"Hallo ötv,
Sie unterstellen mir, dass ich „mit unprofessioneller Aussage eine gefährliche Strömung innerhalb der Gruppe“ unterstützt habe, verlangen „deutlichere Worte“und empfehlen „ein bißchen Mühe beim Durchackern der Threads“.
Frage: Könnte es sein, dass S i e nicht alle Threads von Sandra gelesen haben? Auch die länger zurück liegenden? Dann wüssten Sie nämlich, dass Sandra die ganze Palette der professionellen Hilfen erlebt hat und diesmal andere Wege gehen wollte. Ich halte die Versorgungskette einschließlich der AA u.a. besonders bei der Alkoholabhängigkeit angesichts des Problemumfangs in Deutschland für unverzichtbar. Aber ich habe in meiner jahrelangen Tätigkeit als Suchttherapeut oft erlebt, dass unser Versorgungssystem viele Bedürftige völlig überfordert. Allein die Tatsache der Zuständigkeit – GKV, RV (und hier noch unterschieden in BfA u. LVA) oder nach BSHG – ist für den Normalverbraucher unübersichtlich und in ihrer Kompliziertheit übrigens in der Welt einmalig . Und nun kommt ein Abhängiger in seiner Not und erlebt, dass die Behörden einen Riesen-Aufwand betreiben, um ihre Nichtzuständigkeit zu belegen. Allein die Antragstellung mit z.T. wochenlanger Wartezeit auf einen Behandlungsplatz ist oft ein Grund, dass andere Wege gegangen werden. Genau diese Erfahrung hatte auch Sandra gemacht.
Falls Sie doch die ganzen Beiträge gelesen haben, wissen Sie ja auch, dass bei Sandra am ehesten ein Epiphänomen vorliegt, also von der üblichen Behandlungskette nur eventuell die erste Stufe der Entgiftung in Frage kommt. Wenn überhaupt.
Folglich musste ein anderer Mechanismus die Rolle von AA oder anderen Kräften übernehmen. Finden Sie nicht, dass die Forum-Gemeinschaft mit ihren suchterfahrenen Teilnehmern den notwendigen intrapsychischen Prozess befördert hat?
Was wäre anders zu tun gewesen?
Die Richtlinien von m-ww sagen ganz klar, dass ein medizinisches Forum weder Diagnostik noch Therapie ersetzen kann.
Meine Rolle orientiert sich natürlich daran, und so mache ich das auch in anderen Foren, die ich betreue. Theorien und Behandlungsleitlinien zu kopieren und ins Forum zu stellen, ist nicht meine Aufgabe. Im „Fall“ Sandra ging und geht es mir darum, genau diesen gruppendynamischen Prozess ein wenig voran zu treiben und zum jetzigen Zeitpunkt darum zu bitten, dass er nicht zum Erliegen kommt.
Zum Schluss habe ich noch eine persönliche Bitte: Lassen Sie sich nicht von kontroversen Diskussionen entmutigen, auch wenn sie gelegentlich Scheltecharakter annehmen (ich kriege ja auch immer was ab). Denn das Forum braucht die Kontroverse, und Sie haben im Forum mit Ihrer Beharrlichkeit wichtige Beiträge ausgelöst.
MfG
Dr.Riecke"
Erst mal vielen Dank für Ihre Ausführung; doch, wirklich, ich habe mich gefreut.
Nun, ich kann das schon sehen, dass "Sandra" einiges mitgemacht hat. Ich kann auch sehen, dass da teilweise (aber nun wirklich nur teilweise) übles Zeug unter "Hilfeangebot" lief. Auch den Versuch, etwas Neues zu probieren, kann ich mal annehmen. Nicht jedoch sehe ich, dass eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Problematik begonnen hätte, ich konnte auch lange keinerlei Erkenntnisinteresse entdecken bei "Sandra". („Folglich musste ein anderer Mechanismus die Rolle von AA oder anderen Kräften übernehmen. Finden Sie nicht, dass die Forum-Gemeinschaft mit ihren suchterfahrenen Teilnehmern den notwendigen intrapsychischen Prozess befördert hat?“ NEIN, das finde ich definitiv nicht.)
Was sie hier bekommen hat, ist Beruhigung, und diese ist in meinen Augen nicht nur unangemessen, sondern der Krankheit zuträglich. Gerade auch den Teilen davon in den "tieferen Stockwerken". (Von gruppendynamischem Prozess kann ich da in weiter Flur nichts sehen, von einem Vorantreiben... nein.) Erst in den letzten Tagen meine ich - hoffe ich, ein ganz klein wenig eine andere Färbung wahrzunehmen. Ich könnte mir das erklären mit dem Effekt von Traudels klaren Worten und auch Ihren etwas ausführlicheren Bemerkungen hier, die zum Nachdenken anregen, und nicht mehr so ganz in der Fahrrinne des von mir in Frage gestellten „Eizi“ gleiten. Vielleicht auch ein klein wenig durch mein "scheltiges" Eingemische. Die Atmosphäre hat sich verändert. Nach wie vor als schädlich und schauderlich erlebe ich die schönfärberischen ach-wie-wir-doch-befreundet-sind-und-getrennt-gemeinsam-Vanilletee-trinken Posts. Sie verhindern, dass Sandra das tun kann, was einen Entwicklungsprozess in diesem Rahmen unterstützen könnte: Teilen, wie beschissen es ihr teilweise auch geht, was alles in ihr hochkommt, was für "Nebenschauplätze" sich auftun, usw. usw. Damit meine ich NICHT, dass Sandra hier aussteigen sollte , oder dass freundliche, durchaus auch mal oberflächliche (why not?) Kommunikation nicht stattzufinden habe. Aber an der Stelle, wo es (z.B.!) um den Alkohol und Schweres dahinter geht, ist die hier so oft anzutreffende Mischung aus „We Are The Champions“und „With A Little Help From My Friends“ nicht angezeigt. Diese Form von narzisstischer Egozelebrierung hilft niemandem wirklich. Und solch einen „gruppendynamischen Prozess ein wenig voranzutreiben“ ist mehr als nicht nötig. Denke ich.
(Was die Frage der Zuständigkeit betrifft, so bin ich natürlich tief davon beeindruckt, dass Sie noch mehr Abkürzungen als ich können, aber ist es ja nun nicht so, dass der Patient das alleine machen muss.)
(„Wenn überhaupt“ bezweifle ich heftigst!)
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