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Klaustrophobie -> Magenprobleme?

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  • Klaustrophobie -> Magenprobleme?

    Hallo,

    ich habe folgendes Problem:
    Fast immer wenn ich in geschlossenen Räumen mit mehreren Menschen bin bekomme ich Magenprobleme. Diese Erinnern stark an Sodbrennen: Druck auf den Magen, Unwohlsein, Gefühl sich Erbrechen zu müssen (ohne dies zu tun), ab und an auch Kreislaufprobleme.

    Besonders häufig tritt das in folgendes Situationen auf:
    - beim Bahn- oder Busfahren.
    - In Konzert- und Theatersälen
    - auf dem Rücksitzt von PKWs

    Mittel zur Säurehemmung helfen zumeist nicht, ja manchmal haben sie die Situation nur noch verschlimmert.

    Reiseübelkeit kann es doch auch nicht sein, da es ja auch in verhältnismäßig überfüllten Räumen stattfindet.

    Gibt es evtl. eine Art Klaustrophobie die sich auf den Magen ausschlägt?
    Was könnte sonst die Ursache sein?

    Vielen Dank im voraus!


  • RE: Klaustrophobie -> Magenprobleme?


    Die phobische Störung gliedert sich schematisch in folgende diagnostische Untergruppen:

    - Agarophobie mit und ohne Panikstörung
    - Soziale Phobien
    - sepzifische (isolierte) Phobien

    Definition
    Im Gegensatz zur diffusen und körpernahen Angst der Angstneurose, welcher sich die Patienten meist hilflos ausgeliefert fühlen, beziehen sich Phobien auf Objekte oder Situationen, die als bedrohlich oder ängstigend erlebt werden.

    Für viele Phobien ist dabei kennzeichnend, dass die davon betroffenen Patienten die Unangemessemheit ihrer Furcht (bzw. Bedrohungen) durchaus anerkennen, ihre Angst aber durch keine noch so vernünftige Argumentation gemindert werden kann. In diesem Sinne ist die phobische Reaktion als neurotisches Symptom zu verstehen, bei dem im Gegensatz zur Angstneurose eine deutlich bessere Angstbindung erreicht da ja prinzipiell durch gezieltes Vermeidungsverhalten die drohende Angst erfolgreich abgewehrt werden kann. Harmlose Phobien (z. B. vor Spinnen, Nagetieren usw.) sind in der Bevölkerung weit verbreitet, jedoch klinisch kaum von Bedeutung.
    Hatte man früher zunächst versucht, die Phobien mit zahlreichen griechischen beziehungsweise lateinischen Bezeichnungen nach dem auslösenden Gegenstand oder der auslösenden Situation zu katalogisieren, hat sich in den gegenwärtigen Klassifikationssystemen eine Gliederung durchgesetzt, die maßgeblich auf den Einfluss von Marks zurückgeht. Dieser unterschied zwei Gruppen:
    - Agoraphobie, soziale Phobien und isolierte Phobien
    - Krankheits- beziehungsweise Zwangsphobien
    Bei der ersten Gruppe bestehen überwiegend externe Angst auslösende Reize, bei der zweiten Gruppe dagegen interne. Die Agoraphobie wird zwar klassifikatorisch den einfachen Phobien zugeordnet, ist aber allein schon Phänomenologisch deutlich von diesen unterschieden.

    Agoraphobie leitet sich vom griechischen Begriff agora (Marktplatz) her, womit ausgedrückt werden soll, dass eine irrationale Furcht vor öffentlichen Plätzen beziehungsweise Menschenansammlungen besteht. Der agoraphobe Patient vermeidet typischerweise soziale Situationen wie Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln, Einkaufen in Kaufhäusern oder Supermärkten, aber auch Schlangestehen, Fahrstuhlfahren oder Fahren mit dem eigenen Auto.

