte. Die ganze Zeit über. Sie schien an die 45 Jahre alt zu sein, hatte blondierte, verzottelte Haare, und einen breiten Mund. Und eine viereckige Brille.
Vielleicht hatte die Frau SSRI (Serotonin-Wiederaufnahmehemmer) intus. Denn der Normalzustand der Menschen ist es sicherlich nicht, so glücklich zu sein. Sie hat so echt gelächelt, ein Lächeln, dass die Augen erreicht, aus dem Inneren kommt, nicht wie die meisten Menschen oberflächlich lächeln, und dahinter Langeweile, Stress oder Desinteresse verbergen - oder einfach eine Maske aufsetzen, um gesellschaftsfähig zu sein. Sie schien aus dem Inneren heraus glücklich zu sein.
Und daher hatte sie Ausstrahlung. Und vielleicht besitzt sie die Fähigkeit in einem Meer aus zigtausenden Gesichtern, denen man in einem Leben begegnet, lange an der Oberfläche schwimmen zu können. Wenn auch ihr Blick absolut nervend war.
Wir waren allein im Wagen, dann kamen andere Leute hinzu, auch die sah sie intensiv und voller Interesse an und lächelte - glücklich.
Muss man erstmal als krank abgestempelt werden, um Mittel zu bekommen, die glücklich machen? Wahrscheinlich.
Wäre es nicht schön, wenn alle Menschen glücklich wären? Nein, sicherlich nicht für den Staat.
Wenn alle glücklich wären, aus dem Inneren heraus, dann hätten sie keinen Anreiz mehr, sich von aussen her glücklich machen zu wollen, in ihrem einzigen Leben. Alles im Staat würde zusammenbrechen. Der gesamte Kapitalismus. Der den Menschen suggeriert, wenn sie schon nicht aus dem Inneren heraus glücklich sind, es zu versuchen, sich von aussen, durch materielle Güter, die sie sowieso nicht mit ins Grab nehmen können und daher auch nicht verloren gehen können, glücklich zu machen.
Natürlich ist es paradox anzunehmen, dass man durch Pillen aus dem Inneren heraus glücklich würde (man führt sie ja doch von aussen zu), doch immerhin ist die Chemie im Gehirn für die Glücksgefühle verantwortlich.
*Mehr* muss man für das Glück nicht tun.
Aber der gesamte Kapitalismus basiert doch auf dem Gefühl des Unglücklichseins und der gefühlten Unzulänglichkeit.
Mache die Menschen auf so einfache Art und Weise glücklich und alles würde stehenbleiben - zusammenbrechen.
Denn welchen Anreiz hätten die Menschen noch, zu kämpfen, zu laufen, wie Hamster, im großen Rad der Wirtschaft, der Gesellschaft?
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