Sucht und süchtiges Verhalten ist ein Phänomen, über das wir mittlerweile schon sehr viel wissen, aber noch lange nicht alles. Um es gleich vorweg zu sagen: Wenn ein Mensch süchtig wird oder süchtiges Verhalten zeigt, liegt dies nicht an einer Ursache allein, es ist ein multifaktorielles Geschehen, das zur Ausprägung süchtigen Verhaltens führt. Suchtforscher haben für die Entstehung und Aufrechterhaltung süchtigen Verhaltens drei Ansätze herausgearbeitet, nämlich
- neurobiologische Ansätze: im Gehirn kommt es beispielsweise zu Fehlsteuerungen;
- psychologische Ansätze: bestimmte anerzogene oder erworbene Verhaltensmuster führen zur Einnahme von Drogen;
- soziale Faktoren: die Umwelt, die Lebens- und Wohnbedingungen, die Familie und die Mitmenschen können negative Einflüsse ausüben, die Drogenmissbrauch begünstigen.
Alkoholismus hat oft eine genetische Komponente
Viele Erkenntnisse, die man heute zur Suchtentstehung hat, gehen zurück auf Untersuchungen in Zusammenhang mit der Alkoholabhängigkeit. So weiß man heute, dass Alkoholkrankheit familiär gehäuft auftritt. Studien zeigten, dass einer von drei Alkoholkranken wenigstens einen alkoholkranken Elternteil hat Unterstützt wurden diese Erkenntnisse durch Untersuchungen an eineiigen Zwillingen. Auch hier zeigten die Untersuchungsergebnisse eindeutig eine genetische Komponente. Anhand der Untersuchung von Söhnen alkoholkranker Väter ergaben sich Hinweise auf das Risiko, später selbst alkoholkrank zu werden. Etwa 40% dieser Jugendlichen reagierten auf Ethanol weniger intensiv als eine Vergleichsgruppe, deren Väter nicht alkoholkrank waren. Solche Befunde interpretierte man dahingehend, dass einerseits eine verminderte Reaktion auf Ethanol einen Schutzmechanismus des Körpers darstellt, auf der anderen Seite steigt dadurch allerdings das Risiko, mehr zu trinken, um die gleichen alkoholischen Wirkungen zu erleben wie genetisch unbelastete Personen. Die jugendlichen Söhne alkoholkranker Vätern empfanden weniger Warnsignale, die ihnen signalisierten, mit dem Trinken aufzuhören. Dies, so folgerte man. zum Gewohnheitstrinken, zur Toleranzentwicklung und zu einem höheren Alkoholkonsum führen. Auf der anderen Seite gibt jedoch auch Faktoren, die manche Personen vor Alkoholismus schützen: wenn z. B. ihr Organismus eine Isoform der Aldehydrogenase nicht bilden kann, also des Enzyms, das Rolle beim Alkoholabbau im Organismus spielt. Personen denen diese Form des Enzyms fehlt, reagieren aversiv gegen Alkohol, da es bei ihnen nach Alkoholkonsum zu Übelkeit Kreislaufstörungen kommt. Solche Personen leben in Regel abstinent und werden nicht alkoholkrank.
Wenn der Anblick der Stammkneipe Durst macht
Was man auch aus der Alkoholismusforschung weiß: Eine für süchtiges Verhalten spielt die Konditionierung, wie Tierversuche zeigten. Auf bestimmte neutrale Reize hin lernten Tiere sich über einen vorher erlernten Mechanismus Nahrung auch Alkohol zu verabreichen. Bei Menschen kann ein kein konditionierender Stimulus beispielsweise ein Umgebungsreiz sein, wie der Anblick der Stammkneipe, des Fernsehsessels oder bestimmten Milieus. Allein diese Anblicke können den Wunsch nach Alkoholaufnahme auslösen. Dieses Verlangen kann so weit gehen, dass bei Abhängigen durch diesen Stimulus unstillbare Gier ausgelöst wird, was als „craving" bezeichnet wird. Neben diesen Stimuli, die als positive Verstärker fungieren gibt es aber auch negative Verstärker wie beispielsweise Entzugserscheinungen. Dabei führen nicht nur körperliche Symptome wie Zittern, Schwitzen, Herzklopfen, sondern auch die psychischen Symptome wie Gereiztheit und Depressivität zur Versagensangst zur erneuten Drogeneinnahme.
Abhängige, die eine Zeit lang ohne Drogen auskommen mussten, machen zum Teil quälende Entzugssyndrome durch, die das Verlangen nach der Droge verstärken.
