zunächst ein Lob an den/die Betreiber dieses Forums, dem ich im Vergleich zu manchen anderen Diskussionsforen zum Thema Partnerschaft/Beziehung/Trennung deutlich mehr Qualität bescheinigen möchte.
Ich suche hier einen Gedankenaustausch, weil mich die vertrackte Beziehung mit meiner Frau noch an den Rand des Wahnsinns bringt. Ich laufe langsam innerlich über mit meiner inneren Zerrissenheit darüber, ob diese Ehe überhaupt noch Sinn
hat. Mehr noch, es drängt sich mir inzwischen der Gedanke auf, ob sich die Situation durch weiteres Zusammenbleiben nicht eher für beide noch verschlimmert.
Die Frage, die mich dabei quält, ist die ob mit mir gerade mein Ego durchgeht, das nach Selbstverwirklichung und bedingungsloser Freiheit drängt, oder ob ich mich allen Ernstes den Rest meines Lebens mit einer Beziehung herumplagen soll, die mich nur Nerven kostet, um meiner Partnerin Beistand zu leisten, damit sie sich in der Ehegemeinschaft - wie ich empfinde - in der Rundum-Sorglos-Ecke sicher fühlen kann?
Ich versuche es mal der Reihe nach (viel kürzer ging es leider nicht, es hat sich einfach zuviel angehäuft):
Wir sind beide Anfang 40, verheiratet, keine Kinder, gemeinsames Haus. Zum Thema Kinder sollte zum Verständnis vielleicht erwähnt werdern, dass wir uns nicht bewusst gegen Kinder entschieden haben. Es wollte einfach nicht klappen; auf künstlichem Wege zu experimentieren wollten wir nicht. Das aber ist nicht das Problem, denn auch mit Kindern müsste man sich als Paar auf eine Fortsetzung des Lebens zu zweit einstellen, wenn diese aus dem Haus sind.
Und bei uns geht es nunmal um das Leben zu zweit, an dessen Sinn ich (m) nicht nur immer mehr zweifle, sondern inzwischen nur noch als Belastung empfinde. Denn es geht immer nur um sie. Und es dreht sich immer im Kreis bis zu einem Punkt, an dem nichts weitergeht.
Zum einen geht es permanent um ihre festgefahrene berufliche Situation ohne Perspektive, weil sie seit Jahren darauf hofft, endlich einen passenden Arbeitsplatz zu finden. Die Aussichten in unserer Stadt sind dafür allerdings mehr als dünn, und sie ist weder bereit in ein anderes Tätigkeitsfeld zu wechseln, noch dafür eine gewisse Strecke zu fahren (ihr Standard-Argument: es lohnt sich nicht).
Zum anderen um ihre sehr labile Verfassung. Vor fünf Jahren verfiel sie innerhalb weniger Monate in eine Zwangserkrankung, von der sie sich mit Hilfe einer Psychotherapeutin (allerdings auch mit Hilfe von Psychopharmaka) weitestgehend wieder befreien konnte. Der eigentlichen Ursache war man dabei nicht ganz auf den Grund gekommen, höchtswahrscheinlich rührt es aber vom Elternhaus her, was sich auch sonst in einem übermäßig ausgeprägten Pflicht- und Verantwortungsbewusstsein äußert.
Und schließlich ihren Pessimismus, in einer Ausprägung, der sie aus Kleinigkeiten heraus Katastrophen-Szenarien entwickeln lässt, aus denen man problemlos Stoff für einen apokalyptischen Psychothriller gewinnen könnte. Zum Beispiel meint sie bereits bei kleinsten finanziellen Schwierigkeiten, dass alles auf dem Spiel steht und man keinen Cent für Unnötiges ausgeben darf, nur die günstigsten Sonderangebote einkaufen, bloß keinen Kilometer mehr als nötig fahren usw.
Ein weiteres Problem: Wir haben uns beide in den 20 Jahren, in denen wir zusammenleben, unterschiedlich entwickelt. Als sich z.B. bereits vor ca. 10 Jahren abzeichnete, dass die Versuche, Kinder zu bekommen, wohl erfolglos bleiben werden, hat sie sich nicht mal ansatzweise darum gekümmert, sich beruflich weiter zu orientieren - obwohl ich sie dazu zu ermuntern versucht habe.
Die Erziehungsmuster aus ihrem Elternhaus ließen sie völlig in der Rolle der treusorgenden Ehegattin verharren, die für sich keine Ansprüche stellen darf und mir (ich zu dieser Zeit leitender Angestellter mit permanenter Arbeitsüberlastung und 11-Stunden-Tag) den Rücken freihalten muss. Ich habe mehrmals versucht, ihr dieses bewusst zu machen, sie dazu zu bewegen, mehr auch ihr eigenes Leben in die Hand zu nehmen. Das versuche ich bis heute, leider ohne Erfolg. In ihrer Rolle sah sie sich noch mehr bestätigt, als ich mich vor 7 Jahren selbstständig gemacht hatte (was mehr aus einer Notwendigkeit entstand denn geplant war) und in den ersten 2 - 3 Jahren die Einkommensverhältnisse dadurch noch recht bescheiden waren - sie musste ja ihrer Meinung nach unbedingt die 500 Euro dazuverdienen, um das Überleben zu sichern, und meinte sich deshalb keine berufliche Veränderung leisten zu können ...
