Hier meine kleine Kurzfassung der Lebensgeschichte, zum Verstehen, so knapp es geht:
Ich wurde als letztes von drei Kindern geboren. Ein sogenannter “Unfall”, wie ich es schon als Kind von meiner Mutter mit liebevollem Lächeln hin und wieder zu hören bekam. Als ich dann so 18 war, hielt es meine Mutter in ihrer Einfalt für nötig mir bei einer unserer tollen “Familienfeiern” zu erklären, dass sie mich eigentlich nicht wollte und mit Hausmitteln wie Fußbädern und Herumhüpfen versuchte, das Kind im Bauch loszuwerden. Dafür wollte sie vermutlich noch Verständnis und der Rest fand es belustigend, haha. Aber natürlich hatten mich dann doch alle lieb und waren froh, dass ich doch zur Welt gekommen bin. War ich doch der Stammhalter, oh ja und ein “ruhiges Kind” war ich ja auch, das waren also meine Vorzüge. Wenn ich so nachdenke, andere Vorzüge hatte ich nicht. Nachteile auch nicht, ich war eben da. Immerhin, für einen “Unfall” nicht ganz schlecht… An der Stelle kommt mir grad das erste Mal das große Ko…. , aber das wird noch mehrmals passieren. Meine Kindheit war nicht schlecht, ich hatte Kumpels und verlebte eine, schätze ich mal, normale Kindheit in nicht wohlhabenden Verhältnissen. Ich kann mich an mehr schöne Ereignisse erinnern als schlechte. Das wird sich mit zunehmendem Alter ändern. Ich glaube auch, dass mich meine Eltern zu dieser Zeit noch mochten und dass alles eigentlich normal war. Irgendwie war es aber für mich damals merkwürdig, dass mich meine Mutter einmal in die Stadt mitnahm, ich denke so mit 5,6 Jahren, und sagte, ich solle vor einem Laden warten, alleine vor der Schaufensterscheibe, Mutter weg, Unsicherheit, sie kam wieder, gut gelaunt. Wie ich viel später herausbekam, hatte sie dort einen ihrer Typen, den Ladenbesitzer, mit dem sie sicher wichtiges zu besprechen hatte - so wichtig, dass man sein Kind vor dem Laden abstellt. Ich erinnere mich noch sehr gut an die abendlichen Telefongespräche meiner Mutter mit irgendwelchen Leuten. Sie saß heimlich in meinem Zimmer auf meinem Bett und ich musste rausgehen. Getuschel, Geflüster und mein vermutlich zwischenzeitlich auch resignierter Vater saß im Wohnzimmer auf der Couch und sah fern. Heute glaube ich, dass er wusste, was meine Mutter trieb, aber er sagte nichts. Er war halt nicht der Hardcore-Typ, aber irgendwo mochte ich ihn, deswegen tat die Zukunft auch so weh… Nach Beendigung der heimlichen Telefongespräche verpflichtete mich meine Mutter lächelnd zum Schweigen und erklärte, dass Onkel soundso angerufen habe und ich solle nichts dem Papa erzählen. Manchmal ging sie auch in eine Telefonzelle zwei Straßenkreuzungen weiter. Woher ich das weiß? Weil ich ihr Alibi bei Bedarf an meinen Vater weiterzusagen hatte. Mittäter bei was Bösem, keine Ahnung was, aber man half, den gemochten Vater zu bescheißen. Um das Ganze abzukürzen: Als Erwachsener bekam ich heraus, dass meine Mutter eine unbestimmte Anzahl von Typen hatte, mit denen sie fremdging, sachlich formuliert. So gefühlt ab 10, 11 Jahren, ich glaub sogar früher, gab es dann immer mehr Krach zwischen meinen Eltern. Die ohnehin mageren, verklemmten Zärtlichkeiten zwischen den beiden schwanden, als Kind kann man das nicht einschätzen, aber das Herz fühlt eben, dass was schief läuft, total aus dem Ruder läuft. Für mich meistens ohne Vorankündigung immer wieder explosiv auftretendes Geschrei und Beschimpfungen, Türen krachen, wenn der Vater abends nach einem lauten Streit ins Nirgendwo verschwunden ist und meine Mutter heulend zurückblieb. Kurzes aufbrausenden Gebrülle, vernichtende Stille, allein, endlos allein. Das war immer dieses Gefühl, das ich nicht benennen konnte, heute weiß ich, dass es endlose Einsamkeit war. Später bezog sich meine “Mutter” (Entschuldigung, ohne Anführungszeichen schreibe ich dies nicht mehr), mich dann netterweise in ihre Eheprobleme mit ein, indem sie mir erklärte, welch ein ****nbock mein Vater sei und dass er sie nur ins Grab bringen wolle. Hoffentlich würde ich nie so werden wie er - toll. Zu allem Überfluss krachte es auch immer nebenan bei Herr und Frau Nachbar. Wenn ich abends im Bett lag, hörte ich durch die Wände regelmäßig, welch ein Schlappschwanz