Eine konkrete Frage zum Thema ist mein Beitrag nicht, eher eine Art "Erfahrungsbericht" und Anlaß, anderen Betroffenen in dieser doch etwas peinlichen Situation Mut zu machen.
Seit gut eineinhalb Jahren plagt mich das Thema "Analfissur". Retrospektiv betrachtet, hatte ich auch schon zu meiner Bundeswehrzeit eine akute Episode mit heftigem, stechendem Schmerz und reichlich Blut in der Toilettenschüssel - inzwischen bin ich 40.
Damals wie heute waren der Auslöser mit einiger Sicherheit die oftmals zitierte Schwachstelle auf "6 Uhr, Steißbeinlage" - erschwerend hinzu kamen Verstopfung, Streß, Zeitdruck auf dem Klo und folglich übermäßiges Pressen und im neuerlichen Fall auch unbehandelte Hämorrhoiden 2. Grades.
Während damals die Fissur ohne großartiges Zutun spontan nach etwa 1-2 Wochen abheilte, kam es im aktuellen Fall zu einem mehrmaligen Aufflammen der Symptomatik. In der beschwerdefreien Zeit habe ich einen Proktologen aufgesucht und bin gegen meine Hämorhoiden zunächst mit Verödungen durch Einspritzung einer öligen Flüssigkeit (meiner Erinnerung nach gereinigtes Erdnußöl) und schließlich, da sich keine zufriedenstellende und vor allem langfristige Besserung zeigte, mit einer Gummibandligatur vorgegangen. Dabei werden die vergößerten Knoten in drei Sitzungen einzeln mit einem Gummiband abgebunden - ein etwas unangenehmer aber schmerzfreier Prozeß.
Leider führte auch das nicht zur vollständigen Ausheilung der Fissur, sie wurde chronisch. Durch die z. T. sehr heftigen Schmerzen beim Stuhlgang, die mitunter mehrere Stunden anhielten und auch meine sportlichen Ambitionen sehr stark einschränkten (der salzige Schweiß ist bei einer offenen Wunde am/im Enddarm definitiv kein Zuckerschlecken!) wurde eine recht ausgedehnte Schließmuskelverkrampfung ausgelöst, die auch die verschriebene Nitrosalbe nicht kurieren konnte.
Insbesondere litt ich bei deren regelmäßigen (3-5x täglich) Anwendung unter Kopfschmerzen, auch die Vorgang des "Eincremens" selbst war recht schmerzhaft, der Stuhlgang selbst verständlicherweise erschwert. Kurz gesagt: Ich hatte regelrecht Angst, aufs Klo zu gehen.
Während dieser Zeit begann ich, mich im Internet zum Thema schlau zu machen und erkannte, daß ich weder mit diesem Problem allein war, noch daß es neben "aussitzen" und "regelmäßig eincremen" keinerlei weitere Optionen gab.
Von einer Botoxinjektion war da die Rede, ebenfalls von einer "Fissurektomie" (d. h. die operative Ausschälung der Fissur mit Entfernung der Wucherungen unter Allgemeinanästhesie - auch als "Vollnarkose" bekannt) mit oder ohne angeschlossener Schließmuskeldehnung oder Teildurchtrennung ("Sphinkterotomie").
Die operativen Varianten erschienen mir bei weitem zu invasiv, insbesondere, da man in der einschlägigen Literatur von Stuhlinkontinenzen (meist bei Kombination der Fissurektomie mit der Sphinkterotomie, Stichwort hier das sog. "Schlüssellochphänomen") berichtete und von recht länglichen, schmerzhaften Heilungsverläufen (z. T. mehrere Monate) wegen der bei der prekären örtlichen Lage notwendigen offenen Wundheilung, während derer man regelmäßige Sitzbäder und strenge Hygiene halten muß. Im Berufsleben ein unhaltbarer Zustand. Man hätte mich für einen Monat krankschreiben können.
