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Gewalt bei Alzheimer Patienten
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Gewalt bei Alzheimer Patienten
Sehr geehrter Herr Dr. Spruth, ich bin sehr verzweifelt, mein Mann (77 Jahre, 3. Stufe Alzheimer)wird zunehmend gewalttäig, insbesondere beim An- und Auskleiden, waschen etc. Ich brauche nur zu versuchen, ein Kleidungsstück auszuziehen (alleine macht er es überhaupt nicht) dann greift er meine Handgelenke und drückt mich gegen die Tür oder zu Boden; er hat noch sehr viel Kraft. Duschen und Haare waschen arten zum Kampf aus. Ein Pflegedienst würde mir auch nicht helfen, da er bei einer dreitäigene Kurzzeitpflege in einer Demenzabteilung eines Pflegeheims sich auch nicht von den examinierten Altenpflegern anfassen liess (und eben gewalttätig wurde), so dass ich ihn nach 3 Tagen ungewaschen, unrasiert und mit den gleichen Klamotten wieder abgeholt habe.Grosse Hoffnung hatte ich in eine sehr schöne Tagepflegestätte gesetzt - mit einer kleinen Gruppe Dementer und qualifiziertem Personal. Gleich am ersten Tag hat er einem Mann die Hand fast zerquetscht und hat dann in dem Bus, der ihn nach Hause bringen sollte, angefangen die anderen Tagesgäste zu schlagen. Die Institution kann das natürlich nicht verantworten und so ist mein Traum von der zweitägigen Tagespflege in der Woche auch zerplatzt. Ich bin jetzt wirklich sehr mutlos. Mein Mann war immer friedfertig, hat weder seine Kinder gechlagen, noch mit anderen irgendwelche Handgreiflichkeiten ausgetragen. Die Alzheimer Medikamente haben wir alle durch, ohne Erfolg,manchmal sogar mit gegenteiligem Effekt.Was können Sie mir raten, ich halte das nicht mehr lange aus, mir graut schon vor dem Aufstehen, weil ich weiss, jetzt geht die Schlacht im Badezimmer wieder los.
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RE: Gewalt bei Alzheimer Patienten
Hallo,
auch mich interessiert das sehr, da mein Vater, zwar noch im mittelschweren Stadium würde ich sagen, auch schon Phasen hatte, in denen er zu allem "Nein" sagte. Er ist ein stattlicher, sehr großer Mann, jung und voll bei Kräften, nimmt jetzt Medikamente und meistens bekommen wir ihn noch ins Bad. Aber in Phasen in denen es ihm schlechter ging, psychisch oder/und von der Gedächtnisleistung her, verweigert er auch fast alles und ist total insich gekehrt. Er bekommt ja zu den Alzheimermedis noch Psychopharmaka und auch leichte Antidepressiva, aber wir haben ja schon mitbekommen wie deren Leistung abnimmt bzw. nicht mehr ausreicht, und dann? Irgendwann werden wir, und das ist in näherer Zukunft, die Medikamente nicht mehr steigern können. Ich sehe auch bei meinem Vater (der übrigens auch immer ein absolut friedfertiger Mensch war), dass wir eine Phase bekommen werden in der er gar nichts mehr macht, sich also auch gar nicht mehr dorthin bewegt wo wir ihn hin haben wollen. Ich vermute mal, dass man das Problem dann auch nur mit einer anderen Medikamentengruppe in den Griff bekommt?
Wie lange haben Sie denn die Alzheimermedikamente ausprobiert?
Gruß
Flieder
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RE: Gewalt bei Alzheimer Patienten
Sehr geehrte (Frau?) Preston,
im Falle Ihres Mannes scheint eine Fremdgefährdung vorzuliegen, die über kurz oder lang auch zu einer Eigengefährdung führt, da er nicht mehr seinen Bedürfnissen entsprechend adäquat zu versorgen ist.
Wenn nichtmedikamentösen Interventionsversuche zu keinem ausreichendem Erfolg geführt haben und auch die bisher eingesetzen Antidementiva nicht gut wirken müsste über Psychopharmaka nachgedacht werden, die gezielt gegen die Aggression gerichtet sind (z.B Neuroleptika, bestimmte Antiepileptika,...). Da diese, glücklicherweise bei den anzustrebenden niedrigen Dosen nicht oft, auch Nebenwirkungen haben können, sollte die Behandlung durch einen mit Demenzen erfahrenenen Arzt erfolgen, am Besten durch einen Gerontopsychiater. Dies muß, falls die häusliche Situation nicht mehr beherrschbar wird, ggfs. auch stationär in einer Gerontopsychiatrie gegen den Willen Ihres Mannes erfolgen. Sprechen Sie bitte mit dem behandelnden Nervenarzt darüber. Eine konkrete Therapieempfehlung darf ich an dieser Stelle nicht aussprechen und kann dies auch nicht, ohne Ihren Mann zu kennen.
