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wir wissen nicht mehr weiter

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  • wir wissen nicht mehr weiter

    Ich möchte hier den Fall meiner 85 jährigen Mutter vorstellen und bitte dringend um Ratschläge. Erstmals wurde bei meine Mutter vor gut 10 jahren eine leichte Form der Demenz diagnostiziert. Sie ging dann für 6 Monate in eine Tagesklinik der Gerontopsychatrie in Wuppertal. Der Aufenthalt tat ihr sehr gut, sie wurde medikamentös gut eingestellt. Der damalige Hausarzt hat dann unbegreiflicher Weise die Medikamente wieder abgesetzt, weil sie die nicht nehmen wollte. Meine Mutter lebte zu dieser Zeit zunächst mit mir und meiner Familie in einem gemeinsamen Haushalt.
    Da ich die Konflikte nicht mehr aushalten konnte, zog ich mit meiner Familie in ein anderes Haus, versorgte sie aber weiterhin fast täglich. Vor drei Jahren stürzte meine Mutter und hatte einen Oberschenkel-Halsbruch, wurde operiert, war lange im Krankenhaus und danach noch 6 Wochen in der Reha. Auch hier wurde sie medikamentös behandelt und war umgänglich. Da sie aber von da an auch körperlilch nicht mehr in der Lage war, allein zu leben, zog meine Schwester zu ihr um sie zu betreuen und zu pflegen. Das ging zunächt auch wieder gut, bis dann der Hausarzt erneut die Medis abesetzte. Von da an begann die Hölle!
    Man kann ihr nichts recht machen, alle sind angeblich gegen sie, vereint in einem großen Komplott, egal ob Familie, Ärzte, Pfleger, der Fußpfleger, die Nachbarn... alle haben nur das Ziel sie los zu werden , in ein Heim zu bringen, sie um Ihr Geld zu bringen. Jede angebotene Hilfe wird als Angriff gewertet. Meine Schwester, die ja mit ihr in einer Wohnung lebt ist nun in psychatrischer Behandlung, weil sie nicht mehr kann. Mal so ein kleines Beispiel: meine Schwester kocht für meine Mutter das Mittagessen. Meine Mutter sagt: "Das ist eklig, richtiges Schweinessen!" So ging das jeden Tag. Also haben wir Essen auf Rädern geordert, von 3 verschiendenen Küchen auf Probe, aber leider immer mit dem gleichen Ergebnis "eklilg, kann man nicht essen"! Da meine Schwester die Pflege nun nicht mehr leisten kann, weil keine gute Atmosphäre mehr herzusstellen ist, habe ich dafür gesorgt, dass meine Mutter 3 mal in der Woche in die Tagespflge geht. Beim ersten Probetag wollte sie morgens noch die Polizei rufen, um zu verhindern dass ich sie dort hinbringe.
    Am nachmittag habe ich dann aber eine sehr veränderte Person in Empfang genommen. Es hatte ihr gefallen, wenn sie es auch nicht wirklich zugeben wollte und sie hat von ihrem ereignissreichen Tag erzählt. Wir merkten, wie gut ihr der Kontakt zu anderen getan hat, den sie selbst seit Jahren ablehnt. Aber schon am nächsten Tag kam dann, was nicht alles schrecklilch dort war und das sie bei diesen "Kranken" doch nicht zu suchen hat.
    Aber ich bestehe darauf, dass sie weiter dort hingehen wird.
    Zudem habe ich für die nächste Woche einen Termin in der Gerontopsychatrie gemacht. Sie weigrt sich auch hier mit mir hinzugehen, denn ihr fehlt ja nichts, sondern wir, ihre Kinder sind alle psychisch krank! Wir wissen einfach nicht mehr weiter und fühlen uns auch von den Ärzten so im Stich gelassen. Wir wollen die Pflege unserer Mutter gerne selber machen, aber sind nun an unserer Grenze angekommen. Wer kann uns Tipps geben, wie kann man die nötigen Medikamente auch gegen den Willen des zu Pflegenden verabreichen, was macht man mit jemanden, der doch Hilfe braucht aber sie nicht annehmen kann?


  • Re: wir wissen nicht mehr weiter


    Hallo Susa,
    eigentlich hat Ihre Mutter ja recht, ihr fehlt nichts, außer daß sie nach und nach ihre Fähigkeiten verliert. Das macht ihr höllische Angst und es macht sie besonders skeptisch anderen gegenüber. Sie versteht ja nicht mehr genau, was Sie von ihr wollen. Wenn sie seit 10 Jahren eine Demenz hat, hat sie bereits einen elend langen Leidensweg hinter sich.

    Ich formuliere mal einfach meine Gedanken hierzu. Vielleicht hilft Ihnen das etwas weiter. Raten kann man schlecht, da jeder Mensch anders reagiert und die unterschiedlichsten Ventile für seine Krankheit benutzt.

