ich fange neu an. Die Geschichte könnte auch Nathalie lesen und vielleicht besser verstehen, daß Mädchen ähnliche Träume haben.
Ich war fünf Jahre alt, wenn meine Eltern entschieden haben, daß ich alle Künste, die eine junge, gebildete Frau beherschen sollte, erlernen mußte. Meiner Mutter nach war das Ballet, Klavier und Französisch. Papa war für Tennis und für die Liebe zur Natur. Also beide haben sich zusammengetan und waren der Ansicht, daß es am vernünftigsten wäre, mit allen diesen Beschäftigungen gleich und sofort anzufangen. Schließlich wissen sie ja nicht, wo meine Talente liegen und es sollte auch selbstverständlich mit meiner Erziehung nichts schief gehen. Mit dem Klavier war das eine Katasrophe. Die Lehrerin war zu alt, zu verstreut und aus heutiger Sicht eine verdammt schlechte Pianistin. Das Klavierspielen ist am Anfang sehr langweilig. Üben, üben und kein sichtbarer Erfolg. Getanzt habe ich aber sehr gern. Die Schule war für mich kein Problem. Ich mußte gar nicht viel machen und war trotzdem eine der Besten. Das Französische klappte auch in diesem Alter auf der Ebene "Mademoiselle, comment ca va aujourd' hui?".
So habe ich meine Kindheit fast ausschließlich mit dem Tanz verbracht. Wie die Jungen Astronauten werden wollen, wollte ich Primaballerina werden und ich habe alle meine Kräfte zur Verwirklichung dieses Traums damals eingesetzt: Ich habe fünf bis sieben Mal pro Woche mit der Kinderballettruppe geprobt, ich kannte alle große Frauensolopartien auswendig, Schwannesee, Carmen, Don Quichotte. Ich konnte sie wirklich als 12jährige von a bis z tanzen, obwohl wir Kinder eher Balletts für Kinder getanzt haben, wie die Puppenfee. Ich habe mich zigtausendmal vor dem Spiegel gestellt und habe versucht die berühten 34 Pirouetten von Odillia zu schaffen. Dann kam eine Ausschreibung für eine Sonderklasse für begabte Kinder in der Ballettschule und ich ging zu den Prüfungen, ohne meine Eltern davon zu unterrichten. Also ich began, meinen Traum zu verwirklichen. Mein Ballettpädagoge war in der Jury. Es stand fest, ich bin angenommen. In einem günstigen Augenblich mußte ich das meinem Vater beibringen: "Vati, ich möchte Primaballerina werden." Mein Vater hat mich ganz genau angeschaut:: "Zirkustänzerin in unserer Familie brauchen wir nicht!" Mein Traum zerbrach in hunderttausend Stückchen als ein Spiegel auf dem Boden fiel und das Unglück brachte. So steckte ich meine erste Zigarette in den Mund. Zwei-drei Tage versuchte ich zu Rauchen, um meinem strengen Vater geheim zu bestraffen, zumal mein Balletlehrer auch plötzlich ziemlich zurückhaltend wurde. Die roteweiße Zigarettenschachtel werde ich nie vergessen. Ich glaube nicht, daß ich zu dieser Zeit inhaliert habe. Ich wußte eigentlich nicht in diesem Alter, wie man raucht. Irgandwann mußte ich mich meinem Schicksaal beugen und meine "Studien" im französischen College aufnehmen. Die Wahrheit war, daß mein Vater und mein Lehrer beraten haben und für mich eine Karriere der großen Primaballerina als eher "risikoreich" angesehen haben. Sie wollten mir die Zukunft der Ballettänzerin des corps de ballet ersparren.
Das Rauchen habe ich auch schnell vergessen, bis ich mit meinem Studium anfing. Wir waren die erste Generation der selbstbewußten, der intelligenten, der gebildeten Frauen mit Erziehung. Wir waren 20 Jahre alt. Die Welt lag uns zu Füßen. Unsere Mütter haben zu Hause gekocht, geputzt, gewaschen, sich um uns gekümmert. Wir hatten die schönste Kleider, Taschengeld mehr als genug. Von uns wurde nur Leistung erwartet und das war ja nicht so schwer. Die Zigarette gehörte zu unserem Bewußtsein, zu unserer Freiheit, zu unserer Identifikation einer Fauengeneration, die die Welt erobern wollte. Und so begann meine eigentliche Karriere als Raucherin.
Ich habe sechs Jahren geraucht, zunehmend mehr. Die, die geraucht haben, kennen den Geschmack im Mund am nächsten Morgen. Die Zigaretten passten aber irgendwie nicht zu meinen sportliche Betätigungen. Die Luft bei größeren Belastungen blieb. Mein Tennistrainer sagte: Geh zum Arzt. Die Meisterschaften kommen. Du willst doch mitspielen. Ich war 26. Der Facharzt sehr sachlich: Das ist die saubere Lunge, das ist deine Lunge und das wird deine Lunge nach noch 10 Jahren Rauchen. Also ich habe mit dem Rauchen von heute auf morgen aufgehört. Nach vier Wochen begannen mir die Hände zu zittern, es war mir nichts recht und ich begann auch etwas die Stimme zu erhöhen, wobei die Mitmenschen davon nicht unbedingt erfreut waren. Ich habe meinen Arzt angerufen. Er fragte mich, warum ich mich nicht früher gemeldet habe und keine Hilfe gesucht habe, erklärte mir, was ein Entzug bedeutet und am Ende lachten wir beide, da ich eigentlich in einer etwas komischen Situation war. So kam ich vom Rauchen weg. Für immer!
Es war vor ca. zwei Jahren. Eine Freundin hat mich aus einem bestimmten Anlaß zu einem wunderschönen Abendessen eingeladen, in einem Restaurant, wo auch Kaiser Wilhelm gespeist hat. Es war alles perfekt vorbereitet. Kleine Überraschugen, Blumen... Beim Digestif sagte sie: Ah, meine Liebe, du hast so viel für mich getan, es geht uns so gut. Das ist eine Zigarette wert, mit diesem wunderbaren Cognac... Und sie reichte mir eine von diesen Superslimmzigaretten, die in der Hand einer Frau so schön elegant aussehen. Das war es! Am nächsten Tag 10, am dritten Tag eine Schachtel und ich stand vor dem Zigarettenladen. Ich habe mich selbst darüber gewundert mit welcher Wucht die Sucht zurückschlug. Es dauerte ein Jahr bis ich die Kräfte aufbringen konnte, um wieder mit dem Rauchen aufzuhören.
Ist es nicht irgendwie kommisch, daß der Traum von der Primaballerina ausgeträumt wurde und nicht mehr wiederkehrt? Der Traum von Rauchen aber kommt selten zurüch aber immer wirder. Und ich muß immer wieder feststellen, daß ich in diesem Traum gern rauche.
Liebe Piano, ich liebe Geschichten und Geschichten zu erzählen, ist zum Teil mein Beruf (da du irgendwann gefragt hast, was ich arbeite). Vielleicht habe ich Einiges vergessen, oder ich sehe das alles heute anders. Das war aber die Geschichte vom einem Mädchen, das Primaballerina werden wollte.
Liebe Grüße
Detelina
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