ich lese schon seit geraumer Zeit die interessanten und meist sehr bewegenden Beiträge im Forum.
Meine Mutter (90 Jahre) leidet wohl schon seit geraumer Zeit an Demenz. Da sie aber immer noch sehr mobil war, ist es meinem Bruder und seiner Familie erst einmal nicht so sehr aufgefallen. Meine Mutter wohnt im Hause meines Bruders. Sie hat dort eine eigene Wohnung im Nebenhaus, das auch von einigen Mietern bewohnt wird. Sie wird 1 x tgl. durch den Caritas-Pflegedienst betreut. Mein Bruder (66 Jahre und seit einigen Jahren in Rente) sowie meine Schwägerin (62 Jahre) kümmern sich um sie. Meine Schwägerin ist auch als "pflegende Person" eingetragen. Das ist auch so nach dem Tode meines Vaters vereinbart worden. Mein Bruder bekam damals das Haus überschrieben und meine Mutter hat lebenslanges Wohnrecht.
Ich selbst habe regelmäßigen Kontakt zu meinem Bruder und der ganzen Familie.
Das Verhältnis zu meiner Mutter gestaltet sich für alle etwas schwierig, da sie schon immer sehr eigensinnig und launisch war. Mein Vater, der schon mit 60 Jahren an einem Gehirntumor verstarb, bekam das leider auch oft zu spüren. Trotzdem versuchen wir alle mit ihr klarzukommen, was manchmal nicht so einfach war und auch noch ist. Mein Vater hat uns vor seinem Tod noch gebeten, dass wir uns um unsere Mutter kümmern sollen. Ich selbst bin ganztags berufstätig und komme abends auch immer recht spät nach Hause.
Meine Wohnung ist ca. 30 km von meiner Familie entfernt; unsere Kontakte sind meist telefonisch. Meine Schwägerin hat in all den Jahren einiges von ihrer Schwiegermutter einstecken müssen, aber trotzdem tut sie wirklich alles für meine Mutter. Sie kümmert sich um ihre Wäsche, besorgt die nötigen Sachen und putzt die Wohnung. Essen bekommt meine Mutter täglich über eine naheliegende Gaststätte, da ihr das Essen meiner Schwägerin nicht schmeckt. Man kann sagen, seit dem Tode meines Vaters (sie war damals so alt wie ich jetzt - 60 Jahre) hat meine Mutter aufgehört, sich selbst und ihren Haushalt zu versorgen. War sie früher schon immer krank oder nervlich fertig, so wurde das jetzt noch schlimmer. Die meiste Last lag und liegt bei meinem Bruder bzw. seiner Ehefrau. Interessanterweise wurde es mit ihr dann wieder besser, als sie altersmäßig eigentlich mehr abbauen sollte. Ich denke, es lag daran, dass ihr da erst richtig bewusst wurde, dass sie auf die Hilfe ihrer Kinder angewiesen ist.
Trotzdem tut mir speziell meine Schwägerin oftmals leid, da
es doch ab und zu immer wieder Bösartigkeiten von Seiten meiner Mutter gibt. Inzwischen hat aber meine Schwägerin sich gegenüber meiner Mutter verändert und läßt sich nicht mehr alles von ihr gefallen. Ich selbst bin froh, dass ich nicht in dem Haus wohne, sonst hätte ich mit Sicherheit des öfteren Auseinandersetzungen mit ihr.
Dies nur zur Info.
Als sich die ersten Auffälligkeiten bei meiner Mutter zeigten, haben wir dies aufgrund ihrer wechselnden Stimmung nicht so ernst genommen. Aber nachdem ich hier einige Berichte gelesen habe, wurde mir mehr und mehr klar, dass vieles auf meine Mutter zutrifft. So z.B. beschuldigte sie schon vor mind. 5 Jahren eine Familie, die in dem Teil des Hauses wohnt, wo sie auch lebt, sie hätten ihr Kleidungsstücke gestohlen. Das Zimmer hatte sie damals selbst dieser Familie zwecks Unterbringen von zusätzlichen Gegenständen zur Verfügung gestellt. Die aus Bangladesch kommende Familien lebt schon viele Jahre friedlich in dem Haus und hat sich auch immer um meine Mutter gekümmert, z.B. Lebensmittel eingekauft, Medikamente besorgt etc. damit mein Bruder auch einmal Urlaub machen konnte. Ich habe dann natürlich auch mehrmals in der Woche nach meiner Mutter geschaut. Meine Mutter hatte sich um den Sohn der Familie gekümmert, als dieser noch klein war. Dadurch wurde sie insgesamt wieder zugänglicher. Sie hatte endlich wieder eine Aufgabe. Für den kleinen Jungen war sie wie eine Oma und er nannte sie auch so.