    Die Frage ist, welche Medikamente sind überhaupt noch notwendig, wenn sie bereits Demenzpräparate erhalten hat (?). Diese verlangsamen die Erkrankung ja höchstens 1-1,5 Jahre, sie heilen nicht und es ist fraglich, ob sie noch wirken.

    Ein Demenzkranker braucht ab einem gewissen Stadium eine 24 Stunden Rundumbetreuung und die kann ein Berufstätiger nicht leisten. Haben Sie schon mal in Ihrer Gegend geschaut, ob es eine Wohngemeinschaft für Demenzkranke gibt? Wenden Sie sich an die Alzheimer-Gesellschaft in Ihrer näheren Umgebung.

    Hat Ihre Mutter eine Pflegestufe? Der Pflegedienst kann hier auch beraten. Welche Medikamente muss sie sonst noch einnehmen? Der Hausarzt ist nicht ihr geeigneter Gesprächspartner. Es sollte ein Neurologe/Psychiater sein.

    Es geht auch nicht darum, dem Pflegebedürftigen ein 3 Gänge Mittagessen zu verabreichen, wenn er das nicht möchte, nur weil wir meinen, "sie muss doch vernünftig essen". Ja, essen muss sie, aber gerne und mit Genuss und wenn Sie sich von Bananen und Butterbroten ernähren möchte, dann soll sie das tun.

    Wissen Sie, was Ihre Mutter noch gerne ißt? Stellen Sie davon etwas in der Küche/in der Wohnung auf, wo sie es sieht und wo sie jederzeit von naschen kann. Und räumen Sie es nicht weg, weil es unordentlich aussieht oder doch unbedingt in den Kühlschrank gehört.

    Lösen Sie Medikamente in ihrem Lieblingsgetränk auf oder zerbröseln Sie es in einem Stück Kuchen. Wenn meine Mutter ihre Medikamente mal ein paar Tage nicht nimmt (sie spuckt ihre ekelige Tablette mit Vorliebe wieder aus), passiert gar nichts.

    Den Versuch mit der Tagesstätte würde ich weiter ausprobieren, natürlich nicht bis zur kompletten Überforderung und wenn sie absolut nicht mehr will. Kommentieren Sie ihr Genörgel hinterher nicht. Das wäre ja für sie ein Eingeständnis, dass Sie recht hätten. Das wird ihr bei ihrer ganzen Unsicherheit viel zu schwer fallen.

    Wollen Sie nicht so viel von ihr! Sie wird sich nur bevormundet und gemaßregelt fühlen. Seien Sie einfühlsam und verständnisvoll und appellieren Sie nicht an ihre Logik (wenn... dann). Versuchen Sie herauszufinden, was ihr guttut und noch Spaß macht und nur das zählt jetzt.

    Dies für den Augenblick.

    Ich hänge hier nochmal eine Notiz/Vers aus diesem Forum an, ohne mich zu erinnern, von wem es war. Ich hoffe, derjenige nimmt mir dies nicht übel. Hat mir zwischendurch immer wieder gut geholfen:

    "Wenn ich einmal dement werde...
    • soll mein Leben einfach und überschaubar sein. Es soll so sein, dass ich jeden Tag das gleiche mache, jeden Tag zur gleichen Zeit.
    • musst Du ruhig zu mir sprechen, damit ich keine Angst bekomme und nicht das Gefühl entsteht, dass Du böse mit mir bist. Du sollst mir immer erklären, was Du tust.
    • kann ich vielleicht nicht mehr mit Messer und Gabel essen, aber bestimmt sehr gut mit den Fingern.
    • und Panik bekomme dann bestimmt, weil ich an zwei Dinge gleichzeitig denken soll.
    • bin ich meistens leicht zu beruhigen; nicht mit Worten, sondern indem Du ganz ruhig neben mir sitzt und meine Hand ganz fest hältst.
    • verstehe ich nicht das Abstrakte, schwach formulierte, ich will sehen, spüren und begreifen, wovon Du sprichst.
    • habe ich das Gefühl, dass andere mich schwer verstehen und genauso ist es schwer für mich, andere zu verstehen. Mach Deine Stimme ganz leise und guck mich an, dann verstehe ich Dich am besten. Mache nur wenige Worte und einfache Sätze und versuche herauszufinden, ob ich alles verstanden habe. Guck mich an, berühre mich und lache, bevor Du mit mir sprichst. Vergiss nicht, dass ich oft vergesse.
    • habe ich oft keine Lust, spazieren zu gehen, aber ich weiß, dass es mir hinterher besser geht.
    • möchte ich gute Musik hören von damals, aber ich habe vergessen, welche. Lass sie uns zusammen hören, ich vermisse das. Ich mag auch gerne singen, aber nicht alleine.
    • dann ist da manchmal gar nichts, wenn ich begreifen soll, aber vielleicht begreife ich zwischendurch auch besser, als Du denkst.
    • Und wenn ich dement werde und sage, ich will nach Hause, dann antworte mir ernsthaft, damit ich merke, dass Du weißt, dass ich mich im Moment sehr unsicher fühle."