    Das heutige Konzept der Agoraphobie schließt (aufgrund faktorenanalytischer Untersuchungen von Marks) viele Phänomene der Klaustrophobie (Angst ein- oder abgeschlossen zu werden) mit ein. Agoraphobe Patienten können meist recht gut beschreiben, dass sie in der Öffentlichkeit vor allem befürchten, hilflos einem Angstanfall ausgeliefert zu sein, was entweder mit intensiver Scham verbunden ist (was werden die anderen von mir denken?) oder mit der Befürchtung, dass sie damit allein gelassen werden (niemand kommt, um zu helfen). Häufiger befürchten sie auch, dass es ihnen in der Öffentlichkeit schwindelig wird und sie umfallen könnten. Tatsächlich geschieht dies aber, wenn überhaupt, nur sehr selten. Bei der Mehrzahl agoraphober Patienten setzt die eigentliche agoraphobe Vermeidungsreaktion nach dem erstmaligen Auftreten eines Angstanfalls ein, wobei der Ort oder die Situation, bei dem dies geschah, vermieden wird in der Hoffnung, dadurch neuerlichen Angstanfällen entgehen zu können. Viele Agoraphobiker fühlen sich in Begleitung eines Partners oder manchmal auch nur einer symbolischen Repräsentanz, einer Schutz gebenden Instanz (z. B. Hund oder das Angst lösende Arzneimittel, das vom Arzt verschrieben worden ist) sicherer und können dann auch Angstsituationen tolerieren, denen sie sich allein nicht gewachsen fühlen.
    Im Verlauf der Erkrankung entwickelt sich oft eine chronifizierte und anhaltende Angst vor der Angst, was in Abhängigkeit von der persönlichen Angsttoleranz zu sehr schwerwiegenden sozialen Beeinträchtigungen führen kann- manche agoraphoben Patienten trauen sich dann praktisch nicht mehr aus der Wohnung und sind ganz auf die Hilfe anderer angewiesen.

    Bei den sozialen Phobien steht im Vordergrund, dass die Aufmerksamkeit beziehungsweise kritische Beobachtung durch andere Menschen situativ gefürchtet wird. Der gemeinsame Nenner dieser Angststörungen ist, dass der Angsteffekt nicht mehr vollständig in der phobischen Symptombildung gebunden werden kann, was darauf hinweist, dass hier eine weitergehende Ich strukturelle Labilität beziehungsweise Schwäche zugrunde liegt (ähnlich wie bei der Angstneurose).
    Anonyme große Menschenmengen werden im Gegensatz zum Agoraphobiker nicht so sehr als bedrohlich erlebt, da hier die gefürchtete Situation der persönlichen Nähe zu einzelnen Menschen weitgehend entfällt. In die Gruppe sozialer Phobien fallen auch Ängste vor anderen zu erröten (Erythrophobie), öffentlich zu essen, vor anderen zu sprechen oder zu schreiben, um nur die bekanntesten Symptome aufzuzählen. Durch die konsequente Vermeidung dieser spezifischen Situationen wird in der Regel Angstfreiheit erreicht. Soweit nicht schwerwiegende soziale Folgen zu befürchten sind, nehmen viele Patienten mit sozialen Phobien diese Einschränkungen in Kauf und sind für psychotherapeutische Interventionen kaum motivierbar. Solche Patienten sind lieber bereit, sehr zurückgezogen zu leben und möglichst auch sozial isolierende Berufe zu ergreifen.