Durch diesen Vorfall änderte sich dann alles: Der Junge kam verständlicherweise nicht mehr zu ihr. Meine Mutter versuchte damals sogar meinen Bruder unter Druck zu setzen, dass er der Familie die Wohnung kündigen solle, da sie nicht mit solchen "Verbrechern" unter einem Dach leben könne. Es gab damals sehr viel Ärger. Ich hatte auch versucht, auf meine Mutter einzuwirken.Leider ohne Erfolg. Sie wurde richtiggehend böse und einmal hat sie mir am Telefon den Hörer aufgeknallt. Für uns alle war ihr Verhalte nicht verständlich. Schließlich handelte sich doch nur um alte, längs abgetragene Kleidung meiner Mutter, die noch in einem Schrank sein sollte ???. Meine Mutter hatte diesen Schrank schon jahrelang nicht mehr aufgemacht, geschweige denn die alten Sachen angezogen, weil er sich im ehemaligen Schlafzimmer meiner Eltern im 1. Stock befand. Sie schläft schon lange im Erdgeschoss, da sie Probleme mit dem Treppensteigen hat. Aber irgendwann war sie wohl mal in diesem Zimmer (obwohl sie behauptete, sie könne kaum Treppen steigen !) und damit ging das Drama los.
Mittlerweile sind viele Jahre vergangen, die Familie wohnt immer noch im Haus meines Bruders, der Junge ist schon mind. 15 Jahre alt. Vor ca. 2 Jahren hat meine Mutter dann wie aus heiterem Himmel das Kriegsbeil begraben und beide Parteien können sich endlich wieder begrüßen und miteinander reden. Zum 90-järigen Geburtstag meiner Mutter letztes Jahr war sie auch eingeladen. Trotzdem hat der Junge das nicht vergessen und hält sich meiner Mutter gegenüber sehr zurück, was eigentlich völlig verständlich ist.
Dafür hat sie nun eine andere Mieterin, die auch schon sehr lange in dem Haus wohnt auf dem Kieker. Es handelt sich um eine alleinstehende Frau, die eigentlich sehr nett ist, aber leider ein Alkoholproblem hat. Dies störte meine Mutter auf einmal so sehr, dass sie die Frau beschimpfte und sich bei meinem Bruder beschwerte, sie würde ständig von ihr belästigt. Jahrelang hat sie das nicht interessiert ! Es geht dann noch weiter. Angeblich würde sie nachts betrunken im Flur (dort wohnt ja meine Mutter alleine; die anderen Mieter wohnen im 1. bzw. 2 Stock des Hauses) die Toilette aufsuchen und ihr das Toilettenpapier klauen. Die Toilette hat noch den Zugang durch den Flur, wie das früher in alten Häusern üblich war.
Auch Küche und Wohnzimmer sind über den Flur begehbar. Wir haben ihr gesagt, sie soll die Toilette abschließen, dann könne niemand mehr hinein. Das lehnte sie ab mit der Begründung, dass sie dann nachts Probleme hätte, rechtzeitig zum „Stillen Örtchen“ zu kommen. Bis heute besteht sie darauf, dass die Mieterin ihr das Toilettenpapier wegnehmen würde. Mittlerweile kommen noch andere Sachen dazu, z.B. schleichen nachts fremde Gestalten um ihr Fenster herum. Manchmal erzählte sie mir auch, dass Kinder im Hof spielen würden und dabei so laut wären, dass sie nicht schlafen könne. Ich habe dann immer zu ihr gesagt, sie würde das bestimmt nur träumen. Aber sie beharrt darauf, dass das so wäre und wollte sogar schon die Polizei holen. Mein Bruder hat das dann noch verhindern können. Alles Geschichten, wie sie hier schon von vielen Angehörigen geschildert wurden.
Sorry, für die lange Vorgeschichte, aber wenn man einmal am Schreiben ist, dann kommt wieder so vieles zum Vorschein.
Mittlerweile denke ich, das das angebliche Stehlen der Kleidung schon der Anfang der Krankheit war, oder ?????..
Inzwischen ist es so, dass meine Mutter keinen Arzt mehr möchte und auch die Infusionen, die sie früher immer bekam, will sie nicht mehr haben. Sie liest keine Zeitung mehr oder auch Illustrierten, kein Fernsehen und will niemanden um sich haben. Das letztere ist für uns nichts Besonderes, da sie schon immer kaum Kontakte zu Personen außerhalb der Familie wollte. Auch ihre engsten Bekannten will sie nicht mehr sehen. Von meiner Schwägerin habe ich gehört, dass sie die meiste Zeit tagsüber schläft und kaum aufsteht, nur wenn es unbedingt sein muss.
