Nun kam vor einem halben Jahr zu seiner Vergesslichkeit auch Unruhe als Symptom hinzu und meine Mutter (auch 80 Jahre), die mit ihm alleine in einem Haus wohnt begann sich Sorgen zu machen. Der Alltag wurde stressiger für sie. So kontaktierte meine Schwester die zuständige Neurologin und diese verschrieb "Melperon" 10mg. Zu Beginn bekam er drei Tabletten am Tag, als sich daraufhin an der Unruhe nichts änderte bekam er fünf am Tag. Im Oktober feierte er seinen 80igsten Geburtstag und mir fiel auf, dass sich sein Zustand zwischen meinem letzten Besuch im August und dem im Oktober stark verschlechtert hatte. Mein Vater war sehr verlangsamt und konnte nur noch beschwerlich gehen, zudem hatte er große Wortfindungsstörungen. Im Sommer hatte er noch größere Spaziergänge machen können und nun musste ich ihn unterhaken.
Im Sommer konnte er noch ganze Sätze sprechen und nun waren es nur noch einzelne Worte. Er forderte Begleitung bei jedem Toilettengang und war dauermüde. Allerdings schlief er nachts sehr schlecht, machte die Nacht zum Tag, was für meine Mutter sehr anstrengend wurde.
Die Neurologin verschrieb daraufhin Zolpedin - als Schlafmittel, was zur Folge hatte, dass er in dieser Zeit nachts dreimal fiel. Zum Glück hatte er sich nichts gebrochen und auch sonst keinen weiteren Schaden davongetragen.
Ich wusste nichts von den Tabletten und konnte insofern keinen Zusammenhang herstellen. Ich weiss aber sehr wohl, dass ich sehr traurig zurück nach Berlin gefahren bin, mit dem Bewusstsein, dass mein Vater nun wohl seine letzte Reise angetreten hatte.
Ende November bekam ich einen Anruf von meiner Schwester, mein Vater sei zusammengebrochen und er sei für einen Tag zur Kurzzeitpflege in dem Heim, das sie leitet, untergebracht. Verdacht auf Schlaganfall.
Ich machte mich sofort auf den Weg zu meinen Eltern und was ich da antraf war ein Häufchen Elend. Meinem Vater ging es psychisch und körperlich sehr schlecht. Er konnte nicht mehr selbständig zur Toilette, nässte ein, weinte viel und konnte sich kaum mehr bewegen, war wie versteinert und schlief fast den ganzen Tag. Wir organisierten einen Rollstuhl, denn ohne war er kaum mehr von einem Zimmer zum anderen zu bewegen. Am Morgen war er noch einigermaßen fit und konnte sich äußern, aber was er äußerte war zutiefst deprimierend. Er erlebte seinen körperlichen Verfall sehr klar und das machte ihn psychisch komplett unruhig und ängstlich. Er halluzinierte und war voller Angst.
Ich gab ihm täglich seine Tabletten, aber die Unruhe wurde eher stärker. Nur dass er sich nicht mehr bewegen konnte oder wenn, es so aussah als hätte er Parkinson. Plötzlich trippelte er nur noch und war zittrig. Die Neurologin erhöhte die Dosis an Melperon nun auf sieben Stück am Tag - das war Fluch und Segen zugleich, denn nun ging es ihm noch schlechter. Dauerbenebelt und zu keinem Wort mehr fähig konnte ich schließlich den Zusammenhang zwischen dem Medikament und dem Zustand meines Vaters erkennen. In Folge setzte ich die Tabletten schrittweise ab, von 7 auf fünf, von fünf auf drei, von drei auf eine und von einer auf null- sein Zustand verbesserte sich zusehends - plötzlich konnte wieder besser laufen und nach nur einer Woche war sein Zustand dramatisch verbessert. Er fing wieder an zu sprechen, konnte sogar wieder scherzen und hatte somit immens an Lebensqualität wiedergewonnen. Er konnte allerdings immer noch sehr schlecht schlafen in der Nacht und Ängste und Unruhe tauchten auch täglich auf. Wenn auch jetzt nur noch auf Stunden begrenzt und nicht wie mit Melperon 24 Stunden am Tag.
Wir entschieden uns für Baldrian und Hopfen in Kombination - schon am ersten Tag zeigte das die erwünschte Wirkung.
Mittlerweile bekommt mein Vater Baldrian und Hopfen für den Tag in einem Verhältnis 80mg zu 20mg - er nimmt davon zwei mal täglich zwei und für die Nacht Baldrian 180mg zu 45mg - zusätzlich noch eine Tasse Lavendeltee am Abend und was soll ich sagen:
Meinem Vater geht es so viel besser, er findet selbständig zur Toilette, er kann wieder sprechen, ist ausgeglichen und Unruhe tritt nur noch sehr selten auf - er bewegt sich selbständig in der Wohnung und ist wieder in der Lage kleine Spaziergänge zu genießen, er kann Besuch ertragen, er hat Freude am Schnee der fällt und kann dies äussern (alles Dinge, zu denen er innerhalb von weniger Wochen nicht mehr fähig war) er schläft die ganze Nacht, bis auf einen Toilettengang, durch. Meine Mutter kann auch wieder schlafen und der Alltag ist wieder viel besser zu handeln. Ein paar Wochen zuvor mussten wir uns mit der Frage auseinandersetzten, ob nun ein Seniorenheim die Lösung ist, denn zu Hause, in diesem Zustand, trotz Hilfe von aussen wie Pflegedienst, Haushaltshilfe etc... wäre das nicht zu bewerkstelligen gewesen. Das hätte meiner Mutter, meinem Vater und auch mir das Herz gebrochen.
Ich bin entsetzt, wie schnell starke Neuroleptika verschrieben werden und aus einem Fehler der nächste Folgefehler entsteht. Das Schlafmittel hätte meinen Vater früher oder später mit einem Oberschenkelhalsbruch ins Krankenhaus gebracht und danach ins Heim.
Ich bin froh, dass ich mir die Zeit genommen habe, genauer hinzuschauen - wir werden die Krankheit nicht aufhalten und vielleicht hat sich mein Vater tatsächlich auf seine letzte Reise gemacht und er darf auch gehen, aber er muss nicht leiden, nur weil eine null acht fünfzehn Medikation von einer Neurologin verschrieben wurde, die, sind wir mal ehrlich, weder genauer hinsieht noch bis ins Detail weiss, wie das Medikament beim jeweiligen Patienten wirkt - und würde sie genauer hinsehen, würde sie erkennen, dass in manch einem Fall mehr Leid als Gutes dabei rauskommt.
Diese Erfahrung wollte ich nun unbedingt teilen, denn ich denke, homöopathische Mittel finden viel zu wenig Beachtung in der Symptomlinderung bei Demenz. Mein Vater hatte in seinem Leben noch nie Medikamente bekommen und ich würde mir wünschen, dass mehr Neurologen in einem solchen Fall vielleicht doch eher mal nicht zu den Hämmerchen greifen, deren Nebenwirkungen oft schlimmer sind als das zu bekämpfende Symptom. Übrigens das Parkinsonoid, das plötzlich auftrat ( als Nebenwirkung ausgewiesen) ist leider noch nicht verschwunden - mein Vater trippelt immer noch wenn er durch eine Tür geht - ich denke das bleibt leider übrig von der sechsmonatigen Melperon Einnahme - alle anderen Nebenwirkungen, auch die Halluzinationen sind verschwunden.
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