Eigentlich ganz einfach: die Spritzmenge passt, wenn der Blutzucker nach dem Auslauf der Insulinwirkung wieder etwa genau so hoch ist, wie beim Spritzen. In dieser einfachen Weisheit stecken 3 Herausforderungen in einem einzigen Vorurteil: Wir halten das Ganze für eine Rechenaufgabe. Die Realität sieht das anders, denn
1. denn 40g KHs von der einen Sorte können wirken wie 30 von einer anderen oder 50 von einer nächsten.
2. denn mit der Menge verändert Insulin sein Wirkverhalten. Generell gilt, dass sich mit größeren Mengen die Wirkung nicht einfach in der Spitze erhöht, sondern über einen längeren Zeitraum verbreitert.
3. denn schließlich wirkt Insulin nicht sofort mit dem Spritzen, sondern mit mehr oder weniger großer Verzögerung. Hier kann ein mehr oder weniger großer SEA (Spritz-Ess-Abstand) sehr hilfreich sein.
Zu 1. Da ist zunächst die Essenmenge. Die kriegen wir in BEs zu schätzen gesagt. Manche Leute wiegen's sogar ab. Und trotzdem liegen allein darin, selbst wenn man richtig geschätzt und gewogen und gerechnet hat, zwischen BEs und BEs oft große Unterschiede, ganz einfach weil nicht alle BEs immer gleich schnell und intensiv verstoffwechselt werden. Da können 4 BEs von der einen Sorte schon wirken wie 3 BEs von einer anderen oder 5 BEs von einer weiteren - und das ohne jeden Schätz- oder Wiege- oder Rechenfehler! Von daher macht es Sinn, für die persönlichen Standardmengen der bevorzugten Brot- und Brötchen- und sonstigen KH-Sorten die Insulinmengen direkt auszutesten. Also nicht fragen, wie viele BEs haben die 2 Brötchen, die ich da meistens zum Frühstück esse, und das dann rechnen, sondern direkt austesten, welche Insulinmenge passt für diese Brötchen?
Und dafür einfach messen und spritzen und Essen und messen und messen und... z.B. in Halbstunden-Schritten, wie der BZ zunächst ansteigt, dann anhält und umkehrt und zu sinken beginnt, bis er halt nicht mehr sinkt. Und wenn da dann die selbe Höhe wie vor dem Spritzen erreicht ist, hat die Spritzmenge zur Essmenge gepasst.
zu 2. Da ist zum zweiten die Insulinmenge. Mehr Khs=mehr Insulin scheint logisch, und bei KHs funzt das auch meistens so einfach: nahezu unabhängig von der Menge wird die bei den meisten Essern in der Stunde nach dem essen zum weitaus größten Teil zu Zucker verstoffwechselt und aus dem Darm ins Blut übergeben. Mit Insulin funzt das in ähnlicher Weise nur mit kleineren Mengen. Mit kleineren Mengen können wir den Anstieg der Wirkung zu einem deutlichen Gipfel und dann das Absinken der Wirkung innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums messen.
Mit mehr Einheiten steigt dagegen eben nicht einfach der Wirkgipfel, sondern die mehr Einheiten verteilen sich auf einen immer weniger höheren Wirkgipfel über eine immer längere Zeit. Das kann z.B. bedeuten, dass Hausnummer 4 IE vor dem Essen von 1 Brötchen den Blutzucker nach dem Essen im Bereich von max 140-120-100mg/dl nach dem Essen halten, dass das mit 8 IE für 2 Brötchen schon 180-150-130-100 nach 1-2-3-4 Stunden werden und mit 16 IE und 4 Brötchen 280-230-180-130-80 und noch länger. Das bedeutet, obwohl man für 4 Brötchen auf einmal gespritzt hat, macht Sinn, sie für einen gesund flacheren BZ-Verlauf über die Wirkzeit des Insulins nacheinander verteilt zu essen.
zu 3. Da ist zum dritten der SEA. Denn so wie die Wirkung von immer mehr Insulin sich immer mehr in die Länge ziehen kann, kann der Eintritt der Wirkung nach dem Spritzen auch mehr oder weniger verzögert verlaufen. Direkt in ein Gefäß gespritzt würde die Wirkung zum größten Teil praktisch direkt verpuffen, denn alles im Moment zuviele Insulin würde von der Leber innerhalb von weniger als 5 Minuten neutralisiert. Zudem hat Insulin, das einmal in den Blutkreislauf gelangt ist, nur noch eine Halbwertzeit von 4,5 Minuten. Das heißt, dass 2 IE nach 4,5 Minuten nur noch die Wirkung von 1 IE haben, ohne dass die Leber etwas davon abbaut oder ein Verbraucher sich etwas davon nimmt.
Damit wir etwas mehr vom Insulin aus dem Pen haben, spritzen wir es ins Fettgewebe. Und von dort gelangt es nach und nach in den Kreislauf und wird dort so nach und nach wirksam. Aber wie lange es nun vom Spritzen bis zum Wirksamwerden braucht, kann von Mensch zu Mensch sehr verschieden sein und bei jedem dann auch noch von Tageszeit zu Tageszeit. So braucht z.B. schnell wirkendes Analog-Insulin bei mir morgens vom Spritzen bis zum Wirksamwerden fast 1 Stunde. Wenn ich also direkt nach dem Spritzen morgens mein Frühstücksbrot esse, steigt mein BZ in der Stunde nach dem Essen bis auf 180 an, bevor das Insulin dafür zu wirken anfängt. Weil ich aber nur max 140 haben will, warte ich nach dem Spritzen mit dem Frühstück etwa eine dreiviertel Stunde, halte also diesen SEA ein.
Wenn die Spritzmenge stimmt, kann man schauen, wie weit man die BZ-Spitze etwa 1 Stunde nach dem Essen gesenkt kriegt, indem man immer zur etwa selben Tageszeit bei etwa immer gleichen Portionen den Spritzzeitpunkt in 5-Minuten-Schritten vor zieht, bis die Spitze nicht mehr weiter absinkt oder/und der BZ schon vor dem Essen zu viel sinkt. Direkt davor liegt dann der für diese Tageszeit optimale SEA.
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