Bin ganz neu hier im Forum, obwohl das Thema Demenz gar nicht neu für mich ist...
Vor ca. 3 Jahren wurde meine Mutter das erste Mal neurologisch auffällig, und zwar mit den typischen Anfangssymptomen Vergesslichkeit, Orientierungslosigkeit und Verwirrtheit.
Nach dem Gang zum Neurologen stand zunächst die Diagnose Parkinson im Raum, die aber nach ca. 6 Monaten verworfen wurde (war mir auch sehr suspekt...).
Sie kam zunehmend nicht mehr alleine zurecht (was sie natürlich nicht wahrhaben wollte) und es passierten immer öfter "seltsame" Dinge. Nachdem sie dann auch mehrfach von der Polizei aufgegriffen wurde und im Viertel umherirrte, konnte ich die Ärzte davon überzeugen, sie in die Gerontopsychiatrie einzuweisen, um eine fundierte Diagnose stellen zu können.
Gesagt, getan... nach langen 6 Wochen waren wri dann wesentlich schlauer. Ein absoluter Schock war die Diagnose Korsakov-Syndrom (alkoholbedingte Form der Demenz, fragt bitte nicht, wo ich bei anschließender Suche in ihrer Wohnung überall hochprozentigen Alkohol - und die passenden Fisherman's Friends fand!!!!) - zudem wurden Alzheimer und Morbus Biswanger diagnostiziert.
Ein Wunder, dass sie überhaupt noch alleine lebte zu diesem Zeitpunkt. Das war zum Jahreswechsel 2007 / 2008. Sie war zu diesem Zeitpunkt erst knapp 68 Jahre alt!!
Trotz der Empfehlung der Ärzte, sie in ein Pflegeheim zu bringen - entschied ich mich dafür, ihr so lange es irgendwie geht, ihr vertrautes Umfeld zu Hause zu lassen, und organisierte quasi ihr neues Leben im alten Leben! Herd abklemmen & sonstige Gefahrenquellen beseitigen, Pflegedienst morgens, fahrbarer Mittagstisch mittags, und ich abends. Jeden und jeden Tag...
Sie war glücklich, obwohl sie eigentlich nicht verstand, warum sich all diese Leute um sie sorgen - sie ist doch nicht krank!
Diese Fassade konnten wir noch ein knappes Jahr für sie aufrecht erhalten, dann zogen wir zum Jahreswechsel 2008 / 2009 in ein Pflegeheim ins Betreute Wohnen. Dort angekommen waren wir eigentlich schon wieder viel zu spät für diese Wohnform, da Mama wieder einen Schub hatte und mit der Situation überfordert waren. Obwohl wir ihr dort fast alle Möbel mitgenommen haben und sie sich auch wohl gefühlt hat, kam sie nicht mehr zurecht (was ich heute weiss). Ich hatte mir zwar Entlastung versprochen, doch war hier erst recht gefordert - immer noch war ich jeden Tag in der Pflicht, damit nichts passiert und sie alles hat, was sie braucht. Einmal war z. Bsp. eine Sicherung rausgesprungen und sie saß im Dunkeln. Da sie sich nicht mehr zu helfen wusste (trotz Schildern an der Wand und am Telefon...), irrte sie durchs Heim (ging aber nicht zu ihren Schwestern und konnte sich auch das Problem gar nicht merken!!) und über das angrenzende Gelände. Wäre ich an diesem Tag nicht gekommen, weiß ich nicht, was passiert wäre. An einem anderen Tag stopfte sie WIndeln in die Toilette und spülte ab. Da sich diese aber nicht abspülen ließen, spülte sie wieder, und wieder und wieder...
Leider war nicht gleich ein Zimmer auf der Demenzstation frei, und sie hatte noch mehrere Schübe.
Irgendwann hatte sie keinen Tag- / Nachtrhythmus mehr und lief Tag und Nacht (mal angezogen, mal nackt) über die ganze Station (auf der Suche nach Zigaretten). Wenn sie keine Schwester fand, ging sie einfach in die nächstgelegenen Zimmer. Wir versuchten alles, wie z. Bsp. ihr so viele Zigaretten zu geben, wie sie nachfragt (einmal waren wir bei 3 Schachteln) oder auf eine Schachtel zu reduzieren, oder ihr immer eine Zigarette zu geben, wenn sie kommt... alles!! Leider war die Neurologin gar keine Stütze, die meinte immer nur, das Personal müsse das halt in Griff bekommen.
Es war der reinste Alptraum - über Monate hatte ich fast täglich die Heimleitung oder Schwestern am Telefon, weil Mama bis zu 15 Mal nachts kam... Ein Zimmer war allerdings nicht frei.
Wieder kämpfte ich für einen stationären Aufenthalt, um die Medikamente umzustellen und den Tag- / Nachtrhythmus wieder herzustellen. Ende November war's dann soweit, Mama kam wieder in die Klinik.
Mir fiel ein ganzes Gebirge vom Herz - endlich war die ständige Angst, dass (ihr) was passiert, weg!
Kaum zu glauben, aber in der Klinik vergaß sie, dass sie raucht - nach sage und schreibe 52 Jahren Dauer-Kettenrauchen!!!
Und während ihres Klinikaufenthaltes wurde ein Zimmer auf der Demenzstation frei. Hier zog sie kurz vor Weihnachten ein.
Dass es ihr gut geht, kann ich nicht wirklich sagen...
Dort lebt jeder vor sich hin, Mama ist fast nicht in ihrem Zimmer, nimmt an nichts teil (Einzelgängerin war sie allerdings immer), und jedesmal wenn ich kommt, reißt sie die Arme in die Höhe, weil sie denkt, dass ich sie mitnehmen und jetzt endlich alles vorbei ist.
Ein Dialog ist überhaupt nicht mehr möglich - ich habe alles mögliche versucht, z. Bsp. Spiele, vorlesen etc. Das alles interessiert sie überhaupt nicht mehr. Das einzige, für was ich sie begeistern kann, ist, Fotos von ihr und Baby-/Kinderfotos von meinen Kids anzusehen. Darüber freut sie sich.
Heute habe ich erfahren, dass sie Melperon bekommt - die Schwester war ganz froh damit, dass sie nicht mehr den ganzen Tag den Gang hoch und runter läuft ;-(
Ich komme nach drei Jahren nun endlich wieder zu mir und kann mich wieder um meine eigene Familie kümmern. Trotzdem plagt mich der Gedanke, dass meine Mutter dort quasi "weggebeamt" wird!!!
Was denkt Ihr darüber?
Lieben Dank,
Petra
P.S.: Sorry für den laaaaangen Roman, aber es tat gut, mir das alles mal von der Seele zu schreiben ;-)
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