Bei meinem ersten Kaiserschnitt vor drei Jahren bekam ich keine Schmerzbetäubung. Die Geburt verlief nicht gut, deshalb Wehenhemmer, Wehentropf, PDA... (über den ganzen Einsatz lässt sich streiten, doch darum geht es mir nicht). Mit der gelegten PDA sollte ich "Gymnastik" machen und mich bewegen. Mir scheint, als wäre dabei der PDA-Katheter verrutscht. Als die Entscheidung zum sekundären sectio fiel (keine besondere Dringlichkeit), bemerkte ich, dass mit der PDA etwas nicht stimmte. Die Anästhesie wurde von einer Assistenzärztin gemacht, damals noch keine Fachärztin. Sie wollte mich wohl möglichst schnell vorbereiten, das OP-Team wartete...
Die Narkose für die OP wurde über den bestehenden Katheter verabreicht. Die Narkosewirkung wurde über mein Kälteempfinden getestet. Ich gab an, keinen Unterschied zu spüren. Nach mehrmaliger Wiederholung des Tests und ungeduldigem Nachfragen gab ich an, dass es vielleicht einen Unterschied gäbe, ich den aber nicht bemerkte, weil ich inzwischen sehr fror. Daraufhin wurde ich in den OP gebracht und galt als betäubt. Meine Beine konnte ich noch bewegen. Danach ging alles sehr schnell: Das Zupfen des Operateurs auf der Haut spürte ich deutlich und überraschend schmerzhaft, war aber so perplex dass ich erstmal nichts sagen konnte. Ich wartete auf eine Nachfrage der Anästhesistin, ob ich was gespürt hätte, sie war aber mit anderen Dingen beschäftigt. Den Hautschnitt spürte ich ebenfalls sehr schmerzhaft und sagte das dann auch. Ich dachte noch, lieber sachlich sagen und nicht schreien, dann glaubt man dir eher. Dem war nicht so. Die Antwort der Anästhesistin: "Sie spüren da nur einen leichten Druck, das ist kein Schmerz. Wir haben längst angefangen und sie habens nicht gemerkt." Die OP wurde fortgesetzt. Ab diesem Moment konnte ich nur schreien. Nach einiger Zeit eine Unterbrechung der OP für ein paar Minuten, in denen die Narkoseärztin einen Kollegen herbeirief, ansonsten aber mit der Situation überfordert war und lediglich etwas über den Katheter nachspritzte, was natürlich nicht viel brachte. Die OP musste dann fortgesetzt werden, weil mein Kind in der Zeit nicht überwacht werden konnte. An meiner Situation hat sich nichts geändert. Ich möchte nicht schildern, wie ich die weitere OP überstehen musste. Außer meinem Mann, der versuchte, mich zum Luft Holen zu bewegen, redete niemand mit mir. Dabei war ich ausgesprochen aufnahmefähig und konzentriert, kann mich jetzt noch an den Wortlaut dessen erinnern was im OP gesprochen wurde. Kurz vor der Geburt meines Kindes kam der Anästhesiekollege dazu, mein Mann wurde rausgeschickt. Er war der erste, der mit mir redete: Ich hätte es gleich geschafft, die Schmerzen würden gleich nachlassen. Erst in dem Moment, als mein Kind geboren war, bekam ich ein starkes Schmerzmittel, das mich auf einen Schlag sehr benommen machte. Das Verschließen der Wunde spürte ich ebenfalls schmerzhaft, aber etwas gedämpft; außerdem war ich dabei so weit sediert, dass das nicht mehr so schlimm war.
Ich weiß, die Geschichte klingt unglaublich, hat sich haber so ereignet. Ich möchte betonen, dass ich während der OP keineswegs panisch war, sondern ausgesprochen konzentriert und rational. Ich bin mir absolut sicher, dass ich mir diese Schmerzen nicht eingebildet habe. Ich weiß auch, dass das allen bei der OP Anwesenden klar war: Nach der OP unterhielten sich Anästhesistin und hinzugekommener Kollege in meinem Beisein ausführlich darüber, was denn bei der Betäubung wohl schief gegangen sei. Sie dachten, ich würde schlafen, ich war aber lediglich so ausgelaugt, dass ich mich schlichtweg nicht rühren konnte. Auch mein Mann und die anwesende Hebamme sagten später, dass sie meine Schreie sofort als Schmerz interpretiert hätten. Angst hört sich einfach anders an, wer mich kennt,weiß auch, dass ich bei Angst sicher nicht auf diese Weise reagiert hätte.
