#}
  • Sie können sich hier registrieren, um Beiträge zu schreiben. Registrierte Nutzer können sich oben rechts anmelden.

Dem Demenzkranken positives vermitteln?

Einklappen
X
 
  • Filter
  • Zeit
  • Anzeigen
Alles löschen
neue Beiträge

  • Dem Demenzkranken positives vermitteln?

    Meine Mutter ist in dem Stadium, wo sie ihre Vergesslichkeiten und Unfähigkeiten (mittlere Demenz) wahrnimmt und darunter leidet.
    Wir haben zwar über Demenz gesprochen, aber sie will es verdrängen. Sie fragt "was ist nur los mit mir", "ich muss mich zusammenreissen, dann wirds schon wieder...", "ich will wieder so wie früher werden". Ich leide so mit ihr, wenn es ihr am Telefon nicht mehr gelingt, einen Termin aufzuschreiben, und sie merkt es ja selbst mit zunehmender Verzweiflung.

    Meine Frage: Wie kann man dem Demenzkranken etwas positives vermitteln? Was kann man ihm positives für die Zukunft in Aussicht stellen (gibts das überhaupt), was kann man ihm konstruktives sagen, wie er mit seiner Krankheit umgehen kann? Wie "erklärt" man ihm die Krankheit und ihren Verlauf am besten?

    Ich sehe nicht viel Sinn darin, meiner Mutter die harte Realität nahezubringen, da verliert sie ja jeglichen Lebensmut. Wie schafft man den Balancegang, aktiv mit dem Betroffenen über seine Krankheit zu sprechen und trotzdem nicht zu depremieren?

    Ich hab zwar einiges gelesen, aber wir wissen erst seit einigen Monaten von der Demenz, es ist also alles noch recht neu für mich.

    Vielen Dank für hilfreiche Tips oder Erfahrungen!!


  • Re: Dem Demenzkranken positives vermitteln?


    Hi Jolulli,

    Sie können sich über den Verlauf der Demenz bei meinen Vater erkundigen, den ich hier grob gerastert wiedergeben habe:

    http://forum2.onmeda.de/read.html?26...96#msg-1382896

    M.E. befindet sich Ihre Mutter nicht im sog. mittleren Stadium der Demenz sondern noch im Anfangsstadium. Im mittleren Stadium fehlt dem Kranken meist völlig die Krankheitseinsicht. Ihre Mutter hat m.E. diese Einsicht, will sie aber nicht wahr haben.

    Ich habe damals bei meinem Vater den Fehler gemacht, auf bald verfügbare gute Medikamente zu vertrauen und alles bagatellisiert. Dadurch wurde das Abfassen einer von Vater noch selbst zu erstellenden Vorsorgevollmacht versäumt, so dass wir später die gerichtliche Betreuung durch Mutter einrichten mußten. D.h., aus meiner Erfahrung heraus ist es falsch, den Patienten was vorzumachen.

    Selbstversändluch muss man sehr behutsam vorgehen. Diese Krankheit (v.a. wenn es Alzheimer sein könnte) verläuft weder schnell noch führt sie direkt zum Tode. So kann man auf die Jahre verweísen, die man mit sog. Antdementiva - das sind mildernde Medikamente, die schlimmere Symptome ca. 2 Jahre (manchmal auch länger) aufhalten können - verbringt und in denen man (mit Begleitung) noch vieles erleben kann.

    Es gibt im Internet Seiten z.B. von der Deutschen Alzheimergesellschaft, die viele Tipps bereithalten udn es gibt Selbsthilfegruppen, usw.

    Demenz ist mittlerweile leider so verbreitet, dass man sie schon als Volkskrankheit bezeichnen kann. An ihr litten und leiden groß und klein - Herbert Wehner, Helmut Schön, Ernst Albrecht, Walter Jens, Königin Juliane der Niederlande, Ronald Reagan, Peter Falk, Charlton Heston, Helmut Zacharias, Charles Bronson, Rita Hayworth, Immanuel Kant, Friedrich Nietzsche und viele mehr.

    Fst jeden, mit dem ich spreche - vom Taxifahrer bis zum promovierten Wissenschaftler - kennt unter den Angehörigen oder nahen Bekannten einen Menschen mit dieser Krankheit - man ist wahrlich nicht alleine damit.

    Bitte informieren Sie sich auch über Validation. Das ist eine von Naomi Feil entwickelte Methode, mit Demenzkranken zu kommunizieren. Vor allem in späteren Stadien mit nachlassender Krankheiteinsicht ist es nach diesr Methode wichtig, zu lernen, "in den Schuhen des Kranken zu gehen", d.h. sich ihm anzupassen, denn er kann sich unserer Welt dann nicht mehr anpassen.