    Besten Gruß, Marge



    __________________________________________________ __________________
    Mein Steckbrief (Stand Jan 2011): Mutter (82) wurde betreut von Ehemann (82) und mir (Tochter 55), vollzeitberufstätig. Erste Hirnleistungsstörungen diagnostiziert in 1994. Im März 09 als "mittelschwere" Altersdemenz eingestuft. Medikamente in 2009: 1 x wöchentlich Imap-Spritze, morgens und abends eine Piracetam Tablette. Seit Jan 10: Axura 5 mg morgens. Mit Axura deutliche Verbesserung in Wahrnehmung und Wortfindung. Wir werden wieder mit unseren richtigen Namen angesprochen, auch wenn sie nicht weiß, wer wir sind. Sie formuliert ab und zu wieder ganze Sätze, wenn auch kurze. Seit März 10 wieder mehr Stimmungsschwankungen, Weinen, Angst. Es kommen Rückenschmerzen und dadurch eingeschränkte Beweglichkeit hinzu. Ab 23.03. Fentanyl-Pflaster. Am 28.03. 10 Tage Krankenhaus wegen starker Durchfälle. Ab 06.04. auf mehrmaliges Anraten des Neurologen auf die geronto-psych. Abtlg. Dort bekommt sie Solian. Am 20.04. Umzug in ein Seniorenheim. Weiterhin nur Solian (1/2 morgens und abends), nachts Pipamperonsaft (3 ml), sonst keine Medikamente.

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    • Re: wir wissen nicht mehr weiter


      Liebe Susa1000,
      wenn ich es richtig verstehe, haben die Medikamente bei Ihrer Mutter gut angeschlagen und beim Absetzen zwei mal vom selben Arzt fatale Folgen ausgelöst. Welche Medikamente hat sie denn wie lange bekommen?
      Was sagt der Hausarzt zu der Verschlechterung? Können Sie mit ihm reden? Will er vielleicht sein Budjet schonen? Die Demenzpräparate lässt man sich auch besser von Neurologen verschreiben, die haben ein anderes Budjet. Eventuell finden Sie einen Neurologen, der ins Haus kommt. Alle Unterlagen sollten vom bisherigen Arzt angefordert werden.
      Ich hoffe, man konnte Ihnen in der Gerontopsychatrie weiterhelfen.

      Was Marge schreibt, kann ich nur unterstreichen (es war mir selbst beim Lesen wie Balsam auf der Seele - vielen Dank, liebe Marge). Es ist aber auch für die Angehörigen ein langer Prozess des Lernens und Mitgehens. Ich versuche vor allem, mit meiner Mutter auf "Augenhöhe" zu kommen, sie nicht nur wie ein Kind zu behandeln (was leider manchmal - vorsichtig - notwendig ist), sondern auch wie eine lebenserfahrene Frau, von der ich viel gelernt habe. Ich war früher sehr beziehungslos zu ihr und musste erst herausfinden, was sie eigentlich für mich war und ist - und war selbst überrascht, dass ich viele wertschätzende Dinge gefunden habe. Ich wünsche Ihnen, dass Sie auch so Manches entdecken können, was Sie Ihrer Mutter zumindest gefühlsmäßig vermitteln können - ganz sicher wird sie es empfinden, denn die Gefühle sind oft besonders stark erhalten geblieben bei Demenzkranken.
      Ihnen viel Kraft.
      LG, Eva Franziska





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      Mein Steckbrief (Stand September 2010): Mutter, 86, betreut von mir (Tochter), 52, selbstständig. Keine weiteren Verwandten; Wohnen im selben Haus; Schweregrad: Anfang mittleres Stadium; Verstärkte Auffälligkeiten seit zirka 2006 nach Narkose wegen Arm-OP. Therapie nach Diagnose seit August 2009: Citalopram 20mg, Aricept 5mg, 2x/Woche Krankengymnastik wegen Gang-Ataxie; 1x/Woche tiergestützte Ergotherapie mit Hirnleistungstraining; 1x/Woche Begeitung bei kurzen Spaziergängen mit Gesprächaustausch (diese Dame begeleitet meine Mutter auch zur Physiotherapie und singt oft danach noch mit ihr). Ich versuche hauptsächlich mit Hilfe integrativer Validation (Nicole Richard) die Grundstimmung zu stabilisieren.

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      • Re: wir wissen nicht mehr weiter


        Hallo marge !!
        Bin durch Zufall auf diesen Bericht gestoßen .
        Ich betreue Demenzkranke Menschen ... dein Spruch / Vers habe ich mir sehr genau durchgelesen ...wunderbar , genau das richtige um Demnenz zu verstehen .

        Vielen Dank und herzliche Grüße
        EVA

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