Ich entschied mich daher für die Botoxinjektion. Allerdings war hierfür der Wechsel meines behandelnden Arztes notwendig - der Vorgänger meinte lapidar "Entweder es hilft nichts oder Sie sind nachher nicht mehr dicht!" und lehnte diese Methode schlicht ab. Eine Operation dieser "Lifestyleproblematik" kam für ihn ebenfalls nicht in Frage, er riet mir zur Umstellung meines Lebenswandels - als ob das so einfach wäre!
Im Beratungsbusiness und als Softwareentwickler arbeitet man nunmal eben vorwiegend sitzend - und mehr als einige Male die Woche die rund 40km via Fahrrad in die Arbeit und regelmäßiges Fitneßtraining ist beim besten Willen nicht drin. Auch kann ich mich nicht unbedingt als Ballaststoffmuffel bezeichnen - im Gegenteil: Ich esse sehr viel Salat, Gemüse und Vollkornprodukte.
Die Botoxinjektion selbst, die nicht durch den Anus sondern von außen in den Schließmuskel erfolgte, war dank der feinen Nadel und wegen des geringen Volumens nur sehr wenig schmerzhaft und ich habe im Folgenden subjektiv eigentlich nur einen recht geringen Unterschied gespürt. Bei der Kontrolluntersuchung einige Wochen später wurde mir aber durchaus ein entspannterer Schließmuskel attestiert, leider wirkte sich daswenig auf mein eigentliches Problem aus.
Die Fissur blieb bestehen und es hatte sich inzwischen eine Vernarbung gebildet, die bei der direkten Manipulation mit Salben sehr schmerzhaft reagierte. Als ich nach weiteren zwei Monaten diese Erkenntnis meinem Arzt vorgetragen habe und der den Riß nochmals zu meinem großen Vergnügen mit dem Instrument betastete, hieß es "Austherapiert. Für Sie kommt nur noch eine Operation in Frage.".
Von der Sphinkterotomie hielt er übrigens überhaupt nichts, auch die Dehnung des Muskels unter Narkose sei wegen der korrekten Wahl der Dosierung gefährlich und daher abzulehnen.
Nach reiflicher Überlegung und angesichts etlicher Horrorberichte und -bilder im Internet entschied ich mich zu einem letzten radikalen, konservativen Anlauf: NULLDIÄT.
Aus der logischen Anschauung heraus sollte eine Wunde (selbst wenn sie chronisch und daher vernarbt und minderdurchblutet ist) besser abheilen können, wenn sie nicht dauernd strapaziert wird. Oder lapidar: Wo nichts hineingeht, kann auch nichts herauskommen.
Ich besorgte mir in der Apotheke eine Packung "Endofalk Tropic" (ein Makrogol mit Mineralien welches man mit Wasser anmischt und auch zu Darmreinigung bei Darmspiegelungen eingesetzt wird), die ich von einer endoskopischen Krebsvorsorgeuntersuchung schon kannte. "Endofalk" kostet um die 15 Euro und ist in Apotheken frei erhältlich.
Da der Darm in meinem Fall nicht blitzeblank sein mußte, taten auch zwei (von acht) Beutel ausreichende Wirkung. Im Zweifel hätte ich eben noch einen Beutel nachgeworfen.
Die nun folgende Fastenphase kann ich nicht anders als "ziemlich hart" beschreiben. Die Kreislaufumstellung des Körpers, verbunden mit Schwäche, Frösteln, Konzentrationsschwierigkeiten und anderen Nebenwirkungen sollte sich nur zumuten, wer 1. über ausreichend Reserven verfügt, 2. seinem inneren Schweinehund Paroli bieten kann und 3. bis auf das Problem an der Kehrseite kerngesund ist.
Ich habe über einen Zeitraum von gut drei Wochen bestenfalls flüssige Nahrung (Wasser, Saft, Tee) zu mir genommen und ein eisernes Kreislauftrainingsprogramm gehalten, um dem übermäßigen Eiweißabbau vorzubeugen. Während der Kur verliert man nämlich nicht nur Fett, sondern bevorzugt Muskelmasse welche man hernach mühevoll wieder aufbauen muß.
