Meine Mutti ist 82 Jahre alt, leidet seit 5 Jahren an fortschreitender Demenz und ist seit 3 Jahren in einem Pflegeheim in meiner Nähe bestens untergebracht. Sie hat Pflegestufe 6, kann nicht mehr sprechen und ist ganz auf fremde Hilfe angewiesen. Wenn ich komme, erkennt sie mich jedoch und sie reagiert sehr gut auf Streicheln und auf Berührungen. Mich würde nun interessieren, ob - obwohl sie keine Sätze mehr formulieren kann - noch in irgendeiner Weise Denkvorgänge in ihrem Gehirn ablaufen ... warum kennt sie mich, wenn sie offensichtlich keine Vergangenheit und keine Zukunft mehr kennt?
Liebe Grüße,
Klaudia
M.Huber
RE: Denkvorgang
Wieso bist Du Dir so sicher,daß sie dich erkennt,da sie Dich doch nicht mit Deinem Namen anspricht.
Wahrscheinlich reagiert sie nur auf Deine liebevolle
Zuwendung,dies bekommen demenzkranke Menschen sehr wohl mit,sie brauchen es sehr.
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capo4free
RE: Denkvorgang
Hy Klaudia...
ich bin Pflegekraft in einem Altenheim. Mir ist die Pflegestufe 6 nicht bekannt, es gibt meines wissens nach PfSt. 1, 2 und 3. Pflegestufe 3 bedeutet: der betreffende Mensch ist bettlägrig, muss ernährt werden, ist inkontinent und braucht vollständige pflegeriche Übernahme aller Tätigkeiten (soll heissen: kann nicht angeleitet werden) ich habe die Erfahrung gemacht, dass Demenzpatienten im fortschreitenden Stadium weder zeitlich noch örtlich noch zu Person orientiert sind. Wenn sich deine Mutter nicht mehr ausdrücken kann, kann man natürlich nicht sagen, dass sie dich nicht erkennt, aber es stimmt schon, dass sich Dementkranke über jede Berührung und zärtlichkeit freuen und darauf auch sehr positiv reagieren. Ich als Pflegekraft, die ständig (täglich) in pysischem sowie psychischem Konakt zu Demenzpatienten steht, bin mir sicher morgens von "meinen Leuten" nicht erkannt zu werden. Allerdings muss man auch sagen, dass Dementkranke sich durchaus an Erlebnisse oder Personen aus Ihrem "früherem Leben" errinnern können. Meist leider nur teilweise aber immerhin...
grüße christoph
Denkvorgänge, welcher Art auch immer, finden bei Demenzen bis zum Schluss statt. Wir können im Einzelfall in schweren Stadien allerdings kaum nachweisen, was die Patienten denken. Vielleicht erkennt Ihre Mutter Sie, vielleicht nicht, vielleicht stellt sich in ihr auch "nur" ein Gefühl der Vertrautheit ein, ich kann es Ihnen nicht beantworten. In jedem Fall aber spürt Ihre Mutter Ihre Nähe und Zuneigung.
ich glaube, Sie haben bestimmt die Stufe 6 nach der Reisberg Skala gemeint, denn beschrieben ist Muttis Zustand ja danach.
Aus gelebter Erfahrung ...ja, sie denken noch, nur was ? Ab und zu tauchen Inseln auf...Sätze oder Worte.....letztlich bleibt das Verhalten danach und wenn es im fortgeschrittenem Stadium ruhigeres Atmen ist....
Ich bin der Ansicht über die Einbuße der geistigen Fähigkeiten, werden besonders die sensorischen Fähigkeiten verstärkt.
Wo denken keinen Schluss mehr zulässt, fühlen es unsere Loved Ones und sie fühlen und riechen uns, was vertraut ist.
Man sollte in Gegenwart unserer Lieben auch nie Kritisches bereden, weil man nicht weiss, ob da nicht mehr verstanden wird, als wir meinen.
Ich schicke Ihnen einen meiner Schätze zu, der diesbezüglich nachdenklich machen mag.
Ihnen und Mutti alles Gute
Auguste
> Dieses folgende Gedicht schrieb eine alte Frau, die seit langem in einem
> Pflegeheim in Schottland lebte und
> von der man meinte, sie sei desorientiert. Nach ihrem Tod fand man dieses
> schöne Gedicht bei ihren Sachen:
Was seht ihr, Schwester?
Was seht ihr, Schwester was seht ihr ?
Denkt ihr wenn ihr mich anschaut:
Eine mürrische alte Frau ,
nicht besonders schnell, verunsichert in ihren Gewohnheiten,
mit abwesendem Blick,
die ständig beim Essen kleckert,
die nicht antwortet wenn ihr sie anmeckert,
weil sie wieder nicht pünktlich fertig wird.
Die nicht so aussieht, als würde sie merken, was ihr macht
und ständig den Stock fallen lässt und nicht sieht, wo sie geht,
die willenlos alles mit sich machen lässt:
Füttern, waschen und alles was dazu gehört.
Denkt ihr denn so von mir, Schwester, wenn ihr mich seht, sagt?
Öffnet die Augen, Schwester! Schaut mich genau an!
Soll ich euch erzählen, wer ich bin,
die hier so still sitzt,
die macht ,was ihr möchtet und isst und trinkt, wann es euch paßt?
Ich bin ein zehnjähriges Kind
mit einem Vater und einer Mutter, die mich lieben
und meinen Schwester und mein Bruder.
Ein sechzehnjähriges Mädchen, schlank und hübsch,
die davon träumt ,bald einem Mann zu begegnen.
Eine Braut, fast zwanzig,
mein Herz schlägt heftig beim Gedanken an die Versprechung,
die ich gegeben und gehalten habe.
Mit fünfundzwanzig noch habe ich eigene Kleine,
die mich zu Hause brauchen.
Eine Frau mit dreißig, meine Kinder wachsen schnell und helfen inander.
Mit vierzig, sie sind alle erwachsen und ziehen aus .
Mein Mann ist noch da und die Freude nicht zu Ende.
Mit fünfzig kommen die Enkel, und erfüllen unsere Tage,
wieder haben wir Kinder- mein Geliebter und ich.
Dunkle Tage kommen über mich ,mein Mann ist tot.
Ich gehe in eine Zukunft voller Einsamkeit und Not.
Die Meinen haben mit sich selbst genug zu tun;
aber die Erinnerung von Jahren und die Liebe bleibt mein.
Die Natur ist grausam, wenn man alt und krumm ist
und man wirkt etwas verrückt.
Nun bin ich eine alte Frau, die ihre Kräfte dahinsiechen sieht
Und der Charme verschwindet.
Aber in diesem alten Körper wohnt immer noch ein junges Mädchen,
ab und zu wird mein mitgenommenes Herz erfüllt.
Ich erinnere mich an meine Freuden, ich erinnere mich an meine Schmerzen
Und ich liebe und lebe mein Leben noch einmal,
das allzuschnell an mir vorübergeflogen ist
und akzeptiere kühle Fakten, dass nichts bestehen kann.
Wenn ihr eure Augen AUFMACHT Schwestern,
so seht ihr nicht nur eine mürrische alte Frau.
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