Das mesolimbische dopaminerge Wohlbefindlichkeitssystem
Bei der Betrachtung suchtrelevanter Vorgänge auf neuronaler Ebene fand man über Tiermodelle heraus, dass hier zahlreiche Hirnareale und neuronale Verschaltungen beteiligt sind. Dopaminerge Neurone sind eingebettet in ein Geflecht von hemmenden und stimulierenden Nervenbahnen, die diese Neuronen aus zahlreichen Hirnregionen beeinflussen. So sind daran serotonerge, glutamaterge, gabaerge, noradrenerge und endorphinerge Nervenzelle beteiligt. Eine besondere Rolle beim Suchtverhalten spielt dabei das mesolimbische dopaminerge Wohlbefindlichkeitssystem. Es wird im Vorfeld einer Drogeneinnahme aktiviert, beispielsweise durch die Erinnerung an die Drogenwirkung, an die Rituale bei der Beschaffung (Stammkneipe, bestimmtes Milieu), aber auch durch die Erinnerung an negative Gefühle, Erfahrungen und Erlebnisse durch die Drogeneinnahme bzw. Nichteinnahme. Zur zentralen Funktion des mesolimbischen dopaminergen Systems gehört die Motivation, zum Alkohol, zur Droge zu greifen bzw. sich den nicht stofflichen Suchten hinzugeben, wie es Suchtforscher beschreiben. Unter Motivation versteht man dabei das zielgerichtete Verhalten eines Organismus, die Umgebung im Hinblick auf seine eigenen Bedürfnisse zu kontrollieren. Für die Entwicklung einer Abhängigkeit dürfte diese motivationale Rolle des mesolimbischen Systems besonders bedeutsam sein. Betrachtet man verschiedene Kulturen und Völker, lässt sich feststellen, dass es verschiedene motivationale Faktoren gibt, wie Psychologen es nennen, Rauschzustände zu erreichen oder die euphorisierende und enthemmende Wirkung von Drogen zu spüren. Ein weiterer Begriff aus der Suchtforschung sollte in diesem Zusammenhang erwähnt werden: die Sensitivierung, die ebenfalls eine Rolle im Zusammenhang mit dem mesolimbischen Wohlbefindlichkeitssystem spielt. Unter Sensitivierung versteht man die Beobachtung, dass nach wiederholter Applikation von Drogen eine qualitative, aber auch quantitative Veränderung einzelner Wirkungen, jedoch nicht aller, beobachtet werden kann. Die Wirkungsveränderung bei wiederholter Applikation von Opiaten gehört zu den qualitativen Veränderungen, während zu den quantitativen Veränderungen die Beobachtung gehört, dass der maximal erzielbare Effekt einer Droge größer wird nach wiederholter Applikation. Beobachtet wurde auch, dass nach Absetzen und Wiederverabreichen einer Droge eine größere Menge der Droge freiwillig eingenommen wird als am Ende der vorangegangenen Periode.
Vorgänge auf neuronaler Ebene
Welche Mechanismen zu einer erhöhten Effizienz der neuronalen Übertragung beitragen, ist hochkomplex und noch nicht genau bekannt. Allerdings beobachtete man, dass präsynaptische Dopamin-D2-Rezeptoren, die über einen lokalen Rückkoppelungsmechanismus die Ausschüttung von Dopamin vermindert, eine Rolle spielen. Die stärkere neuronale Übertragung aufgrund der Drogeneinnahme bewirkt, dass diese Rezeptoren herunterreguliert werden, was dazu führt, dass pro Aktionspotenzial mehr Dopamin freigesetzt wird. Ein weiterer Mechanismus für die Erhöhung der neuronalen Übertragung dürfte Anpassung der Zahl der Dopamintransporter sein. Neben präsynaptischen Mechanismen dürften wahrscheinlich auch postsynaptische Vorgänge für die erhöhte Empfindlichkeit eine Rolle spielen. Als weitere Aspekte für die Entwicklung abhängig Verhaltens diskutiert man Veränderungen der Sensitivierung: Substanzen mit Abhängigkeitspotenzial sensitivieren bei wiederholter Einnahme das Wohlbefindlichkeitssystem, so dass Einnahme der Droge einen zunehmend größeren Verstärkereffekt hat. Schließlich sollen auch Glucocorticoide im Laufe der Abhängigkeitsentwicklung eine Rolle spielen, in dem sie das dopaminerge Wohlbefindlichkeitssystem warnen. Beispielswe führt die Applikation von Corticosteroiden zu einer intensiveren Wirkung von Psychostimulanzien.
Wenn immer mehr Stoff eingenommen wird
Ein weiterer Begriff aus der Suchtforschung, der bei der Betrachtung abhängigen Verhaltens eine Rolle spielt, ist die Toleranz: durch wiederholte Gabe wird der Abbau der Droge beschleunigt, aber auch eine neuronale Anpassung an wiederholte Drogeneinnahme hervorgerufen. Das bedeut dass bei konstanter Dosis die Wirkungen abnehmen oder die Dosis erhöht werden muss, um gleich bleibende Wirkungen erreichen. Inwieweit die Toleranz für die Abhängigkeitsentwicklung von Bedeutung ist, ist noch wenig untersucht. Man weiß jedoch, dass Toleranz gegenüber den erwünschten und gegenüber den aversiven Wirkungen der Drogen die Menge der eingenommenen Drogen beeinflusst. Dabei gibt es für die verschiedenen Suchtstoffe unterschiedliche Entwicklungsmuster der Toleranz. Gegenüber LSD entwickelt sich beispielsweise eine ausgeprägte Toleranz. Bereits am vierten Tag einer regelmäßigen LSD-Einnahme verschwinden die Drogeneffekte praktisch völlig. Auch nach häufiger Einnahme von Benzodiazepinen sind Toleranzentwicklungen festzustellen, allerdings lediglich gegen bestimmte Wirkungen der Benzodiazepine, z. B. der Sedierung, aber nicht gegenüber der Anxiolyse. Vom Nikotin weiß man, dass es Toleranz gegenüber aversiven Wirkungen wie der Übelkeit ausgeprägter entwickelt als gegenüber den erwünschten Wirkungen. Bei den Opiaten zeigt sich die Toleranzentwicklung in erster Linie gegen die meisten dämpfenden Wirkungen. Auch unter psychologischen Aspekten sind Phänomene der Toleranzentwicklung von Bedeutung. Fallbeispiele von Drogenkranken zeigen, dass eine erworbene Toleranz gegen eine Droge dadurch aufgehoben wurde, dass die Droge in ungewohnter Umgebung appliziert wurde. Tödliche Überdosierungen waren die Folge.
