Ich bin 48 Jahre alt und meine Mutter 80 Jahre alt.
Wir leben aber (Gott sei Dank) nicht (mehr) zusammen, aber es gibt ja leider immer noch das Telefon.
Aus beruflichen Gründen wohne ich weiter weg.
Durch seit der Geburt bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen als auch seit dem 30. Lebensjahr bestehenden konkreten Erkrankung, die medikamentös behandelt werden muss, haben meine Mutter und ich ein sehr, sehr enges Verhältnis.
Ich habe noch einen älteren Bruder und eine ältere Schwester sowie eine jüngere Schwester.
Zudem hatten wir wegen meinem Vater eine sehr, sehr schwere Kindheit und Jugend, von der vor allem wir drei Mädchen sehr schwer traumatisiert sind.
Aber trotzdem nehmen wir alle am Leben teil und sind alle Vier berufstätig.
Unser Vater ist 1989 gestorben.
Es war eine Erlösung.
Bis vor wenigen Jahren bin ich noch wöchentlich zu meiner Mutter gefahren.
Ich arbeite 4 volle Tage und habe den Freitag frei.
Ich bin Verwaltungsangestellte im öffentlichen Dienst und 60 % schwerbehindert aufgrund einer anfallsfreien Epilepsie.
Aus Verantwortung und Gewissensgründen bin ich jahrelang wöchentlich, noch am Donnerstag, zu meiner Mutter gefahren ohne zu merken/merken zu wollen, dass dies meiner Gesundheit nicht gut tat.
Die beruflichen Anforderungen sind inzwischen gestiegen und ich bin älter geworden.
Ich will es immer allen Recht machen, was diejenigen aber nicht merken, sondern es verursacht anstatt Lob, immer nur Kritik.
2005 ist dann mein Elternhaus verkauft worden, in dem meine Mutter und ich bis dahin gewohnt hatten. Ein schönes Anwesen mit einem schönen Garten in ruhiger Lage.
Bis meine Mutter dann in eine gekaufte Eigentumswohnung ziehen konnte, dauerte es noch eine Zeit, weshalb sie dann übergangsmäßig in einer Ferienwohnung lebte und ich damals ja Gott sei Dank schon meine Wohnung hatte. "Da" habe ich dann endlich gemerkt, was ich mir all die Jahre gesundheitlich zugemutet bzw. angetan habe, indem ich wöchentlich zu meiner Mutter gefahren bin, denn es stellte sich heraus, dass ich mich doch ganz wohl in meiner Wohnung fühlte und der Druck nicht mehr da war.
Der psychische Gesundheitszustand meiner Mutter hat sich inzwischen aber sehr verschlechtert. Mir gegenüber kann sie auf einmal sehr, sehr launisch bis aggressiv sein. Beschimpft mich. Macht mir Vorwürfe. "Sie hat früher all meine Launen durchgehen lassen, waas ein Fehler war, weshalb sie nun andere Seiten aufzieht". Das empfinde ich als eine Drohung. "Sie will mir nicht mehr nur Honig ums Maul schmieren", weshalb es oft schnell zu unschönen Szenen zwischen uns kommt, wenn ich sie dann besuche. "Ich bin zu negativ" - "Mit mir könne man nicht zusammen leben". So reagiert sie, wenn wiederum ich ihr deutlich mache, dass ich nicht mehr das handliche liebe Kind bin, was sie jahrzehntelang gewöhnt ist. Ich provoziere sie nicht absichtlich. Sie behandelt mich ständig von oben herab und will mir vermeintlich wohl meinende Dinge sagen, die wichtig für mein Leben sind. Ich habe eine Initiative gegründet (übers Internet) und dadurch sehr, sehr viele Freundschaft gewinnen können. Manchmal sehen wir uns auch persönlich.
Ich habe jahrzehntelang ein Leben im Dunkel gelebt umrahmt von einer Familie, von der man nur depressiv werden kann. Diese Initiative und die Freundschaften sind für mich ein Leben der ganz neuen, anderen und vor allem wohltuenden Art.
Aufgrund meiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen musste ich mir jahrzehntelang anhören, dass ich nichts kann, was zu einem entsprechenden Selbstbewusstsein geführt hat. Meine beiden Schwestern sind beide Therapeutinnen und sehen mich nur als therapiebedürftig an, obwohl doch mit meinem Leben alles in Ordnung ist. Ich werde bei familiären Zusammenkünften entsprechend, je nach Laune der Ausfühernden, bevormundet. Von meinen Schwestern und von meiner Mutter.
Im vergangenen Jahr hat meine Mutter ihr erstes künstliches Kniegelenk bekommen. In zwei Wochen kommt das zweite dran.