Alle Versuche, mit den Beteiligten klärende Gespräche zu führen sind gescheitert. Auf direkte Fragen an die Anästhesistin bekamen wir zynische Antworten von ihrem Vorgesetzten (Von: Sie hätten halt schon beim Zupfen was Sagen sollen, über : Der Bauchraum ist ja recht schnell eröffnet, und dann haben Sie das Schlimmste ja eh schon überstanden, bis zu: es ist ja bekannt, dass sich Frauen bei einer sectio in einer extremen psychischen Lage befinden, da kann man so etwas schon mal übersteigern...
Ein Schiedsverfahren vor der Landesärztekammer ging ebenfalls schief. Alle beteiligten Ärzte machten völlig wiedersprüchliche schriftliche Aussagen über den Ablauf und erschienen aus den verschiedensten Gründen nicht zum Besprechungstermin, so dass
meine Aussage, ich hätte von Anfang an Schmerzen empfunden, nicht bewiesen und nicht widerlegt werden konnte. Also wurde festgehalten, dass es ein Fehlverhalten gegeben hätte, wäre meine Version belegbar. Da dies aber nicht der Fall sei, gehe man nicht von einem Fehlverhalten der Ärzte aus.
Mir geht es absolut nicht darum, irgendwelche Ärzte in Schwierigkeiten zu bringen. Schon gar nicht die junge Ärztin, die mit der OP von Anfang an überfordert war. Mir wäre es sehr wichtig, die Augen der Klinik für ihren Kommunikationsstil mit Patienten zu schärfen. Sowohl vor, während als auch in der ganzen Zeit nach der OP lief hier einiges schief.
Jetzt meine Fragen:
- Halten Sie es für sinnvoll, nach der Zeit, die jetzt verstrichen ist, noch einmal mit diesem Anliegen an die Klinik heranzutreten? Ich will niemandem einen "Ärztefehler" nachweisen, aber zeigen, wie wichtig es ist, Patienten zuzuhören und ernst zu nehmen. Der Schiedsspruch der Ärztekammer beinhaltete auch, dass die Leitung der Abteilung Anästhesie auf mich zukommen sollte, um mit mir meine Fragen zu klären, was sie nie getan hat.
- Stimmt es, dass Anästhesisten einem Patienten, der sich während einer OP über Schmerzen beklagt, grundsätzlich sagen, da wäre nichts, um Panik zu verhindern?
- Wer überprüft denn die Reaktion eines lokal betäubten Patienten, wenn zur Kontrolle noch einmal gezupft wird - der Chirurg oder der Anästhesist?
- Ist es ein üblicher und sinnvoller Test, einer vermeintlich betäubten sectio-Patientin zu sagen, sie solle von der Liege auf den OP-Tisch umsteigen? Ich konnte meine Beine noch bewegen, war aber nicht imstande, mich zügig aufzurichten, weil ich wegen Schlafmangel/langer Geburt kraftlos war/Schwindel hatte. Wäre es nicht sinnvoller, ganz direkt nach der Beweglichkeit der Beine zu fragen oder es ausprobieren lassen. Bei so einer Anweisung "zum Schein" fühl ich mich auch im Nachhinein als Patient nicht ernstgenommen
- Dürfen Anästhesisten, die aufgrund ihres Ausbildungsstandes Schwangere nicht intubieren dürfen und deshalb auch keine Vollnarkose machen können, eine sekundäre sectio als einziger Anästhesist betreuen?
- Kommt es vor, dass PDA-Katheter nach längerer Verweildauer und viel Bewegung verrutschen können und wirkungslos werden?
Dazu hab ich ganz widersprüchliche Aussagen bekommen.
Ich habe aufgegeben, auf ein Zeichen der Entschuldigung zu hoffen, auch wenn mir das sehr helfen würde und mir manches Leid erspart hätte. Die Abwiegelungstaktik, die die Ärzteversicherungen ihren Ärzten aufzwingen, ist für Betroffene sehr verletzend. Aber ich kann diese Praktik verstehen.
Die Klärung einzelner sachlicher Fragen - ein Zeichen der Klinik, das wenigstens dieses Anliegen ernst genommen wird - wäre ein kleiner Ersatz dafür.
Wie schätzen Sie das als Arzt ein - lohnt es sich, dafür Kraft zu investieren?
Aennea
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