Wer hätte das gedacht? Klassische Mythen, Legenden und Halbwahrheiten aus der Welt der Medizin.
Wasser auf Kirschen und Zwetschken? Bauchweh-Alarm! Nach dem Essen schwimmen? Infarkt-Gefahr! Und überhaupt: Schlechtes Licht verdirbt die Augen.
Wo Menschen, da Mythen. Kaum etwas ist bequemer als Steh-Sätze, die man nicht zu hinterfragen braucht und die deshalb zur Gewohnheit werden. Also halten sich die Missverständnisse und Bauernweisheiten aus der Welt der Medizin hartnäckig. Doch was ist wirklich dran, an den medizinischen „Wahrheiten“ und Glaubenssätzen unserer Zeit? Eine Übersicht der gängigsten Gesundheits-Thesen – und dazu gleich die passende Antithese.
ALT wird man frühestens mit zwanzig, meist aber in den Vierzigern.
FALSCH Mit der Geburt beginnt auch schon der Verfall. Die Sehkraft lässt bereits ab dem 15. Lebensjahr nach, ebenso ist zu diesem Zeitpunkt die Funktion von Leber und Niere schon ein wenig eingeschränkt. Und auch für den Sex gibt’s eine Hoch-Zeit: zwischen 18 bis 20 ist die männliche Leistungsfähigkeit am größten. Von da an – geht es bergab.
SCHLECHTES LICHT verdirbt die Augen.
FALSCH Vermutlich stammt diese Warnung noch aus der Zeit, als Kerzen knapp waren und es kaum elektrisches Licht gab. Sicher ist: Schummriges Licht hat keinen Einfluss auf die Schärfe des Blicks und schädigt auch nicht. Man bekommt davon maximal Kopfschmerzen oder Augenbrennen.
VERSCHLUCKTE Kirschkerne führen zu einer Blinddarmentzündung.
FALSCH Die Öffnung des Wurmfortsatzes, der vom Blinddarm abzweigt (als Teil des Dickdarms) ist viel zu klein, um von einem Kirschkern verstopft zu werden. Im Durchschnitt ist sie nur zwei Millimeter groß, bei manchen Menschen gar komplett verschlossen. Die Entzündung des Appendix entsteht durch Immunreaktionen, entzündliche Prozesse in der Umgebung oder Kotsteine, die sich dort festsetzen.
KÄLTE führt zu Erkältung, durch kalte Füße bekommt man Schnupfen & Co.
FALSCH Nur durch niedrige Umgebungstemperatur alleine kommt es nicht zu einem Infekt. Dazu braucht es auch einen Keim. Sind allerdings bereits Erreger im Körper, entstehen bei niedriger Außentemperatur eher Erkrankungen. Denn durch die Kälteeinwirkung wird das Immunsystem herabgesetzt. Die Häufung der Erkältungskrankheiten im Winter ist auf die trockene Heizungsluft und selten gelüftete Räume zurückzuführen. Und kalte Füße? Forscher ließen eine Gruppe von Freiwilligen kalte und nasse Socken anziehen. Das Ergebnis: Personen mit nasskalten Füßen wurden nicht kränker als jene, die warme Socken trugen.
WENN die Haut keine Möglichkeit zum Atmen hat, stirbt man.
FALSCH Aufgrund fehlender Hautatmung ist noch keiner umgekommen. Der Austausch mit der Umgebung ist für Ernährung und Versorgung der Haut zwar gut, aber nicht lebensnotwendig. Sonst würde jeder mit einem Neoprenanzug in akuter Lebensgefahr schweben. Auch bei Verbrennungsopfern ist nicht die reduzierte Hautatmung gefährlich, sondern vor allem eine daraus entstehende schwere Infektion bzw. der hohe Eiweißverlust.
BEIM Sprung ins kalte Wasser kann das Herz stehen bleiben.
FALSCH Aber nicht ganz. Es ist schon vorgekommen, jedoch sehr selten. Durch den plötzlichen Temperaturwechsel werden verschiedene Körpervorgänge reflektorisch in Gang gesetzt. Der Körper reagiert auf einen plötzlichen Kältereiz mit einer Kampf-Flucht-Reaktion des Sympathikus-Nervensystems. Das bedeutet Alarm und: Zusammenziehen der Blutgefäße, beschleunigter Pulsschlag, Engstellung der Herzkranzgefäße. Bei bereits sehr verkalkten und verengten Gefäßen sowie vorgeschädigtem Herzen ist es besser, nicht ins kalte Wasser zu springen, raten Kardiologen.
MUSKELKATER entsteht durch die Ablagerung von Milchsäure bei Überanstrengung.
FALSCH Zwar hielt diese Theorie Jahrzehnte, heute ist klar: es sind feinste Risse und Zerrungen der Muskelfasern, die zu Muskelschmerzen führen.
HOCHZIEHEN bei verstopfter Nase ist ungesund.
FALSCH Manche Ärzte meinen sogar, dass das Gegenteil richtig ist. Denn beim Hochziehen entsteht ein Unterdruck in der Nase, der dafür sorgt, dass das Sekret aus den Nebenhöhlen gesaugt wird – und sich diese nicht verstopfen. Beim Abschnäuzen hingegen wird der Schleim durch den Überdruck wieder in die Höhlen zurückgepresst – die ideale Basis für Entzündungen.
TRINKEN nach Steinobst (Kirschen, Zwetschken etc.) verursacht Bauchweh.
FALSCH Es kommt allerdings auf die Menge der Kirschen und Zwetschken an. Wer in kurzer Zeit ein halbes Kilo oder mehr vom Obst in sich hineinschaufelt, wird in jedem Fall Blähungen bekommen. Denn auf den Schalen befinden sich sehr viele Hefekeime. Bei großen Mengen Kirschen ist die Magensäure nicht imstande, den daraus entstehenden Gärungsprozess zu bremsen. Wird durch Wasser die Säure noch verdünnt – dann aber!
SCHWEISS stinkt.
FALSCH Schweiß an sich ist ziemlich geruchlos. Das, was wir als klassischen Schweißgeruch wahrnehmen, ist die Zersetzung der Ausdünstung durch Bakterien und andere Mikroorganismen. Die Abbauprodukte des Schweißes sind es, die unangenehm riechen.
MIT vollem Bauch schwimmen ist gefährlich.
FALSCH Die Idee dahinter: nach dem Essen ist der Körper so mit der Verdauung beschäftigt, dass sich das Blut hauptsächlich im Magen-Darm-Bereich sammelt. Wer jetzt schwimmen geht, ist gefährdet, weil andere wichtige Organe nicht durchblutet sind. Richtig ist: Sporteln nach dem Essen ist mühsam, aber auf keinen Fall gefährlich.
Tipp: Lexikon der Medizinirrtümer Werner Bartens/Eichborn Verlag
LG Shanti