Während ich also in den letzten 20 Jahren ständig an mir gearbeitet habe, mich dabei auch viel mit Persönlichkeitsentwicklung, Zeit- und Zielmanagement, Erfolgsstrategien etc. befasst habe, ist sie das geblieben, wie ich sie heute jeden Tag und jeden Abend sehe: Pflichtbewusst und mit übertriebener Sorgfalt ihrer Hausarbeit nachgehend, ständig über nervliche Anspannungen klagend, in Selbstmitleid ob ihrer (aus ihrer Sicht ausweglosen) beruflichen Situation zerfließend.
Ich habe ihre psychische Erkrankung mit durchgestanden, ihr die ganzen Jahre beigestanden, nehme immer wieder Rücksicht auf ihre Befindlichkeiten - und komme allmählich an einen Punkt, an dem ich nicht mehr kann, nicht mehr will, nur noch aus dieser Beziehung raus will, weil ich das Gefühl habe eine Schlinge um den Hals zu tragen, sobald sie in meiner Nähe ist.
Sie hat keinerlei Interesse, das Leben weiterzuentwickeln, bevorzugt im Fernsehen Doku-Sendungen, die von Leuten handeln, die sich total runtergewirtschaftet haben. Sie richtet ihre Aufmerksamkeit auf alles, was mit Misserfolg, Leid, Schwächen, Armut zu tun hat. Ich bin durch meine selbstständige Tätigkeit dagegen auf Erfolg und alles Aufbauende ausgerichtet. Es gibt bei uns kaum mal ein Gesprächsthema, das wirklich über das rein Existenzielle hinausgeht. Sobald ich versuche (und dies in letzter Zeit immer häufiger und nachdrücklicher), sie zu einer Neuorientierung in ihrem Leben zu bewegen, kommt stets dieselbe Leier wie schon immer: "Was soll ich denn bloß tun"? Und wenn ich dann für sie auch keine Lösung weiß (was zugegebenermaßen auch nicht einfach ist, wenn sie sich nicht zu etwas radikalem entschließt), sieht sie sich bestätigt, dass es für sie keinen Ausweg gibt. Hinzu kommt z.B. noch, dass sie ständig an jeder Ecke des Hauses etwas auszusetzen hat - für mich sind dies alles nur Ausflüchte und Ausdruck ihrer Unzufriedenheit mit ihrem Leben.
Also geht man dann wieder zur Tagesordnung über. Trotz allem haben wir (oberflächlich betrachtet) eine gut funktionierende Alltagsbeziehung. Allerdings führen wir praktisch ein Zusammenleben auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner. Es funktioniert nach meiner Meinung auch nur deshalb, weil ich mich immer wieder auf sie einlasse, ihre Tiraden mehr oder weniger über mich ergehen lasse, sie zu unterstützen versuche. Das Fatale ist, dass ich ihr im Grunde nichts vorwerfen kann - was das "praktische" Zusammenleben betrifft, also z.B. Umgang mit Geld, Haushalt usw. - außer dass ich mich in dieser Beziehung zu Tode langweile. Das Thema Sex erwähne ich hier erst gar nicht ...
Ich würde ihr manchmal am liebsten an den Kopf werfen, dass jeder Andere sie schon längst verlassen hätte. Allerdings fühle ich mich auch mitschuldig an der Situation, weil auch ich nie etwas Durchgreifendes unternommen habe, um an der Beziehung zu arbeiten. Wir sprechen zwar offen über Probleme und Konflikte, sind auch in der Lage, gemeinsam Lösungen zu entwickeln, und doch lebt man unglücklich nebeneinander her.
Ist es ein Egoismus meinerseits, der mich ausbrechen lassen will? Ich fühle mich nur noch als ihr Lebensberater und Auskotzeimer für ihren Seelenmüll. Mache ich mich zum Trottel, weil ich nicht schon längst gegangen bin? Oder trage ich mit Schuld an der Situation, weil ich zu sehr ihre Haltung dulde? Aber ist sie wiederum nicht für ihre Situation weitgehend selbst verantwortlich? Wäre möglicherweise der Gang zur Paarberatung ein sinnvoller Weg, um diesen Kreis zu durchbrechen?
Wer mir dazu einen erhellenden Gedanken geben kann, dem bin ich äußerst dankbar.
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