    Bei den einfachen Phobien handelt es sich um eine Vielzahl klar eingrenzbarer Situationen oder spezifischer Objekte, wie zum Beispiel Tierphobien (Zoophobien), Höhenängste (Akrophobie), Ängste vor Gewitter, Feuer, Wasser (Schwimmen) usw.
    Soweit diese Situationen oder Objekte vermieden werden können, erreicht der phobische Patient Angstfreiheit. Nur selten kommt es zu einer Generalisierung in dem Sinn, dass immer mehr Objekte oder Situationen. die symbolisch-assoziativ in Beziehung zum ursprünglichen phobischen Auslöser stehen, ebenfalls angstauslösend werden, ein Phänomen, das dagegen häufiger bei der Agoraphobie zu beobachten ist. Bei den bisher skizzierten Phobien kann durch Vermeidung weitgehend Angstfreiheit erreicht werden. Bei den Ängsten beziehungsweise Befürchtungen, die sich auf den eigenen Körper, dessen Organe oder mögliche Krankheiten beziehen, gelingt indes die Vermeidung nicht mehr vollständig, das heißt, es besteht anhaltend mehr oder weniger starke Angst, die sich bis zu Angstanfällen steigern kann (häufig z. B. bei der sog. Herzangstneurose). Dazu zählt zum Beispiel die Dysmorphophobie, bei der der Patient unter der quälenden und oft ans Wahnhafte grenzenden Befürchtung leidet, in der eigenen körperlichen Erscheinung missgebildet zu sein (z.B. Haut, Nase, Kopfform usw.). Bei den krankheitsbezogenen Ängsten (z. B. Karzinophobie) ist eine phobische Vermeidungsreaktion ebenfalls nicht mehr möglich und wegen des hohen Leidensdrucks für die Patienten (und deswegen auch vielfach für die konsultierten Ärzte) nur schwer erträglich. Vielfach bestehen hier Überschneidungen mit hypochondrischen Entwicklungen.
    Die Abgrenzung der Krankheitsphobien von den Hypochondrien ist uneinheitlich und fließend. Definitionsgemäß werden krankheitsbezogene Angstüberattacken eher der Phobie und die chronische Sorge um die Gesundheit mit Ritualen und Interessenverschiebungen (z. B. intensive Lektüre einschlägiger Fachliteratur) eher der Hypochondrie zugeordnet.
    Schließlich sind noch Ängste zu erwähnen, bei denen der (oft zwanghaft einschießende) Impuls gefürchtet wird, andere beispielsweise mit einem Messer oder spitzem Gegenstand zu verletzen (Blaptophobie) oder sie zu beschmutzen. Hier bestehen fließende Übergänge zu zwangsneurotischen Symptombildungen (z. B. bei Ängsten, sich zu beschmutzen oder von anderen "angesteckt" worden zu sein), denen häufig Konflikte mit aggressiven Phantasien beziehungsweise Impulsen zugrunde liegen.

    Eine vergleichbare Nähe zur zwangsneurotischen Symptombildung besteht bei der kontraphobischen Vermeidung, bei der zwanghaft immer wieder gerade diejenigen Situationen aufgesucht werden, vor denen sich die Patienten in Wahrheit besonders fürchten. Hierbei empfinden viele der kontraphobischen Patienten keine oder nur geringe Angst, manche kontraphobischen Patienten wirken so, als müssten sie geradezu jede Art von Angst bei sich verleugnen (was sie erfahrungsgemäß für psychotherapeutische Interventionen nur sehr schwer, wenn überhaupt zugänglich macht). Durch ihre aktive Form der Abwehr bewältigen kontraphobische Menschen ihre Ängste zwar insgesamt besser, sind statt dessen aber anfällig dafür, Belastungs- und Gefahrsituationen erheblich zu unterschätzen (und sich dadurch ernstlich zu gefährden). Häufig sind sie "Aktivisten", die zwanghaft jede Muße vermeiden müssen, was ihre sozialen Beziehungen zu anderen sehr belasten kann.

    Bei der amerikanischen ECA-Studie ergab sich eine Lebenszeitprävalenz von insgesamt 14,7% für klinisch relevante Phobien, wobei aber die Prozentrate von schwächer ausgeprägte Phobien sicher erheblich höher liegen dürfte. Speziell für die Agoraphobie lagen in der ECA-Studie und in der Münchner Follow-up-Studie die 6-Monats-Prävalenzraten zwischen 2,7% und 5,5% beziehungsweise für die Lebenszeitprävalenz zwischen 3,4 und 9%.
    Bei der Soziophobie werden in der ECA-Studie die 6-Monats- beziehungsweise Lebenszeitprävalenz-Raten mit 2,7 beziehungsweise 3,8% angegeben.