Herr Nachbar war und Frau Nachbar, die Walküre, donnerte die arme Sau zusammen, immer wieder, ich live dabei, mannoman. Soviel ich weiß, ist er vor ihr gestorben. Ich war als Kind immer froh, wenn alles friedlich war, ich genoss die wenigen Momente der scheinbaren Harmonie wie ein Soldat der Grabenkämpfe den Waffenstillstand, der das Unausweichliche nur aufschob. Immer waberte irgendwo in meinen Adern die Gewissheit, dass ES jederzeit wieder losgehen WIRD und dass alles total schief läuft, in die falsche Richtung, ins Fassungslose. Diese namenslose, ungreifbare Furcht. Und die Verwandtschaft war ein Thema, ständig, des einen Familie war dem anderen nie recht und ich lernte eigentlich nur, dass alle anderen doof sind. Zumindest sind die meisten noch verheiratet und vielleicht sogar glücklich ;-) Zum Glück gab es ein paar Perlen von Erwachsenen in meiner Kindheit, an die ich heute noch mit Freude und aber auch mit Trauer zurückdenke, weil sie nicht mehr leben. Ich hätte ihre Gegenwart noch gerne oft genossen. Gerne würde ich ihnen sagen, wie wichtig sie für mich waren. Als Jugendlicher war ich dann der pure Scheißefilter (Verzeihung Netiquette) meiner “Mutter“. Auf meinen Vater konnte sie nichts mehr abladen, weil er war weg. Keine Ahnung wo, weiß ich heute noch nicht, er war einfach weg, kein Abschied, keine Erklärung, einfach Verschwunden, die pure Leere, schwarzes N i c h t s . Irgendwann kam ein Brief und meine “Mutter“, die sich in der Küche am Tisch festklammerte, heulte und erklärte, dass sich Vater, nein, sie sagte “DEIN Vater“, sich von ihr scheiden lassen würde. Es kamen noch mehr Briefe. Mein sicheres Terrain war mein Zimmer, ich vor dem KOSMOS Elektronikbaukasten und Mutter stürmt mal wieder rein und erklärt mir heulend das neueste Rechtsanwaltschreiben meines Vaters, der sie aus dem Weg schaffen wolle, damit er nicht mehr bezahlen müsse. War das eine geniale Jugend. Scham über Scham, trotzdem mochten mich meine Kumpels und ein paar Mädchen, aber ich brachte so gut wie nie jemanden mit nach Hause, weil ich mich einfach schämte. Es gab tolle Erlebnisse, aber anwesend war bereits eine unbekannte Trauer, auf Fotos von damals hab ich es mit Erschrecken erkannt. Irgendwann war die Scheidung durch oder auch nicht, keine Ahnung, dann war da plötzlich ein neuer Mann in ihrem/meinem Leben. Ein recht netter Typ meiner Mutter, aber wie das so ging und überhaupt und was mit Papa war… keine Erkenntnisse. Keine Gespräche. Unfassbares Nichts. Da war jetzt eben der Neue, in der Wohnung, auf dem Sofa, im Schlafzimmer meiner “Mutter”. Er war nett und konnte für alles nichts, immerhin. Irgendwann traf man den Vater an Weihnachten etc. Nett, korrekt, aber wie alles soweit kommen konnte, keine Erklärungen, peinliches Verdrängen und ich fühlte mich als handlungsunfähiger “Unfall” und war nicht imstande, die Wahrheit rauszupressen. 1 Punkt dafür, dass Vater niemals über Mutter schlecht redete. 0 Punkte für Mutter, weil Vater sie immer noch ins Grab bringen wollte, “Dein Vater”. Er hatte in der Folgezeit einige nette Damen, echt, das waren Damen, nett, warmherzig, aber er war einfach bindungsunfähig. Die Treffen bei meiner Mutter endeten fast immer im Geheule. Weihnachten erst erzwungene Gelassenheit. Dann wie immer Ausrasten meiner Mutter, Geheule, neue Anwaltsschreiben, Vater bringt sie ins Grab, Mutters Töchter heulen mit, meine Ex-Frau heult mit, später nach meiner Scheidung heult meine Ex-Freundin mit und ich sitz da, unter meiner Glocke aus sprachloser Fassungslosigkeit, Handlungsunfähigkeit und innerlichem sterben. Manchmal kam ich mit Mauer hochziehen nicht mehr nach. Und alles ist doch normal, weil ich einfach nichts anderes kenne. Oh mann, dass wird grad alles lang, aber es gibt noch so viel. Ich mach jetzt mal schneller. Hammerhart die Zeit meines Erwachsenwerdens, Sehnsucht nach Nähe, Verliebtsein ohne Vertrauen, das Erkennen, Erstaunen, dass es eine andere, heilere Welt gibt, zu der man aber noch keinen Zugang hatte. Klammern, den anderen festhalten wollen, weil man nicht mehr in das Verlassensein zurückfallen möchte. Ein Naturgesetz, dass das schiefgehen wird. Es waren die Eltern