Soweit klappt das einigermaßen gut, auch wenn ihr Verhalten jetzt zunehmend schwieriger wird. Sie möchte ständig "nach Hause", obwohl ich mich sehr auf sie einstelle. Das ist oft sehr belastend, da ich auch zu Hause berufliche Tätigkeiten auszuführen habe und noch der Haushalt (eigentlich: die Haushalte) zu bewältigen ist. Sie kommt dann oft im Viertelstundentakt in mein Arbeitszimmer und verlangt mit Nachdruck, dass ich ihre Schwester anrufen soll, damit sie sie abholt! (Sie hat überhaupt keine lebenden Geschwister mehr.) Das geht schon seit Monaten so, täglich den ganzen Nachmittag bis es dunkel wird. Selbst wenn wir zusammen essen oder fernsehen, steht sie auf, geht zur Tür, kommt wieder zurück,geht wieder zur Tür, immer wieder, bis sie dann wieder einige Stunden vor dem Fernseher verbringt oder in ihrer Handtasche nestelt. Letzteres geht übrigens auch viele Stunden lang: wertlose Zettelchen werden aufgeklappt, emsig studiert, wieder zugefaltet und eingesteckt und dann wieder hervorgeholt.
Sie erkennt mich nicht mehr ("Sag mal, wer du bist!"). Sie ist fest davon überzeugt, dass in der Nachbarschaft ihr Elternhaus mit ihren Geschwistern ist, die auf sie warten. Ihre eigene Wohnung hält sie für die Wohnung einer Nachbarin. Zu all ihren "Schätzen" in ihrer Wohnung hat sie keine Beziehung mehr. Manchmal macht sie ihren Kleiderschrank auf und fängt laut an zu schimpfen, wer ihre Kleider "hierhergebracht" hat. Sie packt ständig Plastiktaschen, die sie wahllos mit einzelnen Kleidungsstücken und Schuhen vollstopft. Ihre Handtasche hat sie meist am Schulterriemen bei sich und darin kann man Dinge wie eine schwere Zigarettendose oder sperrige Nippessachen finden.
Was mir am meisten zu schaffen macht, sind Verhaltensweisen wie diese: Sie wechselt ihre Kleidung überhaupt nicht. Wenn ich ihr trotzdem mit Mühe und Not eine saubere Bluse angezogen habe und sie halbwegs einverstanden ist (denn sie sträubt sich immer, indem sie sagt, das mache sie "zu Hause"), wird sie nach kurzer Zeit regelrecht hysterisch und fängt laut an zu schreien, wo ihre Bluse sei, sie wolle ihre Bluse wiederhaben. Jeder Beruhigungsversuch scheitert, ich muss ihre Bluse aus dem Schmutzwäschekorb holen und sie zieht sie sich wieder an und ist zufrieden! Folge: Ich wage mich nicht mehr mit ihr vor die Tür zum Spazierengehen, was eigentlich dringend nötig wäre, denn das würde uns beiden guttun.
Dasselbe mit dem Duschen: Kein liebes oder nachdrücklicheres Wort hilft. Nein, sie duscht "zu Hause"! Fingernägel schneiden: "Nein, das mache ich zu Hause!" Fußnägel, dito. Beim Friseur war ich mit ihr zum letzten Mal vor einem halben Jahr. Ich traue mich nicht mehr dorthin, weil sie laut wird, wenn ihr etwas nicht passt, oder sie merkwürdige Kommentare abgibt. Tendenz: so etwas wie Verwahrlosung, was ich so gerne vermeiden würde, nein, was vermieden werden muss! Meine Mutter war immer so eine gepflegte und modebewusste Frau!
Ich habe jetzt eine Helferin engagiert, die stundenweise die Betreuung meiner Mutter übernimmt, wenn ich nachmittags beruflich unterwegs bin. Für die anderen Probleme habe ich noch keine Lösung gefunden und sie werden immer dringlicher. Hat jemand Ratschläge?
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