    Entstehung
    Wesentlich zum psychodynamischen Verständnis von Phobien trägt der empirische Befund bei, dass tatsächlich negative Erfahrungen mit dem Angst auslösenden Objekt oder der Angst auslösenden Situation eher selten vorkommen, das heißt eine Phobie nicht einfach dadurch erklärt werden kann, dass irgendwann mit dem Angst auslösenden Objekt eine schlechte Erfahrung gemacht worden ist und seitdem dieses Objekt vermieden wird.
    Im Rahmen psychoanalytischer Behandlungen von Phobien zeigte sich dagegen sehr viel häufiger, dass ihnen eine unbewusste Vorstellung beziehungsweise Phantasie zugrunde liegt, die sich auf eine intrapsychische Gefahrenquelle bezieht (z. B. verpönter Triebimpuls). Diese unbewusste intrapsychische Gefahrenquelle wird nach außen verschoben, wobei die äußere Gefahrenquelle symbolisch die ursprünglich innere Bedrohung repräsentiert. Zwar bleibt bei dieser Abwehroperation der Bedrohungsaspekt des Angst auslösenden äußeren Objekts beziehungsweise der äußeren Situation erhalten, jedoch können diese sehr viel erfolgreicher als intrapsychische Gefahren vermieden werden, was eine deutliche intrapsychische Konfliktentlastung und mittelbar Angstminderung bewirkt.
    Wir haben jedoch (Hoffinann 1999) eine stärkere Betonung physiologischer und verhaltensbezogener Faktoren für die Ätiologie phobischer Störungen vorgenommen und somit den Erklärungswert psychodynamischer Aspekte für die Entstehung dieser Störungen relativiert. Dementsprechend sehen wir auch den Stellenwert psychodynamischer Faktoren im Prozess der Chronifizierung gegenüber dem maladaptiven Lernverhalten als geringer an. So tendiert phobisches Vermeidungsverhalten, insbesondere über Lernprozesse, zur Chronifizierung, wobei es sich auch auf assoziativ ähnliche Objekte beziehungsweise Situationen ausweiten kann. Gerade bei chronifizierten Phobien ist die auslösende Konfliktdynamik pathogenetisch kaum mehr relevant, statt dessen sind maßgeblich lerntheoretische Prinzipien für die Persistenz der Symptomatik verantwortlich.
    Bei vielen psychoanalytischen Autoren bestand lange die Meinung, dass den einfachen Phobien überwiegend abgewehrte sexuelle Triebimpulse beziehungsweise Wünsche auf ödipalem Konfliktniveau zugrunde liegen. Handelte es sich dagegen mehr um die Abwehr aggressiver beziehungsweise antisozialer Strebungen, ergäben sich meist fließende Übergänge zu einer zwangsneurotischen Symptombildung (z. B. Zwangsbefürchtung). Auch aus unserer Sicht nimmt die phobische Abwehr eine Mittelstellung zwischen Hysterie und Zwangsneurose ein, worauf schon Deutsch (1928) hingewiesen hat. Gegenwärtig werden jedoch immer mehr Kasuistiken phobischer Patienten bekannt, bei denen andere als sexuelle Konflikte eine pathogenetisch wirksame Rolle spielten - so zum Beispiel Ängste vor Bloßstellung beziehungsweise Beschämung, aber auch mehr existentielle Ängste wie: sich selbst zu verlieren oder aufzulösen, beziehungsweise: über sich die Kontrolle zu verlieren. Die physiologisch gebahnte natürliche Verunsicherung, die man etwa bei hohen Türmen
    beim Blick in die Tiefe empfindet, kann sich beim Ich-strukturell labilen Patienten rasch zu einer intensiven Bedrohung steigern (dem Sog in die Tiefe), da diese äußere Situation symbolisch an die Brüchigkeit seines Ichs und dessen geringer Angsttoleranz erinnert. Ähnlich ist die Beklemmung, die man in abgeschlossenen engen Räumen empfindet (abgeschnittene Fluchtwege), primär eher physiologisch. Die eigentliche pathologische Angstreaktion entsteht hier erst sekundär durch die assoziative Verkopplung dieser Situation mit der unbewussten ängstigenden Phantasie.
    Wesentlich hierbei ist also, dass nicht wenige Situationen (und Objekte) eine ursächlich physiologische Verunsicherung bedingen und sich darüber vermittelt besonders leicht unbewusste (bedrohliche) Phantasien assoziativ mit ihnen verbinden können.