Mir drängt sie oft Gespräche auf, die sehr hart sind, weil es ihr psychisch dann nicht gut geht und sie diese "Gespräche" dann dazu nutzt, um ihren Frust bei mir abzulassen. Da ich in meinem Leben nicht viel erreicht habe außer Krankheiten zu sammeln (die Epilepsie ist nicht das Einzige), hat sie mir gegenüber keinen Respekt, sodass sie mir gegenüber ganz hemmungslos ihren Frust los lassen kann. Inzwischen biete ich ihr aber auch Paroli. Ich rege mich dann nur sehr schnell auf, weshalb es mir dann sehr schlecht geht. Meine Mutter meint außerdem, dass ich meine Wohnung nicht genug pflegen würde und hat mir schon mal mit dem Vermieter gedroht. Meine Mutter meint, ich würde die Pflege meiner Wäsche vernachlässigen und nicht jeden Tag die Unterhose wechseln. Als ich sie letztes Jahr in der Reha besucht habe, empfing sie mich mit den Worten: "Deine Jacke stinkt". Meine Geschwister hätte sie so nicht empfangen.
Meine Mutter fleht mich in diesen sehr heftig verlaufenden Gesprächen dann immer an, doch mehr Kontakt mit der Familie zu halten. Für meine Mutter ist die Familie inzwischen etwas Heiliges. Sie bezeichnet es zudem als einen zu abrupten Schnitt, dass ich auf einmal den Kontakt so abgebrochen habe. Ja, mein Gott noch mal. Ich wurde jahrzehntelang nur bevormundet und kritisiert, was immer noch der Fall ist, wenn man sich mal in der "glücklichen" Familie trifft. Meine Mutter kann/will das aber nicht mehr so sehen, DA ICH JA ZU NEGATIV BIN GEGENÜBER ALLEM, was aus der Familie bin. Vorhin hat meine Mutter angerufen und mir wieder so ne unschöne Szene aufgezwungen, weil es ihr psychisch nicht gut ging, was ich sofort gemerkt habe. "Die Familie", "Die Familie". Für meine Mutter zählt nur "die Familie". Inzwischen kann sie sich zwar einigermaßen zusammen reissen in Bezug auf Gespräche dieser Art, die wir schon mal häufiger hatten. Aber wenn es aus ihr heraus bricht, dann ist es so erniedrigend und demütigend. Und ich kann meiner Mutter nicht mal helfen. Mit meinen Geschwistern habe ich vorsichtig entsprechende Gespräche versucht, aber die wollen nichts damit zu tun haben.
Jahre-/Jahrzehntelang ist auf mich Druck ausgeübt worden, dass ich doch selbstständiger werden sollte, vor allem auch in der Freizeit. Nun habe ich mich so entwickelt und es ist auch falsch. Ich kann diese Betütelung einfach nicht haben. Da sehe ich rot. Für meine Mutter bedeutet die Familie ungeheuer viel und ihr geht es nur gut, wenn es ihren Kindern auch gut geht. Sie klammert sich in einem Maße daran, was ich wiederum für nicht normal finde. Und ich will einfach nur meine Ruhe haben, weil es im Kreise der Familie immer nur um langweiliges Zeugs geht, was sich gerade in einem Dorf tut oder sonst was oder man will mich wieder nur bevormunden, woran ich ersticke. Und meine eigene Meinung darf ich auch nicht sagen.
Da ich selber in fachärztlicher neurologischer Behandlung bin, habe ich mich in meiner Verzweiflung diesbezüglich an meinen Arzt gewandt, der meint, dass es sich bei dem auffälligen Verhalten meiner Mutter um eine beginnende Alzheimer Demenz handelt. Aber ich werde das in meiner Familie nicht ansprechen. Als ich vor Jahren schon mal Probleme mit meiner Mutter hatte und dieses im Kreise meiner lieben Geschwister angesprochen hatte, ist da raus ein fürchterliches Drama geworden, in dessen Verlauf ich von meiner älteren Schwester regelrechte Drohbriefe bekam, weil es ihr gerade nicht gut ging aufgrund der Traumatisierung durch unseren Vater. Inzwischen behandelt meine ältere Schwester als Musiktherapeutin selbst Demenz Kranke in Altenheimen und ihr kann daher das diesbezüglich veränderte Verhalten unserer Mutter nicht entgegangen sein, da meine ältere Schwester gelegentlich zu Besuch da ist. Meine Schwestern benutzen Kranke in der Familie aber hauptsächlich nur zu berufl. Forschungszwecken und nicht, um ihnen selbst zu helfen.
Ich weiß, dass mir niemand wirklich helfen kann und dass ich das schwierige Verhalten meiner Mutter weiterhin so ertragen muss. Es ist nur so, dass ich in meinem Leben nie auf der Sonnenseite stand. Meine neuen Freundschaften und die Initiative (für eine Person des öffentl. Lebens) haben aus mir einen neuen und gegensätzlichen Menschen gemacht. Da bin ich ein ganz anderer Mensch. Meine jüngere Schwester wirft mir vor, dass ich mich von der Familie abkappseln würde. Meine Mutter möchte gerne regelmäßige Kontakte. Sieht aber nicht, will nicht sehen, dass ihr Verhalten für andere zunehmend eine Belastung geworden ist.
Vielen Dank für Euer Zuhören und für eventuelle Antworten. Herzliche Grüße, Engelfrau64
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