Alkohol und Opioide
Interessant sind Untersuchungen, die sich mit der Alkoholaufnahme und den Auswirkungen auf das endorphinerge System befassen. Mittlere und hohe Dosen von Opioiden wie z. B. Morphin vermindern die freiwillige Alkoholeinnahme. Alkoholeinnahme führt zur Ausschüttung von körpereigenen Opioiden (Endorphinen) im Gehirn. Andererseits ist bei Alkoholkranken eine verminderte Konzentration von Betaendorphin festzustellen. Durch die Ausschüttung von Endorphinen nach Alkoholeinnahme zeigte sich im Tierversuch der Wunsch nach weiterem Alkohl. Suchtforscher folgerten daraus, dass Alkohol ein Defizit an körpereigenen Opioiden kompensieren kann, während geringe Dosen von Opiaten eher das Verlangen nach Alkoholeinnahme verstärkten. In anderen Versuchen zeigte sich auch, dass
Ausschüttung von Endorphinen den Wunsch nach weiterem Alkohol verstärkte. Eine weitere Hypothese geht schließlich davon aus, dass, wie Tierversuche zeigten, auf die Endorphinfreisetzung nach Stress ein Endorphindefizit folgt, das wiederum ein zunehmendes Verlangen nach Alkohol aufkommen lässt.
Morphin - ein körpereigener Stoff ?
Beim Abbau von Neurotransmittem im Organismus entstehen bestimmte Kondensationsprodukte, die auch in der Mohnpflanze als Vorstufen für Morphin und Codein gefunden wurden. Seitdem beschäftigen sich Suchtforscher mit der Hypothese, dass Morphin und verwandte Substanzen im Körper von Natur aus vorkommen und ein Defizit der physiologischen Substanzen zu einem Alkoholverlangen führen könnte. Eine Person, die ein Defizit an körpereigenen Opioiden aufweist, empfindet die Aufnahme von Alkohol besonders wohltuend, da die Alkoholwirkung mittelbar verlängert wird. Das wohltuende Gefühl des Alkohols kann durch Bildung dieser Kondensationsprodukte verlängert werden und das vorhandene Defizit an körpereigenen Opiat bei diesen Personen ausgleichen. Bei diesen Personen käme somit immer das Verlangen auf, dieses angenehme Gefühl zu erleben. Solche Erkenntnisse führten schließlich zu der Hypothese, dass Morphin auch bei Menschen und Säugetieren Spuren vorkommt, die allerdings nicht ausreichten, die Opioidrezeptoren zu stimulieren.
Alles dreht sich um mehr Dopamin im System
Aus neurobiologischen Ansätzen ist bekannt, dass unterschiedliche Substanzen das mesolimbische Dopaminsystem aktivieren. Stoffe, wie Alkohol, Nikotin, Kokain, Morphin, Heroin und Amphetamin erhöhen, wenn auch auf unterschiedliche pharmakologische Weise, den extrazellulären Dopaminspiegel. Tierversuche haben gezeigt, dass die Aktivität dieses System auch beim Fressen, Trinken und Kopulieren erhöht ist. Drogen können eine verstärkende Wirkung auf dieses System haben. In aller Regel löst die Drogeneinnahme dabei keine bestimmte, genau beschreibbare positive Wirkung aus, vielmehr sind verschiedene pharmakologische, physiologische und emotionale Wirkungen gleichzeitig oder versetzt wahrnehmbar. Eine interessante Beobachtung ist, dass die unterschiedlichsten Drogen zwar alle das dopaminerge mesolimbische System aktivieren, Drogenwirkungen selbst jedoch häufig verschiedene Qualitäten umfassen. Dies dürfte nach Erkenntnissen der Suchtforschung damit zusammenhängen, nicht welche Ereignisse der Konsument erlebt, sondern wie er mit der Verarbeitung von Reizen umgeht und darauf reagiert. Neben der Wirkung als positiver Verstärker für angenehme Empfindungen werden Drogen aber auch eingenommen - wie oben bereits angedeutet -, um unangenehme, aversive Zustände zu verringern oder aufzuschieben. Zu den Missempfindungen, die Drogenkonsumenten mit Drogen zu beseitigen suchen, gehören z. B. schlechte Stimmungszustände (Dysphorie), auch depressiver und ängstlicher Art, Schmerzen und natürlich Entzugssymptome. Deutlich wird die Drogeneinnahme als negativer Verstärker beim Konsum von Nikotin und Alkohol. Raucher und Alkoholkonsumenten geben häufig an, mit der Einnahme dieser Substanzen den Stress besser zu bewältigen. Durch die Einnahme von Alkohol glaubt man, mit Angstsituationen besser umgehen zu können. Die Abnahme der Angst wiederum verstärkt das Trinkverhalten negativ, der Betroffene wird in der nächsten Angstsituation erneut versuchen, mit Alkohol die Situation zu meistern - damit ist der Weg in häufigen oder ständigen Alkoholgebrauch vorgezeichnet.