    Bei der Agoraphobie handelt es sich um die häufigste und meist auch schwerste Form symptomgebundener Ängste, die jedoch insgesamt ein eher uneinheitliches Störungsbild zeigt. Ursprünglich verstand man darunter vor allem eine Angst vor weiten Flächen oder Räumen, gegenwärtig werden eher klaustrophobe Ängste beziehungsweise Ängste vor öffentlichen Plätzen oder Gebäuden mit Menschenansammlungen einbezogen, wobei fließende Überschneidungen mit mehr sozialen Ängsten (z. B. vor Ansteckung) bestehen.
    Die agoraphobe Symptomatik beginnt oft mit einem akuten Angstanfall, wobei aber häufig zunächst nur dessen somatischen Äquivalente beziehungsweise Korrelate wahrgenommen werden (z. B. vegetative Symptome wie Schwindel, Benommenheit, Kreislaufbeschwerden, Herzsensationen usw.). Bei etwa 60 % der agoraphoben Patienten (Garssen et al. 1983) lässt sich ein Hyperventilationssyndrom nachweisen, wobei sie aber ihre Fehlatmung oft nicht wahrnehmen (wohl aber deren physiologisch auftretenden Folgesymptome katastrophisch fehlinterpretieren). Treten mehr herzbezogene vegetative Symptome auf, kann sich die Agoraphobie zur Herzangstneurose entwickeln.
    Wegen der auffälligen Ähnlichkeit der agoraphoben Symptomatik mit der Angstneurose plädierte vor allem Bowlby (1976) dafür, die Agoraphobie als Sonderform der Angstneurose aufzufassen.
    Beim agoraphoben Patienten ist nicht der phobische Abwehrvorgang der Verschiebung (s. o.) pathogenetisch wirksam, sondern die Abwesenheit oder der Verlust einer Bezugsperson oder einer anderen Sicherheit gebenden Basis, auf die man sich zu bewegen würde. Bowlby bezeichnet daher konsequenterweise die Agoraphobie als Pseudophobie, da psychodynamisch ja nicht die phobische Vermeidung im Vordergrund steht, sondern die (existentiell erlebte) Angewiesenheit auf eine Schutz gebende Bezugsperson.
    In diesem Sinn hat also der agoraphobe Patient nicht eigentlich Angst vor öffentlichen Plätzen, Gebäuden oder Menschenansammlungen, sondern vermisst dabei vielmehr die Nähe eines Menschen, der ihm Schutz und Sicherheit vermittelt.
    Von daher wird verständlich, warum viele Agoraphobiker solche Angstsituationen besser ertragen können, wenn sie von Bezugspersonen begleitet werden. In diesem Zusammenhang ist noch zu erwähnen, dass auch den kindlichen Schulphobien nach Bowlby (1976) eher Bindungskonflikte zugrunde liegen, sie also psychodynamisch gesehen deutlich von den einfachen Phobien abzugrenzen sind. Insgesamt spricht vieles dafür, dass bei der Agoraphobie wie bei der Angstneurose erhebliche Ich strukturelle Einschränkungen bestehen (insbesondere wenig Autonomie bzw. Selbstsicherheit erreicht werden konnte), was auf Entwicklungsstörungen wie ausgeprägte kindliche Bindungsverunsicherung durch ambivalentes Elternverhalten hindeutet (Bowlby 1976; Silove et al. 1991).
    Zusammenfassend sprechen die Befunde der meisten genetischen Studien für die psychodynamische Hypothese von Bowlby, die Agoraphobie nicht als eine besondere Untergruppe der Phobien, sondern als spezielle Form der Angstneurose zu betrachten (Noyes et a1.1986), bei der es den Patienten gelungen ist, ihre Ängste gewissermaßen mehr phobisch zu organisieren.

