So ergab es sich auch, dass jetzt ein Hindernis zu Tage getreten ist, mit dem ich nicht so recht umgehen kann...
Menschen haben unterschiedliche Bedürfnisse in Sachen Partnerschaft und Freiheiten und obwohl unsere Partnerschaft kaum harmonischer sein könnte (wir sind Partner, beste Freunde, Verbündete, Leidensgenossen…), nehmen wir beim Thema Beziehung zwei absolut gegensätzliche Positionen ein. Während ich ein Mensch bin, der eine sehr romantische Vorstellung von Zweisamkeit hat und an die "eine wahre Liebe" glaubt, ist er ein Pragmat, der "Beziehung" sehr differenziert betrachtet und bei dem Thema (in meinen Augen) absolut unromantisch ist. Auf Grundlage dieser Weltanschauungen haben wir natürlich schon unzählige Gespräche darüber geführt, was eine Partnerschaft ausmacht und ob eine Beziehung ohne (leidenschaftliche) Liebe bestehen kann.
Nun habe ich seit einigen Wochen / Monaten das Gefühl, dass er sich verändert, unzufrieden ist oder irgendwas verschweigt. Ich hatte ihn auch schon einmal darauf angesprochen, aber er meinte, dass er es selbst noch nicht in Worte fassen kann. Heute haben wir das Thema noch einmal aufgerollt … und im Grunde kam dabei heraus, dass er sich seiner Gefühle mir gegenüber nicht sicher ist. Er spüre zwar eine tiefe Verbundenheit zu mir, aber er könne mir nicht sagen, ob er mich liebe.
Wow, das war erstmal ein harter Schlag.
Komplizierter wurde die Sache, als er anschließend erklärte, dass die Verbundenheit, die er spürt, das schönste und innigste ist, was er jemals gefühlt hat und sich auch sehr gut vorstellen kann mit mir (glücklich) alt zu werden. Allerdings merke er auch, dass er gerade in einer Selbstfindungsphase stecke und ein unglaubliches Verlangen nach Unabhängigkeit und Freiheit habe. Er war schon immer freiheitsliebend und dieses Verlangen ist auch schon das ein oder andere Mal hervorgebrochen, nur haben wir es bisher eher stiefmütterlich beiseite geschoben. Nun hat er das Kind aber schlussendlich beim Namen genannt: Er wünscht sich eine offene Beziehung, auch wenn diese nicht (ausschließlich?) sexuell motiviert ist - das hat er mir zumindest gesagt und so schätze ich ihn auch ein. Er will einfach das machen können, wozu er Lust hat und dabei keinerlei Rücksicht auf einen Partner nehmen müssen. Seine persönlichen Bedürfnisse stünden bei ihm an erster Stelle und versuchte es mir mit folgendem Beispiel zu veranschaulichen: "was bringt es dir Milliarden auf dem Konto zu haben, wenn du all das, was du damit machen könntest, einer Partnerschaft unterordnen müsstest?" D.h. natürlich auch, dass er neugierig darauf wäre, was sich aus einem Flirt mit einer fremden Frau ergeben könnte.
Das war der zweite Schlag.
Ich bin mit der Situation überfordert und meine Gedanken drehen sich im Kreis. Ich liebe ihn und ich möchte, dass er glücklich wird. Sein Wunsch nach einer offenen Partnerschaft ist aber wider meiner Natur und für mich unvorstellbar. Untreue in einer Partnerschaft ist für mich das größte Vergehen und wäre zu 99% ein Beziehungskiller. In einer offenen Beziehung würde er mich zwar nicht betrügen (weil offen…), doch könnte ich meinen Partner auch nicht wissentlich teilen. Ich will die perfekte Zweisamkeit, den Deckel für meinen Topf und selbst noch im hohen Alter verliebt sein, wie am ersten Tag. Auch wenn ich es ihm gönnen würde, seine Bedürfnisse auszuleben, würde ich an dieser Situation zerbrechen. Wenn ich ihm aber seinen Wunsch ausschlage, wird er wohl derjenige sein, der niemals glücklich werden kann. Bleibt noch die Option der Trennung, aber die Beziehung ist ja wie gesagt ansonsten sehr harmonisch und da ich ihn noch immer liebe, könnte ich ihn auch nicht verlassen, solange es eben noch so "geht". Und so makabrer es auch klingt: für ihn gehört Liebe zu einer soliden Partnerschaft nicht dazu. Er ist sowieso der Meinung, dass alle Ehen mit mehr als 10 Jahren Dauer und Kindern (wir haben keine) weniger auf Liebe, sondern viel mehr auf Geborgenheit, Vertrauen, Vertrautsein und vielen weiteren Aspekten basieren.
Ich wünschte, ich könnte meine Gefühle einfach abschalten und ihm das geben, was er verlangt…
Was tun, wenn zwei so fundamentale Sichtweisen so weit auseinander gehen?
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