Wie entsteht Sucht, was ist süchtiges Verhalten?
Suchtentstehung
Die Wirkung der Erwartungshaltung
Ein psychologisches Phänomen: Die Wirkung einer Substanz wird beim Konsumenten stark durch die Erwartungshaltung beeinflusst, die er sich von der Droge erhofft. Bereits die Ankündigung, dass er eine psychoaktive Substanz verabreicht bekommen soll, ruft viele Erlebens- und Verhaltensweisen hervor. Untersuchungen an Alkoholikern zeigte beispielsweise, dass allein die Meinung, ein alkoholisches Getränk zu konsumieren zu vermehrtem Trinken, zur Abnahme von Angst, Aggression und zur Zunahme von sexuellem Interesse führte und psychomotorische Leistungen beeinträchtigten. Ungeklärt ist jedoch, welcher psychologischen Mechanismen diese Effekte auslösen.
Verlangen durch äußere Reize
Weitere interessante Beobachtungen: Reize, die im Zusammenhang mit der Drogenaufnahme und der Drogenwirkung stehe können schon für sich körperliche und psychische Reaktionen auslösen. Allein das Spritzbesteck eines Heroinsüchtigen kann heftige vegetative Reaktionen bei diesen Personen auslöse begleitet vom starken Gefühl, die Droge zu konsumieren. Auch eine Umgebung, in der Heroin gespritzt wird, in der Alkohol konsumiert wird, kann bei abhängigen Personen ein starkes Verlangen nach der Droge bis hin zu körperlichen Reaktionen auslösen. Welche Rolle konsumassoziierte Reize spielen, zeigt sich am einfachen Beispiel der Nikotinentwöhnung. Nikotinsubstitution durch Gabe von Nikotinpflastern oder -Kaugummis kann die Entzugsymptome praktisch vollständig unterdrücken. Allerdings bleibt das Verlangen nach dem Genuss von Zigaretten bei sehr vielen Nikotinabhängigen bestehen, da die Nikotingabe allein nicht das „Rauchvergnügen", also die für den Raucher angenehmen sensorischen und oralen Reize, ersetzt.
Craving: das Nicht-aufhören-Können
Ein Grund, warum Drogenabhängige nicht von der Droge lassen können, liegt in einem anhaltenden oder plötzlich wieder auftretenden Verlangen nach einer bestimmten Substanzwirkung (was Suchtforscher als „craving") bezeichnen. Dieses starke Verlangen wird häufig als entscheidender Grund dafür angegeben, dass der Konsum fortgesetzt wird, oder dass der Drogenabhängige nach Abstinenzzeiten rückfällig wird. Fallbeispiele zeigen, dass dieses Verlangen auch durch Umgebungsreize oder Stimmungen ausgelöst werden kann, die der Abhängige mit dem Drogenkonsum assoziiert. Selbst Umgebungsreize, die zusammen mit Entzugssymptomen auftraten, bewirken den Zustand des cravings, den der Abhängige durch erneute Einnahme der Droge zu beseitigen sucht.
Wer ist anfällig für Drogenmissbrauch?
Psychologen versuchen mit Hilfe der Methoden der Persönlichkeitsforschung herauszufinden, wer von den Jugendlichen und Heranwachsenden für Drogenmissbrauch anfällig ist. Ergebnisse stützen sich vor allem auf Untersuchungen an Alkoholabhängigen. Jugendliche, die zum Alkoholmissbrauch neigen, weisen einen erhöhten Neurotizismus auf (emotionale Labilität, die den Menschen dafür anfällig macht, bei sehr großer Belastung neurotische Symptome zu entwickeln), aber auch eine erhöhte Impulsivität. Bei jugendlichen Rauchern zeigte sich, dass diese zunächst extrovertiert waren und anfänglich in zufriedenstellenderen sozialen Beziehungen lebten als Nichtraucher. Später jedoch
waren die Raucher nicht mehr extrovertierter als Nichtraucher, allerdings depressiver und sie hatten unbefriedigendere Soziabeziehungen. Die Psychologen fanden außerdem heraus, dass den Heranwachsenden eine erhöhte Impulsivität mit erhöhtem Risiko für Drogenkonsum einherging. Auffälligkeiten zeigen sich auch, wenn man sich die Charaktere von Jugendlichen ansieht. Bei denen, die eher ein scheues, ängstliches und gehemmtes Verhalten zeigten, war das Risiko für den Drogengebrauch wesentlich geringer als bei denen, die extrovertierter waren.