    Die Verlaufsprognose ist zumindest für die Gruppe der klinisch bedeutsamen Phobien ohne adäquate Behandlung vergleichbar ungünstig wie bei der Angstneurose einzustufen (Coryell et al. 1983; Schapira et al. 1972).
    In der Münchner Follow-up-Studie (Wittchen 1986) zeigte sich für die Agoraphobie, dass nach sieben Jahren etwa 90 % der erstmals untersuchten Patienten weiterhin eine agoraphobe Symptomatik aufwiesen.
    Aus neurophysiologischer Sicht sprechen einige Befunde dafür, die Agoraphobie als eine schwere Verlaufsform der Panikstörung anzusehen. Eine hereditäre Komponente gilt wie bei der Panikstörung als gesichert. Frauen sind im Verhältnis von etwa 4 zu 1 häufiger als Männer betroffen (Eaton et al. 1991; Noyes et al. 1986).
    Kendler et al. (1992) kommen in einer umfangreichen Studie zu dem Resümee, dass die Agoraphobie im Vergleich zu den einfachen Phobien einen deutlich späteren Krankheitsbeginn aufweist: Sie hat einen Häufigkeitsgipfel zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr, Tierphobien treten demgegenüber gehäuft schon im Vorschulalter auf.
    Darüber hinaus besitzt die Agoraphobie eine hohe Komorbiditätsrate (z. B. mit Depression) sowie eine bedeutsame hereditäre Komponente (bis 12% bei Verwandten ersten Grades). Die Soziophobie nimmt hinsichtlich dieser Kriterien dagegen eher eine Mittelstellung ein.
    Für die Soziophobie wurden Remissionsraten von 27% bei einer durchschnittlichen Krankheitsdauer von etwa 19 Jahren (!) berichtet (Davidson et al. 1993), bei den unbehandelten einfachen Phobien ist mit vergleichbaren Zahlen zu rechnen. Sofern letztere nur gering ausgeprägt sind, nehmen die davon betroffenen Patienten erfahrungsgemäß kaum psychotherapeutische Hilfe in Anspruch, was natürlich die Chronifizierung der phobischen Symptomatik sehr begünstigt.
    Der Lebenserfahrung und der klinischen Beobachtung entspricht die Annahme, dass zahlreiche subklinische Phobien (in meiner Jugend hatte ich mal eine zeitlang Angst vor dem Autofahren ...) ebenso rasch wieder verschwinden, vermutlich durch erfahrungsbedingte Extinktion, wie sie aufgetreten sind.

