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Eiweiss für das Selbstbewustsein

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  • Eiweiss für das Selbstbewustsein

    Ich hoffe, das Ernährungsforum verzeiht mir diesen langen Ausflug.

    Diskusion vorneweg:

    http://m-ww.de/foren/read.html?num=2...4&thread=13007

    Ist unser Perfektionismus wirklich erstrebenswert?
    Ich finde, wir bremsen uns selbst, wenn wir jeden Makel beseitigen wollen und uns mit Selbstvorwürfen kasteien. Vor allen Dingen, die Makel unserer Körper sind so schrecklich wichtig geworden (aber auch ich kann mich nicht wirklich davon freisprechen ... ), dass ich finde, hier gehört ein neues Denken hin!
    Es geht mir nicht darum, Fettsein als gegeben hinzunehmen und sich damit zu arrangieren.
    Ein Körper soll gepflegt werden und im gesunden Bereich sein Gewicht haben - er 'darf' sogar schön sein! ;-) wenn der Preis dafür nicht dauernde Selbstkontrolle und Einschränkung bedeutet, oder gar Lebenszweck wird und zu schlechtem Selbstbewusstsein führt, wenn er es nicht ist.
    Wenn es soweit geht, dass jemand wissen will, ob er 2 Tassen Cappuccino trinken darf ...!

    Es geht nicht nur um die körperliche Person, sondern, darum, ob sie gut lebt. Das ist Eiweiss für die Seele!
    Nicht, ob der Bauch flach ist, sondern, daß ich eine Familie, eine Küche, ein Bett, eine Krankenversicherung habe und baden kann, wenn ich will - das ist nämlich auf dieser Welt nicht selbstverständlich!
    Es ist wichtiger, mit Menschen lachen und weinen zukönnen, als sich zurückziehen zu müssen, weil man ja angeblich so stark ist!

    Oft wird zitiert 'der Weg ist das Ziel'.
    Das stimmt für mich nicht. Das Ziel bestimmt meinen Weg und bringt mich voran, ist Eiweiss für meine Seele - je mehr es wirklich meinen Wünschen entspricht, desto mehr Kraft kann ich auch aufbringen.

    'Jedes Ziel beginnt mit dem ersten Schritt', ist daher sehr viel sinnvoller.


    Eigentlich wollte ich mich dran begeben und einen kleinen Aufsatz über das 'Eiweiss für die Seele' schreiben, aber ich habe schon einen sehr guten gefunden.
    Ich sehe das dort beschriebene 'Begehren' allerdings nicht so 'feministisch' wie es die Autorin Antje Schrupp tut, sondern finde, es gibt diese Auslöser für Stärke in jedem Menschen und in jeder zwischenmenschlichen Beziehung.

    Ich habe vorab ein paar Ausschnitte kopiert, die gerade zu unserem Thema passen, da der Vortrag sehr lang ist:

    > ... Starke Frauen dagegen haben etwas in ihrer Persönlichkeit, das sie dazu bringt, die Dinge anzupacken und ihren Weg zu gehen.

    Aber wie gelingt ihnen das? Was ist es, das sie so stark macht? Mir fiel auf, dass starke Frauen etwas gemeinsam haben: und zwar ein ungewöhnlich starkes Begehren. Sie haben eine große Leidenschaft für eine Sache, und sie folgen diesem Begehren, dieser Leidenschaft, trotz aller Widrigkeiten. Diesem Begehren ordnen sie anderes unter, Sicherheit, Bequemlichkeit, Freundschaften, Familie. <

    >Aber das wirklich freie weibliche Begehren richtet sich, anders als bei unseren verliebten Freundinnen, nicht auf einem Mann, sondern auf etwas anderes, auf Gott, würde Teresa als Mystikerin sagen, auf die Vision einer besseren Welt. Starke Frauen lieben die Freiheit und suchen ein Leben mit Sinn und Würde. Im Patriarchat wurde das weibliche Begehren sozusagen umgelenkt, weg von Gott, weg von der Welt, hin auf den Mann. Frauen sollten nicht die Welt verbessern, sie mussten sich einen Mann angeln. Die Männer haben sich den Frauen gegenüber an die Stelle Gottes gesetzt – und die Frauen haben das zugelassen, die meisten jedenfalls, nicht alle. Aber dennoch: So wurde das weibliche Begehren gezähmt, es war nicht mehr gefährlich.<

