ich bin neu hier und möchte mich daher ganz kurz vorstellen.
-von beruf (seit 23 jahren): ausbilder für jugendliche und junge erwachsene im reha-bereich, gebiet: lernbehinderungen bis leichte geistige und körperliche behinderungen.
pflege meiner demenzkranken mutter seit etwa 10 jahren, zuerst in ihrer eigenen wohnung, seit 2 jahren bei mir im haus. betreuung eines 14-jährigen pflegekindes (meine enkelin).
die demenzerkrankung meiner mutter ist seit etwa 10 jahren diagnostiziert. anzeichen hatte sie schon 5-6 jahre davor. sie erhält neben einer ganzen reihe anderer medikamente (herz-kreislauf, lipidsenker....) seit etwa 4 jahren erst Citalopram, jetzt Axura.
meiner meinung nach hat das axura das progressive fortschreiten der krankheit recht gut eingedämmt...bis jetzt.
meine mutter hat die üblichen, bekannten probleme mit dem tagesgedächtnis und orientierungsschwierigkeiten in unbekannter umgebung.
seit einiger zeit "erfindet" meine mutter erlebnisse, die sie auch so überzeugend ausschmückt, dass außenstehende diese berichte sogar größtenteils glauben und mir sagen, dass es meiner mutter doch garnicht so schlecht gehen könne, da sie doch so ein gutes gedächtnis habe.
als beispiel: sie erzählt, dass sie ein kleinkind, welches auf einen baum geklettert war, noch vorm eintreffen der feuerwehr herunter geholt hätte. das ganze soll vor 2 jahren passiert sein, also zu einem zeitpunkt, als sie schon bei mir im haus lebte. sie schmückt die einzelheiten so glaubhaft aus, dass sogar unser hausarzt (dem sie die geschichte auch erzählt hat) mich erstaunt gefragt hat, ob das wahr sei. ich muss dazu sagen, dass meine 85-jährige mutter körperlich noch ziemlich gut beisammen ist.
ein anderes mal erzählt sie, dass sie bei einem zirkusbesuch in unserer stadt in die manege geholt wurde und dort über ein (dicht über dem boden gespanntes) seil gelaufen ist. weil sie das so gut gemacht hat, hätte sie eine dauerfreikarte für diesen zirkus bekommen.
das problem für mich ist, dass mich die leute, denen sie ihre geschichten erzählt, logischerweise immer in ihrer gegenwart fragen, ob das stimmt.
wenn ich "nein" sage bekommt meine mutter regelrecht hysterische wutanfälle, weint, weil ihr keiner glaubt, wird dann von den zuhörern getröstet und ich bekomme die vorwürfe, ich solle meine mutter doch nicht so runterputzen (meine mutter schiebt dann immer nach, ich könnte das doch garnicht wissen, ich wäre ja nicht dabei gewesen).
sage ich ja, strahlt mutter zwar, aber die bekannten machen sich hinterher oft lustig über uns beide, wenn sie später die wahrheit erfahren.
nun bin ich ja in den meisten situationen nicht so ganz unbeholfen, denn durch meine rehapädagogische ausbildung, die unter anderem auch behindertenpsychologie beinhaltet, findet sich meistens die richtige reaktion auf ein problem.
bei diesen erfundenen geschichten bin ich aber immer etwas in der zwickmühle. hab auch schon ausprobiert ja zu sagen und heimlich den kopf zu schütteln, aber mutter hat argusaugen und bemerkt diese versuche und ist dann immer tagelang eingeschnappt und wütend.
ach so, eins noch: ich habe beobachtet, dass diese geschichten in ihrem kopf immer dann entstehen, wenn wir im bekanntenkreis gemütlich zusammen sitzen (mutter ist immer dabei, schon wegen der geistigen beschäftigung) und uns über dies und das unterhalten. ich denke, dass sie in diesen geschichten das reflektiert, was sie liest (mutter liest sehr gern, zwar immer die selben bücher, aber das macht ja nichts), oder was sie im fernsehen sieht. ich weiß auch, dass das IHRE WAHRHEIT ist.
wie gesagt, sie schmückt die geschichten so clever aus, dass sie teilweise durchaus echt klingen.
schön wäre es, wenn jemand für mich vorschläge hat, wie ich solche situationen umgehen kann, denn schließlich will ich meine mutter nicht aus unseren geselligkeiten ausschließen.
danke fürs zuhören
metasequoia55
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