1. weil Typ2 in gutem traditionellem Missverständnis als der mit dem zuvielen Insulin gilt, wenigstens bei Diagnosereife. Dass dann schon 50-80% weniger Beta-Zellen als bei Gesunden am Werk sind, ist noch heute auch unter Ärzten weitgehend unbekannt.
2. weil die Insulin-Einstellung mehr Aufwand als die mit Tabletten erfordert und teurer ist als die mit den meisten Tabletten.
3. weil die Folgen traditionell gelöst vom BZ behandelt werden, weil sie im normal einstellbaren Rahmen nur wenig positiv beeinflusst werden können.
4. weil ?
Zu 1.
Dass Typ1 zuwenig und Typ2 genug bis zu viel Insulin hat, kann man an erster Stelle in jedem Google-Eintrag zu Diabetes nachlesen. Das Missverständnis dazu funzt geradezu milchmädchenhaft einfach: Nüchtern lässt sich beim Typ2 sehr viel mehr Insulin/C-Peptid messen, als beim gesunden Menschen. Ok, beim gesunden Menschen irgendwo zwischen 60 und 80mg/dl und beim Typ2 bei über 125, denn sonst wäre er ja kein Diabetiker! Mit Sicherheit würde bei über 125mg/dl auch beim Gesunden sehr viel mehr Insulin gemessen, vielleicht sogar mehr als beim Typ2, aber es geht ja nicht um sachlich gleiche Vergleichsvoraussetzungen, sondern um den Zauberbegriff "nüchtern", zu dem erfüllt werden muss.
Zu 2.
Metformin ist um Welten billiger als Insulin, und ähnlich sieht das mit den meisten übrigen Zucker-Tabletten aus. Richtig teuer wird es erst mit den Tabletten, die bei Betroffenen mit wirklich noch ausreichender Insulinproduktion die Insulinbestellung beim Übergang der Glukose aus dem Darm in den Blutkreislauf wieder herstellen helfen. Aber die sind noch recht neu und werden wie auch ihre Kollegen aus der Spritze, Byetta und Victoza, noch vergleichsweise selten verordnet.
Gegenüber Insulin haben alle diese Mittel einen Riesenvorzug: sie können einfach so nach dem morgens-mittags-abends-Schema verordnet werden. Die Anwendung erfordert keine Schulung und auch keine aufwändigere und damit de facto teuerere Dosis-Bestimmung, wie eben das Insulin.
Zu 3.
Dass sich z.B. Blutdruck und Blutfette mit dem Blutzucker normalisieren können, ist zwar die Erfahrung unter den Betroffenen, die sich selbst erarbeitet haben, wie sie ihren BZ zuverlässig im wirklich gesunden Rahmen unter HBA1c 5,5 steuern können. Aber unter HBA1c 6 ist selbst mit sehr ausgeklügelter ärztlicher morgens-mittags-abends-Einstellung nicht wirklich möglich. Dazu müssten die Betroffenen jeweils noch aufwändiger und teurer persönlich angeleitet werden.
Und über HBA1c 6 wirken zur Normalisierung von Blutdruck und Blutfetten die entsprechenden und relativ günstigen Medis (Blockbuster der Hersteller) sehr viel messbarer und mit sehr viel weniger Arztaufwand, als etwa eine HBA1c-Absenkung von 7 nach 6,5 - auch wenn der höher als gesunde BZ praktisch gegen diese Medis wirkt.
Generell sollten wir auch nicht ausschließen, dass im medizinischen Unterbewusstsein noch immer die Ansicht tief verankert ist, dass höherer BZ für Typ2 lange nicht sooo gefährlich wie für Typ1 sei. Und auch dabei schaut das Milchmädchen wieder gerne zu. Und zwar hat ein Typ1 mit Hausnummer 400mg/dl schnell mal ne Ketoazidose, also ein Vergiftung, die auch heute noch meistens in der Notaufnahme landet, wenn der Betroffene seinen BZ nicht selbst im Rahmen eines Tages wieder in einen erträglicheren Rahmen absenken kann. Typ2 kann dagegen Wochen und Monate und sogar Jahre lang mit 400 rumlaufen und schlapp sein und mächtig Wasser umsetzen, aber eben keine Keto kriegen. Also ist höherer BZ für Typ 1 gefährlicher als für Typ2, oder etwa nicht?
Was fällt Euch noch zu 4. und 4. und 6. usw. ein?
Bisdann, Jürgen
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