    >Das Begehren der Frauen ist, dank der Frauenbewegung, nicht mehr auf die Männer kanalisiert. Aber jetzt passiert etwas viel schlimmeres – ihnen wird das Begehren komplett ausgetrieben, angefangen bei dem ganz grundsätzlichen Begehren, nämlich zu essen, wenn man hungrig ist. Wie soll eine Frau aber auf die Idee kommen oder den Mut finden, ihren Hunger nach Sinn, nach gelingendem Leben, nach einer menschenwürdigen, freien Welt zu stillen, wenn sie sogar schon den körperlichen Hunger für einen Normalzustand hält, den sie ertragen muss? Das Ideal der neuen Superfrauen, die Karriere machen und gleichzeitig drei Kinder großziehen und jeden zweiten Tag im Fitness-Studio sind – nach diesem Ideal ist es eine Schwäche, der Versuchung nachzugeben, gefragt sind hartes Training und Selbstdisziplin. Dem Begehren folgen, das heißt aber offen sein für das Unerwartete, das Unvorhergesehene, das nicht für möglich gehaltene. Aber wie kann ich dafür offen sein, wenn mein Tag von der ersten bis zur letzten Minute schon verplant ist? Ich befürchte, dieser Zeitgeist könnte dazu beitragen, dass Frauen gar nichts mehr begehren, beziehungsweise ihr Begehren dauernd unterdrücken. Frauen sollen sich, überspitzt gesagt, daran gewöhnen, Hunger zu haben und trotzdem nichts zu essen, im wörtlichen wie im übertragenen Sinne. Zum Glück scheint das aber nicht wirklich zu funktionieren. Das Begehren ist oft stärker. Genauso wie unsere Diäten dauernd fehl schlagen, genauso stellen wir auch in vielen anderen Bereichen, bei der Arbeit, in der Kindererziehung, unsere ach so vernünftigen Entscheidungen dauernd wieder in Frage. Oft schämen wir uns dann dafür, dass wir nicht konsequent sind. Ich glaube aber, es ist das Begehren, das sich dann zu Wort meldet. Das ist jedenfalls meine Hoffnung: Dass sich das weibliche Begehren nicht wirklich auf Dauer unterdrücken lässt.<

    Hier ist der gesamte Vortrag. Ich finde, obwohl wirklich sehr lang, komplett lesenswert:

    http://www.antjeschrupp.de/starke_frauen.htm

    Anmrkg.:
    Auch das Wechselspiel zwischen Autorität und Begehren muß nicht zwischen zwei Frauen stattfinden, sondern kann ich in einer Person (ob Frau, ob Mann) vereint wiederfinden, denn ich sehe in einer Person die verschiedenen Anteile, die sie hat und die einander im Wechsel beeinflussen.


    Passend dazu weitere Links:
    Ich hätte ja gerne alle Links mit 'starken Persönlichkeiten' besetzt, fand allerdings, dass die besten unter 'starke Frauen' zu finden waren, was ich lieber verallgemeinert sähe.

    http://www.brot-fuer-die-welt.de/pro...7_DEU_HTML.php

    http://www.g-hirschmann.de/ziel.htm

    http://www.dreiwelten.de/wilma.htm

    Das gab's zu 'starke Männer' ;-)
    http://www.maennerseiten.de/starkemaenner.htm


    Gruß,
    Sabine


  • RE: Eiweiss für das Selbstbewustsein


    Liebe Sabine,

    es tut mir Leid, daß ich nicht früher antworten konnte. Dein Beitrag wirft aber so viele und unterschiedliche Fragen auf, die alle sich irgendwie mit dem ewigen Sinn des Lebens beschäftigen. Beim besten Wille werde ich sie alle nicht gebührend beantworten können. Ich halte noch dazu die Frage nach dem Sinn des Lebens als eine sehr persönliche.

