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Wer kann mir das erklären?

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  • Wer kann mir das erklären?

    Ich habe dieses Posting auch bei Sexualität reingesetzt, aber ich bin mir nicht sicher, ob dort auch vernünftige Antworten kommen. Also dann hier das Posting.

    Hm, eigentlich ist das was ich hier gleich schreiben werde, etwas aus meiner Vergangenheit, aber ich kann das nicht verarbeiten, weil ich es mir nicht erklären kann. Vielleicht kann ja der eine oder andere von euch mal sagen, ob das Verhalten normal ist.

    Also ich war mit meinem damaligen Mann 11 Jahre zusammen, davon 7 Jahre verheiratet. Als es so langsam anfing, dass er nur noch sehr selten mit mir schlafen wollte. Von seiner Seite aus war der Sex alle 3-4 Monate angesagt, was mir natürlich viel zuwenig war. Ich hatte Spaß am Sex und wollte gerne viel häufiger. Erregen konnte ich ihn nur sehr schwer. Eigentlich konnte ich alles mögliche veranstalten, aber bei ihm kam keine Lust auf. So habe ich z.B. als er Spätschicht hatte, ein großes Herz auf unseren Flurspiegel gemalt und mit Pfeil in Richtung Schlafzimmer versehen. Auf den Boden hatte ich einen Pfeil aus brennenden Kerzen gemacht, damit er seine Fantasie einsetzen konnte ;-) Ich erwartete ihn in entsprechender erotischer Kleidung im Schlafzimmer. Er schaute mich an, sagte er habe keine Lust und ging gleich wieder raus. OK dachte ich mir, das kann bei einem Mal ja passieren, also versuchte ich es dann ein anderes Mal mit einem Essen bei sanfter Musik und Kerzenlicht.... er kam ins Wohnzimmer, schaute, machte das Licht an und meinte er könne sonst nicht sehen, was er isst. Ich habe mir dann die nächsten 5 Jahre immer wieder etwas einfallen lassen, doch es fruchtete nichts bei ihm. Wenn ich dann mal versuchte ihn im Bett heiß zumachen, da kam von ihm so der Spruch: "Kannste ruhig versuchen, aber da läuft sowieso nichts" Er behielt recht. Ich sprach ihn natürlich darauf an und er erklärte mir, dass er mir nicht sagen könne, woran das liegen würde. Irgendwann sagte ich ihm, dass ich mir eben jemand anderen suchen würde, der mit mir schlafen würde. Da kam von ihm die Antwort: "Na dann musst du das tun" Könnt ihr euch vorstellen, wie das an meinem Selbstbewussein genargt hat?! Immer wieder stellte ich mir die selben Fragen: Liegt es an mir? An meinem Aussehen? An meiner Person auf sich? Und und und... Soweit so gut, ich hoffe ihr konntet mir bis hier hin folgen.
    Dann gab es eine komplette Kehrtwendung. Ich erzählte ihm nämlich von meinem sexuellen Missbrauch, den ich als junges Kind erleb hatte. An dem Abend nahm er mich zum ersten Mal, ohne zufragen, so als würde er sein Revier kennzeichnen wollen. Von da an wurde es eine schlimme Zeit, denn er nahm mich so oft er Lust und Laune hatte und ich wurde nicht gefragt, er kam nachts und "stieg" auf mich drauf, ohne Vorspiel oder so. Plötzlich hatte er eine tierische Lust auf mich. Doch die lebte er nicht mit mir zusammen aus, sondern im Grunde für sich alleine, denn er stieg genauso schnell wieder von mir runter, wie er vorher draufgestiegen war. Gespräche nutzten nichts, denn er konnte mir sein Verhalten nicht erklären. Ausserdem fanden bei uns nur noch selten Gespräche statt. Nach 4 Jahren habe ich dann endlich den Mut zusammen genommen und habe mich von ihm getrennt. Das ist nun schon ein paar Jahre her, aber ich kann immer noch nicht begreifen, was ihn zu diesem handeln veranlasst hat.
    Kann mir einer von euch das erklären?

    LG bluesky


  • RE: Wer kann mir das erklären?