der anderen, die sich kümmerten. Ich kam mir sehr minderwertig vor. Meine erste Ehe ging, man mag es kaum glauben, in die Brüche. Es tut mir leid, aber ich konnte es nicht besser, Entschuldigung. Die Hochzeit war nur peinlich. Vater bei der standesamtlichen, Mutter bei der kirchlichen Hochzeit. Beide zusammen war nicht möglich, das Glück des “Unfalls” war nicht dominant. Die anderen Eltern, glücklich verheiratet, sagen nichts, aber ich spüre, dass ich eben anders bin, unendliche Scham. In meiner Ehe nicht so schlimm, aber viel Zärtlichkeit, Verstehen, war nicht vorhanden. Es ging schief. Danach brach alles zusammen. Ich konnte nicht mehr und hatte das Glück, einen Psychiater in etwa meinem damaligen Alter zu treffen, der mir sehr half, aber leider nach wenigen Sitzungen unerwartet verstarb. Ein Anruf der Arztpraxis, Sprachlosigkeit, gewohnte Leere, wie immer verlassen, routinierte Sprachlosigkeit und inneres Verblassen. Die Energie zu neuem Vertrauen fassen in andere Menschen fehlte, aber es ging weiter, funktioniert hab ich zum Glück immer. Es gab Zeiten, da war das totale Aufgeben sehr nahe. Es gab noch viele zementkalte Erlebnisse, aber zum Glück trat meine Frau in mein Leben, für mich heute ein Wunder, auch hier gab es eine Zeit des Zusammenraufens, aber jeder Streit war eine gute Investition. Für mich ist sie mein Engel und meine neue Zeitrechnung beginnt ab dem Datum, in welchem sie in mein Leben getreten ist. Nicht ich hab sie gefunden, das wäre schiefgegangen, ich hätte immer die falsche Wahl getroffen. Nein, ich hatte tatsächlich unfassbares Glück. Vielleicht war es aber auch das Ergebnis des Nichtaufgebens, wer weiß. Ihr konnte ich das und vieles mehr erzählen, was hier geschrieben steht. Einfach war es trotzdem nicht und oft hatte ich Angst, dass das Erzählen vernichten könnte. Es hat eine Zeit gedauert, bis sie es selbst fassen konnte, es war auch Streit dazwischen, weil ich mich nicht verstanden fühlte, aber der kam einfach aus der Ratlosigkeit, meiner Eifersucht, resultierend aus unendlichem Minderwertigkeitsgefühl, aber irgendwann kam Verstehen dazu und jetzt habe ich zum ersten Mal im Leben das Gefühl, das jemand mit mir meine Vergangenheit lebt, wenn auch nur zu einem Teil, weil es einfach sehr viel ist. Das Problem meines Problems ist es, dass ich Scheu habe, es jemanden von Angesicht zu Angesicht zu erzählen. Wer mich persönlich kennt, wird Schwierigkeiten haben, diese “Geschichte” zu glauben. Warum sollten BEIDE Elternteile und BEIDE Geschwister mir solche Schwierigkeiten bereiten, dem der voll im Leben steht. Ich konnte es niemandem außer meiner Frau erzählen, aus diesem Grund, weil mir vermutlich keiner so recht glauben würde.
Meine Eltern incl. Geschwister habe ich irgendwann aus meinem Leben gebannt, es ging nicht mehr anders. Meine Eltern, weil sie bis heute nicht kapiert haben, was sie angerichtet haben und meine Geschwister dafür, weil sie sich für die andere Seite entschieden haben. Ich habe eine Frau und Kinder und die Verantwortung dafür, dass meine Ursprungsfamilie ihr Gift für sich behält. Ich bin bereit, meinen Eltern zu verzeihen, sie kamen aus schweren Zeiten, aber sie hatten dennoch liebe Kinder, ein Dach über dem Kopf und zu essen. Warum haben sie das so total verworfen. Vielleicht haben sie mehr erwartet, ihr Leben anders geplant, Kinder kosten Geld und ich, der “Unfall“, stand im Weg. Ich nenn mich heute nicht mehr “Unfall”, “Faktor X” gefällt mir viel besser, der bringt einfach Abwechslung ;-)
Ich brach nach dem ganzen Theater, verdorbenen Familienfeiern und aus Rücksicht auf meine neue, meine Familie, vor meiner zweiten und letzten Hochzeit den Kontakt zu den Eltern endgültig ab. Uups, kein Schwein regte sich, kein Erstaunen, kein Schimpfen, keine Wut, Nichts. Ich war der Niemand. Die Geschwister waren doch etwas säuerlich über die Unverschämtheit meiner Autonomie und verabschiedeten sich, Familientraditon, ohne Angabe von Gründen aus meinem Leben. Lange taten mir diese Reaktionen sehr weh, heute bereue ich meine Stellungnahme nicht, es war der einzige Weg, eigentlich nicht mein Weg, sondern den, den andere wählten, ich wollte nur nicht mitgehen.