Dafür hat sie schon des öfteren nachts den Piepser ihres Notrufes betätigt und meinen Bruder aus dem Bett geholt. Dann hat sie Hunger und meine Schwägerin muss ihr mitten in der Nacht etwas zum Essen bringen. Zu Heiligabend war ich mit meinem Freund bei meinem Bruder. Vorher war ich mit meiner Nichte bei meiner Mutter. Sie lag im Bett und wollte erst gar nicht aufstehen. Ich habe sie aber dann doch soweit gebracht, dass sie aufstand. Wir haben uns auch ganz gut unterhalten. Klar, dass sie noch nicht so ganz bei der Sache war. Aber das Gespräch verlief recht gut. Dann plötzlich blickte sie meine Nichte an war völlig entgeistert und fragte sie wer sie sei und was sie hier wolle. sie kenne sie überhaupt nicht.
Nicole, meine Nichte war richtig geschockt. Ich sagte meiner Mutter: das ist doch Nicole, Dein Enkelkind. Was dass soll Nicole sein. Nein, das stimmt nicht. Sie sieht doch ganz anders aus. Außerdem wird sie nächstes Jahr 30 Jahre alt. Interessanterweise stimmte diese Aussage meiner Mutter wieder. Trotzdem war sie jetzt völlig durcheinander. Wir beschlossen dann, zu gehen und zum Abschied sagte sie zu mir, ich solle doch das nächste Mal meine Schwägerin mitbringen. Ich sagte zu ihr, Sara wohnt hier im Haus, sie kommt doch jeden Tag zu Dir und kümmert sich um Dich. Hier im Haus ??? meinte sie, ich weiß nicht was Du meinst. Wer soll das denn sein. Ich habe sie dann etwas beruhigt. Dann meinte sie noch, ich solle meinen Mann grüßen und er solle doch das nächste Mal mitkommen. Ich versuchte ihr kurz zu erklären, dass ich nicht verheiratet sei. Aber ich hatte den Eindruck, es kam alles nicht bei ihr an. Meine Nichte erzählte mir dann, dass sie gar nicht mehr so gerne zu ihr ginge, da die Oma sie das letzte Mal auch nicht erkannte und sie aus der Wohnung gewiesen habe.
Ich bin sehr froh, die vielen Berichte hier gelesen zu haben. Denn inzwischen denke ich, dass wir uns meiner Mutter gegenüber doch anders verhalten müssen. Durch meine Versuche, ihr zu erklären, dass sie sich irre, habe ich sie vermutlich noch mehr durcheinander gebracht. Aber das ist leider nicht so einfach, vor allen Dingen für meinen Bruder, Schwägerin und deren Tochter, die tagtäglich mit meiner Mutter umgehen.
Ich hatte Anfang des Jahres mit meiner Schwägerin vereinbart, dass der Hausarzt meine Mutter besuchen solle und gehofft, dass dieser sie einmal richtig untersucht. Da sie erkältet ist und einen hartnäckigen Husten hat, ließ sie es auch zu.
Meine Schwägerin unterhielt sich dann auch mit ihm und fragte, ob er meiner Mutter etwas wegen ihrer Demenz verschreiben könne. Der Arzt sagte nicht viel, nur dass er von diesen neuartigen Medikamenten nicht viel halte und diese nach seiner Erfahrung nicht helfen würden. Dann ging er wieder.
Als ich gestern mit meiner Schwägerin telefonierte, erzählte sie mir, was der Arzt zu ihr gesagt hat.
Ich muss sagen, mich hat diese Aussage richtig wütend gemacht. Ich frage mich, warum der Arzt nicht wenigstens versuchsweise ein Medikament verschreibt.
Oder hat ein Mensch, nur weil er inzwischen 90 Jahre alt ist kein Recht, den Rest seines Lebens doch noch einigermaßen gesund und bei vollem Bewusstsein zu erleben.
Oder bringen Medikamente in diesem Alter nicht mehr viel?
Dann meine ich aber, hätte ein Arzt die Verpflichtung, den Angehörigen auch eine ausreichende Begründung für sein Handeln zu geben.
Was können wir nun tun ? Einen anderen Arzt suchen, ist ziemlich schwierig, da meine Mutter ja kaum einen Arzt erlaubt.
Ich habe eigentlich nur positives über die Medikamente gelesen, auch hier im Forum.
Kann mir hier jemand einen Rat geben, was wir tun können ? Denn mit Sicherheit wird der Zustand meiner Mutter in nächster Zeit nicht besser. Mein Bruder möchte auch nicht unbedingt, dass sie die letzten Jahre noch in einem Heim verbringen soll und ich denke auch so.
Danke für Euer Verständnis für meine lange Geschichte
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