    Hallo Bluesky,

    es ist nicht ganz einfach, hinter die Beweggründe anderer zu blicken. Folgende Ideen kommen mir:

    Zunächst einmal gibt es für Sex viele verschiedene Motivationen. Dem Einen kommt es auf die Nähe und Zärtlichkeit an, dem Anderen auf Macht (wie z. B. bei sexuellen Übergriffen, deshalb sollte man auch besser von "sexualisierter Gewalt" sprechen).

    Ich vermute, dass in eurer Ehe keine Gleichberechtigung bestand. Ich meine die Art der Gleichberechtigung, die sich darin zeigt, dass beide Partner gleichwertig respektiert werden und ihre Meinungen und Wünsche gleichermaßen berücksichtigt werden.

    Weiterhin vermute ich, dass dein Mann mit einer gleichberechtigten, inneren Einstellung nicht zurecht kam. Das zeigt sich für mich darin, dass ihn deine aktiven sexuellen Angebote nicht angeregt, sondern im Gegenteil, abgetörnt haben. Gewissermaßen hast du dabei den aktiven Part übernommen, und er hätte den Passiven, nämlich den des Verführten, übernehmen müssen.

    Erst als du ihm von dem sexuellen Missbrauch in deiner Kindheit erzähltest, kam es bei ihm zu einer Umkehrung, die sehr deutlich und ebenso pathologisch ist. Du als die Unterlegene, das Opfer, er als der Agierende, der Täter. Um es auf den Punkt zu bringen:

    Es kommt häufig vor, dass Menschen dazu neigen, unbewusst schlimme Traumata mit dem Partner zu wiederholen. Dabei geht es um den unbewussten Versuch, eine Situation in der Gegenwart unter Kontrolle zu bringen, was in der Vergangenheit nicht möglich war. An einem anderen Beispiel wird es noch deutlicher: Eine Frau, die in ihrer Kindheit unter der Alkoholabhängigkeit ihres Vaters litt, geht mit einem alkoholabhängigen Mann eine Beziehung ein und versucht (in der Regel vergeblich), ihn vom Alkohol wegzubringen.

    Dein Mann hat dich erneut missbraucht. Ich kenne seine Geschichte nicht, aber normal ist das nicht. Er braucht ganz offensichtlich bestimmte Voraussetzungen, um einen sexuellen Kick zu bekommen. Es funkioniert bei ihm nicht über die üblichen Reize "sexy Kleidung", "Verführung" etc. Er braucht eine Art Opfer/Täter-"Spiel". Möglicherweise würde er selber Kinder missbrauchen, ich kann das auf keinen Fall ausschließen.

    Du sagst, er habe "sein Revier markiert". Ganz verkehrt ist der Eindruck nicht. Es geht um Besitz, um Machterlangung über einen Anderen. Dieses Bedürfnis hat die ganze Zeit in ihm geschlummert und ist schließlich aus ihm herausgekommen.

    Wenn man überlegt, dass jedes 4. Mädchen und jeder 7. Junge Opfer sexuellen Missbrauchs wird, und davon die meisten durch enge Familienmitglieder, dann kann man sich leicht ausrechnen, wie häufig abnorme Täter im Kreise der Brüder, Väter und Onkel vorkommen und zu dem Schluss gelangen, dass es nicht etwa eine Randerscheinung, sondern eher häufig ist.

    Du hast dich von ihm getrennt. Dazu kannst du dich beglückwünschen. Mit jedem Schritt, den du zu deiner körperlichen Integrität gehst, trägst du zu deiner inneren Heilung bei.

    Opfer sexuellen Missbrauchs haben vor allem Probleme damit, für sich gesunde Grenzen zu setzen, was ganz wesentlich für ihre Heilung ist. Oft halten sie jahrelang unerträgliche Situationen aus und können sie nur schwer beenden. Darüber zu reflektieren und immer wieder innezuhalten: wie fühle ich mich, ist die Situation gut für mich, wie schätze ich meine Partnerschaft ein usw., ist daher ganz wichtig.

    Bitte gib gut auf dich Acht.

    Herzliche Grüße
    Sina

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