anbei eine niederschrift über meine bisherigen pflegeerfahrungen seit 1999. ein austausch könnte vielleicht zu ergänzungen oder änderungen führen, die eine verbesserung der eigenen
pflegearbeit bringen.
4.6.07 karolus
Bericht über den Umgang und der Situation eines
Zusammenlebens mit einem an Morbus Alzheimer erkrankten Menschen.
In den meisten Veröffentlichungen über den Verlauf dieser Krankheit und über die Belastung für die pflegenden Personen wird der Aufbau einer neuen Beziehung zwischen den Beteiligten, die Gegebenheiten berücksichtigt, kaum eingegangen.
Aus einer mehrjährigen Erfahrung heraus ( 1999 bis 2006 ) schildert der nachstehende Bericht, wie es in dem hier dargestellten Krankheitsverlauf zu einem anderen Zusammenleben kam, als so oft dargestellt.
1. Diagnosestellung:
Die Zunahme von Orientierungsschwierigkeiten macht die Klärung über die Art der Erkrankung bzw. Sicherung der Diagnose einer Demenz notwendig.
Da die Orientierungsschwierigkeit bei den angewandten Kurzzeittests keine ausreichende Aussage brachte, mussten mehrere Ärzte und Kliniken konsultiert werden. Erst im Rahmen einer umfangreichen Untersuchung in der Uni-Klinik Köln konnten die Ärzte sich auf die Diagnose einer Demenz vom Alzheimer-Typ festlegen. Dies führte dann zum sofortigen Beginn einer Medikation.
Bei keinem Arzt bekamen wir jedoch einen Hinweis, wie der zukünftige Lebensablauf zu gestalten ist.
2. Verarbeitung der Diagnose
Bei einem Gespräch zwischen der Patientin und den Angehörigen wurde die auf sie zukommende Notwendigkeit einer neuen Lebensgestaltung erörtert. Das war nur möglich durch wohlwollendes Entgegenkommen und unter beidseitiger Akzeptanz dieser neuen Lebenssituation. Diese Gemeinsamkeit war die Voraussetzung für das nun notwendige Helfen und sich Helfen lassen. Dabei sollte auch das nähere Umfeld unbedingt mit einbezogen werden.
3. Alltag:
So wurde der „neue“ Alltag zu unserem normalen Leben, das auch von der Familie und den Freunden voll akzeptiert wurde.
Wurde bemerkt, dass die Patientin im Tagesablauf irgendwelche Schwierigkeiten hatte, dann wurde sie gefragt, ob geholfen werden darf. Eine Ablehnung wurde respektiert. So konnte die Patientin selbst über die Gestaltung und den Ablauf ihres Alltags entscheiden. Dieses System wird seit 1999 beibehalten und führte bislang zu einem guten Erhalt des Selbstbewusstseins der Patientin. Wenn Stimmungstiefs auftraten, wurden diese sofort besprochen und beraten, wie die neu aufgekommenen Probleme zu lösen sind. Dabei zeigte sich immer wieder, dass ein enger persönlicher
Kontakt mit Vertrautheit, liebevoller Hinwendung und Achtung der Persönlichkeit sehr wichtig ist.
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Mit fortschreitender Erkrankung nahmen auch die Krankheitssymptome zu. So verringerte sich das Erkennen der Umwelt, wobei Dinge des Alltags, Ort, Zeit, Gegenstände und Personen immer schwieriger eingeordnet werden konnten. Durch Nennung der Dinge und Erklärungen wurde über das noch gut funktionierende Langzeitgedächtnis meist alles wieder gegenwärtig und handhabbar. Damit konnte auch der persönliche Kontakt mit der Umwelt erhalten werden.
Der noch lange gute Erhalt des prozeduralen Gedächtnisses erleichterte den Alltag wesentlich bei Essen und Trinken, der Morgen- und Abendtoilette und weiteren Verrichtungen im täglichen Ablauf. Dabei ist m. E. von besonderer Bedeutung, dass die dabei erforderlichen Hilfestellungen diskret und immer mit der Zustimmung der Patientin erfolgten.