Der Einfluss von sozialen Faktoren
Neben neurobiologischen und psychologischen Fragen Suchtentstehung spielt ein dritter Bereich eine wesentliche Rolle: die sozialen Faktoren, die zum Drogenkonsum und Drogenmissbrauch führen. Soziologen und Psychologen haben versucht, herauszufinden, welche Rolle z. B. die Umwelt, die Famillie, der Freundeskreis, die Schule, der Beruf oder die Gemeinde und der Stadtteil spielen, aber auch die soziale Lage des Einzelnen und die auf ihn einwirkende gesellschaftliche Kontrollmechanismen. Auch aus dem Blickwinkel des Soziologen gilt Drogenkonsum als multifaktorielles Geschehen, bei dem
Umwelt, Person und Droge sich gegenseitig beeinflussen. Von Bedeutung ist dabei natürlich zunächst die Verfügbarkeit von Drogen: Welche Drogen sind für den Einzelnen zugänglich und unter welchen Bedingungen, welche Preise werden für die Drogen verlangt, wie groß ist das Angebot? Hinzu kommt, wie die Gesellschaft die einzelnen Substanzen bewertet. So gelten Alkohol Nikotin in aller Regel als akzeptierte Drogen, während die Gesellschaft Heroin und Kokain in aller Regel ablehnt. Bei Cannabis und Ecstasy zeigt sich je nach Alter, Lebenseinstellung und sozialem Hintergrund eine unterschiedliche Bewertung. So gelten bei vielen Jugendlichen Cannabis und Ecstasy als nette Partydroge, während Erwachsene diese Drogen ablehnen, auch vor vor Hintergrund des Wissens um die Gefährlichkeit dieser Substanzen. Von Bedeutung ist auch, welche Konsummuster von Droge in der Gesellschaft akzeptiert sind und welche nicht: Während das Trinken von Alkohol akzeptiert ist, wird das Spritzen einer Droge nicht hingenommen.
Wie gesellschaftliche Ziele erreicht werden
Soziologen versuchen die Frage, ob eine Person zum Drogenkonsum neigt, u. a. damit zu erklären, wie Personen auf die kulturellen und sozialen Strukturen unserer Gesellschaft reagieren, ob sie z. B. die kulturellen Ziele einer Gesellschaft teilen und wie sie damit zurecht kommen, die Ziele auf den allgemein anerkannten Wegen zu erreichen. An dem Modell des Soziologen Merton lässt sich dies veranschaulichen: Finanzieller Erfolg wird von der Gesellschaft als erstrebenswertes Ziel anerkannt. Einigen Personen in unserer Gesellschaft gelingt es, dieses Ziel durch Konformität und durch Anpassung zu erreichen, d. h., sie akzeptieren die kulturellen Ziele und die Wege zur Erreichung dieses Ziels, beispielsweise durch Lernen, Arbeit und Fleiß. Daneben gibt es Personen, die dieses Ziel nicht erreichen, aber trotzdem unsere kulturellen Ziele anerkennen und, wohl wissend dass sie den finanziellen Erfolg nicht erreichen werden, weiterhin gemäß den anerkannten Regeln unserer Gesellschaft arbeiten. Daneben gibt es jedoch auch Personen, die zwar die Ziele dieser Gesellschaft anerkennen, aber mit innovativen Methoden versuchen, dieses Ziel zu erreichen, wobei Soziologen als „innovative Methoden" auch unerlaubte Wege verstehen bis hin zur Kriminalität wie Steuerhinterziehung und Eigentumsdelikte. Eine weitere Gruppe von Personen reagiert mit Rebellion gegen die sozialen und kulturellen Strukturen unserer Gesellschaft. Sie akzeptieren weder die kulturellen Ziele noch die Wege, diese Ziele zu erreichen. Sie lehnen finanziellen Erfolg ab und streben einen strukturellen Wandel an, in dem ökonomische Werte an Bedeutung verlieren. Schließlich findet sich bei Merton noch eine fünfte Gruppe von Personen, die auf das Ziel und auf dem Weg, dieses Ziel zu erreichen, in unserer Gesellschaft mit Apathie reagieren und sich zurückziehen. Wie Soziologen festgestellt haben, drückt sich dieses Rückzugsverhalten in deviantem Verhalten aus, d. h., diese Personen weichen vom normalen Weg ab, sie verletzen Normen und Werte der Gesellschaft, sie verhalten sich nicht so, wie es ,er Rest der Gesellschaft von ihnen erwartet. Solches deviantes Verhalten drückt sich durch psychische Erkrankungen oder letztendlich auch durch Drogensucht aus. Personen, die festgestellt haben, dass sie keinen Zugang zu den allgemein anerkannten gesellschaftlichen Zielen haben, reagieren mit Rückzug. Nachdem sie mehrmals versucht haben, diese Ziele zu erreichen wenden sie sich von diesen Zielen ab und erachten sie nicht mehr als erstrebenswert. Drogenabhängige begeben sich so Abseits, sie werden zu Außenseitern der Gesellschaft, Rückzugsmittel ist für sie der Konsum von Drogen. Weitere Theorien der soziologischen Forschung berücksichtigen auch die unterschiedlichen Chancen, auf nicht legale Weise Ziele zu erlangen. Personen, die zur mittleren und oberen sozialen Schicht gehören haben eher Zugang zu legitimen Mitteln, bestimmte gesellschaftliche Ziele zu erreichen, während Angehörige der Unterschicht eher Wege haben, mit illegitimen Mitteln ihre Ziele zu verfolgen. Ganz konkret bedeutet das, dass Personen, die aus gut situiertem Elternhaus stammen, eher das Ziel des finanziellen Erfolges durch eine ordentliche Berufsausübung erreichen, als Personen die in Slumgebieten aufwachsen. Umgekehrt haben Angehörige aus den niederen Schichten eher Zugang zu den kriminellen Wegen, um zu finanziellem Erfolg zu kommen. Aber, Soziologen wissen auch, dass die Frage, ob illegale Mittel eingesetzt werden, nicht allein von ihrer Verfügbarkeit abhängt. Entscheidet ist auch, inwieweit die gesellschaftlichen Normen und Werte verinnerlicht wurden. Aus soziologischer Sicht wird generell der missbräuchliche und abhängige Konsum von Drogen als Folge abweichenden Verhaltens angesehen. Drogenmissbrauch und Drogensucht dienen zur Situationsbewältigung. Anfällig sind vor allem Personen, denen die anerkannten Wege zur Erreichung kultureller Ziele verwehrt geblieben sind. Wenn die Wege, mit legalen Mitteln finanziellen Erfolg und gesellschaftliche Anerkennung zu erreichen, nicht funktionieren, werden als Reaktion darauf die illegitimen Wege beschritten, die ebenfalls nicht erfolgreich sein können. Das doppelte Versagen führt dann zu eine apathischen Rückzugsverhalten und mündet in die Drogenabhängigkeit.