Flankierend habe ich die Fissur regelmäßig mit einer weißen Paste namens "Pasta Zinci mollis" behandelt - diese Zinkpaste besteht aus einer Cremegrundlage, feinem Znkoxidstaub und Olivenöl, hält die Haut geschmeidig und wirkt bis zu einem gewissen Grad auch keimtötend (d. h. antiseptisch) und austrocknend.
Gelegentlich mußte ich dann doch das stille Örtchen aufsuchen, möglicherweise waren noch Reste "loszuwerden" oder es handelte sich um Rückstände aus der Darmschleimhaut und/oder Abbauprodukte der Säfte.
Die Resultate:
Schon nach kurzer Zeit ließ das lästige Brennen und schneidende Stechen, das sich nach dem Stuhlgang oft über Stunden Richtung dumpf-pochend-ziehend entwickelte, deutlich nach und ich konnte mit sanften Dehnungsübungen des malträtierten Schließmuskels beginnen. Dafür (d. h. als Gleitmittel) eignet sich ebenfalls die Zinksalbe - wer keine weißen Finger mag, der möge sich der in Apotheken erhältlichen Fingerlinge bedienen und zusätzlich eine Salbe mit Lokalanästhetikum verwenden.
Zwei Wochen später hatte sich auch mein Kreislauf wieder einigermaßen stabilisiert, die Fasterei war mehr und mehr zur "Kopfsache" geworden: Ich mußte einfach der Versuchung widerstehen und mein Sportprogramm beharrlich weiter verfolgen.
Nach ziemlich exakt 22 Tagen war ich 15 Kilogramm leichter geworden (von 85 auf etwa 70, als 188cm großer Mann), ein Teil davon ist freilich auf den komplett entleerten Darm zurückzuführen. Da sich die Fissur in meinem Inneren inzwischen zwar etwas "schwielig" und immer noch empfindlich anfühlte, aber selbst bei forcierter Behandlung nicht mehr schmerzte (wer einmal beim Arzt eine Austastung einer frischen oder chronischen Fissur mit der Sonde erlebt hat, der versteht, was ich meine), entschloß ich, das Fasten zu brechen.
Unter den üblichen Vorkehrungen (Banane, etwas pürierte Suppe, reichlich trinken, später Haferschmelzflocken mit einigen Dörrpflaumen zur Anregung der Verdauung, Joghurt zum Aufbau der Darmflora, dann leichtes, wenig gewürztes Essen, Obst, Gemüse, kein Alkohol) brachte ich mein Verdauungssystem langsam wieder auf Trab. Im Internet gibt es dazu bei Bedarf reichlich Anleitungen.
Als hilfreich hat sich außerdem ein Produkt aus gemahlenen, indischen Flohsamenschalen erwiesen (ein Handelname ist "Mucofalk Orange" - nein, ich mache keine Werbung für diesen Hersteller, das Produkt war eben verfügbar), welches in Wasser aufgelöst wird und dank seiner Quellwirkung zu einer Normalisierung der Stuhlkonsistenz eingesetzt wird. D. h. es hilft bei Durchfall, aber auch bei Verstopfung. Ich nahm Morgens und Abends je ein Glas mit 500ml Wasser und ein bis zwei Meßlöffeln davon.
Natürlich sah ich dem "ersten" Stuhlgang mit einiger Sorge entgegen, schließlich könnte sich die ganze Aktion buchstblich als "Griff ins Klo" erweisen, wenn die Fissur quasi nur in eine stille Phase eingetreten wäre und bei geringster Belastung wieder aufreißen würde.
