Situation ist folgende: Mein Freund und ich (beide 30) sind seit anderthalb Jahren zusammen und haben zuletzt auch zusammen gewohnt. Beruflich sah er für sich nach seinem Uniabschluss keine Perspektive. Nun ist er seit 4 Wochen bei der Bundeswehr etwa fünf Autostunden entfernt für einen freiwilligen Wehrdienst und ist dort total unglücklich. Seitdem führen wir eine Fernbeziehung. Er hatte sich eingeredet, die BW sei das, was er wolle. Jetzt hat er mir aber gestern erst ziemlich zerknirscht gestanden, dass er damals nach dem Abi gar keinen Wehrdienst abgeleistet habe, weil er damals ausgemustert wurde, obwohl er es mir gegenteilig gesagt hatte. Für mich war dieses Geständnis, zunächst gar kein Problem, weil ich mit dem Verein eh nichts anfangen kann. Erst später wurde mir klar, dass das Problem ein anderes ist: Ich war davon ausgegangen, dass bei mir auszog, um das zu tun, was ihm Spaß mache, was er könne und wolle und dass er wisse, was ihn erwarte und sich aus dem Grund gegen ein gemeinsames schönes Leben mit mir entschieden habe. Nun wirkt es aber auf mich so, dass er vor mir geflüchtet ist in ein Leben, von dem er gar nicht wusste, was auf ihn wartet. Sozusagen: alles ist besser als mit mir zusammen zu wohnen. Ist das verständlich, was ich ausdrücken will?
Er hat mir bei seinem Auszug, wie ich fand, glaubhaft versichert, dass er die Beziehung auf keinen Fall beenden wolle, dass er mich liebe und dass wir eine Fernbeziehung durchstehen und dass wir so gut zusammenpassen. Unsere Beziehung vor der räumlichen Trennung habe ich als gut empfunden.
Regelmäßiger Kontakt ist nun aber nicht möglich. Erstens ist sein Tag ziemlich hart und durchgeplant, zum anderen ist er sehr depri, weil er dort sehr unglücklich ist. Als ich ihm vorschlug, er könne auch wieder bei mir einziehen oder aber wir suchen uns zusammen etwas ganz neues, hat er das alles kritisiert. Das Problem ist, dass er nichts mit sich anfangen kann und keine Perspektive hat und von sich selbst auch keine gute Meinung hat.
Dann habe ich in sein Handy geguckt (ich weiß, dass das blöd war!) und gesehen, dass er sich seit einigen Tagen mit irgendeiner Frau sehr flirty schreibt. Er wollte sich mit ihr treffen, aber da sie sich nicht rechtzeitig gemeldet hat, ist er dann zu mir gefahren. Er habe intensiv an sie gedacht usw usw. Er hat sich mit ihr auch geschrieben, als er bei mir war und auch unter der Woche, wo doch sein Tag angeblich so hart sei. Ich konnte ihn natürlich nicht darauf ansprechen, weil es von mir ja auch ein Vertrauensbruch war. Juristisch könnte man sagen, dass ein Verbrechen, das man mit illegalen Mitteln aufdeckt, ja vor Gericht auch nicht standhalten könnte. ;-)
Ich habe ihn indirekt auf die SMS angesprochen, indem ich ihn fragte, ob er mir nach dem BW-Geständnis noch etwas mitteilen wolle, was er vor mir verberge und er verneinte. An einer anderen Stelle etwas später im Gespräch, versicherte er mir wieder, er wolle gar keine andere Frau, er werde mich vermissen, es sei schwer, jemanden zu finden, mit dem er sich gut verstehe wie wir uns verstünden und überhaupt wolle ja gar keine Frau mit jemandem wie ihm zusammen sein.
Interessanterweise gestand er mir bei dem Geständnis mit der BW, dass er mir gegenüber enorme Minderwertigkeitskomplexe habe, weil ich angeblich so viele tolle Sachen gemacht habe und er aus einer sehr schlechten Kindheit komme, unter der er noch immer leidet, die ihm das immer verbaute. Wenn ich ihm dann mal wieder helfen wollte, seine Träume zu erfüllen, fand er wieder irrationale Gründe dagegen.
Bis vor kurzem dachte ich noch, mit viel Liebe kriegen wir das alles hin, aber mittlerweile bin ich irgendwie auch so verletzt durch sein Verhalten, dass ich nicht mehr weiß, was ich überhaupt tun soll. Ich habe ihm auch schon gesagt, er solle sich professionelle Hilfe holen. Aber das will er nicht.
Bin ich zu naiv, wenn ich glaube, dass, wenn man sich für eine Fernbeziehung entscheidet, auch für Treue entscheidet?
Soll ich einfach stillhalten und abwarten? Soll ich ihm einfach sagen, was ich herausgefunden habe? Soll ich Schluss machen, weil er mich schon zum zweiten Mal belogen hat?
Muss ich ihm sein Verhalten nachsehen, weil er an einem psychischen Tiefpunkt ist und sich Selbstbestätigung von einer anderen Frau holt? Oder rede ich mir die ganze Sache schön? Macht es Sinn, mit jemandem zusammen zu sein, der solche psychischen Probleme hat?
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