    Der Hang zu Perfektionismus ist nicht neu und grundsätzlich nicht als negativ zu betrachten. Daß die Menschen nach Vervollkommnung suchen, ist sehr positiv, eigentlich eine entscheidende Kraft für die Entwicklung der Menschheit. Unser Streben nach Perfektionismus hat einen negativen Beigeschmack bekommen, gleich, wir können nicht glücklich werden, weil wir nicht perfekt sind. Der Perfektionismus sei zu Qual geworden, eine Art Falle. Wenn die Menschen beginnen über die Seele und über unsere Gefühle zu sprechen, über unsere Art zu leben, wundere ich mich jedesmal über ihre Leichtsinnigkeit. Sie tun so, als seien wir unabhängig und übermächtig und können vollkommen frei darüber selbst entscheiden. Wir leben, liebe Sabine, in einer Gesellschaft, die uns ihre Regel auferlegt, und das ist nun mal eine Tatsache. Unsere Gesellschaft stellt uns vor unüberbrückbaren Problemen und Schwierigkeiten, die die Gesellschaften vor uns in diesem Ausmaß nicht gekannt haben. Wir leben in einer Gesellschaft des Fortschritts und des ständigen Wachstums. Für den Individuum bedeutet das eine gute Ausbildung, eine gute Arbeit, immer mehr Geld, Besitz, Urlaub, Erfolg, hübsche Frauen und langsam auch hübsche Männer und gesellschaftliches Ansehen. Das sind die begehrten Werte unserer Zeit. Wir haben aber dem gegenüber gewaltige gesellschaftliche Probleme. Wir haben Arbeitslosigkeit, Kriminalität, Suchtprobleme, Verkehrsprobleme, Rentenfinanzierungsprobleme, Umweltprobleme und Probleme mit der Krankenversorgung, nur um deine Krankenversicherung nicht zu vergessen, und weiß der Teufel, was noch für globale Probleme. Und wir haben wenig funktionierende Lösungen. Und jetzt willst du, daß der arme Mensch mit all dem fertig wird, und wie hat es die Frau Schrupp gesagt, er soll seinem "Begehren folgen" und gut leben. Nix da! Das Leben läuft den meisten Menschen aus dem Ruder. Deswegen treten solche Gesundheitspäpste wie Strunz, Pauling oder Rath in Erscheinung und haben unangemessenen Erfolg. Irgendwie erinnern sie mich an den amerikanischen Predigern. Die Wahrheit ist, daß der moderne Mensch wenig Begehren hat, er hat Angst, den Job zu verlieren und wirtschaftliche Probleme, er hat Stress. Um sein Leben im Griff zu bekommen, entscheidet er, daß er unbedingt gesund bleiben muß, er reduziert seine Probleme auf dem Begriff Gesundheit, die unbedingt erhalten werden soll, und bekommt daduch das Gefühl, daß er auch sein Leben meistern kann. Ein anderer Aspekt unseres Drangs zum Perfektionismus, ist die Idee der Liebe, die wir von unseren Mitmenschen erhalten möchten. Wir möchten geliebt werden und deswegen möchten wir perfekt werden. Durch unsere hohe Leistungen versuchen wir Anerkennung zu bekommen, bewundernde Blicke, wir versuchen eigentlich, Liebe zu bekommen. Deswegen hungern so viele Mädchen, um schön und geliebt zu werden. Deswegen sind die Schönheitskliniken voll, und nicht nur mit Frauen. Allerdings ist es an dieser Stelle zu bemerken, daß wir es im Forum ohne Hungern, schlank zu werden und zu bleiben versuchen: das sollte uns bereits als ein Plus angerechnet werden. Der Körper soll im gesunden Bereich sein Gewicht haben, behauptest du. Zwischen schlank und gesund muß man entscheidend differenzieren und eine Gleichsetzung ist leider nicht möglich. Unser Einfluß auf krankmachende Lebensumstände ist sehr gering. Wenn Mediziner über Vorbeugung und Krankheiten sprechen, meinen sie Tendenzen, Statistiken. Sie sprechen nicht über uns beide. Gesundheit und Lebenserwartung hängen von tausend von Faktoren ab, nicht zuletzt von der Zugehörigkeit zu bestimmten sozialen Schichten, von den Lebensumständen und vom eigenen Lebensschicksaal. Wir sind aber Teil einer Zeit mit einer kulthaften Idealisierung der Gesundheit, mit Joggen, Entspannungstechniken, Nahrungsergänzungsmittel, Vitaminen, Schönheitsoperationen und Tofu. Das Wort "fit" ist eigentlich mit "passend" zu unserer Gesellschaft gleichzusetzen. Meine Kollegen, mit den ich seit 20 Jahren arbeite, haben zuerst Korn getrunken und Eisbein gegessen, dann kam die Zeit der Coctails und der Zigarren, und jetzt des Mineralwassers und des Salats. Wie eine Bekannte sagt, sie seien die Männer mit dem teuersten Urin der Welt, dem Preis der Nahrungsergänzungsmittel nach, zu urteilen. Ein Eiweiss für das Selbstbewußstsein ist für mich die Fähigkeit unsere Entscheidungen zu treffen, handlungsfähig zu bleiben und auch nach unserem Ermessen aus der Reihe zu tanzen. Ob das mit "ungewöhnlich starkes Begehren" zu tun hat, möge ich allerdings noch stärker zu bezweiffeln.

    Frau Schrupp kenne ich nicht. Auch ihre Werke sind mir nicht bekannt. Ich habe kurz ihre Biografie überflogen. Ich würde vorschlagen, daß wir uns ein anderes Mal mit dem "freien weiblichen Begehren" beschäftigen. Was sich nur die Leute alles einfallen lassen.

    Viele Grüße
    Detelina

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