Das Gegenteil war jedoch der Fall, die Aktion ging vollkommen schmerz- und anstrengungsfrei vonstatten, ich duschte und trocknete meinen Hintern kurz ab und konnte ihn mühelos mit der Zinksalbe präparieren. So leicht hatte ich mir das nicht vorgestellt.
Auch nach zwei Wochen, währendderer ich mir auch mal die eine oder andere Sünde wie Schokolade gönnte (Kakao gilt als verstopfungsfördernd und ist daher nicht unbedingt in so einer Situation ratsam) gab es keine nennenswerten Vorkommnisse - ich schöpfte Mut und wollte die Situation auch beim Proktologen objektivieren.
Der späht durch sein Rektoskop und betastete die Narbe mit der Sonde eingehend, was zwar unangenehm war aber im Vergleich mit den vorangegangenen Erlebnissen quasi einem Spaziergang gleichkam. Das Fazit: Eine "mäßig ausgebildete Vorpostenfalte, eine konsolidierte, leicht wulstige aber insgesamt voll belastbare Narbe und einen normalisierter Sphinktertonus".
Na bitte! Alles im grünen Bereich. Wir diskutierten kurz die Option, zu einem späteren Zeitpunkt die Narbe in örtlicher Betäubung etwas einzuebnen und ggfs. die Vorpostenfalte zu entfernen. Allerdings wäre das in meinem Fall nur ein kosmetisches denn ein hygienisches Problem - ich sollte also fürs erste schlicht abwarten und mich in einem Vierteljahr nochmals vorstellen.
Bis dahin wäre ballaststoffreiches Essen und Entspannung auf dem Pott ohne Zeitnot und eine regelmäßige Massage der Narbe (zur Förderung der Durchblutung und Regeneration) angesagt und ich konnte nach Shake-Hands mit einem Rezept über eine weitere Dose Flohsamenschalen samt Zinkpaste den Heimweg antreten.
Und die Moral von der Geschicht'?
Weder mit vergrößerten Hämorrhoiden noch mit einer Analfissur ist zu spaßen. Meistens kommt letztere mit ersteren im Doppelpack daher und wenn man gegen erstere frühzeitig etwas unternimmt, kann man oft letztere vermeiden.
Trotz des etwas unangenehmen Themas sollte man FRÜHZEITIG den Gang zum Arzt wagen, dort offen berichten und im Dialog Therapiemöglichkeiten erörtern. Sehr oft muß eine frische Fissur mit der zeitigen und richtigen Behandlung nicht chronisch werden und heilt vollkommen komplikationsfrei ab.
Der Schmerzkreislauf Fissur-Stuhlgang-Schmerzen-Schließmuskelverkrampfung-Beschwerden/Angst beim Stuhlgang-übermäßiges Pressen-Schmerzen ist unbedingt zu vermeiden. Heldentum nützt überhaupt nichts, es geht hier um unterbewußte, reflexartige Vorgänge gegen die man mit entspannenden Salben und Schmerzmedikamenten vorgehen kann und muß.
Menschen, die es vertragen, können die von mir durchgeführte Fastenkur versuchen - im aktuten Fall reicht oft schon eine Woche bis 10 Tage um den Schleimhautriß vollkommen abheilen zu lassen. Der regelmäßige ("wohlgeformte") Stuhlgang erfüllt zwar auch eine gewisse (und notwendige) Dehnungsfunktion, verkeimt aber auch die Wunde mit Fäkalbakterien und Verdauungsenzymen was die Wundheilung stört. Im Zweifel kann man auch "manuell" dehnen, man muß sich nur trauen und das rein optische Problem eines weißen Streifens in der Unterhose ignorieren, der Trend geht ja auch wieder zu weißen Schlüpfern...
Im Zweifel steht die Therapie im Vordergrund, Ekel- und Schamgefühle können da getrost zurückstehen. Und, ja, es kann jeden treffen. Personen jeglichen Alters, willkürliche Berufe und beiderlei Geschlechts.
Nur Mut - Heilung _ist_ möglich!
Viel Erfolg!
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