Der Einfluss des Milieus
Soziologen gehen davon aus, dass abweichendes Verhalten von der Norm innerhalb eines bestimmten sozialen Umfelds erlernt wird. Je häufiger, länger und intensiver Personen Kontakt zu solchen Personen haben, die bereits drogenabhängig sind und entsprechende Verhaltensmuster aufweisen, um so wahrscheinlicher ist es, dass solche Verhaltensmuster erlernt werden, sprich dass sie ebenfalls dem Drogenkonsum zuzusprechen. Allerdings ist dieser Weg nicht zwangsläufig vorgezeichnet. Hinzu kommen muss in aller Regel, dass mit dem abweichenden Verhalten eine höhere Wertschätzung (z. B. innerhalb dieser Gruppe) verbunden ist, die eine mögliche Gefährdung durch das abweichende Verhalten überwiegt. Auch der Konsum illegaler Drogen gilt - ähnlich wie der weit verbreitete Konsum legaler Substanzen - unter Soziologen als erlerntes Verhalten. So nehmen die Drogenabhängigen in aller Regel die Drogenkonsummuster an, die in ihrem Umfeld als etabliert gelten. Gilt in einer Familie der Konsum von Alkoholika als typisches Verhalten, so ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass die Kinder dieses Verhalten übernehmen und das Trinken von Bier, Schnaps und Wein - auch im Übermaß - als etwas ganz Selbstverständliches betrachten. Hinzu kommt, dass negative Folgen von Drogenkonsum in aller Regel in den Hintergrund treten, zumal sie sich erst zeitlich verzögert bemerkbar machen (Abhängigkeit, gesundheitliche Schäden).
Das Zusammengehörigkeitsgefühl in der Szene
Personen, die sich dann aus der Gesamtgesellschaft ausgeschlossen fühlen, finden sich nicht selten wieder mit einem Zusammengehörigkeitsgefühl in der Drogenszene wieder. So ist der Konsum vor allem illegaler Drogen häufig mit der Zugehörigkeit zu einer Subkultur in Form einer Drogenszene verbunden ist. Daneben gibt es allerdings auch Drogenabhängige, die als Einzelgänger angesehen werden, die sich nicht gleich gesinnten Drogenabhängigen anschließen, sondern eigene Wege gehen, wenngleich sie immer wieder die Drogenszene als solche aufsuchen müssen, um sich die Droge zu besorgen. Für manche Personen, die Drogenabhängigen nahe stehen, reicht der Kontakt zur Drogenszene oder eine emotionale Verbundenheit mit diesen Personen, um selbst in die Szene abzugleiten und Drogen zu konsumieren. Andererseits werden Personen, die in der Szene sind und über längere Zeit keine Drogen mehr nehmen, nicht mehr als Mitglieder dieser Gemeinschaft wahrgenommen. Dies bedeutet aber auch, dass für Personen der Ausstieg aus dem Drogekonsum in aller Regel nur dann möglich ist, wenn sie keinen Kontakt mehr zur Drogenszene haben.
(z.B. ab auf die weiße Insel in den einsamen Wald, geborgen in einer „Wolfshöhle“ mit Meeresblick – (pers. Anmerkung))
Weil es die Gesellschaft nicht akzeptiert
Eine weitere Theorie der soziologischen Forschung geht da aus, dass Drogengebrauch,
-missbrauch und -abhängigkeit dann zu einem abweichenden Verhalten führt, wenn die Gesellschaft dieses Verhalten als solches etikettiert. Dies hängt in erster Linie damit zusammen, inwieweit die Droge und ihr Gebrauch der Gesellschaft verwurzelt ist und als normal gilt. Das Kauen von Kokablättern gehört beispielsweise bei den Koka-Bauern den peruanischen Anden zum Alltag, der Kokainkonsum unseren Breiten hingegen wird als Drogenmissbrauch etikettiert. Noch deutlicher wird diese Theorie an den Beispielen Alkohol und Nikotin. Nikotinabhängigkeit gilt in Deutschland gesellschaftlich akzeptable Verhaltensweise. Selbst gelegentlicher Alkoholmissbrauch wird in unserer Gesellschaft akzeptiert und gilt nicht als abweichendes Verhalten von der Norm - im Gegensatz zur Alkoholabhängigkeit (Trinksucht).