Mit freundlichen Grüssen,
Spruth
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Re: RE: Gewalt bei Alzheimer Patienten
Hallo Herr Dr. Spruth, obwohl ich leider zu meiner letzten Frage unter dem Stichwort Gerontopsychiatrie keine Antwort erhalten habe, möchte ich Sie heute bitten, mir Ihre Erfahrung zu folgender Frage mitzuteilen: Angehörige nehmen natürlich an unserem Schicksal Anteil und geben immer wieder Tips, wenn sie was gelesen oder gesehen haben. Hier nun folgendes von einem Familienmitglied berichtet: In Haar bei München gibt es eine Klinik, die nach der sogenannten "trial and error method" folgendermassen vorgeht: Sie sediert zu Gewalt neigende Patienten stark und probiert im Zuge langsamer "Wiederbelebung" verschiedene Medikamente. Das Ergebnis soll so gewesen sein, dass Ehepartner wieder in den häuslichen Bereich genommen werden konnten, weil sie nicht mehr gewalttätig waren. Ist das was "trial and error"? Grüsse Preston
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Re: RE: Gewalt bei Alzheimer Patienten
Hallo Preston,
auch wenn ich nach wie vor nicht weiss, ob Sie eine Antwort von mir wünschen (die natürlich nicht die Antwort von Herrn Dr. Spruth ersetzen soll), fühle ich mich angehalten, Ihnen auf Ihre Frage zu schreiben. Der Grund ist, dass mein Vater eben in Haar war. Meine Gedanken dazu können Sie meinen älteren Beiträgen entnehmen.
Die "trial and error" Methode wenden eigentlich alle Ärzte bei diesen Phänomenen an, denn sie wissen 1. nicht was es wirklich ist und 2. was bei wem wie wirkt. Also muss unter Berücksichtigung von Vorerkrankungen und aus der Erfahrung heraus ausprobiert werden. Allerdings habe ich soviel mitbekommen, dass nicht zwangsläufig vorher stark sediert wird, sondern wirklich nur wenn es nicht anders geht. Im Gegenteil eigentlich, die schon angesetzten Medikamente werden eher runtergefahren, damit man sieht in was für einem Zustand der Patient wirklich ist, und wie er dann auf die neuen Medikamente reagiert.
Wie auch in dem Fall Ihres Mannes hat mein Vater sehr paradox auf Risperdal reagiert, das wir ihm die ersten 3 Tage daheim verabreicht haben. Erst darauf hin (Aggressionsschübe, Delir) haben wir ihn nach Haar gebracht, also durch eine absolute Verschlechterung eigentlich durch das Risperdal. In Haar wurde das Risperdal dann erstmal wieder runtergefahren und langsam wieder erhöht, gemeinsam mit Axura und später noch Mirtazapin für die Nachtruhe. Es kam zu einer starken Besserung, allerdings dauert der Aufenthalt schon knapp 4 Wochen (Ärzte wollten ihn noch länger beobachten). Inzwischen geben wir ihm zwar sogar wieder etwas weniger Risperdal, aber absetzen können wir es nicht.
Haar ist aber sicherlich nicht die einzige fähige Gerontopsychiatrie, kommt darauf an wo Sie wohnen.
Grüsse
Flieder
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Re: RE: Gewalt bei Alzheimer Patienten
Sehr geehrte Preston,
es gibt was die Behandlung von Verhaltensstörungen wie z.B. Aggression bei Demenzen angeht mehr oder weniger allgemein akzeptierte "Standardverfahren" nach denen medikamentös behandelt wird. Wenn diese nicht die gewünschte Wirkung zeigen ist alles weitere "trial and error", also "Versuch und Irrtum". Die Methode, jemanden vor Therapieumstellung stark zu sedieren, kenne ich zumindest bei älteren Demenzpatienten, die bekanntermassen besonders empfindlich für Medikamentennebenwirkungen sind nicht, und würde sie daher selbst auch nicht anwenden. Vielleicht liegt das aber auch daran, daß ich mit diesem Verfahren keine eigenen Erfahrungen gesammelt habe.
Mit freundlichen Grüssen,
Spruth
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