''Könnte ich bitte noch einen Cognak haben, einen einzigen, bitte ?'', flehte der Gast die Kellnerin an. Diese lächelte amüsiert ''. Aber klar, einfach, doppelt oder dreifach ??''. ''Doppelt, wenn es geht, mein Kratzen im Hals ist schon viel besser !''. Der Cognak kam, der Gast kippte ihn. ''Noch einen ?'', fragte die Kellnerin. ''Bitte ja'', antwortete der Gast ''und ich garantiere Ihnen, meine Leberwerte sind in Ordnung und ich fahre auch heute nicht mehr mit dem Auto. Ich bin auch ruhig und kotze bestimmt nicht ins Waschbecken.... Die Kellnerin lächelte und brachte den Cognak und ich begann mich zu wundern. In einer fremden Stadt an der Hotelbar wundert man sich über manches.
''Wollen Sie meine Geschichte von heute hören ?'', wandte sich der Gast an mich. Auch wenn ich nein sagte, würde er sie mir erzählen. Und so erzählte er mir seine Geschichte vom kratzenden Hals. Die damit begann, daß er morgens mit eben diesem Kratzen im Hals aufwachte und ein bißchen krächzte und ihm siedendheiß einfiel, daß er irgendwo eine ganz wichtige Sitzung hatte, bei der er reden und überzeugen mußte. Und so fragte er den Hotelportier, wo es hier in der Nähe einen Süßwarenladen gäbe, er bräuchte dringendst Malzbonbons.
''Ach, wenn es um die Gesundheit geht, gehen Sie doch in die Apotheke. Dort gibt es immer hervorragende Qualität, gute Beratung und so viel teurer werden die wohl auch nicht sein...
Also ging ich, erzählte er, in die nächste Apotheke um die Ecke.
''Bitte eine Tüte Malzbonbons''
''Warum ?'', fragte die Apothekerin
''Mein Hals kratzt''
''Seit wann ?'', setzte die Apothekerin nach
''Irgendwann seit heute Nacht ?''
''Haben Sie Schluckbeschwerden ?'''
''Etwas...''
''Und Husten ?''
''Nein, nicht direkt aber einen Hustenreiz''
''Aha...''
''Was Aha ?''
''Nun, da könnten Malzbonbons das Falsche sein...''
''Dann geben Sie mir eben Hustenbonbons !''
''Aber Sie haben doch gar keinen Husten...''
''Geben Sie mir irgendwelche Bonbons zum Lutschen !!!''
''Ach so, Sie haben einen Heißhunger auf Süßes ? Warum sagen Sie das nicht gleich ?''
''Ich habe ein Kratzen im Hals''
''Haben Sie Durstgefühl ??''
''Jaaaaaaaaaaaaa''
''Ist noch lange kein Grund, unhöflich zu werden. Wann haben Sie zuletzt Ihren Blutzucker kontrolliert ??''
Dann nahm sie mir Blut ab. Der Wert war in Ordnung, irgendwo bei 120 Umdrehungen. Ich bekam ein Protokoll. Etwas übergwichtig, meinte sie, als sie meinen Body-Mass-Index mit 24,7 ermittelte.
Dann kam die alles entscheidende Frage: ''Rauchen Sie ?''
Nun war ich unten durch, denn wahrheitsgemäß antwortet ich verschämt ''Ja'' und wußte in diesen Moment, daß ich jeden Anspruch auf eine Tüte Malzbonbon leichtfertig verspielt hatte.
''Wieviel Schachteln ?''
Jetzt hatte ich es aber satt: ''Keine Schachteln, nur die Zigaretten einzeln...''
''Sie wissen aber, daß Rauchen schädlich ist ????''
''Alles, was Freude macht, ist entweder unmoralisch, ungesund oder macht dick...''
Trotzdem errang ich einen Teilsieg. Auf der Theke lag bereits ein Algenprodukt zum Abnehmen und eine Packung Raucherentwöhnungstabletten für eine 30-Tage-Kur. Und jetzt war ich wild entschlossen, mir die Malzbonbons doch noch zu erkämpfen. Auch die Dame nebenan führte einen verzweifelten Kampf. Sie litt offensichtlich an Scheidenpilz und vermochte nicht genau zu defrinieren, ob nun das Brennen oder das Jucken unangenehmer sei. Aber auch sie kämpfte verbissen. Eine andere Dame - zu meiner Rechten - hatte weniger Glück, sie bekam nichts gegen ihre Kopfschmerzen. Denn sie legte eine Plastikkarte vor, auf der alle Medikamentenkäufe des letzten Jahres gespeichert waren. Und da dies nun bereits die dritte Schachtel Kopfschmerztabletten innerhalb von einem halben Jahr gewesen wäre, wurde sie mit Schimpf und Schande des Ladens verwiesen. ''Tablettenmißbrauch zu verhindern, ist unsere große Aufgabe'', strahlte der Apotheker und wandte sich an mich: ''Malzbonbons ? Wann waren Sie zum letztenmal beim Zahnarzt ? Zucker i
st nicht gut für die Zähne !''
''Es gibt inzwischen zuckerrestistentes Plastik'', antwortete ich ihm und knallte ihm meine Prothese auf die Theke. Er bot mir an, sie im Ultraschall sauber zu machen. Ich lehnte dankend ab.
Man muß schließlich Kompromisse schließen und nach langen Verhandlungen einigten wir uns auf zuckerfreie Salbeibonbons. Ich verließ als Sieger die Apotheke. Aber es hatte an meinen Nerven gezerrt. ''Ganz ruhig'', sagte der Taxifahrer, der mich zu meinem Termin bringen sollte. ''Wissen Sie, es gibt heute so viele Naturheilmittel, die bei den kleinen Unpäßlichkeiten des Lebens helfen können. Zum Beispiel gegen Ihre Nervosität Johanniskraut. Hilft mir prima, gibt es zwar jetzt nur noch in der Apotheke - in ensprechender Qualität meine ich - aber es lohnt sich. Soll ich bei der nächsten Apotheke anhalten ?''
Ich lehnte ab ''Tut mir leid, aber ich habe eine Apotheken-Allergie...''
Er bot mir an, das für mich zu erledigen. Er hielt bei der nächsten Apotheke und war in ein paar Minuten wieder da. Freudestrahlend drückte er mir die Tüte in die Hand. Und ich traute meinen Augen nicht. In der Tüte war neben dem Johanniskraut auch eine Apothekenzeitung, ein Päckchen Papiertaschentücher und eine Probetüte Malzbonbons...
Kommentar