Der Einfluss von Familie und Freunden
Geht man davon aus, dass Suchtentstehung ein multifaktorielles Geschehen ist, so ist leicht einsehbar, dass auch Aspekt der sozialen Lebensumwelt bei der Entstehung der Drogensucht eine Rolle spielen. Soziologen unterscheiden dabei drei Ebenen, die ihren Beitrag zum Drogengebrauch leisten:
- Familie und Freundeskreis,
- schulische und berufliche Einflüsse, sowie das Leben in einer Gemeinde,
- soziale Lage und gesellschaftliche Kontrollmechanismen.
Vor allem Familie und Freundeskreis tragen entscheidend dazu bei, ob Personen den Weg in die Drogenabhängigkeit einschlagen oder nicht. In der Familie lernt ein Kind, welche Form von Drogenkonsums akzeptabel ist und welche nicht und wann beispielsweise der Konsum von Alkohol toleriert wird, so z. B. bei Familienfeiern oder zur Bewältigung von Stress. Empirische Untersuchungen zeigen, dass z. B. Kinder aus Familien, in denen Rauschdrogen konsumiert werden, eine niedrigere Schwelle haben, ebenfalls Drogen zu missbrauchen als Kinder aus Familien mit drogenabstinenten Eltern. Daneben sind auch familiäre Belastungen für die Entstehung von Drogensucht von Bedeutung. Muss eine Familie beispielsweise viele Probleme bewältigen, kommt es zur Scheidung der Eltern, dann sind Kinder häufiger der Gefahr ausgesetzt, Halt im Drogenmilieu zu suchen.
Ähnlich, wie in einer Familie Normen und Werte festgelegt werden, wann der Gebrauch von Drogen als akzeptabel gilt, so bilden sich auch im Freundeskreis Werte und Normen heraus, welche Drogen als akzeptabel erscheinen und wann sie konsumiert werden. Sind Jugendliche in einen Freundeskreis eingebettet, der gegen Drogen eher eine ablehnende Haltung einnimmt, gilt dies als protektiver Faktor gegenüber Drogenmissbrauch und Drogenabhängigkeit. Und umgekehrt: Bewegen sich Jugendliche in Freundeskreisen, in denen eine niedrige Hemmschwelle besteht, Drogen zu konsumieren, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass auch Jugendliche aus ansonsten stabilem Elternhaus Drogen ausprobieren und in die Drogenabhängigkeit geraten. Je mehr Freundinnen und Freunde eines Kindes Drogen konsumieren, um so höher ist die Wahrscheinichkeit, selbst Drogen zu nehmen.
Schule - Hilfe und Gefahr
Einen positiven wie auch negativen Beitrag kann die Institution Schule zur Drogenabhängigkeit eines Kindes leisten. Als zentrale Lebenswelt für Kinder und Jugendliche vermittelt sie Normen und Werte. Während der Schulzeit bilden sich bei den Kindern Einstellungen und Verhaltensweisen heraus, auch in der Frage, wie mit Drogenkonsum umzugehen ist. Durch eine aufklärerische Behandlung des Themas Drogenkonsum und Drogenabhängigkeit kann die Schule dazu beitragen, Kinder von der Drogenszene fernzuhalten. Auf der anderen Seite ist Schule für den Jugendlichen auch ein Grund für Stress, Leistungsdruck und damit verbundenen Problemen. So sind sich Soziologen einig, dass schulische Belastungen, Angst vor Leistungsversagen,
Schulleistungsschwächen und schlechte Berufsaussichten, einer erhöhten Neigung einhergehen, Drogen zu nehmen. Das Kind, der Jugendliche erfährt durch den Konsum bestimmter Drogen, dass sie Angst lösend und beruhigend wirken oder leistungs- und
-antriebssteigernd wirken und sich Schulstress dadurch leichter bewältigen lässt. Mitunter leisten Eltern diesem Verhalten Vorschub, indem sie ihren Kindern psychoaktive Substanzen vom Arzt verordnen lassen, wenn sie in der Schule nicht mitkommen.
Auslöser Stress im Beruf
Ähnliche Verhaltensweisen zeigen sich im beruflichen Le Auch hier ist die Person hohem Leistungsdruck und berufliche Anforderungen ausgesetzt, die man mit dem Konsum von Drogen in den Griff zu bekommen versucht. Hinzu kommt, dass sich in manchen Berufen bestimmte Konsumverhaltensweisen ausgebildet haben, mit denen nicht jeder adäquat umgehen kann. So ist es oft üblich, dass zu Geburtstagsfeiern oder positiven Geschäftsabschlüssen Alkohol konsumiert wird. Besonders gefährdet sind auch alkoholnahe Berufe, z. B. Kellner oder Winzer, aber auch Bauberufe oder Kontaktberufe z. B. Vertreter. Auch in Heilberufen sind besondere Verhaltensmuster im Umgang mit Alkohol festzustellen. So suchen mitunterter Ärzte oder Pflegepersonal den großen Druck, den ihre Arbeit mit sich bringt, durch den Konsum von Alkohol auszugleichen. Auch der Übergang von Arbeitszeit zur Freizeit wird nicht selten durch Alkoholkonsum markiert. Alkohol wird assoziiert mit Freizeit, mit Erholung und Entspannung. Wer sich im Beruf unter Druck fühlt und angespannt ist, neigt leichter dazu, Spannung und Erholung in der Freizeit durch Alkoholkonsum zu suchen. Einläufige Gelegenheiten zum Trinken können somit schleichend zu häufigem Alkoholkonsum und damit in eine Alkolabhängigkeit führen.