    Und vor allem lesen Sie bitte dieses hier (anklicken):

    http://forum2.onmeda.de/read.html?26...18#msg-1639618

    http://forum2.onmeda.de/read.html?26...46#msg-1640446


    Viel Erfolg und viel Kraft
    wünscht
    Egon-Martin

    Kommentar


    • Re: Dem Demenzkranken positives vermitteln?


      Hi Egon-Martin,

      ich habe die Links gelesen und auch Ihre persönliche Geschichte (zunächst bis Februar und den letzten Beitrag). Mir wird einmal mehr bewusst, was noch auf uns zukommt.

      Meine Mutter wurde in Demenztests auf mittelschwer diagnostiziert. Da sie sich schon lange in ihre kleine Welt zurückgezogen hat, klappen alltägliche Dinge dennoch verhältnismässig gut. Ich lebe seit 9 Jahren in Schweden und habe deshalb alles nur mit einer gewissen Zeitverzögerung mitbekommen. Doch schon vor 2-3 Jahren hat meine Mutter eine (hab ich gelesen) oft mit einer späteren Demenz einhergehende Depressionen gehabt und sich danach noch mehr zurückgezogen. Im April kam die Diagnose und das Gesundheitsamt wurde eingeschaltet.
      Im August habe ich dann bei meinem Besuch einen Rundumschlag gemacht - MDK-Termin (=Pflegestufe 0, sie kann noch zuviel), tägliche Medikamentengabe (Macromar) und jetzt auch Axura durch Diakonie, tägliche Mittagessendienste der Diakonie, Gehirn-CT, Patienten- und Vorsorgevollmacht (Kontozugang) veranlasst.

      Meine Mutter kann sich meist an kurz zurückliegende Dinge (auch des gleichen Tages) nicht mehr erinnern. Sie sagt anderen, sie hört selten was von mir, dabei rufe ich jeden 2.-3. Tag an. Es gelingt ihr nur schwer, einen Termin im Kalender zu finden und zu notieren. Sie verlegt alles. Kann normale Worte nicht mehr schreiben. Kann aufgeschriebene Notizen oft nicht mehr verstehen. Aber, sie irrt nicht draussen in der Gegend rum, kann noch in einen Supermarkt gehen (auch wenn sie vergisst, was sie kaufen wollte), kann sich wohl noch waschen, kleidet sich gepflegt (wenn auch tagelang dasgleiche hintereinander), die Wohnung ist in Ordnung .... also, gewissermassen sind wir noch am Anfang, trotz "mittelschwer".

      Wir reden immer nur von der "Vergesslichkeit" (nicht dem schlimmen Wort Demenz). Es scheint, als hätte sie ihr Leben lang noch nichts davon gehört, und dass Demenz auch andere haben.

      Sie ist manchmal so traurig, und so enttäuscht von sich selbst, sie fühlt sich so unfähig (sie war nie selbstbewusst). Dann fragt sie mich, was sie denn dagegen tun könnte? Dass es wieder so wird wie früher, dass die Frau zum Mittagessen nicht mehr kommen muss, die kostet doch sicher Geld...und wieso denn alles so anders geworden ist.

      Ich wünschte in diesen Momenten, ich könnte etwas "gutes" sagen, nichts vormachen und bagatellisieren, gern Wege aufzeigen zu einem konstruktiven Umgang mit der Krankheit (gibts das überhaupt...).

      Wie kann ich ihr helfen, zu verstehen, was das für eine Krankheit ist, dass es nicht mehr besser wird, dass sie vielleicht eher früher als später in ein (so abgelehntes) Pflegeheim umziehen sollte, und dennoch aufzeigen, dass es noch lebenswertes in der Zukunft gibt?
      Kann ein Mensch, der verstanden hat, dass seine Gehirnzellen ständig mehr und mehr absterben, noch einen Sinn im Leben sehen - das frage ich mich.(nicht wissend, ob meine Mutter das Zellensterben überhaupt noch verstehen könnte)

      jolulli

      Kommentar


      • Re: Dem Demenzkranken positives vermitteln?


        Hi Jolulli,

        das Pflegeheim scheint bei Ihrer Mutter noch in weiter Ferne zu liegen. Falls möglich, würde ich eher eine gute Wohngemeinschaft bzw. Wohngruppe wählen (gibt es leider nicht am Ort meiner Eltern). Da würde ich an Ihrer Stelle jetzt schon mal suchen, denn eine frühe Integration in einer geeigneten Wohngemeinschaft würde m.E. Ihrer Mutter sehr helfen weil dort die Menschen in allerlei Tätigkeiten eingebunden werden, Spiele veranstalten, kleine Feiern, usw.

