Es ist inzwischen eine anerkannte Tatsache, dass eine hohe Proteinzufuhr, vor allem aus tierischem Nahrungsmittel, eine Ausscheidung von Calcium über die Nieren verursacht. Dies haben mehr als 16 Untersuchungen gezeigt. Mehrere Freiwilligstudien von bis zu 95 Tagen Dauer ergaben beispielsweise, dass eine experimentelle Diät mit konstanter Kalziumzufuhr den Calciumverlust über den Urin deutlich erhöht, wenn die Proteinzufuhr steigt. Bei proteinarmer Diät hatten Erwachsene eine ausgeglichene Calciumbilanz, unabhängig davon, ob die Calciumzufuhr 500, 800 oder 1400 mg pro Tag betrug.
Die Calciumzufuhr aus der Nahrung ist nur ein Aspekt der Calciumbilanz. Dieser Schluss ergibt sich aus der Tatsache, dass Osteoporose bei vielen Völkern mit chronisch calciumarmer Ernährung dennoch selten Auftritt. Bei den südafrikanischen Bantu zum Beispiel, deren Ernährung wenig Protein, aber viel Phytat enthält ( von dem angenommen wird, dass es die Calciumresorption herabsetzt), verzehren nur wenige einzelne überhaupt 500 mg Calcium pro Tag; die Frauen haben durchschnittlich sechs Kinder und stillen diese länger an der Brust. Nach sechs Schwangerschaften mit darauf folgenden langem Bruststillen rechnen man mit einem Calciumverlust von insgesamt 400- 500 g, was die Hälfte der Körperdepots aufzehren würde. Dennoch wurde das Auftreten von Osteoporose in der Bantubevölkerung 1965 mit einem Fall bei 200 Personen als selten eingeschätzt.
Untersuchungen traditionell lebender Inuit liessen ausserdem auf einen Zusammenhang zwischen hoher Proteinzufuhr, besonders aus tierischem Nahrungsmittel, und Calciumverlust sowie die Entstehung von Osteoporose schliessen. Ältere Inuits, deren Ernährung viel Fleisch und tierisches Eiweiss enthielt, hatten weniger Knochenmineralmasse als Omnivore Kaukasier vergleichbaren Alters, deren Ernährung weniger von Fleisch dominiert wurde; in jüngerem Alters war die Dichte der Knochen bei beiden Gruppen ähnlich. Interessanterweise ergab eine Studie von 1988, dass die Calciumbilanz des Körpers bei Sojamilch und Tofu als Haupteiweissquellen selbst mit niedriger Calciumzufuhr und relativ hoher Proteinzufuhr ausgeglichen blieb.
Der höhere Schwefel/Calcium- Quotient von Fleisch steigert die Calciumausscheidung, und eine fleischreiche Ernährung kann Knochendemineralisation auslösen. Ein 1988 veröffentlichter Bericht verglich die Menge des mit dem Urin ausgeschiedenen Calciums bei 15 Testpersonen, die experimentelle Diäten von jeweils zwölftägiger Dauer einhielten. Die Diäten enthielten konstante Mengen Calcium (400 mg pro Tag) und Protein (75 g pro Tag), unterschieden sich jedoch im Hinblick auf die Proteinquelle: tierisches Protein; Protein aus Gemüse und Eiern; und Protein, das nur aus Gemüse stammte. Die Diät mit tierischem Protein verursachte einen grösseren Verlust an Knochencalcium (150 mg pro Tag) über den Urin, als die Mischdiät (121 mg pro Tag) und die Diät, deren Protein nur von Gemüse geliefert wurde (103 mg pro Tag). Diese Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass eine Ernährung, die Protein aus Gemüse enthält, eher Knochenschwund, und damit gegen Osteoporose schützen kann, als eine Ernährung, deren Protein vom Tier stammt.
Kommentar