Diese immer respektvolle Art bei der notwendigen Hilfe dient dem Erhalt der Persönlichkeit der kranken Person. Hierbei zeigt sich immer wieder, dass trotz des Verlustes des Kurzzeitgedächtnisses eine geduldige Wiederholung mit Erklärungen und beschreiben der aktuellen Situation meist zu den gewünschten Reaktionen der Patientin führt.
4. Kommunikation
Bei einem solchen Umgang fühlt die Kranke sich verstanden und akzeptiert, sodass sie die ihr gegebenen Hilfeleistungen immer wieder dankbar anerkennt und sich geborgen fühlt.
Auf alle Fälle ist auch der körperliche Kontakt, auch in Verbindung mit einer gemeinsamen Ruhepause, sehr wichtig für das Wohlbefinden der Kranken.
Eine wertvolle und fördernde Ergänzung der reinen Versorgung ist die weitgehende Beibehaltung liebgewordener Freizeitgestaltung wie gemeinsames Musizieren, Singen oder durch Vorlesen interessanter täglicher Nachrichten oder Vorlesen leicht verständlicher Geschichten, aber auch sportliche Betätigungen und ein gewisses Maß „Wellness“ hilft das Wohlbefinden zu fördern und die noch vorhandenen geistigen Aktivitäten zu erhalten, die den gemeinsamen Alltag erleichtern. Das gilt auch für die weitestgehende Erhaltung der sozialen Kontakte und die Gespräche mit Gästen. Hierbei erfuhren wir immer wieder, dass die Anzahl der Personen begrenzt sein sollte, da mehrere gleichzeitig laufende Unterhaltungen der Gäste untereinander nicht mehr ausreichend aufgenommen werden können und dann oft verwirren.
Auffallend ist, dass es beim Besuch weniger bekannter oder gar fremder Orte es bei der Patientin zunehmend zumeist erheblichen Stresssituationen kommt, da eine Einordnung über das Langzeitgedächtnis dann nicht mehr möglich ist.
In bekannter Umgebung scheint jedoch unterschwellig noch eine Vertrautheit mit Räumlichkeiten zu bleiben, auch wenn das Erkennen der Umgebung und auch einzelner Gegenstände nicht mehr möglich scheint. So muss z.B. der Weg zur Toilette immer wieder neu gezeigt werden, was nachts natürlich eine zusätzliche Belastung ist.
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5. Schlußfolgerung
Für eine bleibende normale Kommunikation und ein gutes
Zusammenleben mit an Morbus Alzheimer erkrankten Menschen ist
es sehr wichtig, dass diese ihr Selbstbewusstsein und das Bewusstsein der Selbstwirksamkeit so lange wie möglich erhalten bleibt. So können sie noch weitestgehend eine gewissen Kontrolle über sich selbst und oft auch ihre vegetativen Funktionen erhalten, was den Umgang im Alltag wesentlich erleichtert.
Nicht außer acht lassen sollte man natürlich die Beibehaltung der Medikation (siehe unten), die m. E. von Anfang an für den von uns als gut eingeschätzten Verlauf der Krankheit einen wichtigen Beitrag geleistet hat.
ab 1999: Donepezil 10 mg/d
Pyritinol 600 mg/d
Liponsäure 600 mg/d abgesetzt 03.2006
Folsäure 15 mg/d
Vitamin E 600 mg/d
Lachsöl 1,5 g/d
Ab 2000 Memantin 20 mg/d
Nachtrag:
Es ist für mich verwunderlich, dass sich für die oben geschilderten Ergebnisse weder ein Arzt, der Hersteller des Medikamentes Pyritinol noch andere Institutionen Interesse zeigen und an mich zu einer Kontaktaufnahme herangetreten sind. Dabei wird z.B. in Selbsthilfegruppen der Verlust der Kommunikationsfähigkeit des Erkrankten als besonders belastend geschildert. Es entsteht immer mehr bei mir der Eindruck, dass die Lebensqualität des Erkrankten und seiner Betreuer nur unter kommerziellen Gesichtspunkten betrachtet wird.
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