Nur eine alljährliche Weihnachtskarte meiner “Mutter” mit vorgedrucktem Text und Unterschrift liegt regelmäßig im Briefkasten, nicht persönliches. Sie kann ihr Gift behalten, meine Frau filtert seit Jahren dankenswerterweise die Weihnachtspost. Ich hatte vor Jahren zwei Telefongespräche mit meiner Mutter, in denen ich mir meinen Kummer von der Seele redete (s.o). Sie kam mir keinen Zentimeter entgegen. Diese Worte hängen in mir: “Ich weiß, was Du willst, aber das mache ich nicht.” - Keine Ahnung, was sie meinte, ich denke, das Eingeständnis, Fehler gemacht zu haben, ich habe nicht mehr aus hier herausbekommen, sie hätte die Möglichkeit gehabt, zu reden.
Warum schreib ich diese ganze Story, was hat das Ganze mit Fasching zu tun? Ich wollte es mir von der Seele schreiben, Jahre hab ich es gewollt, aber nicht gekonnt. Ich möchte anderen in meiner (vergangenen) Lage Mut machen, durchzuhalten, ihr seid es wert! Meine Frau geht ALLEINE auf den Fasching und mir macht es jetzt nichts aus, nicht mehr, vor einiger Zeit hätte es mich zerfressen, aufgelöst, verglüht, da ich kein Vertrauen mehr in Menschen besaß, enttäuscht wurde, aufgrund meiner Geschichte oben. Weggehen, fortgehen, zum Fasching gehen, oder sonst was, hieß für mich immer Verlassenwerden, Alleingelassen werden, Sterben. Panikattacken, Atemnot, Herzklopfen, Magengeschwüre, hab ich alles durch nur aufgrund der Angst, verlassen zu werden. Aber irgendein Fünkchen Leben in mir flüsterte ständig, dass hier irgendwas falsch läuft. Ich hatte Zeiten der absoluten Resignation, des Not-Aus, insbesondere als mein Vater mich cancelte, 50/50. Es wäre leicht gewesen, rechts raus gegen den Brückenpfeiler zu rasen und alles zu beenden, den ganzen beschissenen unendlichen Schmerz.
Heute kann ich locker sagen, dass es eine schlechte Entscheidung gewesen wäre, diesen Weg zu gehen.
Ich wünsche mittlerweile meiner Frau aus reinem Herzen viel Spaß, habe Vertrauen, und es kommt keine Panikattacke, keine Angst, nichts. Ich genieße meinen ruhigen Abend. Ich habe verstanden, dass das Leben nicht böse ist, dass es Menschen gibt, die sind halt so und so, aber auf jeden Fall gibt es sehr viele nette Menschen und auch den Menschen, der Dich versteht und liebt. Die Kacke aus meiner Jungend ließ mich trotzig werden und ich denke, dass diese Erlebnisse mir auch irgendwie irgendwann Kraft gaben, andere Zwischenfälle des Lebens besser zu meistern. Der ganze Mist gehört einfach zu mir und hat seinen Sinn, sonst würde ich nicht stehen, wo ich bin. Zufrieden mit meinem Leben, glücklich mit meinen nächsten, das Leben schätzend. Wäre die ganze Kacke nicht so gelaufen, wie Kacke läuft, nämlich nach unten, nach unten zu mir, hätte ich nicht dieses Glück gehabt, auf genau diese Frau zu treffen mit dem Erfolg süßer Kinder und viel Glück. Dennoch bin ich manchmal unglücklich, denke an früher, das muss so sein...
Also, lass Dir helfen und gib nicht auf, Du bist´s wert! …. Ich hab hier keinen Platz, alles zu schreiben was mich bewegt, anderen helfen könnte oder irgendwie wichtig wäre und ich bin grad auch echt müde. Ich habe beim schreiben geheult und freu mich trotzdem über dieses Leben. Jetzt überlege ich noch bei einem Bier, ob ich das Ganze poste oder nicht lieber wieder einfach lösche.
Hier fehlt noch soviel, meine “Überlebensstrategien” usw. aber ich schick diesen Teil einfach mal los, reines Bauchgefühl...
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