        Meine Großmutter mütterlicherseits litt ebenfalls an einer Demenz (sie wurde fast 93 Jahre alt). Von ihrer Krankheit weiß ich leider nicht viel, aber sie verlief wohl milder (nur sehr wenig Weglauftendenzen, usw.) als die meines Vaters. Bei Männern, die ein Leben lang in außerhäusliche Pflichten eingespannt waren, kommen sog. Weglauftendenzen m.E. natürlicherweise häufiger vor als bei Frauen, die noch in ihrer traditionellen Rolle als Hausfrau gelebt haben. Es muss also keineswegs alles das auf Sie zukommen, was Mutter und ich mit meinem Vater erleben. Die Krankheitsverläufe sind auch im Detail individuell verschieden. Schwere Aggressionen dürften bei Damen auch sehr viel seltener vorkommen als bei Herren, da Männer ein ausgeprägtes „Aggressionszentrum“ in ihren Gehirnen haben, Frauen jedoch nicht (bei Männern: nucleus präopticus medialis im sog. Hypothalamus – sehr viele Testosteronrezeptoren).

        Da Sie vorbildhaft schon die wichtigsten bürokratischen Angelegenheiten geregelt haben bzw. noch regeln, sollten Sie jetzt das Thema „Demenz“ in Gegenwart Ihrer Mutter meiden, was Sie ja auch schon tun. Das Wort „Vergesslichkeit“ würde ich dann auch meiden und eher die noch vielfältigen Fähigkeiten loben, weil dieses das Selbstwertgefühl stärkt. Und jetzt können Sie auch etwas bagatellisieren. Sagen Sie Ihrer Mutter, wenn das Gespräch wieder mal auf die Vergesslichkeit kommt, dass an bedeutenden Kliniken und in den Laboren der Pharmaindustrie mit Hochdruck an Medikamenten und Therapien gearbeitet wird – was ja auch stimmt, denn der Durchbruch wird Milliarden Euro bringen und die Pflegekassen enorm entlasten. Sagen Sie Ihr, dass in vielleicht schon einem Jahr die Lösung gefunden sein wird und Ihre Mutter dann davon noch profitieren kann. Sagen Sie Ihr, dass v.a. die Gentherapie an Zellerneuerungen und Reparaturmöglichkeiten arbeitet – viel besser als gewisse Hautcremes, die ja auch eine gewisse Wirkung auf die alternde Haut haben. Das erweckt Hoffnungen. Bis dahin können mit grünem Tee, Currygerichten, reine Galactose (leider teuer), Gingko, cholesterinarmes Essen, Meidung sog. Genussgifte, viel Bewegung in sauberer frischer Luft, usw. Zellschutzmechanismen aktiviert werden. Ab und an eine niedrigdosierte Ibuprofentablette (z.B. 200 mg) oder etwas ASS (z.B. 100 mg) können u.U. auch helfen – bitte dieses aber nur in Absprache mit dem behandelnden Arzt. Das zuletzt genannte (Tee, Curry, Galactose, usw.) ist zwar umstritten, kann aber den Patienten vielleicht zusätzlich beruhigen weil es eine selektive Wahrnehmung erzeugen kann mit der Erwartungshaltung, banales Gelingen von Tätigkeiten verstärkt positiv wahrzunehmen.

        Ihre Mutter wird irgendwann den Punkt erreichen, an dem sie Ihre Krankheitseinsicht immer mehr verliert. Das kann für sie eine gewisse Erleichterung sein, aber v.a. für die Angehörigen wird es dann oft leider schwerer. Wichtig sind rechtzeitige Sicherheitsmaßnahmen, die ein evtl. vorhandenes Auto, den Gas- oder E-Herd betreffen, usw. Mein Vater durfte gemäß Hausarzt in Begleitung noch relativ lange Auto fahren, allerdings nur im Nahbereich in der Provinz, in der meine Eltern leben (relativ verkehrsarm im Vergleich zu einer Großstadt).

        Vater hat auch noch bis vor ca. einem halben Jahr mit Mutter an gesellschaftlichen Veranstaltungen teilgenommen wie Tagesfahrten eines Vereins, Gemeindeveranstaltungen und Stadtfeste. Derlei ist m.E. wichtig – eine Isolation dagegen falsch.

