Ich lebe seit fast 25 Jahren mit meinem gleichaltrigen Partner zusammen (sind beide Mitte 40). Wir sind natürlich durch viele Höhen und Tiefen gegangen (Krankheit, Trauer, Jobverlust… - was einem so über den Weg läuft, in so langer Zeit) und haben uns dabei immer gegenseitig unterstützt. Wir haben uns noch nie ernsthaft gestritten, wir ergänzen uns hervorragend. Dabei sind wir schon immer beide sehr eigenständig gewesen und klammern uns nicht aneinander. Wir haben keine Kinder und sind nicht verheiratet, und leben in einer recht provinziellen Kleinstadt, in der nicht wirklich viel los ist. Vor 3 Jahren haben wir gemeinsam ein Haus gekauft.
Natürlich hat sich beziehungstechnisch inzwischen eine gewisse Routine breitgemacht – es gibt ein Küsschen zum Willkommen und zum Abschied, ab und an auch mal Sex (meistens „mit Ansage“ durch ihn, dann aber für beide erfüllend). Bisher habe ich das als völlig normal empfunden.
Er ist eher der schweigsame Typ, der seine Freizeit gern mit praktischen Arbeiten oder vor dem Fernseher verbringt, ich bin sehr mitteilungsbedürftig, belesen und vielseitig interessiert. Aber das war bisher immer in Ordnung für mich und ich war nach einem anstrengenden Arbeitstag sogar schon oft froh, dass er „unterhaltungstechnisch“ nicht so anspruchsvoll ist.
Nun habe ich allerdings – wahrscheinlich ausgelöst durch einen sehr erfolgreichen Jobwechsel Anfang 2016 nach 20 Jahren in der selben Firma – plötzlich einen ganz anderen Blick auf mein Leben und unsere Beziehung bekommen. Ich finde plötzlich alles langweilig und trist, und frage mich, ob ich wirklich bis an’s Ende meiner Tage so weitermachen will. Mir ist klar, dass ich wahrscheinlich in so einer Art Midlife-Crisis stecke und eigentlich zufrieden sein müsste. Unsere Beziehung ist zwar nicht mehr wirklich leidenschaftlich, aber das ist nach so langer Zeit ja normal – mein Partner hat sich bisher auch noch nicht darüber beschwert. Ich denke, er hätte gern öfter mal Sex, aber ich habe nicht den Eindruck, als würde er körperliche Nähe an sich vermissen – oder gar Rumgeknutsche und Händchenhalten. Im Freundes- und Bekanntenkreis sind wir das beneidete Vorzeigepaar, weil unsere Beziehung so harmonisch ist. Es gibt jedenfalls keinen ersichtlichen Grund, sie beenden zu wollen, um anschließend ganz allein da zu sitzen. Da ist „WG +“ immer noch die angenehmere Alternative.
Das wäre zunächst mal die Grundproblematik. Was noch erschwerend hinzu kommt: Ich habe mich voll in einen Kollegen einer anderen Filiale meines Unternehmens verknallt. Ob er für mich ähnlich empfindet, weiß ich nicht. Dieses Thema grenzen wir bewusst aus. Aber er ist aufgrund seiner Persönlichkeit (er ist sehr introvertiert) eigentlich nicht so gesellig – da hat es wohl schon so seine Bewandtnis, dass er täglich meine (zumindest virtuelle) Nähe sucht – wir chatten eigentlich jeden Abend miteinander, unterhalten uns natürlich über die Arbeit und die Kollegen, aber auch über Gott und die Welt.
Ich denke, dass wir als „Liebespaar“ aus verschiedenen Gründen (räumliche Distanz, sehr unterschiedliche Charaktere, Altersunterschied von fast 10 Jahren, er macht optisch wesentlich mehr her, als ich) keine wirkliche Zukunft hätten. Insofern kommt es mir ziemlich ungelegen, dass ich mich in ihn verliebt habe, da ich das Gefühl habe, meinen Partner irgendwie zu hintergehen – obwohl ja überhaupt nichts passiert ist. Im Prinzip füllt er eine Lücke aus, die mein Partner nicht ausfüllen kann und will – wenn der Kollege weiblich wäre, wäre mein Partner wahrscheinlich nicht unglücklich darüber, dass SIE sich lang und breit mit mir unterhält, während er gemütlich vor dem Fernseher sitzt. Aber dem ist eben nicht so.
Ich muss allerdings auch gestehen, dass ich – sollte der Kollege DOCH irgendwelche Absichten hegen – es wahrscheinlich nicht fertigbringen würde, ihn abzuweisen. Dieses Kribbeln im Bauch habe ich lange nicht erlebt und genieße es natürlich auch sehr… Ich versuche allerdings, in dieser Hinsicht keinerlei Hoffnung aufkeimen zu lassen. Wie gesagt, eine feste Beziehung zu ihm wäre wahrscheinlich zum Scheitern verurteilt, und eine kurze, unglücklich endende Affäre muss ich mir (und ihm) eigentlich nicht geben. Er ist auch wesentlich zurückhaltender, wenn wir uns persönlich gegenüberstehen – ich nehme an, dass ich insbesondere aus optischen Gründen (bin übergewichtig, trage eine Brille, bin natürlich nicht mehr so knackig, habe schiefe Zähne…) relativ sicher sein kann, dass er sich nicht körperlich zu mir hingezogen fühlt.
Allerdings merkt mein Partner inzwischen, dass ich „komisch“ bin – natürlich beschäftigt mich die Situation im Moment sehr. Und dass ich ständig chatte, statt wie sonst üblich ein Buch vor der Nase zu haben, oder ziellos im Internet zu surfen, registriert er natürlich auch. Wobei wir uns deshalb nicht weniger miteinander unterhalten, als sonst.
In vielen Foren wird bei einer Situation wie oben beschrieben meistens geraten, den Partner zu verlassen, weil eben durch die nicht mehr ausreichend vorhandene Liebe und fehlende Leidenschaft keine Grundlage mehr für eine Beziehung gesehen, und dem „Fremdverliebten“ Betrug unterstellt wird. Zumindest soll man dem Partner erzählen, was einen umtreibt, und ihn entscheiden lassen, ob er die Beziehung weiterführen will - was in unserem Fall allerdings ziemlich sicher auf eine Trennung hinauslaufen würde. Das auszusprechen und zu gestehen, dass man fremdverliebt ist, würde uns ja irgendwie in Zugzwang versetzen, irgendwas zu unternehmen – sonst hätte man es ja nicht angesprochen…
Ich bin echt ratlos.
Viele Grüße,
Bona
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