da ich nicht weiss, ob diese interessante Geschichte hier bekannt ist, möchte ich sie mal bringen. Die Kernaussage - dargestellt an der Geschichte der Paviane - liegt darin, dass die typische "kalorienreiche Nahrung aus viel Fett, Eiweiß und Zucker" zu den typischen Zivilisationskrankheiten führt.
Aus: Fränkische Landeszeitung vom 15.7.1999.
"Für den 80köpfigen Trupp von Anubis-Pavianen am Rande des Masai Mara Nationalparks in Kenia brach vor 20 Jahren, zugleich mit dem Touristenboom, das Goldene Zeitalter an. Mitten im Streifgebiet der Affen wurde eine Müllkippe angelegt, weil in den teuren Safari-Hotels so viele Nahrungsmittel übrigblieben. Deshalb bekommen die Tiere dort seitdem Tag für Tag frisches Futter satt und à la carte. Pommes frites, Ketchup und Pudding, Käsebrote, Hühnerbeine, Schinken und Joghurt - die ganze Speisekarte verwöhnter Gäste aus Europa.
Aus Sicht der Affen ist so ein "Tisch-lein-deck-dich" der ultimative "Afrika-Jackpot". Kein Wunder, daß sich die örtliche Gruppe am Rande der Kippe niedergelassen hat. Fett und träge sind die Luxusaffen geworden, nur wenn die dürren Habenichts-Paviane aus der Nachbarschaft sich in die Nähe wagen, verteidigen sie erbittert ihr Eingemachtes.
Als "Garbage-Troop", auf deutsch Mülltruppe, haben die haarigen Fettsäcke das Interesse der internationalen Wissenschaft geweckt: Sie sind wohl die einzigen Affen außerhalb zoologischer Gärten, die sich um ihren
Lebensunterhalt nicht zu kümmern brauchen. Und schließlich sind sie auch lebende Modelle für den Wandel, der sich im Organismus einer uns nahe verwandten Tierart vollzieht, wenn ausschließlich mit dem ernährt wird, was unsere moderne westliche Küche zu bieten hat, und wenn er dies in allem Überfluß, allein gesteuert durchs Lustprinzip tut.
Der amerikanische Forscher Robert Sapolsky begleitet die "Garbage Troop" seit 1978 und kann sie mit den natürlich ernährten Pavianen aus der Nachbarschaft gut vergleichen. Denn da der Trupp pro Kopf rund 50 Prozent mehr "Kampfgewicht" auf die Waage bringt als seine weniger begüterten Nachbarn, schlagen die Stammkunden vom Müllrestaurant jeden Vorstoß der armen Nachbarschaft auf reiche Tafelfreuden ab. So werden die "Reichen" immer dicker, und die "Armen" bleiben, was sie sind. Das Bild der opulenten Völler die wie die Maden im Speck leben, vergleicht Sapolsky mit dem berühmten "Schlaraffenland" von Hieronimus Bosch. (Die mittelalterliche Wortschöpfung bezieht sich auf schlemmende Affen, Schlar-Affen, die als Sinnbild
ungezügelter Maßloßigkeit und Sinnenfreude galten).
Bewegungsmangel in Verbindung mit einer ballaststoffarmen, aber kalorienreichen Nahrung aus viel Fett, Eiweiß und Zucker führt bei den Jungtieren zu verstärktem Wachstum. Die Pubertät setzt im dritten und vierten Lebensjahr ein - ein Jahr früher als bei natürlicher Ernährung - eine verblüffende Parallele zur Entwicklung in westlichen Industrienationen. Hier verschob sich das Alter der ersten Menstruation mit der Verbesserung des
Nahrungsangebots im Lauf des letzten Jahrhunderts von 15 auf 12,5 Jahre.
So bekommen die Pavian-Weibchen ihr erstes Kind im Durchschnitt 1,5 Jahre früher als ihre Nachbarn, die Säuglinge werden schneller entwöhnt, das zweite Baby ist schon auf der Welt, wenn die weniger begüterte
Altersgenossin gerade ihr erstes Kind empfängt. Weil die Nahrungsquelle unabhängig ist von Dürren, kennt die
„Garbage Troop“ keinen Hunger, der Babyboom führt zur Bevölkerungsexplosion.
Auch bei den Jungs setzt die Pubertät bis zu zwei Jahre vor der üblichen Zeit ein. Die Kippe nährt ihren Mann - ausgewachsene "Müllmänner" bringen stattliche 45 Kilogramm auf die Waage und machen sich neben den
Naturkost-Heinis mit ihren 30 Kilo wie die Wildecker Herzbuben neben den Backstreet Boys aus.
Die Kehrseite der Medaille: Die Paviane ohne Müllanschluß waren kerngesund, hatten traumhafte Cholesterienwerte von 66 mg pro 100 ccm Blut. Die im Schlaraffenland allerdings wiesen einen stark erhöhten Cholesterinspiegel mit einem Anteil der gefährlichen LD-Lipoproteine auf, der von Human-Ärzten als behandlungsbedürftig eingestuft würde. Erwachsene Tiere wiesen zudem hohen Blutdruck und Blutzucker auf, einige waren offensichtlich schwerhörig, viele litten an Diabetes und unter Karies, was unter natürlichen
Lebensbedingungen nie vorkommt. In Sektionen an verstorbenen Tieren entdeckte der Pathologe Glen Mott von der University of Texas außerdem bedekliche Herzverfettung und Arterienverkalkung, die Vorboten der
häufigsten Todesursachen der westlichen Zivilisation: Herzinfarkt und Schlaganfall."
Gruß Werner
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