        Die Sinnfrage ist wie immer die schwerste. Ich grüble selber oft darüber und schwanke zwischen verschiedenen Modellen hin und her. Vielleicht geht es so: Unser aller Leben besteht nur aus einem Teil bewusster Wahrnehmung und vernünftigen Denkens. Viel Zeit verschlafen wir, viele Routinen sind uns kaum noch bewusst. Und wenn wir dann noch die wirklich glücklichen Momente zusammenzählen, ist das Ergebnis eines Lebens oft mager. Dennoch machen wir weiter, sind – sofern gesund – unerschütterlich in unserem Lebensablauf eingebunden. Das liegt an einem kaum ausdrückbaren Gefühl einer großen Verbundenheit jedes Einzelnen mit Allem. Jeder, auch die letzte scheinbar völlig unbedeutende Randexistenz, spielt ihre Rolle in dem Weltendrama der Evolution. Den Gesamtzusammenhang erfassen wir nicht, weil unsere Gehirne dazu nicht in der Lage sind. Aber wir wissen, dass es noch viel mehr gibt, als wir je werden erforschen können. Was weiß denn ein Schimpanse von Goethes Faust? Für ihn ist selbst der Mond nur ein heller Fleck am Nachthimmel. Seine Welt – obwohl immens größer als die eines Huhns oder gar einer Zecke, ist gegenüber unserer beschränkt. Es wäre daher m.E. törichter anthropozentrischer Mittelpunktswahn, zu behaupten, wir könnten alles erklären, denn wir sind mit Sicherheit nicht der Endpunkt, das Höchste, was sich bisher entwickelt hat. Welt ist viel mehr, als das, was wir erkennen können. Wir leben nur in einem Bild von Welt, das unsere Gehirne aus der viel größeren Welt rekonstruieren und nicht in der Welt an sich. Es mag sein, dass es Wesen gibt oder eines Tages geben wird, die einen viel tieferen Einblick in die Welt haben als wir – für die wir dann nicht viel mehr als Schimpansen sind. Diese könnten vielleicht einmal eine Technologie hervorbringen, welches alles simulieren kann. In jener Allsimulation könnten auch wir dann wieder erscheinen – hoffentlich bereinigt von aller Störanfälligkeit und Triebhaftigkeit – als freie Wesen. Auferstehung muss keine biblische Fiktion sein – sie ist prinzipiell schon jetzt denkmöglich durch Komplettrekonstruktion aller Informationen, die ein Individuum ausmachen; denn alle Informationen könnten ihre Feldmuster via elektromagnetische Strahlung (sogar kohärent als Biophotonen und daher kaum auslöschbar) in das Universum ausgesendet haben. Man muss sie nur zurückholen. Aber vielleicht werden sie ja irgendwo bereits gespeichert. Wie auch immer: Nichts geht wirklich verloren und alles ist mit allem verwoben. Eine Physik, die von absolut getrennten Dingen ausgeht, ist von gestern.

        Aber man kann das Problem auch anders angehen – sogar viel tiefsinniger als durch an Science Fiction erinnernde Gedanken. Dazu aber müssen wir den Blick nach innen richten und versuchen, unser Ich zu finden. Den Blick nach innen gerichtet, werden wir es aber nicht finden – und außen auch nicht. Was wir finden, sind viele Vorgänge, z.B. den dauernden Gedankenfluss. Alles ist in Bewegung. Fragen wir „wer bin ich?“, so können wir nacheinander feststellen, was wir alles nicht sind. Wir sind z.B. nicht einmal unsere Organe, denn diese können transplantiert sein. Auch unser Name sind wir nicht, denn wir könnten jeden beliebigen Namen oder gar keine Namen tragen und wären doch da. Dieses konsequent zuende geführt, geleitet uns zu einem Punkt, in dem das Ich in einem unterblichen Bewusstsein ohne Namen und Eigenschaften aufgeht wenn erkannt wurde, was wir alles nicht sind. Wenn wir alles abtrennen, was nach dem „Ich bin...“ kommt, bleibt das „Ich bin“. Wenn aber nach dem „bin“ nichts mehr kommt, geht das Ich in allem auf. Solche Gedanken entstammen indischen Weisen, man findet sie aber auch schon sehr früh in der Bibel, als Gott sich dem Mose mit „Ich bin“ vorstellt. Vielleicht kann man ja auf diese Art langsam das Loslassen erlernen. Denn dieses Loslassen wird eines Tages von uns allen verlangt – ohne Ausnahme.

        Weiterhin viel Erfolg und Kraft – Sie werden das alles richtig machen – das habe ich im Gefühl!

        Gruß
        Egon-Martin

        Kommentar


        Lädt...
        X