bin heute auf der Suche nach einem ganz anderem Themenbereich zufällig hier im Forum gelandet und stelle mit Erschrecken wie Erleichterung fest, wie viele Menschen mit dem Essen ernste Probleme haben. Erschrecken ergreift mich, wenn ich sehe, dass Ernährung in unserer Wohlstandsgesellschaft offenbar zum allgemeinen Problemfall (wenn man bedenkt, wieviele Menschen auf der Welt tagtäglich verhungern, ist dies doch eigentlich zynisch, oder?) geworden ist und ein gewisse Erleichterung verspüre ich, dass andere Menschen mein persönliches "Schicksal" teilen - man fühlt sich dann doch nicht so allein in seinem Unglück.
Mein Name Sisyphus ist ein Symbol, denn wie Sisyhus, der jeden Tag aufs Neue einen Stein den Berg hinaufrollen musste und jedes mal kurz vor dem Erfolg scheiterte, fühle ich mich.
Ich bin jetzt 44 Jahre alt und blicke auf "25 Jahre essen mit Reue"zurück. Begonnen haben die Probleme, als ich mit 19 Jahren mit dem Schwimmsport aufhörte und gleich mal 5 kg Gewicht zulegte. Das ist an sich normal und ich wäre damals auch noch nicht zu dick gewesen, aber ich war durch den Leistungssport halt gewöhnt, essen zu können, was ich wollte und das ging dann eben nicht mehr. Wohl gefühlt habe ich mich mit dem neuen Gewicht auch nicht - ich fand mich gräßlich, wollte die Pfunde wieder los werden und damit begann das Dilemma.
Ich habe alles, ich glaube wirklich alles durch: von Kalorienzählen angefangen über diverse Diätformen, Schlankheitsmenus, Heilfasten, Trennkost, Fit for Life, vegetarische Ernährung Sonnen- und Rohkost. Ich weiß bis heute nicht, was eine normale Ernährung ist und was ich dauerhaft zu mir nehmen könnte ohne zuzunehmen. Entweder faste ich - oder ich fresse. Dazwischen gibt es leider nichts. Ich treibe nach wie vor Sport - mangelnde Bewegung ist also nicht das Thema. Nein, ich fresse einfach zuviel - in erster Linie Süßes.
Ich empfinde mein Fehlverhalten extrem als suchtbedingt, weshalb mich die Äußerungen hier im Forum, die in diese Richtung gehen, besonders angesprochen haben: wenn das Essen an sich zur Sucht geworden ist, wie bitte soll man dann davon loskommen? Man weiß von Alkoholikern, dass sie keinen Tropfen Alkohol mehr anrühren dürfen, ebenso von Rauchern und Drogenabhängigen, dass sie nach dem Entzug strikt ihren Suchtstoff meiden müssen. Aber wie soll das beim Essen funktionieren? Irgendwann muss man wieder essen. Irgendwann kommt man nicht drum herum eine Nachspeise, ein Stück Kuchen, oder oder zu essen! Man kann nicht bei jeder Familienfeier, Fete oder anderen gesellschaftlichen Gelegenheit sagen: nein danke, ich kann das nicht essen, ich bin Süßigkeitensüchtig.
Wenn Essen eine Sucht ist, muss man sich wohl wie bei anderen Süchten auch fragen, was der Hintergrund für diese ist, warum man diese Sucht hat, was sie kaschieren überdecken soll.
Ich weiß, dass bei mir zwei Faktoren eine Rolle spielen: mangelnde langfristige Disziplin und ein zu geringes Selbstwertgefühl. Prinzipiell kann ich schon diszipliniert sein - das musste ich beim Training sein und das braucht man auch um z.B. fasten zu können. Trotzdem ist es mir unmöglich über lange Zeiträume eine bestimmte Verhaltensweise zu pflegen. Ich versuche dann immer irgendwo "auszubüchsen". Ich muss einen immerwährenden Gleichlauf irgendwann unterbrechen, das ist zwanghaft. Also haue ich auch beim Essen gerne wieder einen "Hund" rein, was aber erfahrungsgemäß dazu führt, dass die Sucht wieder losgeht, was dazu führt, dass ich bei jedem "Hund" den ich reinhaue sofort die Angst verspüre "jetzt war wieder alles umsonst, jetzt geht die Fresserei wieder los", was wiederum dazu führt, dass ich erst recht Fressen muss, weil ich ja durch das Fressen auch wiederum meinen Frust abreagiere. Verstanden? Ich bekämpfe den Frust, den ich habe, weil ich zuviel Fresse mit Fressen! Jawohl, so pervers bin ich und kann nichts dagegen tun!
Das ist frustrierend und ermuntert nicht zu neuen Anläufen etwas in der Ernährungsweise zu ändern. Ich werde meinen Stein also weiterrollen, bis fast den Berg hinauf - um ihn dann wieder herunterkugeln zu sehen. Mut kann ich also leider niemandem machen. Nur vielleicht auch dazu beitragen, dass andere sich nicht so alleine fühlen mit ihrem Leid.
Alles Liebe allen Leidensgenossen
Silvia
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