Arbeitslosigkeit als Verstärker
Als wichtiger Faktor für die Verstärkung oder Verlängerung Drogenproblemen, insbesondere von Alkoholproblemen gilt die Arbeitslosigkeit. Sie führt zu psychosozialen Belastungen,
zum Verlust sozialer Beziehungen, zu Depression und Isolation. Auch hier weiß man aus empirischen Studien, dass arbeitslose Personen stärker zu Missbrauch von legalen Drogen neigen als andere.
Wenn die Wohngegend zur Belastung wird
Einen Einfluss auf die Neigung, Drogen zu konsumieren, oder auf den Drogenkonsum selbst hat schließlich auch der Bereich der Wohnung und das persönliche Umfeld. Schlechte Wohnbedingungen, zu geringe Wohnfläche und eine niedrige Wohnausstattung, ungesicherte Mietverhältnisse, großer Lärmpegel, schlechte Luftqualität, Konflikte und Spannungen zwischen den Bewohnern führen zu Anspannung und Konflikten, die sich auf die Familien und auf die Kinder auswirken. Wohnungen an verkehrsreichen Straßen, abgewohnte Hochhausviertel sind Belastungsfaktoren für ein positives familiäres Klima. Die soziologische Forschung kann hier nachweisen, dass ein stabiles und zufriedenstellendes familiäres Klima einen wirkungsvollen Schutz gegenüber missbräuchlicher Drogenanwendung darstellt. Wobei es natürlich auch hier Ausnahmen von der Regel gibt. Auch Kinder aus so genannten geordneten und gut situierten Verhältnissen können in die Drogenabhängigkeit geraten, was dann allerdings eher auf mangelnde Zuneigung, schlechten Freundeskreis, psychische Anspannung und vieles andere zurückzuführen ist.
Der Einfluss der Gesellschaftsschicht
Ein Risikoverhalten wie Drogenkonsum ist mehr oder weniger schichtspezifisch, wie die soziologische Forschung nachweisen kann. Untersucht wurde dies an den Beispielen Alkohol und Nikotin. Während bei Männern der Alkoholkonsum generell über alle Schichten in etwa gleich verteilt ist, nimmt der Alkoholkonsum bei Frauen mit steigender Schicht zu. Zigarettenkonsum ist dagegen in den unteren sozialen Schichten weiter verbreitet. Dort findet sich auch häufiger Medikamentenmissbrauch. Männer der Oberschicht trinken häufiger regelmäßig Alkohol, nehmen allerdings geringere Mengen zu sich als Männer aus der Unterschicht. Auch beim Zigarettenkonsum sind in den unteren Schichten härtere Konsumverhalten festzustellen. Dort liegt Zahl der gerauchten Zigarette und die Länge der Züge pro Zigarette höher als in oberen Schichten. Die Forscher folgern daraus, dass mit steigender sozialer Schicht die Wahrscheinlichkeit riskanter Drogenkonsummuster sinkt. Interessant ist eine weitere Feststellung: Kauf und Verkauf von Alkoholika in westlichen Gesellschaften ist stark vom Preis abhängig, das heißt über den Preis lässt sich der Alkoholkonsum steuern. Je teuerer der Alkohol ist, um so weniger werden Alkoholika gekauft. Auch Verkaufsbeschränkungen für Alkoholika könnten nach Ansicht von Soziologen den Konsum von Alkoholika reduzieren. Beispiele von Ländern, in denen Alkoholika nur in dafür lizenzierten Geschäften verkauft werden dürfen, scheinen dies zu belegen. Auch beim Nikotinkonsum kann die Erhöhung der Tabak einen niedrigeren Konsum bewirken: Wird die Tabaksteuer 1% erhöht, geht der Konsum um etwa 0,5% zurück. Schließlich könnte auch die Festlegung von Altersgrenzen, ab der Konsumdrogen wie Alkohol oder Nikotin erworben werden dürfen,einen Beitrag dazu leisten, dass der Einstieg in den Gebrauch bzw. Missbrauch verzögert wird und damit die gesundheitliche Folgen. Durch Alkoholeinfluss hervorgerufene Straßenunfäll gingen jedenfalls zurück, wenn die Altersgrenzen für Erwerb von Alkoholika erhöht wurden. Soziologen haben jedoch auch erkannt, dass sich letztendlich eine manifeste Drogenabhängigkeit nicht mehr über gesellschaftliche Kontrollmechanismen steuern lässt, abhängige Personen werden dadurch verstärkt in die Illegalität gedrängt.
Aus Drogen und Sucht (Pallenbach, Ditzel) © 2003 Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart
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