    Bei der Psychotherapie phobischer Ängste ist zunächst abzuklären, ob es sich differentialdiagnostisch um einfache oder komplizierter strukturierte Phobien handelt, wobei bei letzteren fließende Übergänge zur Angstneurose bestehen. Viele Patienten mit einfachen Phobien wollen eine rasche Symptomentlastung und sind eher selten an einer aufdeckenden Psychotherapie interessiert. Für solche Phobiker ist eine ausschließlich symptomorientierte Verhaltenstherapie Behandlung der ersten Wahl, da deren praktisches Vorgehen dem Bedürfnis dieser Patienten nach gezielter Symptombeseitigung gut entspricht und deren Wirksamkeit hierfür gesichert ist. Viele einfache Phobien sind mit Verhaltenstherapie vergleichsweise rasch und auch anhaltend erfolgreich zu behandeln.
    Ansonsten kann je nach Einbezogenheit der Gesamtperson in die Psychodynamik sowie Introspektionsfähigkeit und Motivation der Patienten auch niederfrequente Psychotherapie (eine Sitzung wöchentlich im Sitzen) bis hin zum psychoanalytischen Standardsetting (drei bis vier Sitzungen wöchentlich im Liegen) empfohlen werden. Bei der Agoraphobie ist neben Verhaltenstherapie als erster Wahl auch eine psychodynamisch orientierte Psychotherapie angezeigt, wobei man im wesentlichen mit den gleichen therapeutischen Schwierigkeiten zu rechnen hat, wie sie generell bei der Psychotherapie von angstneurotischen Patienten auftreten.
    Bei der Soziophobie zeigen sich ebenfalls häufiger deutliche Überschneidungen mit der Angstneurose: Es bestehen öfters weitergehende Ich strukturelle Störungen, weshalb auch hier eine längerfristige psychodynamisch orientierte Psychotherapie indiziert erscheint (soweit der Patient sich seinerseits darauf einlassen möchte). Grundsätzlich sollten gerade bei der psychodynamisch orientierten Psychotherapie phobischer Störungen auch Angst konfrontierende beziehungsweise übende Elemente integriert sein - etwa verbunden mit der Aufforderung, über die eigenen Empfindungen, Phantasien und Assoziationen während der Konfrontation mit dem phobischen Stimulus später mit dem Therapeuten zu sprechen. Diese Empfehlung ist keineswegs neu, bereits Freud hatte 1919 entschieden darauf hingewiesen, daß man den Patienten aktiv dazu auffordern muss, sich mit der Angst auslösenden Situation (bzw. dem angstauslösenden Objekt) zu konfrontieren, andernfalls die freie Assoziation kein konfliktrelevantes Material für die Psychoanalyse zutage fördert, mit anderen Worten:
    Die psychoanalytische Behandlung droht zu stagnieren oder gar zu scheitern, wenn es nicht gelingt, den Patienten zur Aufgabe oder wenigstens Lockerung seiner phobischen Vermeidungshaltung zu bewegen, die auch auf der Ebene der Übertragungsbeziehung beziehungsweise freien Assoziationen die symptombedingenden konflikthaften Themen auszusparen versucht.
    Eine über Monate sich hinziehende psychoanalytische Therapie gleich welcher wöchentlicher Stundenfrequenz, die nicht zur deutlichen Rückbildung des phobischen Vermeidungsverhaltens führt, muss ausnahmslos hinsichtlich ihrer Indikationsstellung überprüft werden (Freud 1919, S. 191:
    Man wird kaum einer Phobie Herr, wenn man abwartet, bis sich der Kranke durch die Analyse bewegen lässt, sie aufzugeben.).
    Da es in der Psychotherapieforschung deutliche Hinweise dafür gibt, dass es die gleiche Gruppe von Patienten ist, die von allen Formen von Psychotherapie profitiert oder nicht profitiert, kann in jedem Einzelfall auch das alternative Therapieverfahren (psychoanalytisch oder verhaltenstherapeutisch) zum Erfolg führen.

    Fallbeispiel:
    Eine 40jährige Frau trat im Erstkontakt zunächst betont selbstbewusst auf, wirkte im Gespräch dann aber rasch unsicher und ängstlich. Vor etwa 15 Jahren hätte sie im Rahmen ihres Medizinstudiums einerseits hypochondrische Befürchtungen, andererseits aber heftige Ängste vor Spritzen entwickelt - vor allem, wenn sie selbst Patienten Blut abnehmen musste beziehungsweise Spritzen zu verabreichen hatte. Diese Phobie habe sich in der Folgezeit verschlimmert, zunehmend hatte sie die Befürchtung, dass sie Patienten schwer schädigen oder gar töten könnte, indem sie versehentlich ein falsches Medikament spritzte. Im Praktischen Jahr brach sie schließlich das Studium ab, da sie sich keinerlei Kompetenz mehr zutraute, ihre Patienten ärztlich beziehungsweise medizinisch angemessen betreuen zu können. Gegenwärtig kämpfe sie bei der Erziehung ihrer beiden kleinen Kinder damit, dass sie diese vor jeglichen Verletzungen schützen müsse und befürchte, eine heimtückische Erkrankung zu übersehen, die tödliche Folgen haben könnte.
    Biographisch bedeutsam war eine ausgeprägte Rivalität mit ihrem 3 Jahre jüngeren Bruder; bei seiner Gebart reagierte sie erstmals mit phobischen Ängsten. Aus ihrer Sicht war er der bevorzugte Liebling der Eltern; sie habe sich während ihrer Kindheit und Jugend immer wieder vergeblich bemüht, durch Leistung und betont jungenhaftes Auftreten elterliche Anerkennung zu gewinnen. Im Verlauf der Psychotherapie wurde ihr zunächst bewusst, wie sehr sie sich gewünscht hatte, dass ihr Bruder verschwindet, später konnte sie sich eingestehen, dass sie ihn gern am liebsten selbst beiseite geschafft hätte. Das Medizinstudium habe sie vor allem deswegen aufgenommen, um ihrem Vater, der selbst gern Medizin studiert hätte (sich aber wegen vegetativer Labilität diesen Wunsch versagt hatte) zu beweisen, was in ihr steckt.
    Die phobische Symptomatik kam im zeitlichen Zusammenhang mit dem Beginn des Medizinstudiums ihres Bruders auf, der wie schon in der Schule auch als Student mit besten Leistungen glänzte, und sie sich ihm gegenüber neuerlich klein und minderwertig vorkam.
    Dieses Beispiel beschreibt eine phobische Entwicklung mit zunehmender Tendenz zur zwangsneurotischen Symptombildung, wobei psychodynamisch vor allem (unbewusste) Konflikte mit aggressiven Impulsen (Rivalität und Eifersucht) zugrunde liegen.

    Fallbeispiel
    Ein 42jähriger Mann schildert, dass er akut seit etwa einem halben Jahr mit einer panischen Angst vor dem Telefonieren kämpfe. Er könne zwischenzeitlich keine Telefonate mehr führen, was für ihn in seinem Beruf sehr hinderlich sei (er ist Programmierer in einer Versicherung), selbst die bloße räumliche Nähe zu einem Telefonapparat bereite ihm Spannungsgefühle. Er könne sich nicht im geringsten erklären, warum es bei ihm zu dieser Symptomatik gekommen sei; in letzter Zeit befürchte er, dass er vielleicht nicht richtig im Kopf sei. Im weiteren Gespräch ist zu erfahren, dass er als Schüler große Schwierigkeiten gehabt habe, in der Klasse vor anderen zu sprechen (wenn er z. B. vom Lehrer aufgerufen wurde). Er habe diese Unsicherheit aber später im Beruf recht gut in den Griff bekommen. Vielleicht, so räumt er aber ein, habe er unterschwellig schon immer mit dem Gefühl gekämpft, anderen gegenüber unterlegen zu sein.
    In weiteren Gesprächen wurde deutlich, dass er innerlich sehr mit der Vorstellung kämpft, dass ihn im Alter ein ähnliches Schicksal treffen könnte, wie er es bei seinem Vater als Kind erlebt hatte: Dieser sei aus ihm nicht bekannten Gründen nervös und fahrig geworden, habe über lange Zeit deswegen auch Psychopharmaka nehmen müssen. Als Jugendlicher habe er darunter gelitten, dass sein Vater sich immer mehr zurückgezogen habe, auch innerhalb der Familie kaum mehr belastbar gewesen sei. Beruflich hätte sein Vater wohl ebenfalls erhebliche Probleme gehabt, insbesondere hätte er sich gegenüber seinen Kollegen beziehungsweise Vorgesetzten nicht behaupten können. Für den Patienten war zunächst keine Auslösesituation für seine eigene phobische Symptomatik erkennbar, erst später wurde ihm bewusst, dass er sich in seinem Arbeitsgebiet zunehmend überfordert fühlte, mit der rasanten Entwicklung der EDV beziehungsweise Software Schritt zu halten. Er hatte selbst Programme für die eigene Versicherung zu entwickeln, kam aber mit den gestellten Aufgaben zeitlich immer häufiger in Verzug. Da er ein Zimmer für sich allein hatte, kommunizierte er überwiegend telefonisch mit den anderen. Erst jetzt wurde ihm bewusst, wie sehr er bei jedem Telefonanruf befürchtete, dass sein Vorgesetzter oder Kollegen sich bei ihm beschweren, weshalb er so lange mit seiner Arbeit brauche. Die Ängste seiner Kindheit und Jugend, ähnlich wie sein Vater und schließlich von allen überfordert zu werden, reaktivierten sich aufs Neue.

    Phänomenologisch handelt es sich bei diesem Fallbeispiel um eine typische soziale Phobie.

    Kommentar


    • @Bonnie


      das passt ganz gut zur Deiner damaligen Frage zum Unterschied zwischen Tiefen- bzw. Verhaltenspsychologie,
      und an die liebe Frau K., so kann man das mit dem telefonieren auch sehen......

      Kommentar

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